Kapitel 7: ...und viel Blut wird die Erde tränken.
Karboda 08.05.2001 07:23 Uhr
Am nächsten Morgen kehrten Mattscho und Scully mit einem halben Dutzend
Guerilleros zurück. Nach einer kurzen Begrüßung wurden alle
Söldner ins Hauptquartier gerufen, wo ein großer Teller mit Sandwichs
auf die hungrigen Leute wartete. Während sie aßen berichtete Mattscho
über seine Arbeit.
"Also zum Status der Basis, ich hab die Angriffsfahrzeuge überprüft,
jedes der Maschinengewehre ist mit 1000 Schuss geladen und die Fahrzeuge sind
komplett aufgetankt. Danach sind wir beide, Scully und ich mit den Rebellen
nach draußen gefahren, um die Sicherheit der Basis zu überprüfen.
Um diese ist es eher schlecht gestellt. Die Stellung an der Schlucht beim Eingang
ist Müll, da muss komplett neu gegraben werden, dort will ich das HK21E
hinhaben. An den Berghängen habe ich zwei Sniperstellungen ausgesucht,
von wo wir angreifende Gegner frontal beschießen können. Auch müssen
wir einige weitere Beobachtungsposten in der Umgebung ansiedeln, um bei einem
Angriff frühzeitig gewarnt zu werden," er nahm eine Karte hervor und
zeigte auf verschiedene Punkte, "hier, hier und hier jeweils eine Zweimannstellung
mit Funk die uns warnen können. Dann hier," er zeigte auf einen anderen
Punkt, "und hier zwei Scharfschützenteams im Falle eines Angriffs,
sowie hier und hier zwei Bazookastellungen, falls die Gegner mit schwerem Geschütz
kommen. Ich schlage vor, dass wir das so schnell wie möglich tun, da unsere
Sicherheit zur Zeit ziemlich gering ist. General, weisen sie ihre Männer
an hier am Eingang die Stellung zu graben, 150 cm tief, und eine feste Sandsackbarriere
davor sowie ein getarntes Dach, damit man die Stellung nicht sofort erkennt.
Ich werde die Arbeit beaufsichtigen und brauche dafür ein halbes Dutzend
Männer, schickt dann die weiteren Posten auf ihre Stellungen. Das wäre
alles."
Als er geendet hatte, gab der General sofort die nötigen Befehle, Phoenix
ging Longrifle besuchen, dem es bereits weitaus besser ging. Er ließ sich
von seinem Schüler den neuesten Stand ihres Krieges berichten, denn es
war Krieg den sie jetzt hier führten. Krieg, Hassobjekt aller normalen
Menschen, so glaubten diese jedenfalls, und Lebensunterhalt der Söldner,
ihr tägliches Brot, so wie andere Menschen täglich den Zug zur Arbeit
nahmen, schulterten sie täglich ihre Waffe. So wie andere Menschen täglich
ihrer Arbeit nachgingen so zerstörten sie täglich menschliches Leben.
Von Moral war den meisten nicht mehr viel geblieben, denn Gefühle waren
hier eine Last, bedeuteten sogar manchmal den Tod. Routine? Routine war tödlich.
Mitgefühl? Mitgefühl war noch tödlicher. Zögern? Zögern
war ebenso tödlich, genau wie Unaufmerksamkeit, Dummheit! Hass und Grausamkeit
retteten ihnen täglich das Leben. Sie waren abgestumpft! Wer einmal die
Wirkung einer Granate gesehen hat, verliert einen Teil seiner Gefühle.
Und mit jedem Toten verloren sie einen weiteren Teil der Gefühle, bis sie
leer waren bis nichts mehr da war. Nur noch leere Hülsen, in denen grausame
gefährliche Killermaschinen lauerten ohne Moral ohne Gefühl. Das waren
sie, nichts mehr und nichts weniger. Wer gab ihnen das Recht so zu sein, das
zu tun? Wer machte solche Menschen wie sie? Wie kam es zustande dass die zivilisierte
Menschheit solche Geschöpfe der Grausamkeit zuließ? Und auf diese
Fragen gab es nur eine Antwort. Es lag im Blut der Menschen Krieg zu führen,
grausam zu sein, immer mehr Macht zu wollen und das alles nur um seine Gene
weiterzugeben, das war das schlussendliche Ziel all dieser Gewalt. Seinen Nachkommen
so viel Macht wie möglich zu geben damit diese die besten Überlebenschancen
hatten und so auch sie die Gene weitergeben konnten. Und deshalb gab es Krieg,
und Krieg bedeutete Soldaten, in ihrem Fall Söldner, und da kamen sie ins
Spiel. Schlussendlich waren sie nur hier, damit machthungrige Menschen ihre
Gene weitergeben konnten. Der Urinstinkt des Menschen hatte sie geschaffen und
nichts, gar nichts würde das jemals ändern können. Es würde
immer solche geben wie sie. Nichts konnte sie ausrotten, denn nichts konnte
den ersten aller Urinstinkte auslöschen. Ein schlauer Mann sagte einmal:
Kriege sind die Wunden dieser Welt,
Söldner sind das Salz in diesen Wunden...
Dieser Tag war geprägt von den Arbeiten an den Verteidigungsstellungen.
Phoenix besuchte Mattscho am Nachmittag um sich mit ihm zu unterhalten. Jetzt
wo Longrifle ausgefallen war, wollte Phoenix Mattscho seinen Plan zeigen. Er
hatte am Morgen einige Skizzen von der Hauptbasis gezeichnet.
"Welche Strategie schlägst du vor?" fragte Phoenix den älteren
und größeren Söldner.
"Ein Frontalangriff wäre wohl nicht zu empfehlen, wir müssen
uns in mehrere Glieder aufteilen um dann mit verschiedenen Trupps anzugreifen.
Zuerst ein Schleicherteam über eine der Mauern in die Basis bringen. Dieses
wird einige Sprengladungen legen, und dann diese MG-Stellung an diesem Eingang
erledigen. Die andere Stellung wird durch einen Trupp Scharfschützen ausgeschaltet.
Und das dritte Team setzt sich in die Angriffsfahrzeuge und stürmt dann,
wenn die Verwirrung am größten ist. Wenn wir uns gut koordinieren
und den Überraschungseffekt komplett ausnützen haben wir eine Chance.
Was meinst du?"
"Respekt, darauf wäre ich nicht gekommen, aber wir müssen warten
bis die zwei nächsten Söldner hier angekommen sind, denn zur Zeit
haben wir nicht genug Leute. Auch werden wir wohl einige Rebellen als Verstärkung
mitnehmen. Lassen wir uns den Plan noch mal durch den Kopf gehen, dann finden
wir vielleicht noch Fehler, aber das hat noch Zeit."
Mattscho nahm seinen Muntermacher aus der Tasche, trank einen tiefen Schluck
und bot Phoenix dann die Flasche an. Dieser nahm sie skeptisch entgegen und
nahm dann einen Schluck von dem starken Getränk. Er hustete kurz auf, rang
nach Atem und blickte dann Mattscho entsetzt an, während ihm eine Träne
aus dem Auge lief:
"Was ist denn das für ein Teufelszeug? Wohl selbst gebraut oder was?"
Mattscho grinste ihn bloß an und nahm einen weiteren Schluck. Sein Muntermacher
hatte bisher jeden von den Füßen gehauen.
Karboda 09.05.2001 06:14 Uhr
Ihre Tür wurde aufgerissen und eine aufgeregte Stimme brüllte ins
Zimmer:
"Alarm! Wir werden angegriffen!" Dann war er auch schon verschwunden,
mehr war auch nicht nötig um die beiden Söldner zu wecken. Phoenix
sprang aus dem Bett und zog sich blitzschnell seine Hose und die Kampfweste
über. Mit rekordverdächtiger Zeit hatte er die Stiefel geschnürt.
Fast gleichzeitig mit ihm wurde Mattscho fertig, der im gleichen Zimmer geschlafen
hatte, da Longrifle ja auf der Krankenstation lag. Im Hinauslaufen riss Phoenix
die P229 aus dem Gürtel und entsicherte sie. Das Lager war zu einem Ameisenhaufen
geworden, überall sah man Männer umherrennen, Munition oder Waffen
schleppend. Die Söldner sammelten sich vor dem Lager, wo der General bereits
seine Befehle brüllte.
"Was ist los?" fragte Mattscho.
"Die Truppen kommen! Vor ein paar Augenblicken wurden sie fünfzehn
Minuten von hier entfernt gesichtet, die Beobachtungsposten haben gute Arbeit
geleistet. Wir schätzen mit 80 Gegnern, und mehreren gepanzerten Personentransportern,
aber keine Panzer. Sucht euch eure Waffen und verteilt euch dann, los, los,
los!"
Alle blickten Mattscho an, dieser hatte das Kommando übernommen. Er hatte
die meiste Erfahrung und war sowieso nach Longrifle inoffizieller Anführer,
er überlegte kurz dann schossen seine Befehle hervor.
"Longrifle ist noch nicht einsatzbereit, Scheiße, Skye mit Phoenix,
ihr nehmt die linke Sniperposition ein. Master, Thor, rechts. Phoenix das ist
dein Kommando, du bist mein Auge und Ohr, entscheide selbst wenn es angebracht
ist! Ich nehme mir zwei Rebellen und bin im Bunker bei der HK21E. Scully, du
führst die Bodentruppen falls wir ausfallen müssen." Jeder riss
seine Waffen an sich. Dann ging es los. Die Söldner stürmten zu ihren
Stellungen.
"Mattscho, bin in Position, das MG ist besetzt," ertönte die
angespannte Stimme aus den Kopfhörern. Mattscho befahl einem der Rebellen,
Lago, ihm beim Nachladen zu helfen, der Andere sollte sie decken. Lago nahm
mehrere Patronengurte aus einer großen Kiste und lud den Ersten in das
LMG. Dann bereitete er sein eigenes AKM vor und lehnte es an die Wand. Der andere
Rebell tat das gleiche. Auch Mattscho prüfte noch einmal sein G11 und das
LMG.
"Mattscho, wir sind bereit, wie steht es mit euch."
"Scully, bin bereit, habe einen Trupp von dreißig Männern hier
um das Lager zu verteidigen."
"Phoenix, haben unsere Stelle fast erreicht."
"Thor, gebt uns noch zwei Minuten."
"Hier Vorposten Gamma, Truppen treffen in drei Minuten beim Lager ein,
haben uns noch nicht bemerkt, alle Beobachtungstruppen haben Stellung hinter
den Soldaten bezogen, erwarten Angriffsbefehl."
"Hier Fandal, negativ, wiederhole negativ, erst bei Befehl angreifen. Ruhig
Jungs, wartet bis die Söldner alle in Stellung sind."
Der junge Rebell hörte den Befehl. Einen kurzen Augenblick später
wurde ihm seine Dummheit bewusst. Wenn sie jetzt angegriffen hätten, wäre
der Überraschungseffekt verloren gegangen und sie wohl nur noch zersiebte
Fleischklumpen gewesen. Niemand schien sie bis jetzt bemerkt zu haben, vor ihnen
noch immer der sich schnell weiterbewegende Tross, die Soldaten gingen in einer
losen Formation, unruhig und besorgt musterten sie die Gegend vor und seitlich
von ihnen, aber niemand schaute nach hinten. Der Rebell blickte seinen Kameraden
an, dieser schaute zurück, in seinem Blick lag Angst, Wut, Unsicherheit,
und er wusste dass er selbst nicht besser aussah. Ein weiterer Blick durch das
Fernglas bestätigte seine Vermutungen, seitlich der Truppen waren jeweils
zwei einzelne Soldaten unterwegs. Der Rebell gab einen kurzen Funkspruch an
den General ab, um ihm die derzeitige Lage zu berichten. Dann schlichen sie
weiter, manchmal konnten sie links oder rechts eine kurze Bewegung sehen. Das
waren die anderen Rebellen die mit ihnen beobachtet hatten. Er selbst war so
angespannt das seine Finger bereits vor Stress zitterten. Das war ein ganz anderer
Krieg den sie jetzt führten, bis jetzt hatten sie bloß aus dem Hinterhalt
auf Patrouillen geschossen oder Minen und Molotowcocktails benutzt, um Lastwagen
zu zerstören. Aber dieser Kampf hatte nichts mehr mit ihren vorigen Aktionen
gemeinsam, das hier war Krieg geworden, richtiger Krieg und er wusste nicht,
ob er dazu bereit war. Er hatte bereits drei Männer getötet, aber
davon waren zwei durch eine Panzermine gestorben, und den Anderen hatte er aus
dreihundert Meter durch einen Glückstreffer getötet. Aber jetzt begann
der Krieg. Wie würde er reagieren, würde er standhaft bleiben und
seinen Freunden helfen? Oder würde er sich ängstlich verkriechen und
zitternd warten, dass die Schlacht vorüber war? Er konnte sich darauf keine
Antwort geben, auch fragte er sich was aus ihm werden würde, wenn er hier
anfing Menschen zu töten, vielleicht sogar im Nahkampf, dem brutalsten
Kampf den es gab. Er wusste, dass er für eine gute Sache kämpfte,
aber so sicher war er sich darüber auch nicht mehr.
Sein Kamerad, der neben ihm schlich hatte ganz andere Gedanken, in ihm war nur
Hass und Rache. Seine Familie war wegen diesen Leuten gestorben. Nichts, rein
gar nichts konnte ihm beweisen dass er nicht das Recht hatte diese Menschen
zu töten, auch wenn sie seine Familie getötet hatten. Aber welche
Rechte gab es in einem Krieg? Keine! Er erinnerte sich mit Schrecken an diese
Nacht, als sie kamen, seine Frau und seine fünfzehnjährige Tochter...
vergewaltigt von fünf solchen Bestien, wie diesen Soldaten, und dann gehängt.
Sein Sohn... gefoltert, bis zum Tod. Er selbst wurde in den Boden gegraben,
und musste die Leichen seiner Familie zwei endlos erscheinend lange Tage anblicken.
Seitdem war er kein Mensch mehr, er war bloß noch eine Hülle in der
nichts als Hass und Rache war. Er hoffte auf den Tag an dem er die Gesichter
der fünf Mörder sehen konnte. Er würde jeden einzeln töten,
ihren Tod genießen bis zum letzten Augenblick, bei diesen Gedanken blitzen
seine Augen gefährlich auf. Er war eine wandelnde Zeitbombe, die nur auf
den Zünder wartete um zu explodieren, und dieser Zünder waren fünf
grausame Bestien.
Karboda 09.05.2001 06:26 Uhr
Quietschend kamen die Reifen zum Stehen, Staub wurde aufgewirbelt. Die Beifahrertür
wurde aufgerissen und heraus trat ein älterer Mann, dessen Namen nur mit
Ehrfurcht innerhalb der Reihen der Soldaten Karbodas genannt wurde. Steen, drittwichtigster
Kommandant der Infanterie, ein Genie! Unter den erfahrenen Soldaten hieß
es, dass er der beste Soldat Karbodas sei. Huang hatte ihn aus dem Ausland angeworben,
Steen war ein Söldner der sich seine Erfahrungen im Golf auf Seiten der
Iraker gesammelt hatte, und einer der Einzigen aus seinem Milieu, der rechtzeitig
abgehauen war. Und den Titel des Genies trug er mit Recht. Auch heute schien
sein Plan aufzugehen. Es lohnte sich immer Informanten zu haben, dachte er bei
sich, dieser hatte sich besonders gelohnt denn die Rebellen schienen noch nichts
von dem bevorstehenden Angriff zu ahnen:
"Diese Langschläfer, das wird ihnen heute den Kopf kosten."
"Hahahaha, jawohl, sie sagen es, Sir," pflichtete ihm sein schleimiger
Adjutant mit einem unnatürlichen Lächeln bei. Steen blickte ihn abfällig
an, sein Adjutant machte sich bereits bei jedem kleinsten Gefecht in die Hose,
ein Feigling wie er im Buche stand. Die Angst war ihm deutlich anzusehen. Aber
er war immer dabei, sein Vater war ein hohes Tier in Huangs Führungsstab,
insofern konnte man nichts dagegen unternehmen, und der Schleimscheißer
durfte auch nicht in eine Kugel fallen wie Steen immer mir Bedauern zu seinen
Kameraden sagte. Der Kommandant blickte durch sein Fernglas, keine Spur der
Rebellen zu sehen, das Lager war nicht einzublicken, er konnte nur in die dunkle
Schlucht sehen, keine Wachen, rein gar nichts.
"Sir, ihre Befehle?"
"Erster und zweiter Angriffstrupp starten, ich will, dass sich beide beim
Eintritt teilen, Trupp Blau geht im Talkessel nach links, Trupp Grün nach
rechts. Und dann eine Zangenbewegung, verstanden? Trupp Gelb wird nach ihnen
eindringen und den Eingang sperren. Trupp Orange erklimmt zu beiden Seiten die
Klippen und deckt von oben. Trupp Rot bleibt als Rückendeckung hier."
Der Plan war nicht besonders pfiffig oder außergewöhnlich, aber je
komplexer ein Plan desto mehr Probleme um ihn zu verwirklichen. Deshalb hatte
Steen sich für diese banale Zangenbewegung entschieden, sie würde
ihren Zweck sicher erfüllen.
"Was ist mit den Hummern? Und dem BMP?"
"Die bleiben hier, los jetzt."
"Mattscho, alle bereit?" erklang die angespannte Stimme in den Kopfhörern.
"Scharfschützenteam Beta in Position," berichtete Master.
"Scully, Infanterie bereit."
"Scharfschützenteam Alpha bereit."
"General hier, wie sieht es draußen aus?" fragte der Rebellenanführer.
"Phoenix, sie scheinen sich zu formieren." Mattscho hörte den
Bericht seines Scharfschützen, und erteilte darauf seine Befehle.
"Scully schick die Hälfte deiner Männer rauf, damit ihr sie von
hinten in die Zange nehmen könnt, du führst sie an. General, Sie haben
das komplette Kommando im Lager."
"Scully, affirmativ."
"General, alles klar."
"Sniper, wartet bis die ersten in der Schlucht sind, bei Feuerbefehl zuerst
lohnende Ziele. Wir verstecken uns, warten ebenfalls. Verstanden?" befahl
Mattscho weiter von seinem MG aus.
"Roger at all!" flüsterte Master in sein Mikro.
"Wartet noch, ich zähle um die 60 nein 70 Mann die auf uns zukommen..."
"Nein, das sind mindestens 80, vier Trupps." Sprach Skye Master dazwischen.
"Okay, 80 Mann teilen sich jetzt auf, etwa 20 Soldaten kommen auf die Seiten
zu, der Rest geht in die Schlucht. Passt auf euch auf. Die Fahrzeuge sind noch
beim Befehlsstab."
Ein letzter Blick durch das Fernglas dann nahm Phoenix sein R93 hervor, lud
durch und setzte es an seine Schulter. Er blickte kurz zu Skye, strich ihr vorsichtig
über die Wange, in seinem Kopf schwirrten Tausende von Gedanken und Wörtern
die er sagen wollte, aber es blieb nur bei der Berührung. Denn die Schlagwörter,
die jetzt aufkamen, die durch die Situation die Oberhand gewannen, hämmerten
gegen seine Stirn, verdrängten jeden anderen Gedanken. Zielen, schießen,
TÖTEN, durchladen, zielen, schießen, TÖTEN, durchladen. Keine
Angst, benutze deine Stärken, TÖTEN, Disziplin, Härte, TÖTEN,
immer wieder das Wort TÖTEN, töte deine Feinde sonst töten sie
dich, sie wollen dich töten, du musst schneller sein. Wenn du zu langsam
bist, bist du TOT. Benutze deinen Verstand, um zu TÖTEN. Disziplin bedeutet
Macht, Macht bedeutet Kraft, Kraft hilft beim TÖTEN. Immer wieder das Gleiche.
Und immer wieder der Satz der ihm eingeprägt worden war, der sein Leben
bestimmte: DU MUSST SIE TÖTEN, DENN SIE WOLLEN DICH TÖTEN; DU MUSST
SCHNELLER SEIN! Er dominierte seine Gedanken, ein Adrenalinschub nach dem anderen
durchrannte seinen Körper, bis er wie Feuer brannte. Keine Zeit mehr zum
Überlegen, HANDELN, TÖTEN.
"Master, du den Rechten, ich nehme den linken Kommandeur bei den Wagen.
Klar?"
"Sir, verstanden." Erklang die raue Antwort, auch bei ihm hatten die
eingeprägten Befehle angefangen zu wirken. Er hatte unbewusst mit "Sir"
geantwortet, Phoenix war jetzt der Befehlshaber für beide Scharfschützenteams,
jetzt war keine Zeit mehr für Freundschaft, jetzt ging es um TÖTEN
ODER GETÖTET WERDEN! Kurze knappe, präzise Antworten, auf Befehlsverweigerung
steht der Tod, auch ein eingeprägter Satz der Oberhand gewonnen hatte.
"Master, hast du dein Ziel?"
"Affirmativ!"
"Mattscho, hast du Gegner im Ziel?" fragte Phoenix weiter.
"Ja, noch 110 Meter. Scharfschützenteams Feuer auf eigenes Ermessen.
"
"Nachdem du uns gehört hast, leg los. Master, Feuer."
Steen wollte gerade den Sturmangriff befehlen als er einen schweren Schlag
an seinem Hals spürte. Er wollte aufschreien, aber von seinem Hals war
nicht mehr viel übrig. Seine Hände griffen instinktiv zu dem zerfetzten
Fleisch um das Blut zu stoppen, aber er sank bereits röchelnd zu Boden.
Seine Gedanken jagten durch seinen Kopf, was hatte er falsch gemacht? Wo war
die undichte Stelle gewesen, waren sie entdeckt worden? Wieso hatte er nicht
aufgepasst? Wieso hatte er nicht für seine Sicherheit gesorgt und war auf
offenem Feld stehen geblieben? Er spürte wie seine Kleidung bereits komplett
durchnässt war, das Blut spritzte ihm sprudelnd aus dem Hals. Ein letztes
Röcheln dann wurde alles schwarz. Das war das frühe Ende einer grandiosen
Soldatenkarriere, beendet durch eine zerschossene Kehle, beendet durch eine
Kugel im .308 Kaliber. Er sah bereits nicht mehr wie sein Adjutant sich schreiend
auf dem Boden wälzte. Wegen eines plötzlichen Geräusches hinter
ihm hatte sich Steens Adjutant kurz bewegt und so hatte der sichere Brustschuss
ihn nur am Arm getroffen, aber das Projektil hatte noch eine solche Kraft dass
es ihm den halben Arm abriss. Er wälzte sich vor Schmerz schreiend auf
dem Boden, auch er lag bereits in einer Pfütze seines Blutes. Nach mehreren
Minuten waren die Schmerzen und der Blutverlust so groß geworden, dass
er ohnmächtig wurde. Trupp Rot warf sich in Deckung und versuchte die Heckenschützen
zu lokalisieren
Die Soldaten hörten die dumpfen Schüsse, was war passiert? Aus den
Kopfhörern drangen keine Befehle, hatten Steen denn nichts bemerkt? Was
die Anführer von Trupp Blau und Grün jedoch als Folge der Schüsse
sah, erschreckte sie furchtbar. Wo vorher noch eine verlassene, überdeckte
Sandsackstellung gewesen war, konnten sie jetzt drei Männer erblicken,
einer richtete ein Gewehr auf sie, der andere stand hinter einem Maschinengewehr,
während ein Dritter eine Patronenkette in den Händen hielt. Ein Soldat
schrie los und warf sich auf den Boden. Aber seine Warnung kam bereits zu spät.
Mattscho blickte die ahnungslosen Soldaten mit zusammengekniffenen Lippen an,
er betätigte die Sicherung und stellte die Waffe auf Vollautomatik, seine
Bewegungen kamen ihm wie in Zeitlupe vor und waren doch blitzschnell. Es war
als würde er sich selbst zusehen, sehen wie er die Waffe mit dem Zweibein
ausrichtete und dann losfeuerte, einer der Soldaten blickte in ihre Richtung,
fing an zu schreien, das war das Startzeichen für Mattscho. Die angelernten
Reflexe begannen zu wirken. Bedächtig zog er seinen Zeigefinger nach hinten,
die Wirkung war unbeschreiblich auf beiden Seiten. Flammende Monster jagten
in die in Unordnung geratenen Truppen. Mattscho wurde durchgerüttelt während
die Waffe nach oben fuhr, doch nach diesem ersten Feuerstoß hatte er die
Waffe unter Kontrolle, er drückte wieder ab, kontrollierte die Waffe, hielt
die Mündung in Richtung der Gegner. Von diesen war nicht mehr viel zu sehen,
der erste Feuerstoß hatte drei der Soldaten kampfunfähig geschossen,
diese lagen brüllend und schreiend auf dem Boden. Die Soldaten waren für
einen kurzen Augenblick zu geschockt, um zu reagieren, die Schüsse dröhnten
in der engen Schlucht, als wäre eine Artillerie am Feuern, ein brüllendes
Stakkato, das seine Echos tausendfach zurückwarf, selbst die Schreie der
Verwundeten, und solche gab es viele, waren nur gedämpft zu hören.
Einige der Soldaten hoben ihre Waffen, andere warfen sich zu Boden, einige versuchten
nach hinten zu laufen, aber keinem gelang etwas, die mörderische Waffe
jagte Kugel um Kugel in die Körper, mit einer Feuerrate von ~800 Schuss
pro Minute hatten die Gegner keine Chance, ehe sie reagieren konnten oder überhaupt
realisieren konnten, was passierte, waren sie schon am Boden in ihrem eigenen
Blut. Ein Chaos sondergleichen. Mattscho brauchte nur zu schießen, Zielen
war nicht notwendig. Man sah wie Gegner hin und her gerissen wurden bis die
Kugeln sie endlich los ließen. Überall Blut, überall Tod, zerrissene
Körper, zerfetzte Gliedmaßen bedeckten bald den Boden der Schlucht.
Einige der Kugeln bannten sich ihren Weg durch mehrere Gegner hindurch, was
die Verwirrung noch erhöhte. Auf dem Boden lagen die jammernden Verletzen
und wälzten sich zwischen den Leichen. Überall klebte Blut, an den
Steinen, an den Pflanzen, an den Körpern.
Chen sah wie sein Kamerad, links von ihm, sich um seine eigene Achse drehte,
und dann laut schreiend durch eine weitere Kugel nach hinten geschleudert wurde.
Der Soldat rechts von ihm bekam mehrere Schüsse in die Beine, so dass er
vornüber mit zerfetzten Beinen zu Boden stürzte. Aber diese Anblicke
waren noch nicht schlimm, der Lärm war weitaus schlimmer, er ließ
sich entsetzt zu Boden fallen, seine Hand berührte einen warmen blutüberströmten
Körper, er wagte nicht auf den Boden zu sehen. Die Waffe in seiner Hand;
er erinnerte sich wieder an den Gebrauch dieses Werkzeuges, ein Feuerstoß
zerfetzte die Luft. Dann blickte er nach rechts, sein Kamerad schrie seinen
Schmerz regelrecht aus dem Leib, dann griff eine blutüberströmte Hand
zitternd an sein zerfetztes Bein, er schrie auf als er seine Pistole hervor
zog. Das Schreien wurde zu einem Blubbern als er einen Schwall Blut rausspuckte.
Chen blickte entgeistert auf seinen Kameraden, dieser entsicherte die Waffe
mit zitternden Händen, während sein Mund unverständliche Laute
murmelte, dann hob er zögernd die Waffe und steckte sie in seinen Mund.
Chen schrie auf, aber da ertönte schon der Schuss. Er spürte nicht
wie sich die eklige Masse auf sein Gesicht ergoss, sein Geist hatte bereits
abgeschaltet, das war zuviel für ihn, sein Gehirn untersagte ihm jegliches
logische Denken um den Kopf zu schützen. Er hielt das nicht mehr aus. Weinend
warf er die Waffe weg, und schrie seine Angst hinaus. Als das Feuer verstummte,
und die Schreie in ihren tauben Ohren jetzt zehn Mal lauter erklangen drehte
er komplett durch. Er sprang auf und wollte nach hinten laufen, aber da hatte
der Rebell bereits einen neuen Gurt eingelegt. Chen kam genau drei einhalb Schritte
weit, dann wurde er mehrmals in den Rücken getroffen, sodass ihm die Gedärme
aus dem Leib gerissen wurden. Er hatte Glück denn eine der Kugeln bohrte
sich in sein Genick und zerstörte so sein kurzes, siebzehnjähriges
Leben. Diese Kugel ersparte ihm die Qual die er sonst noch erlebt hätte.
Mattscho fing an zu schreien, er brüllte all seine Wut aus seinem Leib,
ließ alles raus, die Qual, die Wut die er hier gesehen hatte, die Ungerechtigkeit,
den Frust, seine eigenen Sorgen. Alles verließ seinen Körper mit
dem endlos langen Schrei, sowie die Kugeln den Lauf der Waffe verließen.
Er feuerte weitere zweihundert Projektile ab, aber da war bereits nichts mehr,
auf das er hätte feuern können, das G21 hörte auf zu feuern,
nur noch das Klicken des Bolzens auf die leere Kammer war zu hören. Langsam
verhallte der Lärm, Staub lag in der Luft, überall Blut, nur noch
Blut, und Schreie, die Schreie waren das Schlimmste. In ihren Ohren rauschte
es, aber die Schreie hörten sie immer noch, deutlicher als sonst etwas,
die schlimmsten Töne die das menschliche Ohr wahrnehmen kann, es wird gesagt
dass der Schrei eines sterbenden Pferdes das schlimmste Geräusch ist das
es gibt, aber gegen diese Angst und Qual die sie hier hörten war der Schrei
eines Pferdes gar nichts. Mattscho überkam ein Zittern als sich der Staub
legte und er das Schlachtfeld vor sich sah. Er blickte seine verkrampften Hände
an, konnte nicht glauben was diese soeben verursacht hatten.
Plötzlich hörte er neben sich einen dumpfen Knall, er drehte sich
ruckartig um, dann ertönte eine donnernde Explosion. Der Rebell betätigte
lächelnd seinen M203 Granatwerfer und lud eine neue Granate in die Waffe.
"Mattscho, Schlucht gesichert," erklang die leicht zitternde Stimme
in ihren Ohren.
Phoenix riss das Magazin heraus und schob ein neues in sein Scharfschützengewehr,
dann blickte er wieder durch das Zielfernrohr. Mit der sechsfachen Vergrößerung
blickte er zu dem Kommandostab der Gegner. Auf dem Boden lagen bereits acht
Gegner, darunter mindestens vier Offiziere. Sie hatten gute Arbeit geleistet,
und doch wollte sich keine Freude in ihm ausbreiten, wie konnte er Freude empfinden
nachdem er vier Menschen getötet oder verstümmelt hatte? Einer der
Gegner wälzte sich laut schreiend auf dem Boden. Phoenix konnte ihn natürlich
nicht hören, aber er konnte den Schmerz in seinem Gesicht sehen, die Pein
und die Qual. Er hatte eine große Wunde im Bauch. Mit sicheren Handgriffen
war der Söldner schussbereit, ein letzter gezielter Blick dann drückte
er ab, und beendete die Qual dieses Menschen, er war vielleicht ein blutrünstiger
Killer, aber kein Sadist. Er verabscheute Menschen mit solchen Neigungen, in
ihrem Milieu war es unumgänglich Menschen zu töten, aber es gab Unterschiede
zwischen einem sauberen Kopf- oder Herzschuss oder einem Bauchschuss, und dann
den Gegner langsam sterben lassen. Er duldete keine solche sadistischen Psychos
in seinem Team. Dann sah er, wie mehrere Gegner aus der Schlucht geflüchtet
kamen, sie versuchten zu den restlichen Gegnern zu kommen, die sich bei den
Fahrzeugen verschanzt hatten, zusammengerechnet noch etwa 30 Mann, eine harte
Nuss, wenn sich diese gut organisierten.
Scully blickte zurück ins Lager, dort standen noch fünfzehn Mann
und deckten ihren Stützpunkt, ihre Sicherheit, die heute jeglichen Schutz
verloren hatte. Seine anderen fünfzehn Soldaten standen verteilt zwischen
den Gebüschen und Bäumen die hier am Kamm sehr dicht standen. Sie
hörten bereits wie die Gegner den flachen Hang heraufkamen, gut geschützt
durch die Vegetation die auch am Hang sehr dicht war. Noch 300 Meter, warten,
redete sich Scully zu. Der erfahrene Söldner gab einen kurzen Funkspruch
ab, um seine Männer zu informieren:
"Scully an Bodentrupps, wartet, erst auf mein Kommando schießen."
Keine Antwort bedeutete eine gute Antwort, seine Männer waren bereit. Weiter
warten, bis der Feind nah genug ist, seine eingeprägten Reflexe übertönten
bereits seine Gedanken. Er war bereit, noch 250 Meter, die Soldaten hofften
wohl der MG-Stellung in den Rücken fallen zu können. Aber da hatten
sie die Rechnung ohne ihn und seinen Trupp gemacht. Seine Muskeln spannten sich
an, die Atmung wurde flach. Er grinste grausam in die Richtung der Regierungstruppen,
die in ihr Verhängnis schlichen. Ihr Tod war bereits beschlossene Sache,
der Tod stand vor ihnen, die Sense in der Hand, jedoch noch unsichtbar für
sie, noch. Bald würde er sie schwingen, bald würde er neue Seelen
finden.
Weshalb kämpfte er hier? War es für Huang, war es für sein Land,
seine Familie? War es für seine Ehre? Er wusste es nicht und doch wollte
er kämpfen, kämpfte er jetzt aus Rache? Die Rache war gekommen, als
er gesehen hatte wie seine Kameraden in der Schlucht regelrecht hingerichtet
wurden. Seine Rache würde blutig ausfallen, seine Rache würde reich
ausfallen, die Rebellen würden fallen, wie faule Äpfel von einem Baum
an dem man rüttelte. Er hatte nie besonderen Hass oder Wut für die
Rebellen empfunden, sie waren ihre Feinde war ihm in seiner kurzen Ausbildung
eingeprägt worden. Aber es war nicht das was ihn in der Armee hielt, man
würde seine Familie töten falls er nicht eintrat, man hätte ihn
als Sympathisant der Rebellen angeklagt, und ein Eintritt in die Armee war besser
als ein Erschießungskommando. Und die Bezahlung war gut, so konnte er
sein vierjähriges Mädchen und seine Frau durchbringen, sie brauchten
das Geld.
Noch 200 Meter, Scully wollte den Feuerbefehl bei 150 Meter befehlen, als plötzlich
neben ihm jemand laut aufschrie. Ein lauter, langgezogener Schrei der noch mehrere
Sekunden in der Luft schwang:
"Freiheit!"
Dann brach die Hölle los. Ein nicht endendwollender Feuerstoß zerstörte
die Stille, zerfetzte die Blätter und nebenbei auch noch zwei Soldaten.
Scully fluchte innerlich und in seinem Kopf begann sich schon die Standpauke
zu bilden, die er dem Rebellen halten würde. Aber das war das Problem mit
den Rebellen, sie waren unberechenbar, was aber auch eine ihrer Stärken
war, manchmal jedenfalls. Aber jetzt war keine Zeit für Gedanken, jetzt
hieß es handeln um noch zu retten was zu retten war. Normalerweise hätte
eine einzige Salve ihrer Gruppe genügt um die Feinde zu erledigen oder
wenigstens den größten Teil davon. Aber jetzt war der Überraschungseffekt
fort, da half nur noch überlegte, brachiale Gewalt.
"Feuer, Feuer!" schrie er sein Team an, jetzt wurde es doch schwieriger
als erwartet.
Der junge Mann spürte, dass etwas nicht stimmte, irgendetwas war hier
faul, und zwar gehörig faul. Jegliche Rachegedanken wichen einer vollkommenen
Aufmerksamkeit, die jedoch nichts mehr an ihrem Schicksal ändern konnte.
Plötzlich begann die Apokalypse, oder so kam es ihm vor, dreißig
Schuss peitschten durch die Büsche, ein langer Feuerstoß, der jedoch
mehr Bäume und Blätter zerfetzte als dass er Gegner traf. Ein Anfänger,
schoss es ihm durch den Kopf, niemand sonst würde sein komplettes Magazin
in einem Feuerstoß verschießen, die Trefferquote lag da bei gleich
null. Doch ehe er sich orientieren konnte, ertönten weitere Schüsse,
einer bohrte sich in seine Gedärme. Eine weitere Familie die zerstört
war, eine weitere Tochter, die ihren Vater nie wieder zu Gesicht bekam, eine
weitere Frau die ihren Ehemann nicht mehr in die Arme nehmen konnte. Seine letzten
Gedanken weilten bei seiner Familie, friedliche Gedanken, kein Hass, keine Wut,
er sah wie sein kleines Mädchen auf seiner Schaukel im Garten saß
und jedes Mal vor Freude aufjauchzte wenn er die Schaukel wieder anstieß.
Ein glockenhelles, fröhliches Lachen, dann wanderten seine Gedanken zu
seiner Frau. Die ihm mit einer einzigen Berührung mehr Freude im Leben
gegeben hatte als sonst irgendwas. Er hörte ihre aufheiternden Worte, aber
auch ihr Schluchzen als er in die Armee eingezogen wurde. Dann war da nichts
mehr, nur noch Leere, schwarze Leere, sonst nichts mehr. Er hörte nichts
mehr von dem Feuergefecht, er war jetzt erlöst, keine Qual, keine Angst,
keine Furcht, bloß noch Stille, schwarze dunkle Stille. Es passierte so
schnell, und wurde doch als nebensächlich angesehen. Der Tod eines Mannes
ist eine Tragödie, der Tod von Hunderten nur eine Zahl in einem Krieg,
wie ein großes Befehlshaber einst sagte.
Scully fluchte innerlich als er sah wie seine Kugel einen Gegner um Millimeter
verfehlte. Der Rebell neben ihm drehte plötzlich total durch, er sprang
schreiend aus seiner Deckung und lief feuernd auf die Gegner zu, noch ehe der
Söldner reagieren konnte, zerfetzte eine wohlgezielte Salve den Rebellen.
Nichts mehr zu machen, tot. Weiter kämpfen, schoss es Scully durch den
Kopf. Immer weiter kämpfen, keine Schwäche zeigen, Schwäche ist
der Tod, benutz deinen Verstand, überrasche den Gegner, verwirre ihn, benutze
deine Fähigkeiten. Die Rebellen fielen wie die Fliegen, in einem offenen
Kampf hatten sie keine Chance, nichts zu machen. Von seinen ursprünglichen
fünfzehn Kämpfern lagen bereits neun am Boden, die anderen verteidigten
sich so gut es ging. Die Soldaten hatten bloß sieben Leute verloren.
"Scully, Unterstützung hierher SOFORT!"
"General, Verstärkung gleich unterwegs."
"Nicht gleich, SOFORT!" brüllte Scully zurück. Der Söldner
sah den Gegner zu spät, der Schuss riss den knienden Söldner um, wieder
in sein Bein. Er verwünschte die Gegner, war sein Bein so leicht zu treffen
oder warum wurde ihm immer wieder ins Bein geschossen? Dann erreichte der Schmerz
sein Gehirn, seine Nerven signalisierten ihm die Zerstörung des Gewebes.
Aber Schmerz konnte man verdrängen, bekämpfen. Schmerz war relativ,
entweder man spürte es und ging darauf ein, oder man konzentrierte sich
auf etwas anderes und ignorierte die Qual und Pein. Er musste sich konzentrieren,
auf den Gegner, Schmerz war unwichtig, Überleben war wichtiger. Schmerz
machte ihn verwundbar, unaufmerksam, was tödlich war, muss den Schmerz
verdrängen. Wieder ein Feuerstoß, diesmal knapp über seinen
Kopf, aber Scully hatte das Mündungsfeuer gesehen. Vier Sekunden später,
die ihm unter Dauerfeuer viel länger vorkamen, rollte eine Granate den
Hang hinunter. Eine Explosion, dann, einige Zehntelsekunden später noch
eine Explosion eine größere und dann noch eine, ein Feuerball der
zwei Bäume mit sich riss. Der Gegner den er gerade in die Luft gesprengt
hatte, war wohl das mobile Sprengstofflager der Truppe gewesen. Aber jetzt war
nicht mal mehr Asche von ihm übrig. Die Druckwelle riss ein halbes Dutzend
Soldaten aus ihrem Versteck, ein schweres Schicksal, einer der Sechs konnte
sich wieder in Deckung bringen die Anderen überlebten das tödliche
Dauerfeuer das auf sie einprasselte nicht. Jetzt waren die beiden Fronten wieder
ausgeglichen, sieben gegen sechs, das war zu schaffen. Scully schmiss eine weitere
Granate, wieder eine Explosion, diesmal jedoch Schreie, die nicht aufhören
wollten, eine Mischung zwischen einem schrillen Kreischen und einem schmerzerfüllten
Stöhnen. Zwei weitere Granaten kullerten den Hang hinunter, explodierten
und zerrissen neben zwei Gegnern auch noch etwas Vegetation. Drei Gegner übrig,
aber keine Granaten mehr
Was war passiert? Er schüttelte stöhnend seinen Kopf, in seinen Ohren
war ein grelles Pfeifen. Was war das für eine Explosion gewesen, er rieb
sich den Schmutz aus dem Gesicht, dann blickte er sich um, neben sich lag die
Leiche eines Soldaten, oder das, was von der Leiche übrig war. Die ganze
Haut war mit Verbrennungen dritten Grades überzogen, obwohl er wohl nicht
mehr viel Haut hatte. Jedoch, was ihn noch mehr erschütterte, war der fehlende
Arm des Soldaten, ein Blick nach unten zeigte ihm dass das fehlende Glied zwei
Meter weiter weg lag. Der Anblick war so ekelerregend, dass ihm der Mageninhalt
hochkam, der Schwall halbverdauten Essens verließ seinen Körper mit
einem ekligen Geräusch. Hustend versuchte er zu Atem zu kommen. Du musst
kämpfen, die Gegner töten, die Stimmen in seinem Kopf wurden immer
schwächer, konnten die ansteigende Angst nicht mehr besiegen. Die Furcht
besiegte ihn, es waren nicht die Rebellen, nicht die Söldner, es war seine
eigene Furcht. Aber sterben sollte er trotzdem.
"Nicht schießen, ich ergebe mich!" ertönte seine Stimme
über das Schlachtfeld, er warf die MP weg und erhob sich, langsam schritt
er aus seinem Gebüsch, die Hände hoch über dem Kopf. Ein Zeichen
das jeder verstand aber nicht jeder respektierte. Die Rebellen schienen ihn
zu verstehen, denn niemand schoss auf ihn, obwohl er auf offenem Feld und keine
Deckung hatte.
"Knie nieder, Hände hinter den Kopf," rief ihm Scully mit heiserer
Stimme zu. Das Feuergefecht war zum Stillstand gekommen, der Soldat kniete sich
ängstlich auf den Boden. Die Rebellen wollten gerade vorrücken um
ihn gefangen zu nehmen, als jemand anfing aus einem Busch zu schreien:
"Du verdammter Verräter, stirb!" das letzte schrille langgezogene
Wort verschwand in einem krankhaften Grölen, woraufhin ein kurzer Feuerstoß
folgte, der den jungen Verräter in Stücke riss. Auf zehn Meter Entfernung
ließ eine Salve 7.62er Geschosse aus einer MP nicht mehr viel übrig
von dem ungeschützten Körper des Soldaten, er starb nicht durch Feindbeschuss,
nein, er wurde durch eigene Kugeln getötet, nicht etwa Friendly Fire, nein
gezieltes Feuer auf die eigenen Leute tötete ihn, und bloß, weil
er sein armseliges Leben retten wollte, aus einer ausweglosen Situation. Das
war Huangs Moral, kämpfen bis zum Tod, mit der Betonung auf Tod. Leider
hatte der Henker nicht mit den Konsequenzen seines Handelns gerechnet, denn
er überlebte seine Kamikazeaktion ebenfalls nicht. Der erste Soldat, bei
dem die Rebellen die Chance hatten ihn festzunehmen starb durch eigenes Feuer.
"Scully, der Hang scheint sicher zu sein, erwarte weiter Befehle, haben
jedoch schwere Verluste zu verzeichnen, ich hab hier oben nur noch drei Mann.
Wo bleibt die Verstärkung?"
Die Verstärkung kam, wenn man es so nennen konnte, ein Dutzend Leute,
nicht gerade die Besten, aber heute war jeder gut genug. Man hörte das
keuchende Laufen, die Ausrüstung klimperte und klirrte, sonst war da Stille,
kein Schüsse mehr, nichts mehr. Die Stille nach dem Kampf. Die Stille wurde
nur durch einige lästige Geräusche gestört, die ebenfalls typisch
nach einem Kampf waren. Die Schreie, das Stöhnen, das Weinen, und die Raben
die krächzend am Himmel kreisten und warteten. Sie hatten Zeit, die Verletzten
unten nicht.
Phoenix musterte die Gegner weiter durch sein Zielfernrohr. Sollten sie angreifen?
Das wäre Selbstmord für die Rebellen, hier auf dem offenen Feld. Und
sie konnten die Gegner auch nicht aus ihren Verstecken hier erschießen,
man würde sie bemerken und es waren nur 450 Meter, da würden die Gegner
treffen. Er blickte Skye neben sich an:
"Ideen?"
"Wir haben doch noch die Wachposten die sich im Rücken der Gegner
befinden?"
"Genau, gut aber wie können wir es anstellen, rechtzeitig dort zu
sein um ihnen zu helfen? Die Kampfbuggis," fragte Phoenix sich selbst.
Ein schneller Flankenangriff müsste funktionieren.
"Phoenix, Mattscho besetz die Buggies, schnell!"
"Roger."
"Phoenix an die Vorposten, könnt ihr mich hören?"
"Klar und deutlich, Ihre Befehle?" Er hatte den Überblick, er
befahl. Als zweiter Mann der Söldner konnte er selbst entscheiden und musste
Mattscho nicht um Rat fragen.
"Bei meinem Befehl macht ihr den Jungs vor euch die Hölle heiß,
okay?"
"Wird erledigt," kam die Bestätigung, dann befahl der Anführer
der kleinen Beobachtungstruppe seinen Männern.
"Jungs, ihr habt den Kommandanten gehört, wenn er das Zeichen gibt
legen wir die Jungs da vor uns um, verstanden?" Kurze Worte bestätigten
ihm dass er die volle Aufmerksamkeit der Truppe hatte.
Plötzlich kam Bewegung in die Regierungssoldaten, sie bestiegen die Fahrzeuge
und fingen an zu flüchten.
"Vorposten Gamma an alle, die Truppen hier vorne flüchten, was sollen
wir tun?"
"Gut! Nicht angreifen lasst sie fahren, wir haben heute einen großen
Sieg errungen. Wenn sie weg sind, kommt zurück. An alle, Feinde erledigt,
wir haben gewonnen... aber lasst äußerste Vorsicht walten, vielleicht
lebt noch einer."
Von Phoenix
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