Kapitel 5: Heckenschützen
Karboda / Präsidentenpalast 07.05.2001 15:31 Uhr
Lon Huang saß hinter seinem Schreibtisch mit einem Bericht in seinen
Händen, seine Augen verengten sich nach und nach, auf seiner Stirn bildeten
sich Wutfalten; während seine Finger das Papier so fest zusammenpressten;
dass seine Fingerspitzen weiß wurden. Seine dunkle Haut wurde noch dunkler
als ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er fluchte wütend, knüllte das
Papier zusammen und warf es dann auf seinen Privatsekretär, dieser duckte
sich behände; so dass der Bericht zu Boden fiel. Er kannte das Temperament
des Präsidenten und ließ ihn sich erst einmal abreagieren. Aber er
würde noch wütender werden wenn er den anderen Bericht gelesen hätte
den der Sekretär gerade in der Hand hielt.
"Was soll das hier sein, ich gebe die Warnung durch, dass die Rebellen
eine Offensive gestartet haben, und die bringen es trotzdem fertig zwei Lager
innerhalb von vier Tagen einzunehmen. Schläft denn hier jeder? Was tut
meine Armee dagegen? Haben die denn keine Patrouillen und zusätzliche Wachen
angeordnet bekommen? Habe ich ihnen nicht gesagt, dass sie besser aufpassen
sollen? Und was tun die? Nichts! Nichts! Nichts!" Die letzten drei Wörter
schrie er regelrecht heraus.
"Was hast du noch da?"
"Das hier ist der Bericht über einen weiteren Überfall der Rebellen,"
er duckte sich bereits instinktiv, aber Huang hatte sich bereits abgeregt, "und
das hier ist ein Funkspruch von den Rebellen für uns." Er gab dem
Präsidenten die Papiere, dieser las sie konzentriert durch, dann knallte
er sie auf den Tisch und brüllte seinen Sekretär wieder an:
"Was soll der Scheiß? Ein Trupp von 21 Soldaten, darunter einer meiner
besten Kommandeure bringt es nicht fertig diese Gruppe Rebellen zu eliminieren.
Für was bezahle ich euch eigentlich? Haben meine Soldaten keine Ausbildung
bekommen, 21 gegen die paar Rebellen... und was ist das hier? Eine Herausforderung
der Rebellen; von einem gewissen Phoenix, ich will endlich wissen, was die Rebellen
da spielen, frag unseren Informanten. Wollen diese Rebellen mich wirklich herausfordern,
schicken die mir eine Drohung, das ist die Höhe," er überlegte
kurz dann schlug er erneut mit der Faust auf seinen Schreibtisch, "ich
will in einer halben Stunde meinen Kommandostab im Besprechungszimmer sehen,
um genau 1600, jeder der zu spät kommt, wird vor ein Erschießungskommando
gestellt, wir sind im Krieg, dann können diese Fettärsche mal zeigen
was sie können und müssen wohl leider ihren Spaß mit ihren Huren
auf ein andermal verschieben. Um 1600, ist das klar, und jetzt verschwinde!"
Der Privatsekretär des Generals verschwand aufatmend aus dem großen
Büro, er fürchtete jedes Mal um sein Leben, wenn er dieses Büro
mit schlechten Nachrichten betreten musste, und in den letzten Tagen hatten
sich die schlechten Nachrichten gehäuft, er setzte sich sofort hinter sein
Telefon und benachrichtigte den Kommandostab über die bevorstehende Besprechung
und prägte jedem ein, dass er nicht zu spät kommen durfte.
Um 1600 waren alle anwesend als der Präsident den Raum betrat, seine alte
aber noch immer körperlich gesunde Gestalt füllte die Türöffnung
des niedrigen Raumes fast komplett aus, er setzte sich an seinen Platz und wartete,
bis die anderen auch Platz genommen hatten, sein Aussehen und sein Temperament
erinnerten an einen wütenden Kampfhund. Er nahm ein Blatt Papier hervor
und reichte es um den Tisch herum, es war der Funkspruch der Söldner. Die
alten Soldaten lasen den Bericht schnell durch und reichten ihn dann weiter.
Sie blickten wütend aber auch ängstlich in die Runde, sie fühlten
sich in ihrer Ehre gekränkt, hatten aber auch Angst vor dem Präsidenten,
da er sich wieder fürchterlich aufregen würde, sie verfluchen würde,
ihre "Inkompetenz" betonen würde, sie mit einem Erschießungskommando
bedrohen würde, und das würde er auch durchführen. Und sie hatten
sich nicht geirrt, er regte sich auf, aber erklärte ihnen dann seinen Plan...
Viele Meilen weiter südlich, betrat Mattscho gerade Karboda. Seine große,
durchtrainierte Gestalt überragte seine Begleiter um einen halben Kopf.
Er trug eine Tarnhose, darüber ein Muskel-shirt mit seiner Schutzweste.
Seine breiten Schultern stachen einem sofort ins Auge. Ein Unwissender würde
ihn einen bekloppten Muskelprotz nennen, aber in seinen intelligenten Augen
sah man dass er mehr als Muskeln hatte. Sein dunkelbraunes Haar bedeckte ein
Kopftuch, das hinten mit einem Knoten zusammengebunden war. Er beobachtete den
Dschungel durch sein Fernglas, dann drehte er sich wieder um und beobachtete
wie die Arbeiter des Tankers Andosia zwei Geländefahrzeuge abluden, das
Geschenk von Schwerdel. Jedes dieser Fahrzeuge konnte auf ebener Fläche
mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h fahren, auf einer Straße sogar
bis zu 180 km/h. Sie boten jeweils Platz für drei Personen, dem Fahrer,
dem Beifahrer der mit seiner Waffe feuern konnte, sowie dem Passagier auf dem
hinteren Sitz, der sie mit einem schweren MG schützte, und deshalb etwas
erhöht saß. Die Fahrzeuge waren für jedes Gelände geeignet
und deshalb auch optimal für sie geeignet. Mattscho blickte zufrieden auf
die beiden Kampfbuggis, so standen ihre Chancen bereits weitaus besser. Als
er plötzlich im Dschungel Bewegung sah, hob er vorsichtshalber seine Waffe
und zielte auf die beiden Gestalten. Es waren Master und Phoenix, beide musterten
mit erstaunten Augen die Fahrzeuge. Phoenix schritt langsam auf den Neuankömmling
zu:
"Tach Mattscho, schön dass du hier bist. Wie ich sehe hast du ein
paar Überraschungen mitgebracht?"
Mattscho grüßte ihn und Master, der zu ihnen gestoßen war,
er erklärte ihnen was er alles dabei hatte. Dann, als die Arbeiter fertig
waren und ihr Boot verschwunden war, bestiegen sie die Buggis. Master fuhr mit
einem, Mattscho und Phoenix rasten mit dem Anderen auf ihr Lager zu. Die Fahrt
war sehr kurz, da sie die volle Kraft der Fahrzeuge austesten konnten. Es war
ein unglaubliches Gefühl mit 90km/h über Dschungelwege zu rasen.
Nach einer Viertelstunde waren sie bereits an ihrem Ziel. Mattscho wurde dem
General vorgestellt, dann begrüßte er die anderen Söldner ebenfalls.
Fandal und Longrifle erklärten ihm die momentane militärische Lage.
dann ging Mattscho zurück zu einem der Buggis und brachte die nötige
Ausrüstung mit, um die Phoenix ihn gebeten hatte. Er selbst benutzte ein
G11 Sturmgewehr, ein Prototyp, Phoenix wollte gar nicht wissen was der Andere
dafür bezahlt hatte, und welche Quellen man haben musste, um an eine solche
Waffe zu kommen. Er gab die Visiere, Laserpointer und Ständer im Lager
ab. Er hatte weiterhin ein G36, zwei Steyr TMPs mit Schalldämpfer und das
benötigte Scharfschützengewehr mitgebracht, ein Walther WA2000.
Dann erfolgte eine weitere Lagebesprechung, der General sah von dem Vorhaben
ab, die Heliauftankstation zu erobern, aber die Hauptbasis musste gestürmt
werden, und es wäre von Vorteil, wenn der Kommandant dieser Basis eliminiert
wäre, da dieser ein sehr guter Soldat war und es verstand seine Truppen
geschickt in die Schlacht zu führen. Auch sollte man vor dem Angriff einen
Blick auf die Basis werfen, um die Verteidigungsstellungen zu erkunden.
"Ich will dass ihr mir diesen Mann erledigt, ihr entscheidet wer das tut
und wie ihr das tut, lasst euch nicht in ein Gefecht verwickeln, erledigt einfach
die Zielperson und verschwindet dann, noch Fragen?"
"Was sollen die Anderen tun, da ich glaube dass das höchstens ein
Zweimannjob ist?"
"Die Anderen haben frei, sie können einige meiner Männer weiter
ausbilden, oder einige der Waffen reparieren. Ich wünsche euch dann viel
Glück."
Die Söldner verließen den Besprechungsraum und blinzelten in der
hellen Abendsonne, Phoenix, der wieder das Kommando hatte das Longrifle ja verletzt
war, ließ die Informationen noch einmal durch seinen Kopf gehen, dann
entschied er sich. Er drehte sich zu Master:
"Nico, du warst doch früher Scharfschütze beim GSG9?"
"Ja, das stimmt, wieso?" antwortete Master.
"Normalerweise erledige ich meine Scharfschützenaufträge zwar
mit Longrifle, aber da dieser jetzt nicht zur Verfügung steht, werden wir
beide das übernehmen. Du nimmst dir die Walther ich das R93, jeder noch
eine andere Automatikwaffe falls was schief gehen sollte, sowie die übliche
Ausrüstung, das müsste so klappen. Wir fahren mit dem Jeep, die Angriffsfahrzeuge
lassen wir noch hier. Mattscho von dir will ich, dass du die Fahrzeuge in einen
Topzustand versetzt, und dass die MGs genügend Munition haben, du kannst
auch mal schauen, ob die Verteidigung der Basis gut genug ist, die sieht für
mich ziemlich schlampig und schlecht aus, falls ja, kannst du das ändern,
ich bin mir sicher dass du das schaffst. Ich hab leider nicht allzu viel Ahnung
davon. Master, rüsten wir uns aus!" Mit schnellen Schritten begab
er sich in Richtung Lager, das Adrenalin begann seinen Körper aufzuputschen.
Jetzt würden sie ihren Gegnern wieder kräftig in den Arsch treten.
Skye folgte ihm und wartete vor dem Lager bis er herausgetreten war. Sie zog
ihn um die Ecke und flüsterte ihm zu:
"Phoenix, komm mir lebend zurück, klar?"
"Klar, ich pass auf mich auf, hab dafür ja jetzt einen neuen, schönen
Grund. Pass du auch auf dich auf und schau manchmal nach Daniel."
"Natürlich, bye." Sie drückte ihm einen Abschiedskuss auf
die Wange und verschwand dann so lautlos wie immer.
Er blickte ihr glücklich nach, dann begab er sich zum Jeep, wo Master bereits
auf ihn wartete. Dieser startete den Motor und fuhr langsam aus dem Lager, es
war jetzt halb acht, sie hatten die Scheinwerfer des Fahrzeugs bis auf einen
schmalen Spalt zugeklebt, sodass sie die Lampen fast gefahrlos einschalten konnten
und die Chancen klein standen dass sie entdeckt werden würden. Die Fahrt
über redeten beide nicht, Phoenix versuchte etwas zu schlafen was jedoch
fast unmöglich war, da sie die ganze Zeit durchgerüttelt wurden. Seine
Gedanken weilten die Fahrt über bei ihrer Mission, wanderten jedoch immer
wieder unbewusst zu Skye.
Die Nachtvögel zwitscherten in den Bäumen, über ihnen flog manchmal
eine Fledermaus, überall waren die Geräusche des nächtlichen
Waldes zu hören. Sie schlichen langsam auf die Basis zu, ihre Waffe schussbereit
in der Hand, den Blick aufmerksam kreisend. Bis jetzt waren sie noch auf keinen
Gegner gestoßen, aber das würde wohl nicht ewig so bleiben.
Nach einer endlos erscheinenden Zeit kam endlich die Basis in Sicht, sie lag
in einer länglichen Senke, die von zwei Seiten durch den flach ansteigenden
Boden eingegrenzt wurde. Die Seiten waren auf ihrer Kuppe mit Wald bedeckt,
die Gegend um die Basis war aus Sicherheitsgründen gerodet worden. Auf
den Kuppen der beiden Seiten stand man zehn Meter Luftlinie höher als die
Basis. Die Straße verlief durch das Tal und passierte dabei die Basis.
Die beiden Söldner hatten das Lager an einer Seite mit Eingang erreicht,
von hier konnten sie unmöglich schießen, da die Basis von einer zwei
bis drei Meter hohen Betonwand umgeben war. Es gab zwei Eingänge, jeweils
von einem MG bewacht, es würde verdammt schwer sein, hier einzudringen.
An den vier Ecken war jeweils ein Wachposten mit einem Scheinwerfer der die
Gegend um die Basis ableuchtete.
"Master, wir müssen zur Seite um ein Ziel zu bekommen, ich möchte
mir die Basis sowieso genauer ansehen um mir schon mal eine Angriffsstrategie
zurechtzulegen. Begeben wir uns nach links oben, dort sieht es nach dichtem
Dschungel aus, da können wir gut Position beziehen."
"Einverstanden, wir gehen weiterhin nebeneinander, ich links, du rechts."
Sie trennten sich wieder und schlichen dann weiter, jeder musterte seine Seite
ganz genau. Nach einer weiteren endlos erscheinenden Stunde hatten sie endlich
die linke Talseite erreicht. Sie schlugen sich durch den Dschungel, alle paar
Meter stehen bleibend, um zu lauschen, ob da nicht ein Gegner wäre. Plötzlich
verstummten die Vögel es wurde still, kein Geräusch war mehr zu hören.
Wenn der Tiger durch den Wald schleicht, sind die Vögel ruhig, schoss
es Master durch den Kopf, er hob seine Hand, die Finger nach oben gestreckt,
dann streckte er die Hand horizontal und drückte sie nach unten, das Zeichen
zu warten und sich hinzulegen. Phoenix legte sich flach auf den Boden, setzte
sein Infrarotgerät auf und musterte die Umgebung, auf seinem Bildschirm
erschienen drei hellrote Personen, die sich von dem dunklen Hintergrund abhoben,
etwa 30 Meter entfernt. Zwei dieser Soldaten standen beieinander, der Dritte
etwas abseits. Er nahm das Gerät wieder ab und blickte Master an, dieser
blickte ihn fragend an. Phoenix hob drei Finger seiner Hand, dann zwei Finger
und zeigte nach rechts und dann auf Master. Dann einen Finger und zeigte diesmal
nach links und dann auf sich. Phoenix legte seine Waffen ab, nahm nur das Messer
in die Hand und schlich sich leise in Reichweite seines Gegners, dieser blickte
gelangweilt in die Richtung der Basis. Dann, plötzlich nahm er seine Waffe
in die Hände, eine Benelli M11. Phoenix zuckte zusammen, seine Hand umklammerte
das Messer fester. Aber der Soldat streichelte nur über den glänzenden
Lauf und die Kammer seiner Waffe, eine geradezu obszöne Geste, als ob er
seine Waffe liebkosen würde. Der Söldner war etwa zwei Meter hinter
dem Mann auf dem Boden.
Jetzt.
Er sprang auf, ein lautloser, tödlicher Panther, eine Hand schoss nach
dem Gewehrlauf, die andere auf den Kopf des Mannes zu. Er erreichte beide, packte
beide, umklammerte den Lauf mit den Fingern seiner linken Hand und das Haar
des Mannes mit der Rechten. Der Kopf fuhr zurück, die Kehle war gespannt,
so dass der Soldat keinen Laut herausbrachte. Er schmetterte den Kopf mit solcher
Gewalt gegen einen Baum, dass der keuchende Laut der daraufhin zu hören
war, eine schwere Gehirnerschütterung verriet. Der Soldat wurde schlaff,
Phoenix stützte ihn und ließ den bewusstlosen Körper leise zwischen
den Bäumen zu Boden gleiten. Der junge Söldner konnte nachher nicht
erklären warum, aber von einem inneren Reflex getrieben stach er dem Mann
sein Messer ins Herz. Er richtete sich auf und blickte die Leiche an, dann fragte
er sich warum er ihn noch getötet hatte, es hätte genügt ihn
bewusstlos zu schlagen. Er blickte in Masters Richtung, von dort war ein Stöhnen
zu hören, dann ein erschrockener Ruf. Man hörte wie jemand seine Waffe
durchlud, dann ein kurzer, tiefer Kampfschrei, dann nichts mehr. Phoenix hob
die Schrotflinte seines Opfers auf und schlich in die Richtung aus der die Geräusche
gekommen waren. Er sah wie Master sein Messer aus dem Rücken eines Soldaten
zog. Der Andere hatte das Genick gebrochen. Sie sammelten ihre Waffen wieder
auf, versteckten die Leichen unter einigen Ästen und schlichen dann weiter
bis sie den Waldrand erreicht hatten. Hier wuchsen mehrere niedrige Gebüsche
sowie einige Laubbäume. Vom Lager aus waren sie in der Nacht nicht zu sehen,
am Tage vielleicht, aber jetzt nicht. Sie suchten eine dichte Hecke in der sie
sich verstecken konnten. Jeder nahm sein Ghilliesuit hervor und tarnte sich
damit, von vorne würde jeder sie für das Gebüsch halten und von
hinten waren sie durch das Gebüsch getarnt, ihre Gestalten verschmolzen
mit der Umgebung, sie waren jetzt Teil dieser Hecke geworden, für niemanden
zu sehen und konnten doch alles sehen. Sie legten sich so bequem wie möglich
auf ihre Decken. Ein besonders aufmerksamer Beobachter hätte die Läufe
ihrer Waffen oder das kleine Licht an ihren Ferngläsern mit Nachtsichtoption
gesehen, aber da war niemand. Master übernahm die erste Wache, Phoenix
legte sich neben seine Waffe und schlief dann ein. Es war ein unruhiger Schlaf,
er wurde wieder von den Alpträumen aus Arulco geplagt. Er spürte plötzlich
wie es auf sein Gesicht tropfte, er schlug seine schlaftrunkenen Augen auf und
blickte nach oben in den Himmel, dieser war wolkenverhangen und es fing an zu
regnen. Es war ein regelrechter Wolkenbruch der sich über sie ergoss, als
es endlich zu regnen aufhörte, waren die beiden Söldner durch und
durch nass.
Aber das Ende des Wolkenbruchs kündigte auch den neuen Tag an, die Sonne
kroch langsam hervor und fing an sie zu wärmen. Die nassen Kleider begannen
zu trocknen. Es war jetzt halb acht und ihre Zielperson hatte sich noch nicht
blicken lassen. Master legte sein Fernglas beiseite und probierte zu schlafen.
Phoenix fing an das Lager durch sein Glas zu beobachten. Es war bestens aufgebaut
und geschützt. An jedem der beiden Eingänge das MG-Nest. An den Ecken
waren die bereits erwähnten Wachtürme, er zählte über 40
Wachen die im Lager zu sehen waren. Die Schätzung des Generals von 75 Menschen
war nicht übertrieben eher sogar untertrieben, es würde eine harte
Nuss werden dieses Lager zu knacken. Seine Gedanken kreisten wieder zu Skye.
Ein Lächeln umspielte seine schmalen, aufgerissenen Lippen als er an ihr
wunderschönes Gesicht dachte, an ihre seidige, leicht gebräunte Haut,
an das volle schwarze Haar, das sie meistens zu einem Zopf zusammengebunden
hatte. An ihre weichen, roten Lippen, die seine Wange nur leicht berührt
hatten und ihn dadurch trotzdem elektrisiert hatten. Er spürte wieder ihre
Hand in der seinen und ihren Kopf an seiner Schulter. Aber er verwischte diese
Gedanken wieder, sie hatten hier einen Auftrag zu erledigen und der brauchte
ihre komplette Aufmerksamkeit, für Gefühle oder Gedanken war hier
gar keine Zeit.
Sie lagen noch fünf weitere Stunden in ihrer Hecke, ihre Kleider waren
längst getrocknet. Die Zielperson schien sich wohl nicht gerne draußen
aufzuhalten. Die beiden Scharfschützen hatten geprüft, ob ihre Waffen
noch funktionierten und nicht durch den Regen beschädigt worden waren,
als endlich das Ziel auftauchte. Master rüttelte Phoenix wach, der sich
soeben schlafen gelegen hatte.
"Er ist in Sichtweite, los wach auf."
"Bin ja schon wach, mach mal langsam," antwortete der Söldner
schlaftrunken. Er streckte seine steifen Glieder, rollte sich auf den Bauch
und nahm dann sein Fernglas zur Hand.
"Wo steht er?"
"Er ist vor der Baracke, das ist das große Gebäude links."
Phoenix richtete seinen Blick auf dieses Gebäude und dort stand er, die
kleine schmächtige Gestalt, in der sich ein ausgezeichneter Soldat befand.
Dieser setzte sich auf einen Schaukelstuhl vor die Baracke und nahm eine Schachtel
Zigaretten hervor. Er steckte sich einen Sargnagel an und blies den Rauch genüsslich
in den Mittagshimmel. Die beiden Söldner legten die Ferngläser beiseite
und nahmen ihre Gewehre zur Hand. Jeder entsicherte seine Waffe. Phoenix blickte
durch das Zielfernrohr und stellte dieses ein. Er aktivierte das Laserentfernungsmessgerät.
"Master, 569 Meter. Verstanden?" Ihr Rückzugweg war genauestens
geplant, bis ins letzte Detail, wenn nichts schief ging würde das ein Spaziergang
werden.
"Verstanden... habe Tango im Visier, erwarte Anweisung," kam die kalte
Antwort von Master. Er blickte angestrengt durch das Zielfernrohr, die Waffe
fest an seine Schulter gepresst. Sein Zeigefinger war noch immer am Pistolengriff
der Waffe. Das Zielkreuz bewegte sich langsam auf den Oberkörper zu. Es
war ein einfacher Schuss, das Ziel schaukelte leicht und regelmäßig
mit dem Stuhl, die Entfernung war normal und es gab keine Hindernisse in der
Schussbahn.
"Bin bereit, Action!"
Sein Zeigefinger hatte sich zu dem Abzug bewegt, er spürte den kalten Stahl
an seinem Finger. Der Abzug war auf ein Gewicht von 1000g eingestellt, was fast
nichts war. Er drückte den Zeigefinger langsam nach hinten, dann brüllte
der Schuss auf. Seine Kugel traf das Ziel in den Kopf, der Mann wurde durch
die Wucht nach hinten aus dem Schaukelstuhl geworfen. Der Stuhl fiel neben dem
verstümmelten Körper zu Boden, seine angefangene Zigarette glimmte
noch eine weitere Minute bis sie endlich durch das Blut gelöscht wurde.
Phoenix beobachtete das ganze Geschehen durch sein Fernglas,
"Ziel eliminiert, los packen wir unser Zeug zusammen." Phoenix schlich
sich langsam zurück und warf sich die Waffe über den Rücken.
Er packte die Decke und den Ghilliesuit in seinen Rucksack. Master wurde fast
gleichzeitig mit seiner Ausrüstung fertig, die leere Patronenhülse
verschwand in seiner Tasche, ein Andenken, und sie durften keine Spuren hinterlassen.
Sie liefen, das Gewehr in der Hand in den Wald. Zwei Meilen von der Basis entfernt
blieben sie endlich stehen um wieder zu Atem zu kommen.
"Was tun wir jetzt, gehen wir zurück zum Jeep, oder schleichen wir
uns wieder zur Basis um noch ein paar Gegner zu erledigen?" fragte Master
den anderen. Dieser überlegte kurz, dann antwortete er:
"Unsere Aufgabe ist erfüllt, wir wollen uns nicht noch einer weiteren
Gefahr aussetzten, wir ziehen uns zum Jeep zurück und dann in die Basis.
Und jetzt bloß weg hier."
Er nahm sein Sturmgewehr zur Hand und schlich dann los, Master drei Meter neben
sich. Nachdem sie sich mehrere Minuten durch den Dschungel geschlagen hatten
und sich sicher glaubten machten sie kurz Halt um sich zu orientieren und kurz
auszuruhen. Phoenix lehnte sich an einen Baum, nahm seine Trinkflasche hervor
und nahm einen tiefen Schluck. Er hängte die Flasche zurück an seinen
Gürtel und wollte gerade einen Müsliriegel aus seinem Rucksack ziehen,
als er plötzlich ein Geräusch hörte. Er hob die Hand um Masters
Aufmerksamkeit zu erlangen, dann lauschte er weiter. Man hörte schwere
Schritte über den Boden laufen, zeitweise kurze Befehle und keuchendes
Laufen. Phoenix drehte sich zu Master um, dieser blickte ihn mit großen
Augen an, dann wanderte sein Blick zu Boden, man konnte deutlich ihre Spuren
im feuchten Boden sehen:
"Verdammt, der Boden ist noch feucht, die sind auf unserer Spur, bloß
weg hier, schnell," ertönten seine leisen Befehle. Er warf sich seinen
Rucksack auf den Rücken, schulterte die Walther, während er das G36
schussbereit in den Händen hielt. Sie begannen loszulaufen, es waren noch
etwa drei Meilen bis zum Jeep, und die mussten sie jetzt in einer Rekordzeit
hinlegen mit schwerem Gepäck. Sie rannten eine Viertelstunde, die Gegner
waren nicht mehr zu hören was bedeutete, dass sie sich einen kleinen Vorsprung
erarbeitet hatten, Phoenix lehnte sich keuchend an einen Baum, der Lauf durch
den unwegsamen Dschungel hatte ihn ziemlich erschöpft, Master kniete sich
hin und versuchte ebenfalls zu Atem zu kommen.
"Wir scheinen einen kleinen Vorsprung zu haben," sagte er und nahm
seine Feldflasche vom Gürtel um einen kurzen Schluck zu nehmen, "aber
wir müssen weiter." Er erhob sich stöhnend, rückte seinen
Rucksack zurecht und begann weiter zu laufen, dicht gefolgt vom anderen Söldner.
Sie liefen schweigend weiter, ihre Umgebung genau im Auge behaltend, immer wieder
nach hinten blickend, um sich zu vergewissern dass da keine Gegner zu sehen
war. Die Jagd ging weiter, keine der beiden Parteien konnte die Distanz zwischen
sich verändern, die Söldner hatten einen Vorsprung von mehreren Minuten.
Plötzlich blieb Phoenix stehen, er hatte eine Bewegung gesehen. Master
blickte sich zu ihm um. Als er sah das Phoenix sich hinkniete, tat er das Gleiche,
der junge Söldner wies nach links, eine Patrouille! Sie schlichen sich
vorsichtig nach rechts, um aus dem Sichtfeld der Soldaten zu kommen. Diese hatten
sie noch nicht bemerkt, aber das würde nicht mehr lange dauern wenn ihre
Verfolger die Patrouille erreicht hätten. Ihre Gegnerzahl erhöhte
sich rapide, ihre Lage wurde immer brenzliger. Nachdem sie genügend Entfernung
zwischen sich und die Soldaten gebracht hatten, begannen sie wieder zu laufen,
gleichmäßig um nicht zu sehr zu ermüden aber ihren Verfolgern
keine Chance zu lassen sie zu erreichen. Hinter sich hörten sie ihre Gegner
die sich getroffen hatten. So ging die Jagd weiter, fünf Minuten? Eine
Viertelstunde? Phoenix hatte längst kein Zeitgefühl mehr. Sie waren
von ihrer ursprünglichen Richtung abgekommen um die Soldaten zu umgehen,
weshalb ihr Jeep jetzt links von ihnen stand. Noch eine Viertelstunde Dauerlauf,
dann hätten sie es geschafft. Plötzlich hörten sie es donnern,
instinktiv ließen sie sich zu Boden fallen, aber es war nur ein Blitz
gewesen, sie rappelten sich wieder hoch und liefen weiter. Über ihnen donnerte
es immer mehr, sie hofften inbrünstig dass es zu regen anfangen sollte,
da sie sich dann verstecken konnten. Während sie sich weiter durch den
Dschungel schlugen blickten sie immer wieder zu dem immer dunkler werdenden
Himmel. Und ihre Bitten wurden erhört, langsam fielen schwere Regentropfen
auf die Blätter der Bäume über ihnen. Nach und nach begann sich
der Regen zu steigern, sie hörten noch einige vereinzelte Rufe der Gegner
durch den Dschungel hallen, bis nur noch das Stakkato des Regen in ihren Ohren
war. Die beiden Söldner suchten nach einem Versteck, das sie endlich auch
fanden. Es war ein umgestürzter Baum, seine Wurzeln hatten ein Loch in
den Boden gerissen. Rundherum standen mehrere Büsche, und über dem
Loch hatte sich ein dichtes Gewebe aus Wurzeln, Lianen, Kletterpflanzen und
Blättern gebildet. Sie krochen in das Loch, wo sie sich auf den Boden legten
und ihre Ghilliesuits über sich warfen. Dieses war mit Wasser und Schlamm
gefüllt, aber sie waren lieber sicher und dreckig, als tot und sauber.
So lagen sie mehrere Minuten da, als plötzlich Fußgetrampel die Stille
durchbrach. Sie blickten sich schnell an und nahmen dann ihre Waffen zur Hand,
mit etwas Glück waren ihre Spuren schon durch den Wolkenbruch verlaufen.
Es waren acht Soldaten, ihre Augen blickten suchend umher und versuchten verzweifelt
die Spur wiederzufinden.
Sie hörten eine laute Stimme schreien, er schien einen Befehl zu geben,
sie verstanden jedoch nichts, da der Soldat in seiner Muttersprache redete.
Master blickte Phoenix an, sein Gesicht war angespannt, und die Tarnfarben verliefen
darin..
Die Gruppe Soldaten begann wieder weiter zu laufen, einer, ein ganz Pflichtbewusster,
wollte jedoch nachschauen, ob niemand bei der Wurzel des umgestürzten Baumes
wäre. Master blickte seinen Freund erschreckt an, dann entsicherte er sein
Sturmgewehr. Der Soldat wollte gerade einige Äste beiseite schieben, als
eine Stimme etwas rief:
Der Soldat blickte erschreckt auf, antwortete etwas mit leiser Stimme. Dann
lief er seinen Kameraden nach, erleichtert blies Phoenix die angehaltene Luft
aus seinen Lungen, langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Sie sicherten
ihre Waffen und lauschten den Gegnern nach, aber bald war nur noch das Trommeln
des Wolkenbruchs zu hören. Phoenix wischte sich den letzten Rest Tarnfarbe
aus dem Gesicht. Jetzt konnten sie sich endlich etwas ausruhen. Nachdem beide
wieder zu Atem gekommen waren, konnten sie zurück zu ihrem Jeep gehen.
Der Regen hatte aufgehört, ihre Kleider waren jedoch patschnass und verdreckt,
aber sie lebten! Vereinzelte Sonnenstrahlen durchdrangen das dichte Blätterdach
des Waldes. Die Söldner schlugen sich durch das dämmrige Unterholz
immer aufpassend ob nicht ein Gegner in der Nähe war. Aber sie wurden nicht
mehr entdeckt. Sie gelangten unbemerkt zu ihrem Fahrzeug, mit dem sie sofort
in Richtung Heimatbasis zurückkehrten. Der junge Söldner gab einen
kurzen Funkspruch ab:
"Phoenix an Basis; Mission erfüllt, wiederhole Ziel eliminiert,
kommen nach Hause, Over."
"Basis, haben verstanden, Mission erfüllt, kommt zurück, Over."
Von Phoenix
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