Der Glaube hat Menschen schon immer in ihren Handlungen bekräftigt.
Religiösen Menschen gab der Glaube an einen oder mehrere Götter
Kraft, die Widrigkeiten des irdischen Lebens zu überstehen. Während
Atheisten Kraft daraus schöpften, das nicht ein Wesen unbekannter
Gesinnung ihr Leben beeinflußt, sondern die Physik und die Mathematik
kurz, das man die Welt in Formeln fassen könnte. Beide Vorstellungen
haben in gewisser Weise etwas gemeinsam: sie gehen beide davon aus, das
ein Mensch und die Welt um ihn bestimmten Gesetzen unterliegt. So ist
die Annahme, dass der Mensch alleine nicht fliegen kann, eine deutliche
Parallele zwischen beiden Vorstellungen. Sehen sie einen Unterschied zwischen
"Gott hat es verboten" und "Der Mensch ist aerodynamisch,
thermodynamisch und physisch ungeeignet"? Was aber, wenn es jemanden
gibt, der die Regeln brechen kann?
Teil 1 Das Erwachen
Mark sprintete den metallisch-leblosen Gang der Fabrik entlang und verfluchte
den Tag, als er sich dazu entschloß, hier für etwas .45-Kaliber
Ordnung zu sorgen. Die unregelmäßigen Versuche, die Gangster
hinter sich abzuschütteln, waren nicht von Erfolg gekrönt und wenn man gerade 14 Gangmitglieder getötet hatte, war da mit Verhandlungen
auch nicht viel zu erreichen. Sein Atem keuchte, und seine schweren Stiefel
mit Metallabsätzen klapperten auf dem eisigen Boden. Unbeeinflußt
von der offenbar nebensächlichen Flucht sah er noch relativ gut aus.
Die Jeans knitterte mit jedem Schritt, noch nicht durchtränkt von
Schweiß, denn Laufen war er gewöhnt. Nicht zum erstenmal hatte
er sich selbst in eine fast kafkaesk ausweglose Situation manövriert,
und nicht zum letzten Mal würde er sich wieder rausschummeln. Das
schwarze T-Shirt flatterte um seinen dürren Oberkörper, denn
er trug mal wieder Übergröße zum Tarnen seiner Waffen.
Dann und Wann drehte er sich im Lauf um, zielte nach hinten und drückte
ab, aber er lief stets weiter, denn jedesmal wurde ihm schlagartig bewußt,
das er seine Munition längst verschossen hatte. Seine braunen Augen
glitzerten, ihm fiel nicht auf, das ihm Angstschweiß im Gesicht
stand. Der Geschmack in seinem Mund war salzig aber es fühlte sich
eiskalt an. Er saß wirklich tief drin im Mist. Er motivierte sich
selbst, weiterzulaufen. Nur noch 50 Meter. Er legte zu, wurde noch schneller,
auch wenn ihm schon die Lungenflügel brannten. Er hörte Schreie
hinter sich. Sein schweißgetränktes dunkelblondes Haar wirbelte
verklebt durch die Luft, als er kurz nach hinten schaute. Die Gangster
fielen zurück. Nicht nachlassen. Dann Licht. Tageslicht. Sehr gut,
dachte er sich. Und mit letzter Kraft stürzte er auf die Straße,
direkt in Richtung eines Polizisten auf Streife. Endlich in Sicherheit.
Hier würden sie ihn wohl kaum erledigen. Nur eine Sekunde schloß
er seine vom Schweiß brennenden Augen, und begann zu weinen vor
Erleichterung. Er wollte den Polizisten umarmen, aber dann plötzlich
stach ihm der Schmerz in die rechte Flanke. Ein Pick-up hatte ihn erfaßt,
und dessen Kühlergrill brachte die Erlösung. Er war sofort tot
und hinterließ einen unbewaffneten Streifenpolizisten in Verwirrung
und 6 Gangster in Erleichterung. Er hatte die dreckige Arbeit selbst für
sie gemacht.
Als er das Licht sah, war der Schmerz weg.
Das Licht war wunderschön, warm, und wohlklingend. Der Schmerz aus
den Lungen war wie weggeblasen. Er faßte sich auf die Stirn kein
Schweiß. Das Licht wurde heller. Er zwang sich, seine Augen offenzuhalten,
dann wurde das Licht wieder weniger intensiv, verwandelte sich, formte
eine Figur, die aus dem Licht entstand. Sie war menschlich, oder zumindest
sah die Erscheinung so aus. Mark zuckte zusammen, ein kalter Schauer wanderte
seine Wirbelsäule hinab. Die Erscheinung sprach. "Tja, das war
es dann wohl." "Soll das ein Scherz sein? Wer oder was bist
du überhaupt?" "Ich überlasse das deiner Phantasie.
Entweder bin ich ein Engel oder nur eine Wahnvorstellung deines sterbenden
Gehirns. Ich persönlich bevorzuge die erste Variante." "Ich
bin Atheist. Ich glaube nicht an Gott." "Sieh mich als symbolischer
Botschafter der guten Seite deines Bewußtseins. Ich würde dich
abhaken und zum Chef schicken, aber es gibt wichtigeres für dich
zu tun." "Zum Beispiel?" "Ich nehme an, du kennst
du Grundbegriffe des Christentums oder?" "Ja." "Gut.
Wie immer wir das Gute und das Böse begreifen, nennen wir es hier
Gott und Teufel. Symbolisch." "Und?" "Bei der Erschaffung
der Welt existierte zuerst das Gute, aber nicht lange. Um zu verhindern,
das sich beide Kräfte direkt bekämpfen, schuf Gott 7 Siegel,
die eine Grenze ziehen. Er kann nicht in die Hölle und der Teufel
nicht in den Himmel. Erst beim Jüngsten Gericht oder wie du das
Ende der Welt nennen willst, will Gott diese Siegel brechen und zum letzten
Kampf antreten. Aber es ist noch nicht soweit." "Und was hat
das mit mir zu tun?" "Wir wissen, das der Teufel das ebenfalls
plant aber in nächster Zeit. Er hat einen Dämonen geschickt,
die Siegel zu suchen. Bis zum Höhepunkt der nächsten Sonnenfinsternis
ist der Teufel besonders stark. Wenn es davor zum Kampf kommt nicht
auszudenken. Du sollst diesen Dämon lange genug aufhalten, denn danach
wird der Teufel kein Interesse mehr an den Siegeln haben." "Entschuldigung,
aber wie soll ich das anstellen?" "Wir brechen die Regeln. Ich
schicke dich zurück und gebe dir einen Teil meiner Kraft. Ich ernenne
dich damit zu einem Paladin, einem heiligen Krieger. Du kriegst Ausrüstung,
alles was du brauchst, und dafür suchst du die Siegel und räumst
auf, falls du Besuch kriegst." "Tschuldigung, wißt ihr
nicht, wo die Siegel sind?" "Doch, aber wenn wir es dir sagen
und du den Dämonen in die Hände fällst, haben sie gewonnen.
Wir können das leider nicht riskieren." "Und was ist, wenn
ich ablehne?" Die Gestalt zuckte mit ihren Schultern. "Was hast
du zu verlieren? Ich biete dir eine zweite Chance. Entscheide dich, Mark."
"Ich bevorzuge ´Reap´." "Nicht gerade der richtige Name
für einen Paladin." "Woher..." "Es ist nicht
so, als ob du eine Alternative hättest."
Die Auswahl der Ausrüstung überließ Azuriel so hatte
sich der "Engel" vorgestellt ganz Mark, der bei der Gelegenheit
gleich die himmlische Waffenkammer-Administration darauf hinwies, das
Schwerter und Turmschilde langsam aus der Mode kamen. Der Versuchung,
trotzdem ein heiliges Kristallschwert einzustecken, konnte er jedoch nicht
widerstehen besonders, nachdem Azuriel meinte, dass man damit Dämonen
in eine leere Dimension verbannen könnte, aus der es kein Entkommen
gab. Eine der wenigen Situationen, in denen nicht mal ein persönlicher
Draht zum Fürst der Finsternis einen Ausweg schaffen könnte.
Mark blieb bei Bewährtem: Zwei .45 Selbstladepistolen aus Keramik,
eine Flakweste unter seinem schwarzen Sweatshirt, Jeans, schwere Stiefel
mit Kampfmesser in der Sohle und Armschienen zum Parieren. Ein schwarzer
Trenchcoat und eine blau verspiegelte Sonnenbrille kamen hinzu. Auf Anraten
von Azuriel noch ein goldenes Kreuz, das nicht nur seiner neuen Arbeitsstelle
Rechnung tragen würde, sondern mit seinem bleiverkleideten Innenraum
auch bei Flughafenkontrollen seine Nützlichkeit unter Beweis stellen
könnte. Azuriel führte Mark zum Himmelstor zurück, wo er
seine Reise erneut antreten würde. Mark wollte schon hinaustreten,
als er innehielt und sich an Azuriel wandte. "Wie kann ich dich erreichen?"
Azuriel lächelte nur, reichte Mark ein Handy und verabschiedete ihn
mit den Worten "Drei mal die Null." Mark schloß sich dem
Lächeln an, spannte seine Schultermuskeln kurz an, um das Schwert
in die richtige Position zu bringen, dann schritt er hinaus und wagte
den Sprung zurück auf die Erde. Hatten sie hin doch so weit gekriegt,
dachte er sich, und schwor bei seinem Auftraggeber, das er, sollte er
diesen Sprung unbeschadet überstehen, die Bibel nach Seite 3 weiterlesen
würde.
Selbst die aufgehende Wüstensonne blendete nicht mehr, als er sanft
auf dem sandigen Boden aufsetzte. Mark dachte kurz nach, dann fluchte
er. Sollte er sich hier raus teleportieren?
0.0.0. Mark tippte auf die Tasten und wartete auf Antwort. "So schnell
am Hörer? Hast du deinen Hut vergessen?" "Sag mir bitte,
wie ich hier aus der Mistwüste rauskommen soll." Azuriel klang
sichtlich genervt von den kleinlichen Problemen seines sterblichen Mitstreiters,
aber nun mußte er die Suppe, die er sich eingebrockt hatte, auch
auslöffeln. "Ich schicke dir ein Motorrad, reicht das?"
"Muß reichen. CU." "Geh mit Gott, aber geh."
Mark legte auf, dann schaute er um sich. Nichts tat sich. Vorerst. Dann
begann der Boden sich aufzuwühlen, ein Donnern und Dröhnen schallte
durch die Leere von Death Valley. Und tatsächlich, aus dem Sand erhob
sich ein rotes Motorrad direkt vor Mark. Während er in der Öde
darüber sinnierte, ob man wohl per Gebet nachtanken kann (was ihm
sicherlich enorm wichtig werden könnte), sprang das Motorrad an und
heulte. Keine Frage, die Angelegenheit duldete keine Müßigkeit.
Nach 2 Stunden Fahrt erreichte der heilige Krieger-in-Ausbildung ein
kleines Wüstenkaff namens Flint. Nach seinen Informationen (die Position
eines Siegels hatte man ihm verraten) war hier mit verstärktem Dämonenaufkommen
zu rechnen. Aber nicht ohne seine Prinzipien, dachte sich Mark, denn niemand
hat je ohne gutes Mittagessen die Welt gerettet. Eine alte Leuchtreklame
pries "Rose´s Diner" an, mit dem obligatorischen "Gutes
Essen" Schild. Klar. Höchstwahrscheinlich ´ne Absteige für
Trucker, die nach ihrer 16-stündigen Fahrt zu groggy waren, ein Schnitzel
von ´ner Schuhsole zu unterscheiden sowohl optisch als auch geschmacklich.
Mark entschloß sich zum Versuch. War ja noch kein Paladin an rohem
Fleisch gestorben, oder? Er schritt hinein, und besser hätte auch
das typische Kaff-Diner aus der Glotze nicht Klischees verkörpern
können. Junge Mädels servieren alten Farmern Essen und füllen
gegen Entgelt auch das allzu leere Bett am Abend. An der Welt um sie offensichtlich
nur zweitgradig interessiert, unterhielten sich alternde gescheiterte
Existenzen mit obligatorischen Alkohol-, Glaubens-, und Geldproblemen
über Anbaumethoden und warum der Mist hier eh vergebens war. In solchen
Momenten war Mark klar, wie gut er weggekommen war. Vielleicht war er
ein Eindringling in die "Idylle" hier, aber er stellte keine
Fragen und zahlte Trinkgeld, also interessierte sich keiner für die
L-förmigen Ausbeulungen in seinem Trenchcoat. Während sich Mark
an einem Schinkenomelett gütlich tat, sah er im Augenwinkel einen
etwa 15-jährigen Jungen auf das Diner zu rennen. Der Junge stürzte
außer Atem hinein, und keuchte schwer, als er um Luft rang und gleichzeitig
versuchte zu schreien. Mark verstand seine Gestik. Etwas war passiert.
Zeit, die Luft mit heiliger Munition zu schwängern.
Obwohl sich "Paladin" nur mit mittelgroßen Schwierigkeiten
als ordentliche Berufsbezeichnung verkaufen läßt und man bei
der Angabe, den Schöpfer aller Dinge als Arbeitgeber zu haben, im
besten Fall ausgelacht wird, war Spesenabrechnung kein großes Problem.
Sie hätten wohl auch kein Problem damit, wenn sie aus geistiger Energie
Bargeld erzeugen könnten. Auch für Mark war diese Fähigkeit
jetzt wichtig, seine Konzentration reichte sogar noch für Trinkgeld.
Nicht das es sich die Bedienung durch besondere Freundlichkeit verdient
hätte, aber man hat Stil oder nicht, und Trinkgeld geben beweist
das Erstere. Ohne "Tschüs" zu gehen das letztere. Mark
tat beides und verfluchte seine Entscheidung schon bald. Der recht einfache
Grund lauerte draußen auf ihn ein circa 5 Meter hoher Dämon,
in Form eines riesigen Bären mit rötlichem Fell. Kaum hatte
Mark sich aus dem Diner gerettet, ging das Monster auch schon auf ihn
los. Es erwischte ihn an der Brust und warf ihn zurück. Er rollte
sich nach hinten ab und zückte seine Pistolen. Er gab Feuer und traf
den Bären an der rechten Pranke. Der Bär brüllte und starrte
auf den blutigen Stumpf. Mark warf die Pistolen zur Seite und zog sein
Schwert aus der Scheide. Mit schnellen Schritten stürmte er auf den
Dämon zu, ging plötzlich in die Knie und sprang. Beflügelt
von seinen Kräften warf er sich gegen die Brust des Dämons,
der daraufhin ungeschickt nach hinten stolperte. Der Dämon lag noch
halb bewußtlos auf dem Rücken, als Mark schon wieder auf den
Beinen war. Mit einem gewaltigen Schlag durchtrennet er den Hals des Ungeheuers.
Er wich zurück von dem toten Körper, der langsam in der Erde
versank, wie von der Hölle selbst verschlungen. Kaum eine Minute
später war das Blut an seinem Schwert und die Wunden auf seiner Brust
der einzige Beweis dafür, das hier ein Kampf vor sich gegangen war.
Er wischte sein Schwert mit einem weißen Taschentuch ab und sammelte
seine Pistolen wieder ein. Eine kurze Überprüfung brachte Gewißheit
das Magazin war voll. Lange mußte er nun nach dem Siegel nicht
mehr suchen es erhob sich vor ihm aus dem Boden, etwas abseits der Stätte,
wo er eben noch gekämpft hatte. Dann fühlte er den Schmerz wieder
und beschloß, sich erst einmal seinen Verletzungen zu widmen.
Mark sparte sich den Weg zum Hospital, die Wunden waren immerhin dämonischen
Ursprungs, infiziert mit Pestilenzen, die kein Sterblicher jemals gesehen
oder erlebt hatte. Mark bemühte die Energie seines Willens und konzentrierte
sie in seinen Händen. Nach dem Auflegen begriff er, was mit dem Sprichwort
"Das brennt wie´s Fegefeuer" gemeint war. Keine Zeit zu jammern,
dachte er sich, immerhin hatte er erst eins von sieben Siegeln gefunden.
Azuriel hatte ihm eine Kurzeinweisung in heilige Schutzrunen gegeben;
etwas, das zwar offiziell Aufgabe der Engel war, inoffiziell aber doch
meistens an ihren sterblichen Helfern (oder auch Laufburschen) hängenblieb
einleuchtend, wenn man bedenkt, das Engel ja auch meistens irgendwo
im Himmel durch die Gegend flanieren, anstatt die Erde zu betreten. Als
Paladin hätte man sie verfluchen können, besonders, da Dämonen
sich für Kampf in vorderster Front nicht zu schade waren. Der "Kleine"
eben war nicht mehr als ein Begrüßungsgeschenk, die wirklichen
Herausforderungen würden noch kommen. Und wer mit dem Teufel zu Abend
ißt...na ja, der sollte im wahrsten Sinne des Wortes höllisch
aufpassen.
Nach der Einritzen der Runen und dem Polieren des Schwertes war der Tag
für Mark erst mal gelaufen. Mark schwor sich selbst, sollte er dieses
Mal davonkommen, würde er in Frührente gehen.
Von Gatac
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