Teil 3 - Die Allianz
"Man kann sich nur auf zwei Dinge im Leben verlassen,
und beide kann man in einem Holster tragen."
Obwohl man bewundern muß, wie sich ein Paladin durch
Beschwörung elementarer Kräfte auf ein mit 700 km/h fliegendes
Linienflugzeug stellen kann - wohl gemerkt, ohne Klettereisen und Brechtüte
- so hatte Mark keine Zeit, seine Leistung auch nur im geringsten zu würdigen,
denn bei der Dämonensättigung der umgebenden Luft konnte er
trotzdem im Bruchteil weniger Sekunden im nächsten Triebwerk enden.
Keine Zeit zu philosophieren, die Dämonen mußten weg. Radikal.
Mark versuchte sich zu erinnern, welche Fähigkeit von Nutzen sein
könnte; seine Entscheidung fiel auf die Himmelsfaust. Kaum beschworen,
bahnte sich ein Meteor aus Blitz und Donner seinen Weg durch den bewölkten
Himmel. Mark rückte noch kurz seine Sonnenbrille zurecht, dann explodierte
der Meteor in eine gigantische Sphäre aus Licht und Energie. Der
Himmel färbte sich rötlich vom Blut der Dämonen; ja, es
REGNETE sogar Dämonenleichen - eine schöne Gelegenheit, sich
an diesem Naturschauspiel zu ergötzen. Es sei jedoch angeraten -
und niemand fühlte das schmerzlicher als Mark - den fallenden Leichen
aus dem Weg zu gehen.
Man sollte meinen, das ein Arbeitstag für einen Paladin
auch durchschnittlich nicht mehr als 2 Heldentaten umfaßt - was
ja durchaus stimmen mag, jedoch nicht heute. Mark hatte sich gerade wieder
zur Frachtluke heruntertragen lassen, als das Flugzeug deutlich in einen
Sinkflug eintrat. An und für sich ein geringer Anlaß zur Sorge.
Man kombiniere das Szenario mit einer Stewardeß, die hysterisch
durch die Gänge läuft und "Der Pilot ist tot !" ruft
? voila. Ein neuer Notfall für Mark als Paladin ? und das am 2. Arbeitstag.
Unter anderen Umständen wohl ein Grund zur Gehaltserhöhung.
Na bravo, der erste Tote. Mark sprintete durch die Gänge ins Cockpit.
Dort angekommen, sondierte er die Lage. Glück gehabt, der Pilot war
nicht tot, nur ohnmächtig. Schlimm genug. Mark wußte, es war
an der Zeit, sein Schwert gegen den Steuerknüppel zu tauschen. Natürlich
hatte Mark als konsequenter Verabscheuer jeglicher Computersimulation
nicht die geringste Ahnung vom Fliegen. Blieb nur noch, um himmlischen
Beistand zu bitten.
0.0.0. Mark dachte ernsthaft darüber nach, sich die
Nummer auf einen Kurzwahlspeicher zu legen, man kann ja nie wissen, ob
man noch Zeit für drei statt einer Taste hat. Die vertraute, für
einen Engel recht tiefe Stimme Azuriels antwortete dem piepsenden Flehen
des Klingeltons. "Was gibt´s denn ?" "Du hast nicht zufällig
einen kompetenten Piloten für eine 747 mit koreanischen Instrumenten
?" "Irgendwas sagt mir, das du dich beim Lesen der Schriften
Cains auf Kampfsprüche beschränkt hast." "Du meinst...ach
ja, Verständnis. Hmpf. Danke."
Mark versuchte seinen Geist zu reinigen, dann sagte er die
uralten Verse auf. Die Schriftzeichen verschwommen vor seinen Augen. Die
Beschriftung war lesbar; wenigstens etwas. Er nahm das Handy wieder zur
Hand. "Toll, aber wie fliege ich so ein Teil ?" "Nicht
mein Problem. Geh auf Autopilot und funk den nächsten Flughafen an."
Sprach es und legte auf. Na toll. Erst mal den Schalter
für Autopilot finden. Klar. Da war er; frech und rebellierend in
rot. Mark legte ihn um. Erstes Problem gelöst. Er nahm Platz auf
dem Pilotensessel, man konnte die Verantwortung förmlich riechen.
Oder, treffender, den Angstschweiß.
Mark zuckte zusammen, als er hinter sich eine Stimme hörte.
Er drehte sich um und traute seinen Augen kaum. Dort stand
eine Gestalt, die genauso gekleidet war wie Mark; sein nach oben wandernder
Blick blieb am Sweatshirt hängen. Er schüttelte sich und blickte
nach oben. Keine Frage, das war eine Frau. Und sie war ebenfalls Paladin.
Mit schlagartiger Erkenntnis kehrte sein Verstand zurück, und er
betrachtete seine Mitstreiterin genauer. Das braune, schulterlange Haar
zu einem Zopf nach hinten gebunden, die Augen hinter einer Sonnenbrille
versteckt, ergriff sie das Wort. "Ich bin Sharon. Du brauchst einen
Piloten ?" Mark riß sich selbst aus dem Wachkoma seiner Träume
zurück und gewann langsam seine Ruhe zurück. "Ja."
Sehr viel mehr brachte er nicht heraus. Bevor er noch mehr sagen konnte,
hatte sich Sharon bereits auf dem Sitz des Kopiloten bequem gemacht; ihre
zarten Hände umfaßten das Ruder mit ungeahnter Stärke.
Sharon bediente die überwältigende Flut an Schaltern, als würde
sie Piano spielen; der Autopilot schaltete die Systeme auf Landung in
steilem Sinkflug. Sie wandte sich wieder an Mark, der immer noch wie vom
Donner gerührt die Szene betrachtete. "Einfach nur gerade halten,
das Baby landet sich dann fast von selbst." Mit diesen Worten war
sie auch schon wieder durch die Cockpittür verschwunden. Wie raffiniert;
Mark konnte ihr nicht folgen, ohne das Flugzeug zum Absturz zu bringen.
Mit dem Mut eines Todgeweihten gelang ihm dann auch die Landung; so wie
das Flugzeug langsam auf der Rollbahn aufsetzte, wurde auch sein Herz
wieder leichter. Mit wiedergefundener Entspanntheit zog er sich dezent
aus dem Cockpit zurück, bevor der Pilot wieder zu sich kam.
Marks zweiter Vorname war Anonymität; er war es gewohnt,
in exotische Länder zu reisen, Waffen durch den Zoll zu schmuggeln
oder mit einem Geldschein hier und da die Echtheit seiner Papiere zu bestätigen.
Deswegen hielt er sich nicht lange am Flughafen auf, sondern suchte das
riesige Parkhaus nach seinem Motorrad ab. "Eigentlich die ideale
Gelegenheit für einen Test..." Mit wenig Kraftaufwendung sah
er das Motorrad vor seinem geistigen Auge, in seiner Vorstellung startete
er es. Er hörte südlich von sich den Motor aufheulen. Mit einem
kurzen Lächeln machte er sich auf den Weg. Langsam gewöhnte
er sich an den Gedanken, das er gewaltige Kräfte zur Verfügung
hatte. Er bog um die Ecke und sah einen Schatten hinter dem Lichtkegel
des Scheinwerfers. Seine Schritte verstummten, nur das monotone Knurren
des Motors im Leerlauf war noch zu hören. Marks rechte Hand bewegte
sich reflexartig zu seinem Rücken und zog seine Waffe aus dem Holster.
Heute war wohl wirklich nicht sein Tag. Die Gestalt trat aus dem Schatten.
Es war Sharon. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog sie eine Mossberg
590 aus ihrem Mantel und feuerte.
Von Gatac
|