Teil 8 - Das Spiel
"Es hat gerade erst begonnen..."
Der Pick-up holperte über die steinige Piste, die sich Bundesstraße
schimpfte. Schon seit Stunden hatten die beiden keine Häuser - geschweige
denn eine Stadt am Straßenrand erblickt, und die Sonne am Himmel
heizte das Wageninnere unerträglich auf. Die Luft war stickig und
die letzten Reste von Sauerstoff entschwanden auch langsam aus dem Geländewagen.
Inzwischen saß Sharon wieder am Steuer, jedoch mit dem festen Vorsatz,
am nächsten Motel anzuhalten und erst einmal auszuschlafen. Mark
indessen war es vollkommen egal; er wollte nur so schnell wie möglich
aus dieser Wüste heraus, und in der Nacht wäre es wenigstens
nicht so verdammt heiß. Von der Hitze ermattet betrachtete er seine
Ausrüstung. Die zwei USP Tactical .45 erstrahlten in einem silbrigen
Chromton und blendeten Mark etwas, trotz seiner Sonnenbrille. Auf den
Griffschalen waren sorgfältig verzierte Kreuze eingraviert; bei genauerer
Betrachtung war nur der Schlitten und die Griffschalen aus glänzendem
Material; am Rest der Waffe war das darunterliegende Keramik erkennbar
und bildete mit seinem schwarz einen krassen Gegensatz in der Gestaltung.
Mark warf die beiden heiligen Pistolen zur Seite und widmete sich seinen
normalen Handwaffen.
Die Desert Eagle fiel zu Boden, als Mark sie aus dem Holster ziehen wollte;
schlagartig wurde ihm bewußt, wie schwer diese Waffe eigentlich
war; aber sie besaß hervorragende Durchschlagskraft und war genau
die Waffe nach seinem Geschmack viel zu laut, um von einem einfachen
Schalldämpfer gebändigt zu werden. Im Vergleich zu diesem Monster
wirkten die beiden Tactical wie Spielzeuge. Er betrachtete sie aus allen
Seiten; ihre Oberfläche war mattschwarz lackiert; ein Überbleibsel
aus den Tagen, als er mit dieser Waffe nachts unterwegs war. Mark zielte
in die Luft; selbst für ihn war es ermüdend, diese schwere Waffe
mit einer Hand zu halten. Deswegen widmete er sich dem Colt, der die gesamte
Fahrt bis jetzt in einer Tasche von Marks Mantel verbracht hatte. Mark
nahm die Waffe und setzte seinen Zeigefinger auf den Abschußbügel.
Er hatte von dieser Waffe gehört; angeblich war sie mit 2300$ recht
teuer, dafür aber sehr präzise und in einem modernen Kaliber
mit großer Magazinkapazität. Natürlich klang 10mm nicht
besonders spektakulär; wenn man sich jedoch vor Augen hielt, das
diese Patrone die Leistung einer .357 Magnum erreichen kann, hatte man
schlagartig bedeutend mehr Respekt für sie. Mark justierte das Visier
nach seinen Anforderungen, dann verstaute er die Waffen wieder und richtete
sich auf.
Der Wagen bewegte sich nicht mehr. Auf der Straße vor ihnen hatte
sich ein Sperring von mindestens 10 Polizisten gebildet, alle mit Gewehren
im Anschlag. Sharons Mund entfuhr ein leiser Fluch. Mark hielt sich nicht
mit verbaler Situationskritik auf; er zog das PSG-1 aus der Halterung
und fütterte den Schacht mit einem 20-Schuß Magazin. Er legte
das Gewehr sorgfältig neben sich auf den Sitz, dann öffnete
er die Tür und richtete sich beim aussteigen auf. Dank Mittagssonne
warf er selbst mit seinen 1,90m kaum einen Schatten. Seine Stimme schallte
durch das kleine Tal. "Was wollen sie ?" "Mark Aaron Simmons,
wir verhaften sie wegen mehrfachem Mord, schwerer Körperverletzung,
illegalem Waffenbesitz, Geiselnahme und Widerstands gegen die Staatsgewalt.
Legen sie ihre Waffen nieder und heben sie ihre Hände über den
Kopf." Mark schluckte. Es ließ sich wohl kaum mit seiner Mission
vereinbaren, rechtschaffene Menschen zu töten oder ernsthaft zu verletzen
. Die einzige Möglichkeit, an diesen Menschen vorbeizukommen, war
sie unbewaffnet auszuschalten. Er flüsterte Sharon zu, sich zu ducken,
dann griff er nach dem Gewehr und stürmte nach vorn. Mit einem Sprung
warf er sich hinter einen Felsen; gerade noch rechtzeitig, um ein paar
Kugeln Kaliber 5.56mm NATO davon zu überzeugen, an seinem Kopf vorbei
zu fliegen. Das Gewehr prallte hart auf dem Boden auf; Mark zog es hinter
den Fels, warf sich dann zur Seite und eröffnete das Feuer. Die ersten
paar Schüsse prallten bereits neben ihm ein; dann traf seine erste
Kugel die Waffe eines Polizisten, die darauf mit einer Ladehemmung reagierte.
Mark feuerte nochmals, und der Ausgang dieses Schusses lieferte ein Argument
für den zyklischen Aufbau der Zeit es führte zum gleichen
Ergebnis. Mark rollte sich seitwärts hinter den Felsen, um den Angriff
von einer besseren Position fortzusetzen, da hörte er ein Krachen
und drehte seinen Kopf nach hinten.
Sein Motorrad lag auf der Straße, Sharon saß am Steuer ihres
Wagens und Selbiger bewegte sich mit zunehmender Geschwindigkeit auf die
Straßensperre zu. Der schwarze Pick-up, offensichtlich ein entfernter
Verwandter eines Rammbocks, donnerte durch die Reihen der Polizisten und
versenkte seine Kühlerhaube in mehreren Polizeifahrzeugen. Während
Mark mit deutlich sichtbarer Verwunderung seinen Körper in eine aufrechte
Position brachte, kletterte Sharon aus ihrem einst nagelneuen Fahrzeug
und schrie sich die Lunge aus dem Leib. "Hau ab, ich halt diese Versager
auf !" Ihr Ton war für Mark sicheres Indiz, das eine Diskussion
jetzt unangebracht war; er steckte sein Gewehr ein und sprintete zurück
zu seinem Motorrad. Mit einem Kickstart heulte der Motor auf; die Räder
fraßen sich eine Sekunde durch den Sand, bevor sie Halt fanden und
das Zweirad nach vorne katapultierten. Mark hielt noch kurz an der Unfallstelle;
die Polizisten würden sich von diesem Zusammenprall nicht sehr schnell
erholen, trotzdem hatte er höchstens eine Minute. Er warf seinen
Kopf nach links und erspähte Sharon, die sich langsam aus den Trümmern
zog. "Los, Sharon, weg hier !" "Mark..." Sie hob ihren
Kopf, und Marks Pupillen weiteten sich durch Überraschung und Angst..
Sharons rechte Schläfe zierte eine größere Platzwunde;
aber das bereitete Mark weniger Sorgen.
Das Blut auf ihrer Stirn war grün.
Sharon zwang sich ein Lächeln ab. "Du mußt jetzt gehen.
Du hast wichtigeres zu tun als mir helfen zu wollen." Mit diesen
Worten wandte sie sich ab, schritt zurück und setzte sich auf einen
kleineren Felsen. Mark zögerte einen Moment, dann gab er Vollgas
und verließ das Feld der Ehre. Er zwang sich selbst, nur nach vorne
zu schauen und nicht darüber nachzudenken, was er vor kurzem gesehen
hatte. Trotzdem, irgendwann durchbrach die Flut von Emotionen seine Willensstärke;
inzwischen war die Nacht über die Wüste hereingebrochen, und
Mark steuerte sein Fahrzeug an den Straßenrand. Er stieg ab, und
am liebsten hätte er jetzt wohl gekotzt. Seine Partnerin...seine
Freundin ein Dämon ? Damit hätte Mark wohl noch leben können;
was ihn aber an den Rand des Wahnsinns brachte, war die Tatsache, das
Sharon ihm offenbar nichts böses wollte. Vielleicht am schlimmsten
war jedoch, das auch er noch Sympathien für Sharon hegte war es
nicht seine Aufgabe, die Erde von Dämonen zu reinigen ? Wie konnte
er das mit seinen Gefühlen vereinen ? Überhaupt nicht; Mark
entschied sich spontan dafür, seine Wut an einem Fels auszulassen.
Er schlug mit geballter Kraft zu. Sekunden später verzog sich sein
Gesicht zu einer Maske des Schmerzes, während Mark feststellte, das
sich die gewünschte Verformung, wenn überhaupt, eher an seiner
Faust einstellte. Mark ging über zur Nutzung antiker Magie; wieso
auch sonst schüttelte er seine rechte Hand, wenn nicht aus dem Glauben
heraus, das der Schmerz abklingen würde ? Während der einsetzende
Adrenalinkick den Schmerz unterdrückte, griff Mark nach dem Handy;
ein klärendes Gespräch war überfällig.
Das flehende Klingeln des Telefons blieb ungehört.
Mark steckte das Gerät entnervt weg; er fühlte sich müde
von den Ereignissen des heutigen Tages, und die Gedanken in seinem Schädel
trieben ihn in den Wahnsinn. Er rollte seinen Schlafsack auf dem endlosen
Wüstensand aus und legte sich hinein; Schlafen jedoch konnte er nicht.
Von all den Gedanken, die ihn durchfluteten, stach einer heraus. "Du
hast versagt. Du hast einem Dämon vertraut und die Menschen, die
du schützen sollst, haben Angst vor dir und bekämpfen dich."
Mark zuckte innerlich vor dem emotionalen Schmerz. Es war, als wenn sein
Schädel explodieren wollte, und verglichen mit seinem Zustand vor
wenigen Minuten fühlte er sich jetzt wirklich hundeelend. Mark richtete
sich mit Mühe auf und fischte die letzte Dose Bier aus der Seitentasche
seines Motorrads. Mit einem kräftigen Ruck öffnete er das Blechgefäß
und ertränkte seine Gedanken in 12%-igem Alkohol. Der davon beschworene
Schlaf war tief, aber alles andere als friedlich. Schweißperlen
sammelten sich auf der Stirn des Paladins, während er unruhig von
Seite zu Seite rollte und Worte in einer unverständlichen Sprache
murmelte. Nur eines der Worte, hätte es jemand gehört, wäre
verständlich gewesen.
"Apokalypse."
Von Gatac
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