Kapitel VI - Die Hitze der Nacht
10 Kilometer vor Puerto Cabezas, 10. August 1987
Raul war nicht erfreut über die Neuigkeiten des Tages, daran half auch
nicht die gefundene Lösung, die ihn eigentlich vollkommen zufrieden stimmen
musste. Das tat es auch, aber hier ging es ums Prinzip, wie er immer wieder
betonte. Er forderte sämtliche Akten zur Einsicht, doch er fand nicht mehr
viel, das meiste hatte Vladimir schon in dieser Nacht verbrannt. Er fand noch
ein paar Dossiers über unseren Trupp und seine Mitglieder. Wir kamen allesamt
schlecht weg, ich und Bulldog fehlten, ersetzt durch fiktive Nicaraguaner, weil
wir Amerikaner waren. Er hatte eine erstaunliche Phantasie.
Es stellte sich heraus, dass Vladimir mit seinen nicht ganz korrekten Berichten
den KGB täuschen wollte. Er wollte die Rebellion der Contras so schlecht
wie möglich darstellen um der Sowjetunion keinen Grund zu liefern in diesen
Konflikt einzusteigen. Die Sandinisten waren erst 1979 an die Macht gekommen
und bekamen für ihre sozialistischen Ansichten reichlich Unterstützung
durch die UDSSR. Doch aus den anfänglichen Millionen-Beträgen wurden
im Laufe der recht kurzen Zeit Grußkarten, die man schickte. Das änderte
sich als eine direkte Intervention der USA bei der Konterrevolution drohte.
Die Iran-Contra-Affäre machte Moskau aufmerksam auf das Treiben Ronald
Reagans. Doch bisher waren die Aktivitäten der Contras auf gelegentliche
Guerillaangriffe beschränkt. Erst vor kurzem hatte Ortega genug Mann und
Material zusammen um einen ernsthaften Angriff zu starten. Doch im fernen Moskau
konnte man nicht einschätzen, ob aus dem Contras ein ernsthafter Gegner
erwachsen war. Hier kam Vladimir ins Spiel. Er bekam ein Angebot der Contras
und der KGB sah endlich seine Chance, Moskau die entsprechenden Infos zu liefern.
Er wollte eigentlich einen viel lukrativeren Drogenjob annehmen, doch der russische
Geheimdienst verbot es ihm. Es war das erste Mal, dass ihm ein Job aufgezwungen
wurde. Es reichte Vladimir. Durch seine falschen Informationen wiegte er Moskau
in Sicherheit und nebenbei schaffte er es sich zu befreien.
Der kleine Kalkbau war bestimmt nicht größer als 100 Quadratmeter,
die Fenster waren aus normalen Glas, innen gab es ein paar Holzbänke auf
dem rustikalem Parket. Vorne war ein kleines Pult aufgebaut, das Kreuz war nicht
sonderlich kunstvoll und schief aufgehangen, das Bild Jesu war von einer Künstlerin
im Dorf selbst gemalt. Es war wahrlich keine prächtige Kirche, doch das
verlangten die Bewohner des beschaulichen kleinen Ortes gar nicht, ihr Glaube
verlangte keine vergoldeten Kathedralen. Hier, im Hause Gottes, hielten wir
nun unsere Einsatzbesprechung.
"Okay, fangen wir an", versuchte Raul die Aufmerksamkeit der Truppe
zu gewinnen "nachdem unser Aufklärungstrupp gestern Nacht interessante
Informationen gesammelt hat", fast unmerklich warf Raul einen giftigen
Blick auf Vladimir "steht die Strategie für heute Nacht nun endgültig
fest." Ein großer Stadtplan hing am Kreuz, zwei Gebiete waren blau
und grün schraffiert, die Legende wies es als Fuhrpark und die Baracken
aus. In dem Schraffiertem waren schwarze Vierecke zu sehen, die Grundrisse der
Häuser, die dort standen.
"Das Militär hat sich im Westteil der Stadt angesiedelt, in dieser
verlassenen Industrieanlage". Sein Zeigestock kreiste um die Schraffur.
"Unser Primärziel ist es die Stadt einzunehmen, also führt nichts
an dieser Anlage vorbei. Wir werden in dieser Nacht in einem Handstreich sowohl
den Fuhrpark zerstören als auch sämtliche feindlichen Truppen kampfunfähig
machen. Wir müssen hart und schnell zugreifen, für einen offenen Kampf
sind wir nicht gewappnet, vor allem aufgrund des großen Fuhrparks des
Gegners." Raul ließ die Worte im Raum klingen.
"Wir werden vier Teams bilden. Team Alpha bilden Vladimir und Doc Jansen.
Ihr bekommt den Jeep. Doc, du lädst nach und hältst dich bereit, falls
es irgendwo schwere Verwundungen gibt. Vladimir du bedienst das MG, Stoßrichtung
Baracke. Heiz den Jungs da ordentlich ein, denen müssen die Kugeln nur
so um die Ohren fliegen und, wenn es sich einrichten lässt, ein paar auch
dazwischen. Sucht euch einen geeigneten Fahrer. Isaac, du wirst die beiden unterstützen.
Sie werden sicherlich das Hauptziel des Gegenangriffes sein, halte ihnen soweit
es geht den Rücken frei." Die Drei nickten nur kurz, sie hatten ihre
Aufgabe schnell verinnerlicht. Es war nichts Besonderes für sie.
"Team Beta wird den Fuhrpark zerstören. Diese ehrenvolle Aufgabe
übernehmen Nikita, Manuel und Duncan. Ihr rüstet euch mit genügend
Sprengstoff aus und bringt an jedes Fahrzeug, egal ob es nun ein Jeep oder ein
Panzer ist, eine Sprengladung an. Ein Fuhrpark hat meistens auch ein Treibstofflager,
sicherlich auch ein lohnendes Ziel für Bulldogs kleines Feuerwerk. Von
euch möchte ich wie immer absolut lautloses Vorgehen. Im Hinterland gibt
es einen geeigneten Einstiegspunkt von euch. Als Erstes müsst ihr die Wächter
ausschalten. Wenn alles scharf ist, verschwindet ihr so schnell und lautlos
wie ihr gekommen seid und stoßt zu Bulldog. Bulldog dreht am Rädchen
und lässt alles Hochgehen, Futschi deckt ihn. Zugriff ist 2:40, ihr habt
eine Viertelstunde für eure Arbeit, dann verschwindet ihr, egal, wie weit
ihr gekommen seid. Punkt 3:00 beginnt dann das Feuerwerk."
"Was wir unbedingt verhindern müssen ist, dass die Soldaten zu
den Fahrzeugen gelangen, was durch Trupp Charly sichergestellt werden soll."
Raul blickte in elf Paar fragende Augen. "Sicher, eigentlich sollten die
Fahrzeuge vorher zerstört werden, aber ein Plan B hat noch niemand geschadet.
Trupp Charly wird zwischen dem Fuhrpark und den Kasernen Aufstellung nehmen."
Raul zeigte auf einen schmalen Streifen zwischen den schraffierten Kreisen.
Dem Stadtplan nach befanden sich dort Wohnhäuser. "So werden wir die
zweite Front aufmachen, die werden gar nicht wissen wohin sie zurückschießen
müssen. Und falls bei Trupp Beta etwas schief läuft, verhindert Trupp
Charly, dass die Soldaten zu den Fahrzeugen gelangen können." Erst
jetzt erkannten wir die geniale Strategie. "Trupp Charly bilden ich und
75 Reguläre, die restlichen 25 gehen zu Vladimir und unterstützen
diese Front."
"Zybell, Carlos, für euch habe ich eine Spezialaufgabe."
Raul holte ein Photo hervor, dass ich gestern mit der Nachtsichtkamera gemacht
hatte und reichte es Carlos, der es nach intensiver Studie an Zybell weitergab.
"Ihr, also Team Delta, werdet das Hauptquartier stürmen und die Kontaktaufnahme
verhindern. Also kümmert euch auch um die Funker. Die Offiziere lasst ihr
am Besten am Leben, die haben bestimmt ein paar wertvolle Informationen für
uns. Falls das nicht machbar ist, auch nicht so schlimm. Rückendeckung
bei Zugriff und Rückzug bekommt ihr von Will, das Hauptquartier selbst,
das müsst ihr alleine stürmen, nehmt euch ´ne Menge Flashbang
Granaten mit. Zugriff ist 0300, kurz vor dem Wechsel der Nachtwachen, für
Team Beta genau 0240. Die Zeitkoordination liegt bei mir, Zugriff auf mein Befehl.
Ist jeder mit seiner Aufgabe vertraut oder gibt es noch Fragen?" Raul blickte
in das enge Rund der Kirche.
"Nein?, dann verordne ich von 18:00 bis 23:00 Uhr Nachtruhe. Bis dahin
sollten die meisten Vorbereitungen abgeschlossen sein. Wir brechen 0:00 Uhr
auf."
Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Es herrschte eine scheinbar unnatürliche
Hektik in dem Treiben des kleinen Dorfes. Es war eine künstliche Hektik,
geschaffen durch die Soldaten. Die Regulären verhielten sich wie Hühner,
wild durch die Gegend rennend, laut gestikulieren. Es war ihr erster großer
Einsatz, sie waren lange trainiert worden, doch kein Training konnte auf den
Ernstfall vorbereiten, keine Simulation, kein Kriegsspiel. Diese Hektik, sie
übertrug sich auf mich, auf das Greenhorn, das ich war. Ich hatte eine
gewaltige Aufgabe zu erfüllen. Lautloses Eindringen in eine gut bewachte
feindliche Stellung und Anbringen von Sprengladungen und lautloses Entkommen
und das mit einem Zeitfenster von fünfzehn Minuten. Schon mal gemacht?
Klar, während meiner Ausbildung, aber das war eine Simulation, ein Kriegsspiel.
Ich stand in meinem kleinem Gastzimmer vor meinem gepackten Rucksack, hatte
ihn dreimal überprüft, er war leicht genug, alles war fest verschnürt,
nichts konnte rascheln oder sonstige verräterische Geräusche machen.
Meine Ausrüstung, die ich heute Nacht tragen würde, lag fein säuberlich
daneben auf dem kahlen Boden. Es fehlte nur noch der Sprengstoff, den ich mir
nun von Bulldog besorgte.
Ich kam nicht weit, genauer gesagt kam ich bis vor die Tür, wo Isaac
gerade eine große Kiste vom Jeep holte. Seine Augen strahlten, als er
den silbrig-matten Metallkoffer zu sich schleppte. Ich konnte mir seinen Ausbruch
an Emotionen nicht erklären, was sich wohl in meinem Gesichtsausdruck wiederspiegelte.
"Komm mit", sagte er nur kurz, nicht befehlend, nur in Eile. Ich folgte
ihm, hatte Mühe Schritt zu halten. Kaum waren wir in seiner provisorischen
Unterkunft, machte er sich daran sein Päckchen auszupacken. Er bemerkte
Will gar nicht, wie er ins Zimmer kam, er war viel zu sehr damit beschäftigt
die Schnallen des Koffers zu entriegeln, wie ein kleiner Junge zu Weihnachten.
Doch es war keine Wasserpistole, die ihn in solch freudige Erregung brachte.
"Präzisionsscharfschützengewehr 1, Heckler & Koch, zwanzig
Schuss 7,62 mm Vollmantel, Semiautomatic, schnell und auf den Millimeter präzise.
Das Einzige wozu Deutsche gut sind."
"Rubbish", war Wills Kommentar zu Isaacs liebsten Tötungsinstrument,
"Garbage, das sind diese modernen Halbautomatischen, damit triffst du auf
Hundert Meter noch nicht einmal einen Blumentopf. Isaac setzte unbeeindruckt
die $10000 teure Waffe zusammen. Als er sie an die Schulter nahm, umspielte
ein diabolisches Grinsen seinen Mund. Doch Isaac gewann sofort die Contenance
wieder, blickte konzentriert durch das Zielfernrohr.
"Du musst mit der Zeit gehen, Will. Ich bin im Team Alpha, meine Aufgabe
ist es sämtliche Soldaten zu eliminieren. Nach dem ersten Schreck werden
sie sicher einen Gegenangriff starten, das heißt, dass bis zu Hundert
Mann auf mich zu laufen. Da heißt es zielen, schießen, zielen schießen,
denkst du da hast du mit einem Repetierer eine Chance?" Isaac ließ
die Frage einen kurzen Moment im Raum stehen, ehe er selbst die Antwort gab.
"Zielen, schießen, nachladen, wieder zielen, drei Schüsse maximal
und sie nehmen dich unter Feuer. In der selben Zeit erwische ich sechs und damit
liegt die vorderste Front."
Isaacs Argumentation war unschlagbar, doch einen Trumpf hatte Will noch
im Ärmel. "Toll, aber trotzdem bringt dich das Ding nicht weit, die
Optik ist gerade mal für 600 Meter ausgelegt und die ist ja bekanntermaßen
nicht austauschbar, ich sag ja, Müll." Mit wenigen Handgriffen hatte
Isaac das Zielfernrohr abmontiert und ein neues mit der Aufschrift 1000 und
Night-Vision zierte die Präzisionstötungsmaschine. "What the
hell..." Weiter kam Will nicht, als Isaac süffisant mitteilte "Ich
hab so meine Kontakte." Ein anerkennendes Lächeln huschte über
das Gesicht des alten Scharfschützen. "Aber die Präzision...."
"Tut mir Leid, dass ich euch in eurem Fachgespräch unterbrechen muss,
aber ich muss noch einiges erledigen." Ich hatte wirklich genug. Eines
war mir nach diesem Gespräch klar, die beiden waren vom Fach.
Keine fünf Minuten später traf ich bei Bulldog ein, der gedankenverloren
eine Zigarre vor seiner provisorischen Unterkunft paffte. Er schien ein Gegenpol
zu sein zu dieser Hektik, als er auf dem Schaukelstuhl saß und die Zigarre
zum Glühen brachte. Nichts schien ihn aus der Ruhe bringen zu können.
"Eins muss man Fidel lassen, seine Zigarren sind weltspitze", war
seine Begrüßung.
"Bist hier um dir Feuerwerk zu besorgen, mein Kleiner? Sylvester ist zwar
noch hin, aber was soll´s."
Er übergab mir zehn Sprengsätze C4 und einen Zettel, auf dem eine
Zahl stand. 101,65, eine positive reelle Zahl für den einen, eine Funkfrequenz
in Megahertz für den anderen.
"Du weißt doch noch wie das geht mit dem einstellen?"
"Rot, mit den Grünen einstellen, zweimal Rot um scharfzumachen, wegrennen."
"Guter Junge. Nimm das C4 für Nikita und Raul auch gleich mit."
Es verging eine Viertelstunde bis ich alle meine Aufträge erledigt
hatte und wieder auf meinem Bett saß, die Sachen gepackt, abreisefertig.
Die Viertelstunde, sie war viel zu schnell vergangen und ich hoffte, dass es
heute nacht nicht so war.
Eintrittspunkt Beta, 0237, 11. August 1987
Die drei grünen Gestalten bewegten sich ruhig nebeneinander her, sie
redeten miteinander, schwatzten, sie hatten nichts zu befürchten. Hier
war es ruhig. Die Kämpfe im Westen waren für sie so weit weg wie ein
guter Fick, denn die Nutten hier in Cabezas waren meist alt und ausgelaugt,
schlicht unbefriedigend für einen militärischen Zug dieser Größe,
und die jungen Dinger unbezahlbar für einen Soldaten. Die eine grüne
Gestalt berichtete von seinem Heimaturlaub in Managua, von dem tollen Nachtleben
und den jungen Nutten. In ihren Köpfen formten sich perverse Gedanken.
Auch sie würden bald Heimaturlaub erhalten. Sie liefen ihre Route ab, sie
waren nun auf der Rückseite der Werkstatt, dem westlichsten Gebäude
des Fuhrparks, das Gebäude, das am weitesten von der schlafenden Stadt
entfernt war, weil hier tagsüber der meiste Lärm war. Sie liefen vorbei
an dem Loch im Stacheldrahtzaun, viel zu beschäftigt waren sie mit sich
selbst. Zwei konnten das kurze Plopp der beiden schallgedämpften MP5 nicht
hören, sie waren bereits tot als die Schallwelle mit der geringen Amplitude
ihr Ohr erreichte. Die dritte grüne Gestalt merkte erst, dass seine beiden
Kollegen tot waren, als er das warme Blut spürte, dass aus seiner Kehle
quoll.
"Hier Nikita, Tango eleminiert."
"Hier Team Bravo, Eintritt erfolgt."
Die Uhr zeigte 2:40.
Zur selben Zeit hielten drei große sowjetische Lastwagen des nicaraguanischen
Gemüsekombinats an der Straßensperre zur Stadt. Was die Wärter
nicht sehen konnten war, wie in dem Jeep, einhundert Meter weiter hinten, zwei
Mündungen auf sie gerichtet wurden und ebenfalls mit kaum messbarer Lautstärke
ihre tödliche Ladung auf ihre ballistische Reise schickten.
"Nikita, du nimmst die Werkstatt, Duncan, du die Großgarage und
ich das Tanklager und die frei stehenden Fahrzeuge." Schnell war die Arbeitsteilung
abgesprochen. Wir hasteten mit leisen Schritten zur Vorderseite des abgelegen
Gebäudes. Innen sahen wir den hell erleuchteten Innenhof. Ein alter russischer
Panzer und einen Truppentransporter standen in der Mitte. Sie würden das
größte Problem werden.
"In dreizehn Minuten wieder hier. Keine Sekunde später."
Ein Blick auf die Uhr 2:42, T-18 Minuten bis zur Sprengung.
Schnell erreichte Nikita die Tür zur Werkstatt. Ein Ruck, nichts passierte,
sie war verschlossen. Schnell holte sie ihre Dietriche aus der Tasche und machte
sich hastig ans Werk. Der Eingang war beleuchtet, doch die Wachtürme blickten
nach außen. Einen Augenblick später war sie im Innern des Gebäudes.
Wir schlichen weiter.
Die Laster des nicaraguanischen Gemüsekombinates fuhren die Hauptstraße
entlang in Richtung Stadtzentrum, vorbei an allen Gemüsemärkten, Marktplätzen,
Handelskombinaten und Supermärkten. Im Schein der beleuchteten Hauptstraße
konnte man erkennen, dass die Farbe des Firmenlogos verlaufen war. Sie wurde
erst vor einigen Stunden aufgetragen und war noch nicht vollkommen getrocknet.
Ein Jeep überholte den Konvoi. Im Innern des Fahrerhauses strahlte eine
Digitaluhr die Zahlen 2:43 in die Dunkelheit des Innenraumes.
Ich drückte die Türklinke herunter, sie war nicht verschlossen.
Ich trat ins Innere der großen Halle und überblickte die Situation.
Keine Feinde, dafür neun Fahrzeuge, ein T-34, zwei T-40, zwei Truppentransporter,
drei Jeeps mit MGs und eine Militärlimousine. Ich machte mich sofort ans
Werk. Zeit ist Geld. Der T-40 stand direkt in der hinteren Ecke, durch die ich
gelangt war. Ich befestigte das C-4 an der Kette. Es war stark genug um die
Kette zu sprengen und ihn so zu einem starren Geschoss zu degradieren und gleichzeitig
schwach genug das Monster aus Stahl nicht zu zerstören. Es könnte
für die Rebellion noch nützlich werden. Jetzt kam es drauf an. Rot
drücken, das Display erwachte zum Leben, die Zahl 100 blinkte, den grünen
Pfeil gedrückt halten, 100,5, 101, 101,5, 101,65, zweimal rot. Die Zahl
erstarrte. Die Bombe war scharf. Rechts neben dem Stahlkoloss, parkte ein weiterer
Panzer.
Es war 2:45.
Der Konvoi drehte nach rechts ab, in Richtung Westen. Monoton fuhren sie
weiter Richtung Stadtrand, scheinbar ziellos, ehe sie in einer scharfen Rechtskurve
in das alte Industrieviertel einbogen. In den Wohnanlagen der Arbeiter sah man
kurz den Jeep halten ehe er weiterfuhr. Zwei LKW drehten nun nach links ab,
während der letzte seine Reise fortsetzte in Richtung des verlassenen Industriegebiets.
Auf einem Kirchturm stand die Uhr auf 2:46.
Rot drücken, grün halten, zweimal rot und schon würde auch
dieser Truppentransporter nur noch 13 Minuten und 30 Sekunden existieren. Ich
war gut voran gekommen, drei Panzer und ein Truppentransporter, blieben noch
der letzte APC, drei Jeeps und die Militärlimousine. Plötzlich ein
Surren. Die Mechaniken setzten sich in Bewegung, zogen das tonnenschwere Haupttor
fast mühelos zur Seite. Das Licht des Innenhofes fiel ein, blendete mich.
Die Garage war zuvor nur spärlich beleuchtet gewesen. Ich versuchte mir
einen Überblick über die Situation zu verschaffen, vergeblich. Dann
Gelächter, einer Frau, anschließend eine brummige, amüsierte
Männerstimme, wieder Gelächter seitens der Frau. Ich blickte zum Eingang
und wurde geblendet, aber diesmal von den Abzeichen des Generals, der dort mit
einer jungen, äußerst spärlich bekleideten Frau seine Scherzchen
machte. Er zeigte durch das Lager, zeigte ihr seinen Fuhrpark und nahm sie anschließend
mit in die grüne Militärlimousine. Langsam schlich ich mich zum nächsten
Fahrzeug. Ein Blick um die Ecke zeigte mir nun was in dem Fahrzeug vor sich
ging. Ein Kopf bewegte sich auf und ab während der General entspannt auf
dem Rücksitz saß. Und während der General seinen Spaß
hatte, befestigte ich auf dem zweiten APC das Paket und begann mit der Prozedur.
2:48 Uhr
Kurz vor dem alten Industriegebiet, das nun als Militärlager diente,
bog der Jeep rechts ein. Der letzte übrig gebliebende LKW folgte der Route
und beobachtete, wie der Jeep nun zum stehen kam und die Lichter ausschaltete.
Nun kam auch der letzte LKW zum Stehen. Zwei Gestalten stiegen aus dem Jeep
aus, einer aus dem LKW. Und während dieser es sich im Jeep bequem machte,
fuhr der LKW in die nächste Querstraße und hielt dort nun endgültig.
Die zwei anderen Gestalten waren schon in der Nacht verschwunden. Irgendwo klingelte
ein Wecker. Er war auf 2:50 Uhr eingestellt.
"Hier Nikita, bin fertig, gehe jetzt zum Rendevouzpunkt."
"Hier Duncan, hab noch zwei Jeeps, bin dann fertig."
"Hier Manuel, werde mir jetzt die zwei Fahrzeuge im Innenhof anschauen."
Ich hatte den vorletzten Jeep schon erreicht, und machte mich an den Sprengsatz.
Von dieser Position hatte ich einen guten Blick auf das Geschehen im Innenhof.
Fast unmerklich arbeitete sich Raul vor auf dem Innenhof und rannte das kurze
Stück durch den hell erleuchteten Raum bis ihm der APC durch seinen Schatten
mit Dunkelheit verschwinden ließ. Es dauerte keine zehn Sekunden bis auch
dieser dem Untergang geweiht war. Langsam schöpfte ich Hoffnung, dass dieses
waghalsige Unternehmen reibungslos über die Bühne gehen würde.
Doch in diesem Augenblick kam Bewegung in den Innenhof. Eine Ein-Mann-Patrouille
hatte ausgeraucht und setzte seine Route durch den Innenhof fort. Direkt in
Richtung Manuel.
"Manuel, Feindkontakt, ein Tango läuft auf dich zu, verschwinde."
"Negativ, kann hier nicht weg. Erledige ihn."
"Aber dann fallen wir vielleicht auf."
"Tu es."
Sofort hatte ich das Gewehr am Anschlag, blickte durch das Zielkreuz. Ein roter
Punkt erschien auf seiner Schläfe. Das MP5 bellte auf, unterdrückt
durch den Schalldämpfer.
"Tango am Boden. Verschwinde endlich."
Doch ich blieb nicht unbemerkt. Das Mündungsfeuer lenkte die Aufmerksamkeit
des Generals von seinem Schwanz auf mich. Als er ausstieg, in Unterhosen und
einer Pistole in der Hand, schlich ich schon durch den halbdunklen Fuhrpark.
Ein Katz und Mausspiel begann. Es war nur nicht klar wer die Maus war.
Von außen sahen die LKW des nicaraguanischen Gemüsekombinats
harmlos aus, doch sie hatten kein Gemüse geladen. Innen drin scharrten
bis zu fünfzig Männer die Hufe, kontrollierten ihre Waffen, küssten
die Kreuze ihrer Halsketten oder starrten auf das vielleicht letzte Familienphoto.
Währendessen hämmerte ihnen ihr Truppenführer zum hundertsten
Mal ihre Befehle ein. Es folgte eine kleine Ansprache und anschließend
ging ein Gefäß mit einem fürchterlich schmeckenden Tee durch
die Reihe. Es war ein altes Ritual, der Tee sollte den Männern Stärke
geben und das Gefühl unverwundbar zu sein. Doch sie wussten alle, dass
der Tee gegen das Feuer des Gegners nicht bestehen würde.
Hektisch schaute sich der General immer wieder mit gezogener Waffe um, doch
er konnte nichts erkennen, überall wo er einen Schatten gesehen zu haben
glaubte, war nichts. Ich spielte mit ihm, ich war in meinem Element, nach drei
Jahren bewegte ich mich instinktiv auf dieser gefährlichen Bühne.
Inzwischen war ich in der Nähe der Limousine. Ich konnte sie genau erkennen.
Lange blondierte Haare, draller Busen, ängstlich mit weit aufgerissenen
Augen spähte sie durch die Dunkelheit und konnte doch nichts erkennen.
Sie war jung, sehr jung, vielleicht 16 Jahre, wenn überhaupt. Ein kleiner
Kieselstein fand den Weg in meine Hände. Ich warf ihn auf die Limousine.
Das Geräusch versetzte sie in helle Panik, sie stieß einen gellenden
Schrei aus. Der General kam herbeigerannt, doch er konnte mich nicht sehen als
ich flach auf der Tragfläche eines Jeeps lag. Und während er realisierte,
dass das alles eine Falle war, kreiste das Jyuji-Shuriken schon in der Luft
fand sein Ziel schließlich im Nacken des Generals, dessen Halswirbelsäule
den unheimlichen Druck nicht standhielt.
Unter den anderen Autos, die auf dem großen Parkplatz zwischen dem
Wohnkomplex und dem verlassenen Industriegelände standen, fiel der Jeep
nicht weiter auf. Vielleicht wäre es dem einen oder anderen aufgefallen,
dass es ein Fahrzeug der Armee war, dass dort stand, aber es war zu dunkel.
Bei näherer Betrachtung wäre sicher auch aufgefallen, dass das Armeezeichen
nur aufgemalt war, aber das war in dieser dunklen Nacht erst recht nicht zu
sehen. Ebenfalls komisch mutete an, dass das Auto versetzt zwischen den anderen
Autos nicht in Reih und Glied stand, sondern, dass die Tragfläche mit der
falschen Plane der Armee genau auf die Baracke eben jener Armee zeigte. Doch
am aller merkwürdigsten war, das mitten in der Nacht um 2:52 Uhr auf diesem
Parkplatz in diesem Auto drei Menschen saßen, die nervös auf die
Uhr guckten. Doch es war niemand da in dieser gottverlassenen Gegend, dem das
hätte auffallen können.
"Duncan, was war das für ein Schrei?"
"Mein Lockvogel"
"Dein was?"
"Erklär ich dir ein anderes Mal. Wie sollten uns lieber Gedanken machen,
wie wir hier rauskommen."
"In einer Minute am Rendevouzpunkt."
Während des kleinen Gespräches hatte ich meine Shurike bereits aus
meinem Opfer gezogen und mit der anderen Hand, die letzte Bombe scharf gemacht.
Es fehlte zwar noch die Militärlimousine, doch die war eh keine Gefahr
für uns. Dann blickte ich in die Augen des kleinen Mädchens. Sie wollte
wieder losschreien, doch ich deutete ihr mit meinem Zeigefinger auf dem Mund,
dass sie still sein solle. Ich konnte sie nicht zurücklassen, sie war eine
Unschuldige. Ich befahl ihr auszusteigen, sie wollte nicht. Das MP5 überzeugte
sie. Mit ihren ohnehin zu knappen Sachen kletterte sie aus dem Auto, ich nahm
sie bei der Hand, deutete ihr ein weiteres Mal ruhig zu sein. Sie nickte. Ich
warf das C4-Packet schnell auf den Sitz des Jeeps und verschwand dann mit der
leicht bekleideten Dame durch den Hintereingang. Manuel und Nikita warteten
schon am Rendevouzpunkt.
"Wen schleppst du denn da an?"
"Zivilistin, Nutte, sie hat nichts mit diesem Kampf zu tun."
"Hast du nichts besseres zu tun als dir ´ne Nutte anzuschaffen?"
"Sie hat den General bedient, der ist jetzt tot, sie soll wenigstens weiterleben."
"Vielleicht haben unsere Leute ja noch Verwendung für sie", meinte
Manuel trocken als er sie von oben bis unten musterte. Er kassierte einen strafenden
Blick von Nikita. Dann endlich verließen wir vier den Fuhrpark und setzten
uns in den alten Pickup, den wir von der Dorfbevölkerung bekommen hatten
und hier hinten abgestellt hatten. Und während sich die Prostituierte anzog
setzte Manuel einen Funkspruch ab.
"Hier Trupp Beta, Fuhrpark ist bereit für das Feuerwerk."
"Verstanden Trupp Beta, gut gemacht."
Und während wir auf die Straße in Richtung Cabezas einbogen schaute
ich auf die Uhr. Es war 2:55.
Es war ein beschwerlicher Weg für Zybell und Carlos durch das alte
Industriegebiet, durch das Trainingsgelände der Sandinos und dann im langen
Bogen hin zur Kommandobaracke. Die Hälfte des Weges mussten sie kriechen.
Nun saßen sie gehockt an der Wand, blickten auf die Uhr und warteten auf
den finalen Funkspruch. Eine Axt hatte niemand in der Hand, die Tür ging
nach innen auf. Fünf Meter weiter bewachte ein Soldat mit einer AK-47 mit
ernstem Gesichtsausdruck die Tür zum Kommandanten.
Majestätisch kreiste die Eule über das alte Industrieviertel,
dessen Flugwarnlampen nach wie vor einsam vor sich hin blinkten. Mit einer Ästhetik,
der diesen Tieren gottgegeben war, ließ sich der Vogel auf einem maroden
Hochofen nieder. Fest krallten sich die Klauen der Eule in den Chamotstein.
Ihre messerscharfen Augen, geschaffen für die Nacht, überblickten
das riesige Areal. Schon bald hatte sie ihre Beute ausgemacht. Eine Feldmaus
war so unvorsichtig gewesen und hatte sich im scheinbaren Schutz der Dunkelheit
auf Nahrungssuche gemacht. Nun fokussierte das Tier ihr Opfer an. Kraftvoll
stieß sie sich ab, mit wenigen Flügelschlagen erreichte sie ihr nichtsahnendes
Opfer. Und während sie es mit den Klauen fasste, fing der Himmel im Hintergrund
Feuer. Wäre die Uhr des alten Verschiebebahnhofes nicht stehen geblieben,
der kleine Zeiger hätte auf die III und der Große auf die XII gezeigt.
"Hier Bulldog, Zündung ist erfolgt."
"Hier Raul, Alpha, Charly, Delta, los, los, los!"
Es dauert genau 0,364 Sekunden bis die eingehende Schallwelle ins Ohr gelangt
war, über dem Hörnerv ins Gehirn gelangte, dort verarbeitet wurde
und schließlich in der Krümmung des rechten Zeigefingers des russischen
Soldaten mündete. Sofort bellte das aufmontierte RPK-74 auf, im Akkord
verkleinerte sich die Kette, deren Inhalt in Richtung der Baracke abgefeuert
wurde. Einen Augenblick später setzten auch fünfundzwanzig weitere
Waffen in das Konzert des Todes ein.
Noch als Rauls Zug schon einige Sekunden die zweite Front mit dem ohrenbetäubenden
Lärm von fünfundsiebzig automatischen Gewehren eröffnet hatte,
hallten in seinem Kopf der Countdown wieder. "3-2-1-Zündung"
Er spürte die heiße Druckwelle noch bevor er die Explosion hörte.
Team Beta hatte ganze Arbeit geleistet, dachte er zu sich selbst, als er wie
in Trance den Abzugshebel seiner Steyr nach hinten drückte. Und während
seine Augen sahen, wie die Fenster zersplitterten, das Mündungsfeuer die
weiße Wand erhellte und erste Granaten Krater in die ebene Landschaft
um das Gebäude rissen, waren seine Gedanken schon beim Trupp Delta.
Das Fadenkreuz wanderte vom Oberkörper auf die Stirn des Wachsoldaten,
der den Eintritt zur Kommandobaracke jedem verweigerte, der nicht mindestens
zehn Orden an der Brust hängen hatte. Auch in den Ohren des Schützen
erklang der Countdown.
"3-2-1..."Will wartete nicht länger, denn im nächsten Moment
würde aus seiner stramm stehenden Zielscheibe ein bewegliches Ziel werden
und diesen Stress würde er sich ersparen.
Der Soldat kippte gleichzeitig mit der Explosion um. Will hatte Trupp Delta
Eintritt verschafft. "Hier Raul, Alpha, Charly, Delta, los, los, los!",
hallte es in seinen Ohren. Irgendwo im Schein der Flugwarnlampen flog der Schatten
einer Eule.
Es war soweit, sie hatten ihren Einsatzbefehl bekommen. Als Zybell um die
Ecke raste, sah er noch, wie der Wachsoldat blutüberströmt nach hinten
fiel. Auf seinem Weg zur Tür kam er an einem Fenster vorbei, die in dem
Zimmer mit tollen Ausblick Überstunden machende Sekretärin war tot,
noch bevor das zersplitterte Glas des Fensters den Boden berührte. Die
Tür fiel beim ersten Tritt aus den Angeln, sie war nicht abgeschlossen.
Der Feldwebel des XX. Infanteriezuges wusste noch nicht was da eben explodiert
war, als er sich überrascht umdrehte aber keine Person erblicken konnte.
Etwas rundes metallisches kam in den Raum geflogen, im nächsten Augenblick
sah der verdutzte Feldwebel nur noch einen Blitz.
Ein rostiges Straßenschild verkündete uns, dass wir wieder in
Puerto Cabezas waren, unserer Eintrittspunkt war außerhalb der Stadt gewesen.
"In der nächsten Querstraße links", wies ich Nikita an,
die sich in der Eile unseres Aufbruches ans Steuer gesetzt hatte. Manuel probierte
derweilen das hysterische Mädchen zu beruhigen, die immer noch der Meinung
war, dass wir sie töten würden. Ihre Meinung änderte sich als,
wir wieder den Blick auf das Fahrzeugdepot richten konnten. Da wo eben noch
die grüne Militärlimousine stand war nur noch ein riesiger Feuerball.
Sie riss mich am Ärmel und bedankte sich ausgiebig bei mir, ihr Gesicht
war in Tränen aufgelöst. Manuel fragte sie nach ihren Namen, sie hieß
Annabelle. Derweilen erreichten wir Bulldog, der uns freudestrahlend entgegenkam.
Nikita stoppte das Auto, Manuel deutete dem leichten Mädchen, dass sie
im Auto bleiben solle. Sie gehorchte auf´s Wort.
Ausgiebig studierte Bulldog den Fuhrpark und die Uhr an seinem Handgelenk.
Als sie 2:59:50 anzeigte, zählte er laut von Zehn bis eins und drückte
anschließend einen roten Knopf auf seiner Fernbedingung. Mit gewaltigem
Getöse wuchs ein Feuerberg über dem was mal das Fahrzeuglager war
und lies nichts als Flammen zurück. Ein hämisches Grinsen verbreitete
sich auf dem Gesicht des texanischen Söldners, der anschließend einen
kräftigen Schluck aus seiner mit Tennesee Whiskey gefüllten Feldfalsche
nahm. Aus seiner Sicht gab es bereits jetzt etwas zu feiern. Als der Pickup
mit Team Beta ankam, empfing er uns mit offenen Armen. Auch erblickte er die
vierte Person im Wagen. Und während wir in Stellung gingen um den zerstörten
Fuhrpark auf Aktivitäten zu kontrollieren, plante Bulldog innerlich schon
die After-Show Party mit der drallen Blondine.
Der starke monotone Rückstoß des RPK-74 ließ Vladimir erzittern,
doch er hielt eisern dagegen und zog den Lauf immer wieder nach unten. Unerbittlich
drückte er seinen Zeigefinger gegen den Hebel, bis das MG auf einmal ruhte
und vorne Rauch aufstieg. Instinktiv betätigte er einen weiteren Hebel,
die leergeschossene Kette fiel glühend zu Boden und zischte, als es auf
das Wasser einer undichten Feldflasche traf. "Sperrfeuer", schrie
er und augenblicklich erzeugten die Contras einen Kugelteppich, der jeden daran
hinderte, zurückzuschießen. Er blickte auf die Kaserne, die inzwischen
einem Schweizer Käse glich. Die schwere Holztür hatte es komplett
zerrissen, Fenster gab es keine mehr, an einigen Stellen des Gebäudes waren
riesige Löcher, die durch den Granatenbeschuss entstanden. "Okay",
hörte er Doc Jansen und riss sogleich mit der rechten Hand den Hebel wieder
nach hinten. Dabei blickte er auf seine Uhr, die er dort immer trug. Er hatte
zwei Minuten gebraucht um Tausend
Schuss zu verfeuern.
Es konnte keine Überlebenden geben, dachte sich Raul, nachdem er nun
schon das dritte Mal nachlud. Er beobachtete, wie eine Granate durch eines der
zerschossenen Fenster ins Innere der Baracke gelangte. Schreie ertönten,
eine gedämpfte Explosion. Das Haus bebte, eine Stelle des Daches sackte
ein, innen war eine Wand durch die Wucht der Explosion eingefallen und begrub
mehrere Menschen unter sich. Die meisten waren schon zuvor gestorben. Es war
nur noch eine Frage der Zeit, dachte sich Raul, als fünfzehn Meter neben
ihm eine Granate einschlug und mehrere Contras zerfetzte. Von der Rückseite
des Gebäudes ertönten Schüsse, der Gegner unternahm einen Ausbruchversuch.
"Isaac, Stausbericht", forderte er.
"Gegenangriff von zehn bis fünfzehn Mann von der Rückseite des
Hauses", kam die Antwort scheinbar ohne Gefühlsregung.
"Ramon, du hältst das Feuer auf die Baracke weiter aufrecht, meine
Gruppe mit mir."
Raul ging zehn Meter zurück, nun gedeckt durch ein Wohnhaus, die Contras
folgten ihm. Er zählte flüchtig die Anzahl. 25 Mann, von ehemals 33.
Er wollte die Rückseite stürmen unter dem Feuerschutz der zweiten
Gruppe. Doch ein Funkspruch von Isaac riss ihn aus seinen Gedanken.
"Achtung, Mörsereinsatz!"
In dieser Stresssituation bemerkte Raul nicht wie drei Gestalten aus einem Wohnhaus
in Richtung des Fuhrparks rannten.
Scheinbar in aller Ruhe richtete der Soldat den Mörser in Richtung
des Feuers, ehe Isaac seinem Leben ein Ende bereitete. Als der Kollege des Toten
den Mörser geladen hatte und mit abgewandten Gesicht vergeblich auf dem
Abschuss wartete, erkannte er, dass sein Kollege tot war. Doch der Soldat war
gut ausgebildet und sofort riss er dem Toten die Abschussvorrichtung aus der
Hand, aber auch er kam nicht mehr dazu den Mörser abzufeuern. Innerhalb
einer Sekunde hatte Isaac schon das nächste Opfer im Visier und drückte
ab. Sofort wandte er sich dem nächsten Ziel zu, er wusste, dass die Kugel
ihr Ziel treffen würde. Nach einem weiteren Abschuss, lagen um den geladenen
Mörser nur noch Leichen. Er blickte kurz hoch um sich einen Gesamtüberblick
zu verschaffen. In dem Moment, als er Raul berichtete, dass noch neun Soldaten
übrig waren, pfiff eine Kugel knapp über ihn hinweg und durchbrach
scheppernd das Blech der Tür, die ihn auf das Dach des Gebäudes gebracht
hatte.
Wimmernd lag der Kommandant des XX. Infanteriezuges auf dem Boden, nachdem
Zybell ihm die Hand und die Kniekehle zerschossen hatte. Nun rannte Carlos an
der immer noch blinden Gestalt vorbei, nach rechts, zum Kommunikationshauptquartier,
während Zybell ihn sicherte und dabei noch die Waffe des Maulswurfs an
sich nahm. Als Carlos die Tür eintrat, versuchte ein junger Offizier gerade
den Kontakt nach Managua herzustellen. Die drei 9mm Kugeln ließen aus
seinen Schädel eine Blutfontäne schießen. Das Blut fing an zu
zischen und zu kochen als es auf die heißen Maschinen traf und bildete
schnell eine dunkelrote Kruste. Ein Feuerstoß gab der Anlage den Rest.
Plötzlich fiel eine Gestalt aus dem Hintergrund über ihn her, prügelte
auf ihn ein, Raul schupste sie brachial zur Seite. Sie fiel nach hinten, der
Kopf stieß an die Wand. Nun konnte Carlos erkennen, wer ihn da überfiel.
Es war eine Frau. Sie war die Assistentin des Funkers. Nun blickte sie mit weit
aufgerissenen Augen hoch, ihre Lippe war aufgesprungen, sie spuckte Blut. Der
penible Haarknoten war aufgegangen und ihre wallenden blonden Harre verteilten
sich auf ihrer Schulter. Sie war perfekt durchtrainiert, kein Gramm Fett war
unter der engen Militäruniform zu erkennen. Sie atmete stark. Ihre graublauen
Augen drangen durch Carlos, flehten um Gnade. Sie blickten einander tief in
die Augen. Selbst als sie dort verletzt und verängstigt am Boden lag, war
sie noch eine wahre Schönheit. Carlos beendete ihr Leben durch einen Kopfschuss.
Inzwischen wurde das gesamte Feuer auf die Rückseite der Baracke konzentriert
während Raul und sein Trupp durch die Kraterlandschaft des Schlachtfeldes
nach vorne preschten. Unter dem gewaltigen Feuer der Contras gelang es den Regierungstruppen
nur noch vereinzelt zurückzuschießen. Doch es waren immer noch neun
Mann, die erbitterten Widerstand leisteten, das Sperrfeuer war für sie
nicht gefährlich solange sie ihre Hälse nicht zu weit in die Höhe
reckten. In der Baracke regte sich schon lange nichts mehr. Die übrigen
Regierungstruppen hatten einen Patt erreicht, eine gewisse Art Stellungskrieg.
Sie waren hier und die Contras dort hinten. Raul probierte nun auch die letzte
Front zu überrennen. Sie erreichten die Baracke. Innen bot sich ihnen ein
Bild des Schreckens. Es war eine undefinierbare Mischung aus Blut, Knochen und
inneren Organen, die überall verteilt waren. Menschen waren nur noch vereinzelt
zur erkennen. Die Wände waren, wenn nicht rot durch das Blut, schwarz durch
die Explosionen, die Einschusslöcher waren zu viele um sie zu zählen.
Doch all das interessierte die Contras ebenso wenig wie die Sandinos. Der Körper
ließ keine Schwäche zu, nicht jetzt, wo es um Leben und Tod ging.
Erst später, wenn man erkannte, dass es ein Bekannter war, dem man da erschoss
in diesem sinnlosen, blutigen Bürgerkrieg, meldete sich das Gewissen und
ließ einen Zeit seines Lebens nicht mehr los. Langsam schlich Raul mit
zehn seiner besten Männer um die Ecke. Er sah schon das Mündungsfeuer
vereinzelter Waffen, die den Adrenalinwert in seinem Blut in schier unmögliche
Regionen trieb. Langsam arbeiteten sie sich zur nächsten Ecke vor. Ein
Handzeichen erfolgte, man sah Granaten über das Dach fliegen, die drei
Sekunden später auf der Rückseite der Baracke explodierten. Nun stürmten
sie um die Ecke, dem Feind von Angesicht zu Angesicht, schossen sie auf alles
was sich bewegte. Die vier Überlebenden des Granatangriffes hatten keine
Chance. Nachdem Raul die letzten beiden im Liegen erschossen hatte, sank sein
Kopf nieder in den Schlamm. Für einen kurzen Augenblick war er nur in sich
gekehrt, vergaß die Leichen um ihn herum, den Geruch des Todes, der überall
wehte. Ihm war klar, dass sie gewonnen hatten. Das Feuer verstummte, eine gespenstige
Ruhe trat ein. Puerto Cabezas war von nun an in den Händen der Rebellen.
Er deutete seinem Leuten die Baracke zu durchsuchen. Der Erste stand noch nicht
mal als er wieder mit einem großen Loch in der Lunge zusammensackte. Die
Anderen waren schon wieder unter ihrer Deckung in den Grantrichtern. Es war
noch nicht vorbei.
Auch Isaac hatte die Szene beobachtet, doch statt in Richtung der Baracke
suchte er verzweifelt den Horizont ab. Er hatte sich direkt nach dem Schuss
seitwärts in Sicherheit gerollt, Anhand des Einschussloches konnte er die
ungefähre Flugkurve des Geschosses ausmachen. Er wusste wo er hin gucken
musste. Sein Gegenüber hatte einen Fehler gemacht, er hatte nicht die Position
gewechselt. Isaac hatte den Lichtblitz gesehen. Er würde es diesen Bastard
zeigen.
Der gegnerische Scharfschütze war sich seiner Sache sicher, er war
gut getarnt und war nun voll und ganz auf die Angreifer konzentriert. Er schoss
ein weiteres Mal in einen der Krater, traf Raul an der Schulter, sah durch sein
Zielfernrohr wie Raul sich windete. Er konnte nur erahnen wie laut der Truppenführer
seine Schmerzen in die dunkle Nacht schrie, er war zu weit weg, hörte nur
seinen kontrollierten Atem und das romantische Spiel des Windes mit den Blättern
des Waldes. Für ihn war der Kampf ein Stummfilm, seine Opfer waren lebendige
Zielscheiben, wie auf einem Rummel, aber keine Menschen, die dunklen Gestalten
hatten aus einem Kilometer Entfernung nichts Menschliches mehr an sich. Die
anderen mussten zusehen wie Raul seine Schmerzen in die kühle Nacht schrie,
sie konnten nichts machen, wollten sie nicht selbst zu einem Opfer werden. Doch
irgendwann würden sie ihm helfen, das war sicher. Das sadistische Spiel
des Scharfschützen hatte begonnen und er hatte Zeit. Ein weiteres Mal setzte
er an und ließ neben dem Kopf seines Opfers den Sand aufwirbeln.
Die Schmerzen waren ungeheuerlich, doch Raul war tapfer. Er schrie nicht
mehr, er kannte das Spiel, noch setzte sein Verstand nicht aus. Doch er wusste,
es würde nicht mehr lange dauern. Er kauerte sich zusammen, zuckte jedes
Mal zusammen als neben ihm wieder ein Schuss die Erde aufwühlte. Er blickte
nur noch zur Erde, kein Sichtkontakt mit Isaac, das könnte ihn verraten,
aber er hoffte auf ihn, dass er dem Leid bald ein Ende setzen würde. Die
restlichen Männer seines Trupps wollten immer wieder zu ihm, doch Raul
hielt sie mit aggressiver Stimme davon ab, sich selbst ins Unheil zu stürzen.
Er betete, dass Isaac ihn endlich erlösen würde, als ein weiterer
Schuss den Kraterrand wegfetzte.
Dunkelheit nichts als Dunkelheit. So sehr sich Isaac auch anstrengte, er
konnte den gegnerischen Scharfschützen nicht erkennen. Nicht im Infrarot,
nicht im Nachtsichtmodus. Die einzige Orientierung waren die in unregelmäßigen
Perioden auftauchenden Mündungsblitze. Er war sich sicher, dass in diesem
Gebiet sein musste, doch er erkannte auf dem Hügel in ungefähr 1250
Metern Entfernung nur Wald. Er wartete. Ein weiterer Blitz. Jetzt hatte er ihn.
Das Zielkreuz ruhte auf dem Punkt aus dem der Schuss kam. Wieder warten, ein
weiterer Blitz, nun war er sich seine Sache absolut sicher. Das Fadenkreuz ging
drei Abstriche nach oben. Isaac atmete tief ein, atmete zur Hälfte wieder
aus und hielt dann die Luft an. Das PSG1 bellte auf. Er hatte nur diese eine
Chance. Jetzt hieß es wieder warten.
Mehrere Minuten vor diesem Ereignis stürmten Zybell und Carlos den
linken Teil der Kommandobaracke. Innerhalb kürzester Zeit waren die meisten
Räume durchsucht, alle waren leer. Einer blieb noch. Langsam näherten
sie sich der Tür. Irgendwie spürten sie, dass damit etwas nicht in
Ordnung war. Sie positionierten sich mit dem Rücken zur Wand neben der
Tür. Zybell zeigte drei Finger hoch, die dann in regelmäßigen
Abständen herunterzählten. 3...2...ein Schuss zerfetzte einen Teil
der Tür und hinterließ ein großes Loch. Sofort drückte
sich Carlos von der Wand ab, stellte im Flug auf Vollautomatik und pumpte das
halbe Magazin in den Raum ehe er sich wieder abrollte. Innen drin reichte es
dem befehlshabenden Kommandanten. Er war ein exelender Logistiker und Stratege,
ein intelligenter Mann von Würde, aber ein Soldat war er nie gewesen, er
war ein Feigling, ein Theoretiker. Er schmiss die gesicherte Pistole aus der
Tür, oder dem was davon noch übrig war, und verließ seine Kommandantur
mit erhobenen Händen.
"Isaac, hast du ihn erwischt?"
"Weiß ich nicht, zu dunkel."
"Zu dunkel? Worauf hast du dann gefeuert?"
"Auf das Mündungsfeuer."
Raul hasste diese Situation. War er tot? Hatte er die Position gewechselt? Spielte
er nur den Toten und wartete auf den entscheidenden Fehler? Raul beschloss zu
warten. Als nach einer Minute immer noch kein weiterer Schuss erklang, fasste
Raul allen Mut zusammen und schmiss seine Uhr, die er abmachen konnte ohne sich
zu bewegen, in die Luft. Keine Reaktion. Er spannte die Beine an, die Schulter
schmerzte im Angesicht der eventuellen Rettung nicht. Mit einem Satz, den er
nicht für möglich gehalten hatte, sprang er in Sicherheit und rollte
auf der verletzten Schulter aus. Neben ihm stand Doc Jansen mit seinem Arztkoffer
schon bereit, er war vom Jeep gekommen, der ihm Feuerschutz gegeben hatte, den
er aber nicht brauchte, in der Baracke bewegte sich nichts mehr. Raul blickte
zurück auf den Krater, es erfolgte keine Reaktion, der Scharfschütze
war tot. Nun, so war sich Raul sicher, war der Kampf endgültig gewonnen.
"Hier Raul, Puerto Cabezas ist nun unter Kontrolle der Contra-Rebellen."
Wir hatten gesiegt, Bulldogs Feldflasche machte die Runde. Wir unterhielten
uns laut, das war wahrscheinlich der Grund, warum uns das Geräusch erst
so spät auffiel. Es war das leichte Mädchen, das laut aufschrie als
der Panzer einfach über das Feuer im Fuhrpark herüber fuhr. Es war
der Panzer in der Mitte des Innenhofes, den Manuel nicht erwischt hatte, stark
ramponiert zwar, aber immer noch fahrtüchtig und scharf, wie wir merkten
als das MG knapp über unseren Köpfen seine tödliche Ladung verteilte.
Und während der Panzer nach links abbog in Richtung der Kaserne, war Bulldog
schon wieder auf den Beinen und rannte zu seiner Ausrüstung.
Der Panzer brachte schiere Panik in die Reihen der Contras, die jetzt heillos
in alle Richtungen flohen, während das MG sie auseinander trieb. Auch Will
beobachtete das, doch im Gegendsatz zu allen anderen, blieb er ruhig liegen,
nahm seine Waffe auf die andere Seite und machte es sich bequem.
Währenddessen rannte Bulldog mit einer LAW bewaffnet dem Panzer hinterher,
doch musste sich gleich mit einem waghalsigen Sprung vor dem MG retten.
"Bulldog, beende verdammt noch mal deine Arbeit."
"Würde ich ja gern, aber unter MG-Feuer lässt es sich schlecht
zielen. Schafft mir den MG-Schützen vom Hals."
Doch diese Antwort nahm Raul schon gar nicht mehr war als er sah wie der Panzer
den Jeep in Stücke schoss.
Vladimir kannte solche Panzer. Die T-40 waren wahre Prachtstücke der
sowjetischen Föderation, etwas worauf man als Russe stolz sein konnte.
Nun konnte der russische Stolz ihm zum Verhängnis werden. Er richtete die
Bordkanone auf das grüngetarnte Stahlmonster, an dem die Kugeln abprallten
als wären sie aus Styropor. Doch Vladimir feuerte nicht ziellos, sondern
beharkte das MG des Jeeps mit kurzen Feuerstößen, wodurch sich dieser
kurze Zeit zurückziehen musste. Vladimir feuerte weiter, konzentrierte
sich voll auf das MG, aber ihm entging nicht, wie der Turm schwenkte. Als dieser
sich auf den Jeep manifestierte, sprang er ab, gerade rechtzeitig. Der Fahrer
der Contras hatte nicht soviel Glück. Er war noch angeschnallt.
Sofort begann das MG wieder die Truppen aufzureiben und gab so Bulldog keine
Chance die Panzerabwehrrakete abzufeuern. Will hatte genug gesehen, er nahm
den Gunner ins Visier. Die Kugel legte ihren 452 Meter langen Weg innerhalb
einer halben Sekunde zurück. Der Soldat sackte über dem MG zusammen.
Es war eine unheimliche Situation als nach dem Peitschen eines einzelnen
Schusses das mehrfach wiederhallende Geräusch des Maschinengewehrs genauso
aufhörte wie die hellen Blitze, die die Hauswand im Stakkato beleuchtete
und wieder im Dunkeln ließ. Übrig blieb das fast schon beruhigende
Geräusch des Motors des Panzers. Bulldog sprang vor, visierte genau und
ließ der Rakete freien Lauf. Der Rauch zeichnete ihren Weg genau nach
von Bulldog bis hin zur Rückseite des Turms, wo die Rakete nun auftraf
und der Panzer in einem gewaltigen Feuerball explodierte. Nun war es wirklich
vorbei.
Hotel Corona, Puerto Cabezas, 5:00 Uhr, 11. August 1987
Die zehn Söldner gaben ein skurriles Bild ab, als sie früh morgens
um fünf in der Lounge des einzigen Vier-Sterne-Hotels der Stadt ihren Sieg
feierten. Den Betreibern schauderte es beim dem Gedanken an die edlen Ledersessel
auf denen wir dreckig und blutbeschmiert saßen und edlen Cognac aus dem
hauseigenen Weinkeller tranken. Wir hatten das Hotel kurzerhand zu unserem Basislager
erklärt, der Widerstand der Hotelbesitzer hielt sich in Grenzen. Wir lachten
viel und tranken noch mehr, schade nur, dass das dreckige Dutzend nicht komplett
war. Raul verhörte die Überlebenden und wies den Contrarebellen an,
die Stadt nach versprengten Sandinisten zu durchsuchen. Bulldog hatte sich still
und heimlich vor ungefähr einer Stunde auf sein Zimmer verkrochen, mit
der leichten Annabelle im Arm. Zybell war nicht sonderlich erbaut darüber,
hatte er sich doch die dralle Blondine für ein Schäferstündchen
ausgesucht. Doch nach drei weiteren Drinks war auch das kein weiteres Problem
mehr.
"Auftrag ausgeführt, meine Herren", warf Carlos in den Raum.
Niemand antwortete, die Worte klangen im Raum, die meisten nickten geistesabwesend.
Andere genehmigten sich genüsslich einen weiteren Schluck aus ihren Kristallgläsern.
"Hey Duncan, wie lange bist du nun schon dabei?", wollte Zybell wissen.
"Seit dem 5."
"Was, dem 5.ten? ´85? Seit Mai?" Isaac wollte es genauer wissen.
"Seit dem 5.ten August dieses Jahres." In den Köpfen begann es
zu rauchen. Zybell grinste selbstgefällig. Er und Raul waren die einzigen,
die wussten, dass ich ein Greenhorn war.
"Sechs Tage. Verdammt noch mal, du bist erst seit sechs Tagen dabei?"
Das Erstaunen von Will war exemplarisch für das der anderen.
"Was hast du davor gemacht?"
"Zwei Jahre Army, davor drei Jahre in einem Ninjitsudojo in Japan."
Ich konnte die anschließende Reaktion der meisten nicht deuten. Es war
eine Mischung aus Überraschung, Annerkennung und dem Schock, dass der Erfolg
der Mission teilweise von jemanden abhing, der nie zuvor in einen echten Kampf
verwickelt war. Nur Zybell grinste wie zuvor.
"Ich finde, du machst deine Sache ausgezeichnet", flüsterte
Nikita, die neben mir saß, ins Ohr. Unmerklich für die anderen legte
sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel.
"Zimmer 307."
"So Jungs, ich muss euch nun leider verlassen. Eine Dame braucht ihren
Schönheitsschlaf." Mit diesen Worten stand sie auf und verließ
den Raum, auf den Weg ins Zimmer mit der Nummer 307. Wieder grinste mich Zybell
an. Ich konnte nicht deuten, ob er die Szenerie doch mitbekommen hatte oder
ob der Alkohol auf ihn die selbe Wirkung hatte, wie auf anderen Menschen Lachgas.
Es wäre zu auffällig gewesen, wenn ich gleich gegangen wäre,
also wartete ich. Immer wieder starrte ich zur der goldenen Wanduhr hoch. An
den Gesprächen beteiligte ich mich beiläufig, doch meine Gedanken
waren bereits ganz woanders. Endlich waren zehn Minuten um, die Uhr stand auf
Viertel vor sechs. Meine Augen fielen zu, ein einzelner Schnarchlaut verließ
meinen Mund . Ich schreckte hoch.
"Vielleicht ist es jetzt besser, wenn du ins Bett gehst, Duncan",
meinte der Doc mit ernster Miene.
"Ja, ist wohl besser." Unter Stöhnen stand ich auf, schlurfte
zur Tür, wünschte allen noch eine gute Nacht. Doch als ich mich umdrehte,
war die Müdigkeit verflogen und mein Mund formte ein breites Grinsen, noch
breiter als Zybells. Es verflog als Raul durch die Tür kam.
Es schien als habe Raul Hummeln im Hintern. Schnell zählte er mit den
Fingern durch und stellte fest, dass zwei fehlten.
"Holt Nikita und Bulldog runter. Schnell, Einsatzbesprechung in fünf
Minuten."
"Chef, wozu die Eile? Ich glaube Bulldog würde es jetzt nicht gerne
sehen, wenn wir ihn stören würden."
"Zybell, befolge einfach meine Befehle, du bist nicht mit allen Fakten
vertraut."
"Was interessantes heraus gefunden bei deinen Verhören?"
"Ja, Vladimir. Im Moment ist gerade ein feindlicher Zug in diesem Gebiet.
Er wird noch heute in Puerto Cabezas erwartet."
Von Mattscho
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