Die Unschuld blieb daheim
Es war 1985 als ich aus Japan kam. Ich war nun richtig in Nin jutsu ausgebildet,
ich war das, was der Mann auf der Straße einen Ninja nannte. Allerdings
darf man sich darunter kein Chuck Norris-Verschnitt vorstellen, der es mit zehn
Gegnern gleichzeitig aufnimmt und dabei noch schlechte Witze reißt. Zwar
wurden wir auch in verschiedenen Kampfsportarten ausgebildet, aber ein Ninja
ist in erster Linie ein Spion, ein Aufklärer. Wir lernten uns lautlos fortzubewegen
genauso wie den Nachtkampf. Die Nacht wurde unser bester Freund, die Dunkelheit
unsere Tarnkappe. So lernten wir, wie wir den Gegner ausspionierten und deren
Lager infiltrierten, während unsere Feinde in ihren Betten träumten.
Erst danach wurden wir zu Meuchelmördern ausgebildet. Nach meiner drei-jährigen
Ausbildung konnte ich mit meinen Händen und fast jeder traditionellen Waffe
töten. Ich war zwar noch lange kein Meister in dieser traditionellen Kampf-Kunst,
aber doch meisterlich in einigen Teilgebieten. Da ich nicht alle Prüfungen
abgelegt hatte, was in drei Jahren nicht zu schaffen war, durfte ich auch nicht
die Bezeichnung Ninja tragen.
Ich begann mich am Anfang der 80´er mit dieser traditionellen Kampftechnik
zu beschäftigen als die ersten Ninja-Filme in den Kinos liefen. Durch Bruce
Lee entdeckte der Westen Japan als schier unerschöpflichen Brunnen von
neuen Heldengeschichten. Exotische Kampfsportarten boten Hollywood eine vollkommen
neue Art des Action-Genre. Ich wurde von dieser Welle mitgerissen. Ich arbeitete
damals zeitweise in einem japanischen Restaurant, dessen Besitzer Dan Lee diese
alte Kunst einigermaßen beherrschte. Er zeigte mir ein paar Würfe
und Grundtechniken. Doch während die Ninja-Welle langsam verebbte, interessierte
ich mich immer mehr für Ninjutsu. Bald konnte mir Dan nichts mehr beibringen.
Doch zu dieser Zeit gab es ein neues Angebot. Die Japaner werden zurecht als
clevere Geschäftsleute angesehen, auch sie erkannten die kurzeitige Vernarrtheit
der Amerikaner in die japanischen Kriegskünste. 1981 eröffnete das
erste Dojo, welches auch für sogenannte Gaijins, übersetzt bedeutet
das Fremde, zugänglich war, für ein gewisses Entgeld versteht sich.
Hinter dem Dojo stand ein großer japanischer Konzern.
Ein Jahre später war es soweit. Dan Lee schoss mir das Geld für die
drei-jährige Ausbildung vor. Er konnte es sich leisten, sein Restaurant
lief gut. Irgendwie gelang es dem alten Haudegen immer neutral zu bleiben an
einem Ort, der unter blutigen Bandenkriegen litt. Er kam immer um Schutzgeldzahlungen
herum und weil sein Restaurant neutral blieb, war es ein beliebter Treffpunkt
für Friedensverhandlungen und ähnliches. Dementsprechend viel Schweigegeld
kassiert Dan.
Unser Dojo war recht fortschrittlich und so lernten wir sogar den Umgang mit
der Armbrust, wahrscheinlich die effektivste Waffe um jemanden leise ins Grab
zu bringen. Das lag an dem japanischen Konzern, seine Auftraggeber wünschten
es sich so. Besonders gut war ich aber im Umgang mit Shuriken und Wurfmessern.
In dieser Kategorie war ich der beste Schüler des Sensei. Ich schaffte
es mit tödlicher Präzision ein Wurfmesser aus 15 Metern Entfernung
ins Ziel zu bringen. Und das war nicht einfach bei der Konkurrenz, denn viele
Geheimdienste, Armeen und Sicherheitsfirmen ließen ihre Leute dort ausbilden.
Damals kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit der Söldnerbranche.
Nun, im Jahre 198,5 stellte sich die Frage was ich mit meinem Können anfangen
sollte. Da sich mit Nin jutsu kein Geld verdienen ließ und ich eine Art
Ausbildung zum Killer gemacht hatte, lag nichts näher als zur Army zu gehen.
Ich verpflichtete mich für zehn Jahre. Nach dem harten Training in Japan
war die Army kein Problem, ich konnte mühelos mithalten. Zu meiner Überraschung
gelang mir sogar das Schießen recht gut, was wohl daran lag, dass sich
eine Armbrust und ein Gewehr in gewisser Weise doch ähnelten. Der Zielvorgang
war identisch, ebenso die Atemtechnik, und auch die Abzugmechanismen waren die
gleichen. Es gab im Grunde nur zwei Unterschiede: Das Gewehr war laut und hatte
einen größeren Rückstoß. Aber bald gelang es mir ganz
gut, ihn zu kontrollieren. Die Monate vergingen und bald war ich der beste Rekrut
in meiner Einheit, was wirklich keine Kunst war.
Und so wurde es 1987, die Leute hörten "You win again" von den
Bee Gees und strömten zuhauf in Topgun und Beverly Hills Cop II. Und ich
wurde 23. Doch dann kam ein Wendepunkt in meinem Leben. Eines schönen Tages
im Juli 1987 kam ein gewisser Major Smith zu meiner Einheit und verlangte nach
mir. Er war eine große Nummer in der Army, eine Art Scout, der talentierte
Söldner für die Sonderkommandos rekrutierte. Gelegentlich rekrutierte
er aber auch Soldaten für private Organisationen. Das war ein offenes Geheimnis,
den Behörden fehlten aber die Beweise um den Major vor Gericht zu bringen.
Sie wollten es auch gar nicht, der Major kannte viel zu viele schmutzige Geheimnisse.
"Privat Silverman? Mein Name ist Major Smith, ich hab schon viel Gutes
über Sie gehört. Sie sollen ein guter Soldat sein."
"Danke, Sir. Worum geht es?"
"Nur keine falsche Bescheidenheit, ich beobachte Sie schon eine Weile.
Und ich muss sagen, ihre Qualitäten sind hervorragend, es gibt nur sehr
wenige mit solchen Qualifikationen wie Sie." Er war ein professioneller
Süßholzraspler, ich schätzte, dass war in seinem Beruf nötig.
"Eine Frage unter uns: Wie lange wollen Sie eigentlich noch mit diesen
Nieten hier rumhängen? Ich sag ihnen was, Sie gehören in die Oberliga."
"Wollen Sie mich für ein Sonderkommando haben?" Es war das Ziel
eines jeden Soldaten einem Sonderkommando zugeteilt zu werden.
"Ich will ehrlich mit ihnen sein. Für die Seals sind sie nicht geeignet
und die anderen Sonderkommandos suchen im Moment keine neuen Soldaten. Aber
das heißt nicht, dass sie Amerika nicht in würdevoller Weise dienen
können. Sie könnten unserem großartigen Land große Dienste
in Nicaragua leisten. Dort haben sich ein paar Kommunistenschweine breit gemacht.
Denen müssen wir in den Arsch treten und sie aus diesem schönen Land
schmeißen. Die Contras, eine tapfere Rebellengruppe, wollen die alte Ordnung
wiederherstellen und dafür brauchen sie die Hilfe von perfekt ausgebildeten
Soldaten, die sie führen. Soldaten, wie sie einer sind, Privat Silverman!"
Der Major appellierte an meinen Nationalstolz und als guter Amerikaner konnte
ich natürlich nicht nein sagen. Ich wollte es auch nicht, ich war sofort
Feuer und Flamme für den Einsatz. Die Überzeugungskraft des Majors
und mein jugendlicher Enthusiasmus vermischten sich zu einer sehr gefährlichen
Mischung aus Ignoranz und dem, wovon ich dachte, dass es Patriotismus sei. Niemand
lehnte ein Angebot von Major Smith ab, zumindest war mir niemand bekannt.
"Wann und wo soll ich mich melden?"
"Immer ruhig mit den jungen Pferden. Es gibt da ein Problem. Diese Bürokraten-Ärsche
in Washington wollen nicht, dass wir uns da unten einmischen, diese Feiglinge.
Deswegen müssen wir uns eines kleinen Tricks bedienen. Sie werden aus der
Army entlassen und werden offiziell Söldner, sie aber können sich
bereits selbst einen Profi-Söldner nennen. Sie haben mich schließlich
überzeugt. Später schicken wir Sie dann nach Nicaragua, wo Sie die
tapferen Rebellen unterstützten." Das machte die Sache ungleich komplizierter.
"Geht das denn so einfach?"
"Mit meiner Hilfe schon. Also, was ist? Machen Sie mit?"
"Ich weiß nicht. Wenn ich aus der Army entlassen werde, komm ich
doch nicht wieder so einfach rein, oder?"
"Junge, wenn Sie aus Nicaragua wiederkommen, sind Sie ein amerikanischer
Held, das wird bestimmt kein Problem. Nun, Privat Silverman, kann ich mit Ihnen
rechnen?"
"Ja, natürlich, Sir!" Eine andere Antwort gab es damals für
mich nicht, es war meine große Chance und ich tat gut daran, sie zu nutzen.
Der Plan an sich war absoluter Schwachsinn, höchstwahrscheinlich bekam
Major Smith Provisionen von der Agency for Special Operations. Die A.S.O. war
eine internationale Söldneragentur mit ungefähr 100 Söldnern.
In fast jedem bewaffneten Konflikt seit den 60´er Jahren hatte sie ihre
Finger im Spiel. Ich fiel auf das falsche Spiel des Majors herein. Kurze Zeit
später wurde ich ehrenhaft entlassen, mit einem Flugticket nach London
in der Hand.
London, 3. August 1987
Die A.S.O. residierte in einer großen Villa in einen der vornehmen Vororte
Londons. Die Sicherheitskräfte in ihren schwarzen Anzügen und schwarzen
Sonnenbrillen mit den Knöpfen im Ohr fielen gar nicht auf, vor fast jeder
Villa standen ein paar dieser Gorillas. Ich wurde in ein großes Zimmer
geführt, anscheinend das Büro des Personalchefs. Büro war der
falsche Begriff für einen Raum, der größer war, als die meisten
3 Zimmer-Appartements. Ein alter, roter Teppich bedeckte den Holzboden. Es war
sauber bis auf den letzten Fussel, genauso wie die dunklen Gardinen, die vor
den hohen Wandfenstern hingen, und den Blick auf den wundervollen Garten versperrten.
Die Privatbibliothek im Zimmer war überwältigend üppig ausgestattet
und erinnerte eher an eine Buchhandlung als an eine Söldneragentur. Über
die ganzen Wände zogen sich die Stellagen hin, bestückt mit alten
verstaubten Schmökern, aber auch neuen Büchern. Unter diesen von keinem
einzigen Staubkorn bedeckten Büchern waren sicher einige äußerst
wertvolle Unikate. An den Wänden zeigten sich weitere Schmuckstücke,
Ölgemälde, ich sah Bilder aus der Renaissance von Albrecht Dürrer,
falls das Originale waren... ich musste schlucken. Im Kamin prasselte ein Feuer
und verbreitete eine gemütliche Atmosphäre und wohlige Wärme.
Dann sah ich den Besitzer dieses Büros, er stand, mir den Rücken
zugekehrt, an einem der fast vier Meter hohen gotischen Wandfenstern. Sein sportlicher
Körper steckte in einem eleganten Anzug. Als er mich bemerkte drehte er
sich zu mir herum, und blickte mich mit einem charismatischen Lächeln an.
Ich lächelte gequält zurück, förmlich erdrückt von
diesem Zimmer und dieser Atmosphäre, es war das erste Mal dass ich Reichtum
und Luxus in dieser Form sah. Sein Haar war an den Schläfen bereits leicht
ergraut, und hatte sonst den kurzen militärischen Schnitt eines hohen Offiziers.
Sämtliche Bewegungen und Gesten zeigten, dass er gewohnt war zu befehlen.
Die leuchtenden blaugrauen Augen musterten mich aufmerksam aber nicht neugierig,
er schien mich mit einem Blick zu verschlingen und dann einzuklassieren. Seine
darauffolgende Handbewegung schien etwas Gutes für mich zu bedeuten. Er,
der Personalchef, Mr. Weingartner, zeigte auf eine komfortable Ledergarnitur.
Ich setzte mich. Gleichzeitig kam eine Dienerin vorbei und goss uns Tee ein.
Dabei war es erst um drei. Dann fing Mr. Weingartner an:
"Nun, Mister Silverman, Sie würden also gerne Mitglied unser Söldneragentur
werden?"
"Jawohl Mister Weingartner, das ist mein Wunsch."
"Och, nennen sie mich doch James, wir wollen nicht so förmlich sein.
Darf ich Sie Ethan nennen?"
"Natürlich, James."
"Nun gut, ich hab sehr viel Gutes über Sie gehört, Ethan. Sie
haben die Kunst des Nin Jutsu erlernt?
"Ja, Sir, ich war drei Jahre in Japan und habe dort sehr viel gelernt."
"James, nennen Sie mich James."
"Ach so, ja, entschuldigen Sie, James.", stotterte ich zurück,
ich fühlte mich noch immer erdrückt von diesem Raum, auch die Freundlichkeit
dieser Person verwunderte mich.
"Auch Ihre letzten Leistungstests waren hervorragend."
"Danke, James."
"Wissen Sie, eigentlich testen wir unsere Anwärter immer selbst einen
Monat lang auf unserem Trainingsgelände, aber da Ihre Empfehlung von Major
Smith kommt, können wir wohl auf diese Formalität verzichten. Ich
würde sagen, herzlich Willkommen bei der A.S.O.!"
In diesem Moment dachte ich, alles wäre ein Traum und hoffte inständig,
dass mich niemand kneifen würde. Zum Glück tat es niemand. Fünf
Minuten später kam Mister Weingartner mit dem Vertrag wieder. Ich durchflog
ihn schnell und setzte meine Unterschrift darunter. Ich war Profi-Söldner.
Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde, aber das war
es.
Mr. Weingartner stand auf und ging wieder zu dem großen Fenster. Er schaute
in seinen Gedanken versunken heraus auf den perfekt gepflegten Garten. Dann
erklärte er mir meine Mission.
"Nun gut, da das geklärt wäre, kommen wir nun zu Ihrem Auftrag.
Sie sollen die Rebellengruppe Contras in Nicaragua im Kampf gegen das Regime
der Sandinisten unterstützen. Die Contras sind eine konservative Gruppierung
in Nicaragua, die die Macht in ihrem Land wiedererlangen wollen. Sie wurden
von den Sandinisten, der linksgerichteten regierenden Gruppierung aus dem Land
vertrieben. Ihre Aufgabe ist es, die Contras bei diesem Unterfangen zu unterstützen.
Ihre Befehle bekommen Sie von ihrem Auftraggeber, den Contras."
"Moment", warf ich ein, "seit wann haben Rebellen genug Geld
um sich Profi-Söldner zu leisten?"
"Haben Sie nichts von der Iran-Contra-Affäre gehört? Ihre Regierung
hat zu hohen Preisen Kriegsmaterial an den Iran verkauft und den Profit den
Contras zukommen lassen. War ein großer Skandal in den Medien, es sind
sogar ein paar Köpfe in Washington gerollt. Seit dem sind die Contras die
reichsten Rebellen der Welt und sind auch dementsprechend ausgerüstet."
"Was wissen sie über diese Sandinisten?"
"Die Sandinisten sind den Contras zahlenmäßig weit überlegen,
allerdings sind diese nicht sonderlich gut ausgerüstet. Vor ein paar Jahren
wurden sie noch von der Sowjetunion unterstützt, aber das ist Vergangenheit.
Kommen wir zu nun zu Ihrem Einsatzgebiet. Das Land Nicaragua ist sehr bergig.
Nur im Nordosten gibt es Regenwald, genauer gesagt an der Moskitoküste.
Es ist warm. Die Durchschnittstemperatur beträgt das ganze Jahr über
um die 25 Grad Celsius. Es herrscht tropisches Klima mit vielen Regenschauern.
Die Regenzeit erstreckt sich von April bis September. Sie werden anfangs an
der nordöstlichen Grenze zu Honduras aktiv sein. Von dort sollen Sie sich
weiter in das Landesinnere vorkämpfen. Sie werden übermorgen um 10.00
Uhr einen Flug nach Honduras nehmen. Von dort werden Sie zur Basis der Contras
gebracht. Ab dort übernehmen Ihre Auftraggeber, die Rebellen. Ihre Bezahlung
in den ersten sechs Monaten beträgt $10.000 pro Monat, wenn sie dann noch
leben, setzen wir uns an den Verhandlungstisch. Ihr Kontakt am Flughafen in
Honduras ist ein Mann namens Zybell. Sie wissen nicht, wer er ist, aber er weiß,
wer Sie sind. Kaufen Sie am Flughafen eine Washington Post und eine Newsweek,
dass sind Ihre Erkennungszeichen. Ach so, fast hätte ich es vergessen,
wie ist eigentlich ihr Deckname?"
"Nennen sie mich wie mein Sensei, nennen Sie mich Duncan."
"Klingt gut, hat der Name auch eine Bedeutung."
"Ja, Der Dunkle Krieger."
Tegucigalpa, Honduras, 5. August 1987
Die A.S.O. war eine sehr durchorganisierte Einrichtung. Einen Tag vor meiner
Abreise bekam ich einen edlen Anzug und einen Diplomaten-Pass, samt Aufkleber
für mein Gepäck. Derartig ausgerüstet war die Gepäckkontrolle
kein großes Problem mehr. Das wäre sie wahrscheinlich sowieso nicht
geworden, ich hatte ja nur ein paar Shuriken und diese konnte ich schon erfolgreich
nach Amerika schmuggeln. Mein restliches Gepäck bestand aus Kleidung und
einer Überlebensausrüstung, ebenfalls gesponsert von der A.S.O. Die
Kontrolleure in Heathrow schauten zwar ein wenig misstrauisch, aber als ich
dann meinen Diplomaten-Pass zeigte, taten sie doch besser daran mich durchzulassen.
Ich liebe politische Immunität!
Der Flug war außer ein paar Turbulenzen nicht sonderlich turbulent und
so kam ich 19.00 Uhr Ortszeit in Tegucigalpa an. Der Flughafen war nicht größer
als ein Bahnhof und so fand ich auch schnell den einzigen internationalen Kiosk.
War ich mit meinem schwarzen Anzug in jedem normalen mittelgroßen Flughafen
so unauffällig wie ein Kostümierter an Halloween, war ich hier genau
das Gegenteil. Ich stach aus der Masse heraus, es war für Zybell bestimmt
keine sonderlich schwere Aufgabe mich ausfindig zu machen. Trotzdem kaufte ich
wie abgesprochen die beiden vereinbarten Zeitungen. Ich musste nicht lange warten
bis ein sehr großer und muskulöser Typ sich mir näherte. Jetzt
wurde es ernst.
"Entschuldigen Sie, sind Sie Duncan?"
"Wer will das wissen?"
"Alles Klar, sie sind es," sagte der Unbekannte mit einem Schmunzeln,
dieser Spruch verriet mehr als ich wollte, "ich bin Zybell, ihr Kontaktmann."
Zybell war ein wahrer Schwarzenegger. Ungefähr einsneunzig, breitschultrig,
mit Bizeps so dick wie Oberschenkel. Er war blond und blauäugig und die
Frauenwelt ihm bestimmt nicht abgeneigt. Er strahlte Ruhe und absolute Professionalität
aus. Seine Gesichtszüge zeugten von einer gewissen Intelligenz.
"Kommen Sie, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."
Draußen wartete ein schäbiges Taxi auf uns. Nach 25 Minuten Fahrt
waren wir an einem Sportflugplatz angelangt. Dieser lag etwas außerhalb
der Stadt, auf dem Parkplatz stapelten sich die Luxuskarossen. Wie überall
war auch in Honduras Fliegen das Hobby der Reichen. Sicherlich gab es davon
hier nicht gerade sonderlich viel, doch ein paar gab es schon und die trugen
ihren Reichtum offen zu Schau. Zybell gab dem Fahrer eine 100$-Note, die 80$
Trinkgeld sollten ihn zum Schweigen bringen.
Als ich über den Flugplatz ging, wurde ich von Goldzähnen und protzigen
Ketten geblendet. Die Möchtegernpiloten standen prahlerisch vor ihren Cessnas
einer höher als der andere, während hinter ihnen kleine Kinder die
Maschinen für einen Apfel und ein Ei mit irgendwelchen giftigen oder krebserregenden
Chemikalien reinigten. Ich schätzte, dass die meisten Reichen in Honduras,
Drogenbosse waren. Wir stiegen in einen Helikopter ein, dessen Lackierung verriet,
dass dieser Heli ursprünglich für Rundflüge gedacht war. Er war
die perfekte Tarnung. Für Außenstehende sah es so aus, als wenn ein
paar Touristen die unberührte Natur von Honduras per Hubschrauber erkunden
wollten, obwohl das Meiste schon längst von der Industrie verpestet worden
war. Niemand ahnte, dass dieser Helikopter gleich in Richtung Grenze fliegen
würde, direkt in das Krisengebiet.
Als Zybell in den Helikopter stieg, bemerkte ich, wie er trotz seiner Größe
noch relativ beweglich war. Hinter uns wurden die Türen verriegelt. Als
die Techniker sie endgültig verschlossen hatten, merkte ich wie sich etwas
Grundlegendes in meinem Leben verändert hatte. Der Zeitpunkt war da, ich
war mir ganz sicher, das war der berühmte "point of no Return",
ich hatte ihn überschritten, ab jetzt gab es kein Zurück mehr. In
meinem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit. Ich hatte mich entschieden
ein Leben als Profi-Söldner zu führen. Die Rotoren begannen ihre Arbeit,
erst langsam, dann immer schneller, wie die Zeit meines restlichen Lebens, die
auch immer schneller verstrich, je gefährlicher mein Leben wurde. Draußen
wurde Staub aufgewirbelt, der Techniker hielt seine Kappe mit beiden Händen
fest, und versuchte dem Luftzug zu trotzen. Aber das war leichter gesagt als
getan. Als ihm Sand und Staub in die Augen wehte, drehte er endlich den Kopf
weg. Der massige, aber immer noch aerodynamische Körper des Helis hob sich
schwankend in die Luft, wackelte hin und her, und hatte dann endlich die nötige
Kraft um weiter zu steigen. Wir hoben ab.
Die Erde unter mir wurde kleiner und kleiner. Ich fühlte wie ich etwas
in meine Innern verlor, konnte aber nicht feststellen was es war. Heute weiß
ich es, ich verlor meine Unschuld in dem Augenblick als der Heli abflog. Wir
hoben ab. Der Pilot flog eine Kurve und wir verließen Tegucigalpa in Richtung
Süden. In meinem rechten Fenster konnte ich den Sonnenuntergang beobachten.
Es war alles wie in einem Hollywood-Film, der Transport per Hubschrauber an
den Kriegsschauplatz, die Stille während des Fluges, es war alles andere
als ein Rundflug. Nur der Helikopter unterschied sich von den militärischen
Exemplaren, er war geschlossen und hatte eine gute Schallisolierung, Gespräche
in Zimmerlautstärke waren möglich, doch gesprochen wurde nicht. In
diesem Heli flog ich direkt ins Kampfgebiet, wo jeder Atemzug mein letzter sein
konnte.
War ich vorbereitet? War ich bereit für das, was mich erwartete? Was würde
mich dort überhaupt erwarten? Auf einmal überkam mich ein Gefühl
der Angst. Ich hatte jetzt fünf Jahre militärische Ausbildung hinter
mir, drei Jahre in Japan und zwei Jahre bei den amerikanischen Streitkräfte.
Doch hatten diese fünf Jahre mich auf den Ernstfall vorbereitet? Sicher,
wir haben bei der Army sehr viel geübt, viele Kampfsimulationen. Doch hier
würde man nicht mit Farbkugeln auf mich schießen. Nervös rutschte
ich auf meinem Sitz hin und her. Mir wurde leicht übel. Es dauert nicht
lange, bis mich Zybell darauf ansprach.
"Aufgeregt?"
"Ja, sehr.", erwiderte ich mit leiser Stimme. Man merkte deutlich
wie unsicher ich war. Ich hatte einen Kloß im Hals.
"Brauchst du nicht, wir landen heute in der Hauptbasis der Contras, du
musst nicht gleich nach vorne. Erst morgen früh."
Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis ich diesen Satz verarbeitet hatte. Morgen
Früh? Sollte das heißen, dass mir in zwölf Stunden schon die
Kugeln um die Ohren fliegen würden? Verdammt, auf einmal ging alles viel
zu schnell. Als sich Zybell ein Lachen verkneifen musste, war mir klar, dass
es ein Scherz war. Als ich mich von dem ersten Schock erholt hatte, musste auch
ich schmunzeln.
"Bleib ruhig, Junge. Die Sandinos sind in Nicaragua, 100 km von unserem
Lager entfernt. Frühestens übermorgen werden wir erst mal wieder runter
fahren. Wie alt bist du eigentlich?"
"23 und du?"
"Stolze 27 Jahre. Ist das dein erster Einsatz?"
"Ja, dass ist er." Ich errötete leicht, ich war ein absolutes
Greenhorn.
"Mach dir nichts draus. Mit 23 habe ich keine solchen großen Aufträge
bekommen. Du musst ganz schön was drauf haben, du hast die Organisation
ziemlich stark beeindruckt. Sag mal, stimmt es, dass du ein Ninja bist?"
"In gewisser Weise schon. Ich habe drei Jahre in Japan Nin jutsu gelernt,
die Kunst der Ninja."
"Wow, nicht schlecht. Ich hab noch nie mit einem waschechten Ninja gekämpft.
Das ist mir lieber als gegen einen solchen zu kämpfen. Wo kommst du eigentlich
her?"
"New York."
"Ich komm aus Tschechien, genauer gesagt aus Pilsen. Halt dich nachher
im Lager einfach an mich, ich führ dich dann ein bisschen rum und zeig
dir wie das da alles so abläuft."
"Das wäre echt cool, Mann."
"Hey, für so einen netten Newbie wie dich tue ich das doch gerne.
Zigarette?"
"Ja, gern. Hast du Feuer?", sagte ich mit einem Lächeln.
Ich war eigentlich Nichtraucher. Mein Sensei hatte es verboten, es war nicht
gut für die Kondition. Doch wie hieß es in einem Lehrfilm der Armee?
"Das Verlangen nach Rauchen entsteht oft in Stresssituationen ." Als
man uns diesen Film vorspielte, haben wir alle darüber gelacht. Jetzt musste
ich feststellen, dass er absolut richtig lag. Nikotin-giftig und beruhigend-
in diesen Zeiten mein bester Freund. Was mir an dem Lehrfilm immer noch lächerlich
vorkam, war der Lösungsvorschlag: "Wie kann man denn nun dieses Problem
lösen? Ganz einfach - nicht anfangen. Ein guter Soldat ist willenstark
und hat es nicht nötig zu rauchen." Ich fragte mich, welcher Bürokratenarsch
sich diesen Schwachsinn ausgedacht hatte.
"Nana, erst wenn wir angekommen sind."
Ich kannte Zybell gerade erst eine Stunde, aber er war mir auf Anhieb sympathisch.
Ich hatte das Gefühl, wir lagen auf einer Wellenlänge. Hier unten
war dieser Unbekannte mein bester Freund, derjenige an den ich mich halten musste,
wenn ich nicht gleich am ersten Tag draufgehen wollte.
Nach 1½ Stunden Flugzeit, es war jetzt halb neun, begann der Hubschrauber
mit der Landung. Die Sonne war schon fast untergegangen, doch noch tauchten
ein paar Sonnenstrahlen das Land in goldene Farben. Das Lager der Contras lag
inmitten eines weiten Plateaus in den Bergen. Das Plateau lag in ungefähr
500 Meter Höhe und war dicht bewachsen. Es bestand aus ungefähr 30
kleinen und großen Holzhütten. Die Kleinen waren wohl so was wie
die Kommandostände während die Großen die Lager und Baracken
darstellten. Es gab sogar ein großes Lazarett. Ergänzt wurde es durch
einen Exerzierplatz, einer Schießanlage und einem Hubschrauberlandeplatz.
Um das Lager war ein elektrischer Zaun gelegt und alle 100m stand ein großer
Wachturm. Den nötigen Strom lieferten zwei große Generatoren, die
zwe mal täglich mit mehreren hundert Litern Diesel gefüttert wurden.
Überall herrschte rege Betriebsamkeit wie in einem Ameisenhaufen, scheinbar
vollkommen durcheinander, aber doch mit System.
Als wir landeten wurden aus den kleinen Punkten Menschen. Menschen mit Gesichtern.
Gesichter, die Geschichten erzählten, jeder seine eigene. Nur hatte ich
keine Zeit ihnen zuzuhören. Die Pflicht rief. Nachdem die Türen geöffnet
wurden, sprang ich aus dem Hubschrauber und schnappte mir meine Sachen. Es tat
gut wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Langsam stabilisierten
sich meine wackeligen Beine. Zybell ging zu einem der Rebellen, die wohl schon
sehnsüchtig auf uns warteten. Danach stellte er sich vor.
"Guten Tag Senior Duncan. Ich bin Raul Cruz. Sie gehören meiner Truppe
an. Herzlich Willkommen bei den Contras." Er salutierte. Mein Teamleader
salutierte vor mir. Es kam mir sehr merkwürdig vor. Man behandelte mich
wie einen General, dabei war ich nur ein einfaches Greenhorn, ein Greenhorn
dem man ein Schildchen mit dem Wort Profisöldner angeheftet hat, und jeder
glaubte dass ich einer wäre, selbst ich, durch meine Ignoranz und meinen
Egoismus bestätigt, glaubte es. Man führte uns zum Rebellen-Führer.
Er hielt gerade eine Rede an seine Soldaten auf dem großen Exerzierplatz.
Das war der Grund, warum die ganzen Leute hierher strömten.
Juan Maria Ortega war ein kleiner, untersetzter Mann vor dem jeder einen Höllenrespekt
hatte. Er war ein ziemlich guter Redner und es gelang ihm ausgezeichnet seine
Soldaten anzustacheln. Wenn er eine seiner Hetzreden gegen die verhassten Sandinos
in die Menge schrie, sah er aus wie ein kläffender Terrier. Hätte
ich ihm das ins Gesicht gesagt, ich wäre standesrechtlich erschossen worden.
Es fiel mir schwer seine Träume nach einem demokratischen, fortschrittlichen
Nicaragua zu glauben, er wäre ein viel besserer Diktator gewesen. Er musste
nur sein Terror-Regime, welches er bei den Contras anwandte aufs ganze Land
ausbreiten. Der Mann, der sich als Ikone sah, die Nicaragua in ein neues Zeitalter
führen wollte, war Kolumbianer und Revolutionen sein größtes
Hobby. Hauptberuflich war Ortega Drogenbaron, die Gelder aus der Iran-Contra-Affäre
waren eigentlich gar nicht notwendig. Er verdiente sich eine goldene Nase mit
amerikanischen Schnupfnasen. Für seine Soldaten war er der Vater, der Sohn
und der heilige Geist in einem, kurz: er war Gott. Sie folgten ihm blindlings
und wenn er gesagt hätte, dass sie sich von den Klippen stürzen sollen,
sie hätten es gemacht, mit einem "Hasta la Victoria siempre"
auf den Lippen.
Nachdem seine Rede beendet war, ging Ortega in die Kommandantur und wir hinterher.
Raul klopfte an, trat hinein und sagte: "Commandante, unser Neuzugang ist
angekommen."
"Bringen Sie ihn hinein, Raul."
Raul winkte mich hinein. Ich marschierte hinein und salutierte. Ortega stand
auf und salutierte zurück.
"Es freut mich sehr, dass Sie sich entschieden haben den Freiheitskampf
des Volkes von Nicaragua zu unterstützen. Willkommen bei den Contras, Kamerad."
Trieb mich anfangs noch mein Patriotismus nach Nicaragua, so erwies sich dies
spätestens jetzt als vollkommender Schwachsinn. Eine Farce, für die
ich pro Monat $10.000 bekam. Ich verdiente soviel wie ein Top-Manager, kaum
jemand aus Hell´s Kitchen schaffte es soweit. Ganz schnell wurde Geld
der einzige Grund meines Handelns und ich verlor ein Stück meiner Seele.
Wie schnell das Wort Patriotismus an Ironie gewann, wenn es ums Geld ging, war
erstaunlich.
"Danke sehr, Commandante."
"Zusammen mit ihnen werden wir den Sandinos die Hölle heiß
machen und sie aus unserem geliebten Nicaragua vertreiben wie räudige Hunde",
sagte er und legte besonderen Wert auf die Worte Nicaragua und räudige
Hunde. "Ich kann hier jeden Mann gebrauchen. Ruhen Sie sich jetzt erst
mal ein wenig aus. Zybell wird Sie dann sicher noch etwas rumführen. Wenn
er das macht, schauen Sie auch mal bei den Waffenlagern vorbei. Da können
Sie sich dann Ihre Ausrüstung zusammenstellen. Übermorgen bringen
wir Sie dann mit Ihrer Einheit nach Nicaragua. Ich bin überzeugt, mit Gottes
Hilfe werden Sie siegreich sein! Raul wird Sie dann über die genaue militärische
Lage noch aufklären. Das war´s, wegtreten!"
"Vielen Dank, Commandante." Ich salutierte erneut und marschierte
anschließend aus der Kommandozentrale.
Zybell zeigte mir als erstes mein Schlafgemach. Ich war in einer kleinen Hütte
untergebracht. In ihr waren nur zwei Zimmer. In dem Einen schlief ich, in dem
Anderen Zybell. Es war recht komfortabel. Es hatte ein großes, bequemes
Bett, einen Spiegel, einen großen Schrank. Sogar eine Toilette war in
der kleinen Hütte. Auch waren Strom und fließendes Wasser vorhanden.
Es war ganz anders, als ich es mir gedacht hatte, kein Latrinengestank, keine
engen Doppelstockbetten. Wieder ein Klischee das sich nicht bewahrheitete. Dann
kam Zybell zu mir.
"Leg einfach deine Sachen ab, ich führ dich dann hier noch ein bisschen
rum."
"Warum haben wir so eine tolle Hütte, während die anderen Soldaten
in solchen Baracken schlafen müssen?"
"Du musst wissen, El Commandante hat seine Rebellen wie eine Armee organisiert."
Wir traten vor unsere Hütte.
"In den größeren Hütten dort hinten wohnt Ortega und sein
Führungsstab. Direkt daneben ist, wie du ja weißt, die Kommandozentrale.
Dann kommen die kleinen Hütten für jeweils zwei Mann. Dort wohnen
die Offiziere, warte, das ist vielleicht der falsche Ausdruck, dort wohnen die
Teamleader und die Spezialisten. Und wir als Profi-Söldner gelten auch
als solche. Du zum Bespiel wurdest zur Vorbereitung von Nachtangriffen geholt.
Deine Aufgabe wird es also sein lautlos alle Wachposten unschädlich zu
machen und die Verteidigungsanlagen der Sandinisten auszuschalten und damit
den Hauptangriff vorzubereiten. Und dort hinten in den großen Baracken
schlafen jeweils 100 Soldaten. Gemeines Fußfolk, das die Drecksarbeit
macht."
Zybell führte mich durch "Los Contras", die Stadt der Contras,
wie dieses Lager genannt wurde. Das hier erinnerte mehr an eine Armee als an
Rebellen. Sie waren absolut professionell und hatten Geld. Es war keine Revolution,
eine gute Revolution wurde von innen nach außen geführt. Es war ein
Eroberungskrieg. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass es hier jedem um
den Gedanken der Revolution ging, sondern eher um die Ergreifung der Macht.
Außer den normalen Soldaten. Sie waren es, die ihr Leben aufopferten in
der Hoffnung, dass sie ein neues Nicaragua voll Wohlstand mit genug Essen für
ihre Familie und einer guten Ausbildung ihrer Kinder schufen. Sie wurden geblendet
von Ortega. Während ich so in meinen Gedanken versunken war, erreichten
wir die Waffenkammer.
Zybell klärte schnell ab, dass ich der Neue war und uneingeschränkten
Zugriff auf das gesamte Equipment bekam.
Als ich die Kammer betrat, traute ich meinen Augen kaum. Das war wohl die bestgefüllte
Waffenkammer, die ich je gesehen hatte. Diese Rebellen waren wirklich reich.
Nur das Beste vom Besten. Und ich konnte mir alles nehmen, was ich wollte. Ich
war im Paradies.
Für die persönliche Verteidigung eine Desert Eagle, Kaliber .50AE
mit 49 Schuss, sieben Magazine. Für offene Kämpfe ein M16A2 mit allem
Schnickschnack und 10 5,56mm Magazinen, macht 300 Schuss. Für meine Nachtkämpfe
eine schallgedämpfte MP5 mit Laserpointer und Zielfernrohr und ebenfalls
10 9mm Magazinen. Dazu ein paar Granaten, unter anderem Tränengas und Rauchgranaten.
Nicht zu vergessen das Standart-Paket mit Gasmaske, Kevlarweste und Kevlarhelm,
Trinkflaschen, Erste-Hilfe-Päckchen, Tarnfarben, Drahtschere und Zigaretten.
Standart-Paket war der falsche Ausdruck für dieses Sammelsurium exklusivster
Kampfausrüstung. Doch die Contras nannten es so, sie hatten eindeutig zu
viel Geld.
Es war auch nur das Standart-Paket der Spezialisten, der gemeine Söldner
wäre froh gewesen, wenigstens ein Bruchteil von diesem Schatz zu besitzen.
Und dazu kam mein Nachtpaket: Kampfmesser, drei Wurfmesser, schwarze Tarnkleidung,
schwarze, wasserfeste Tarnfarben, ein hochmodernes Funk-Headset mit Bionischen
Ohren und einem neuem Nachtsichtgerät. Es hatte drei Modi. Restlichtverstärkung,
Infrarot oder beides zusammen. Ich war perfekt ausgerüstet. Um all die
schönen neuen Spielzeuge zurück in meine Hütte tragen zu können,
brauchte ich neben dem Rucksack, den ich auch noch bekam, eine weitere Tasche.
Als ich alles heim geschleppt hatte, nahm ich erst mal eine Dusche. Es gab warmes
Wasser, ein weiterer Luxus, den ich nicht erwartet hatte. Danach fiel ich erschöpft
ins Bett, das Jetlag machte mir schwer zu schaffen. Doch ich wurde von Zybell
gleich wieder unsanft aus dem Bett geholt.
"Hey, machst du schon schlapp? Das Beste habe ich dir noch gar nicht gezeigt,
es gibt auch eine Bar."
Das war Musik in meinen Ohren, andere Musik als ich sie den restlichen Tag gehört
hatte, denn es kündigte sich Abwechslung an. Während wir uns zur Kneipe
bewegten, klärte mich Zybell über einige Traditionen hier in Los Contras
auf.
"Ich hoffe du hast deinen Geldbeutel eingesteckt, das könnte heute
ziemlich teuer für dich werden."
"Wieso denn das?"
"Du musst wissen, es ist bei uns hier eine Art Tradition, dass der Neuankömmling
seiner Einheit einen ausgibt. Unsere Einheit ist mit dir endlich komplett, jetzt
sind wir 12 Leute. Sie warten schon alle auf dich. Und sie sind wirklich trinkfest.",
fügte er mit einem breiten Grinsen hinzu.
Die Bar war eine mittelgroße Holzhütte mit bunten Fenstern. Ein
Schild verriet mir, dass das Etablisment, in dem ich mich heute mit meiner Einheit
besaufen würde, "Liberty Inn" hieß. Der Name stand im krassen
Kontrast zu dem Begehren von Ortega, aber den gemeinen Söldnern visualisierte
er ihr vermeintliches Ziel. Es war ziemlich rustikal um nicht zu sagen, dass
es eine dreckige Spelunke war. Im spärlichem Licht der Billard-Lampen bildete
der Rauch von ziemlich vielen Zigaretten einen regelrechten Schleier.
Meine zukünftigen Kameraden saßen an einen großen Holztisch
in der hinteren Ecke der Kneipe. Als sie Zybell und mich sahen klopften sie
laut auf den Tisch, der unter dem Druck beinahe zusammengebrochen wäre.
Sie begrüßten mich mit "Hey Yo", was ich ziemlich komisch
fand. Ich steckte mir eine Zigarette an um die Nervosität zu kaschieren.
Anschließend wurden sie mir alle vorgestellt. Links von mir saß
Raul, ein waschechter Nicaraguaner. Er war unser Teamleader und unser Allround-Talent.
Er war ein vorbildlicher Soldat und eine wahre Führungsperson, obwohl er
erst 30 Jahre alt war. Er hatte kurze schwarze Haare, war sehr athletisch und
ungefähr 1,80. Er machte einen sehr netten Eindruck auf mich. Er war einer
der engsten Vertrauten von Ortega, was auch nicht verwunderlich war, er war
liiert mit dessen Tochter.
Daneben saß Manuel, Kolumbianer, 33 Jahre alt. Er war unser Späher.
Keiner kannte sich so gut in den Bergen Nicaraguas aus wie er, nicht einmal
die Einheimischen. Obwohl er in Kolumbien geboren wurde, lebte er seit seinem
10. Lebensjahr an der Grenze von Nicaragua und Honduras. Vor dem Konflikt hatte
er sich ein paar Bucks als Hirte und Reiseführer verdient, ehe er durch
den Bürgerkrieg seine Frau verlor. Seit dem ist er bei den Contras wo er
auch das Kämpfen gelernt hatte. Er hatte lange schwarze Haare, die an den
Seiten schon leicht ergrauten. Seine Spezialität bestand darin sich genauso
zu kleiden und verhalten wie die Einheimischen. Unter seiner weiten Kleidung
versteckte er seine schallgedämpfte Waffe und drückte ab. Straßenkontrollen
waren so kein Problem mehr.
Rechts von Manuel saß Doc Jansen. Er war Däne und kam 1980 frisch
von der Uni nach Nicaragua und wollte hier eine Praxis aufmachen. Er errichtete
diese in dem Gebiet, in dem die heftigsten Schlachten während des Krieges
gegen die Amerikaner geführt wurden. Seitdem sind Fremde dort nicht gerade
beliebt, zwei Wochen später stand seine Praxis in Flammen und Doc Jansen
musste sich gegen Übergriffe schützen. Er wurde von Raul gerettet,
der dabei schwer verwundet wurde. Doc flickte ihn wieder zusammen. Seit dem
sind die beiden unzertrennbar, Doc lernte von Raul schießen und Raul von
Doc die Grundlagen der Medizin. Sie ergänzten sich gut.
Dann kam Takegi Futschimoto, ein Söldner der A.S.O., der aber eher reparierte
als kämpfte. Er konnte zwar vorzüglich mit dem Gewehr umgehen, aber
als Japaner beschäftigte er sich doch eher mit den technischen Angelegenheiten.
Er war mit 1,85 ziemlich groß für einen Japaner, er behauptete auch
immer, er hätte Japan verlassen, weil ihm dort die Betten zu klein waren.
Er hielt unsere Technik in Schwung und bildete meistens die Nachhut. Außerdem
war er unser Funker.
Ganz links außen saß der hochdekorierte sowjetische Major Vladimir
Kniazewa. Er war der größte Kapitalist von allen, er pflegte immer
zu sagen "Nur wer den Kommunismus erlebt hat, weiß den Kapitalismus
zu schätzen." Er war ein Freelancer, der unter anderen bei der A.S.O.
in den Karteien stand, aber nicht für sie arbeitete. In diesem Fall war
die A.S.O. nur eine Kontaktagentur, die eigentlichen Aufträge mussten immer
mit ihm persönlich geklärt werden. Die Söldnerorganisation bekam
nur eine läppische Provision. Er verdiente sich damit eine goldene Nase,
galt er doch als einer der besten MG-Schützen auf dem Freien Markt. Kaum
einem gelang es so gut wie ihm den Rückstoß zu kontrollieren. Er
war absolut kaltblütig, aber nach einer Flasche Vodka kam selbst er aus
sich heraus.
Mir direkt gegenüber saß William Carter, er war Scharfschütze
und ich kannte kaum jemanden, der besser geeignet war als er. William hatte
regelrechte Adler-Augen, ich glaube, er hatte auf beiden Augen 200 Prozent Sehkraft.
Dazu hatte er ein ausgesprochen ruhiges Händchen und mit 35 Jahren auch
die nötige Erfahrung. Körperlich konnte er zwar nicht mehr ganz an
unsere Top-Leistungen herankommen, aber er war wohl der beste Scharfschütze,
den ich kannte.
Hinten rechts saß James "Bulldog" Buchner, ein Amerikaner,
der ebenfalls bei der A.S.O. angestellt war. Er war ein typischer Texaner und
es wunderte mich wie er mit seinen Sitten überhaupt in die Londoner A.S.O.
kam. Wahrscheinlich wegen seinen Fähigkeiten. Er war Spezialist darin immer
alles kaputt zu machen, sei es mit Sprengstoff oder mit Schweren Waffen.
Neben Bulldog saß Carlos, ein temperamentvoller Spanier. Er war mit seinen
25 Jahren noch recht jung und so kämpfte er auch, wie ein junger Stier.
Auf dem Schlachtfeld wurde er zu einer Furie, die alles niederzuwalzen schien,
was ihm in die Quere kam. Bei seinem Kampfstil wäre jeder normale Söldner
schon längst tot, aber er bewegte sich so blitzschnell und unheimlich ästhetisch,
dass es so schien, als könne er jeder Kugel ausweichen. Er hatte auch einen
guten Wurfarm, den er auch mittels Granaten perfekt einzusetzen wusste.
Rechts in der Mitte saß Isaac Perez, ein israelischer Scharfschütze.
Er war 28 und ziemlich in sich gekehrt. Er war der perfekte Attentäter,
viele palästinensische Märtyrer gingen auf sein Konto. Er griff meistens
mit schallgedämpften Scharfschützengewehren an, konnte aber auch gut
mit Maschinenpistolen umgehen. Auch konnte er sich besonders gut an seine Umgebungen
anpassen. Alles was der Gegner von ihm wahrnahm, war ein kurzes Plopp und höchstens
noch wie ein toter Kamerad neben ihm zusammensackte. Er traf nicht ganz so gut
wie William und bevorzugte auch kürzere Distanzen. Aber dafür konnte
er sehr gut im Schutze der Nacht operieren.
Die Vorletzte im Bunde war Marie "Nikita" Chagall aus Orleans, eine
wahre Femme Fatale. Sie hatte kurze, schwarze Haare und war im besten Alter,
sie war 26, recht attraktiv und hatte eine gute Figur, weshalb sie ständig
angebaggert wurde. Aber wehe man sprach sie an. Sie verstand es sich in dieser
Männerwelt durchzusetzen. Mit Worten war sie die schlagkräftigste
Person, die ich kannte und mit dem Messer war sie die tödlichste. Sie war
sich ihrer Reize durchaus bewusst und im Nahkampf mit dem anderen Geschlecht
war sie -in zweierlei Hinsicht- nahezu unbesiegbar. Von einigen wurde sie auch
die Schwarze Witwe genannt, denn sie hatte diese Nutten-Nummer drauf. Dabei
gab sie sich als leichtes Mädchen aus, nahm ihr ahnungsloses Opfer mit
an einen stillen Ort und tötete es vor oder spätestens während
des Liebesaktes.
Ganz rechts von mir saß Zybell. Er war wohl unser bester Kämpfer
und daher auch zurecht unser Pointman. Er war immer der erste, der sich in die
Schlacht stürzte, behielt dabei aber immer einen kühlen Kopf. Er tat
instinktiv das Richtige und führte das Gefecht mit seinem strategischen
Geschick immer zu einem guten Ende. Wenn der Einsatzplan erstellt wurde, Zybell
war immer mit dabei.
Nachdem ich nun meine zukünftigen Mitstreiter kennen gelernt hatte, setzte
ich mich an das eine Ende des Tisches. Zur Aufwärmung gab es eine Runde
Desperados. Doch dabei blieb es nicht. Fünf Minuten später wurden
jede Menge Tequilla an unseren Tisch gebracht. Nachdem ich ein paar getrunken
hatte, wurde ich leichtsinnig ich ließ jedes Getränk auf meine Rechnung
setzen. Meine Kameraden begannen mich zu mögen. Doch dafür musste
ich einen hohen Preis zahlen. Jetzt ging es heiß her, Whiskey, Gin, Vodka,
Bier, Weinbrand- alles fand irgendwie den Weg in unsere Kehlen. Als die Stimmung
auf dem Höhepunkt war, kam auf einmal Bewegung in die kleine Holztribüne,
die in der Bar aufgebaut worden war. Etwa 20 äußerst spärlich
bekleidete Damen tanzten auf jener Bühne, kurze Zeit später auch auf
unseren Tischen. Und schon verschwanden die ersten in die Hinterzimmer. Eines
der Mädels wippte rhythmisch auf Zybell rum, dieser aber zögerte noch.
"Hey Duncan, gehen die Mädels auch auf deine Rechnung?"
"Natürlich Zybell, komm, nimm dir gleich zwei." Der Alkohol
ließ mich unzurechnungsfähig werden. Ihm war das egal, er war schon
mit zwei Damen in den Armen verschwunden. Nun war ich an der Reihe. Ich hatte
schon viel zu viel getrunken, ich hätte wahrscheinlich jedes weibliche
Wesen mit in eines der Hinterzimmer genommen und dort mein Verlangen befriedigt,
ohne auch nur einen Moment zu überlegen, ob das nun ein Stöhnen oder
Schmerzensschreie waren. Ich wollte es gar nicht wissen. Bei solch einer großen
Auswahl führte ich erst mal intensive Eignungstests durch. Schließlich
entschied ich mich für eine, doch wie sie aussah und was nach der Auswahl
passierte, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es ist wohl besser so.
Am nächsten Morgen wachte ich mit einem üblen Kater auf. Eine kalte
Dusche half mir bedingt, wieder einigermaßen klar zu werden. Als ich kurze
Zeit später draußen von dem Barkeeper die Rechnung von $2500 überreicht
bekam, verschlimmerten sich meine Kopfschmerzen nur noch.
Zähneknirschend bezahlte ich die Rechnung, ich konnte von Glück reden,
dass mir die A.S.O. mein erstes Monatsgehalt bar gegeben hatte.
Ich war stinksauer, dieser Tag hatte so beschissen begonnen, ich wollte nur
noch ins Bett und meinen Rausch ausschlafen. Doch natürlich wurde daraus
nichts, auf dem Weg in mein Haus sprach mich Raul an.
"Hallo Duncan, Einsatzbesprechung 13.00 Uhr in der Kommandantur."
Natürlich, dass war mal wieder klar. Es wurde nichts aus meinem Mittagsschlaf.
Nachdem ich etwas gegessen und neue Kleider am Leib hatte, besserte sich meine
Laune. Punkt 13.00 Uhr war ich in der Kommandantur, mein Trupp war schon dort.
Auf dem Tisch lag eine große Karte von Nicaragua und Umgebung.
"Gut, dann wären wir ja endlich vollzählig.", sagte Raul
mit einem Augenzwinkern.
"Hey, ich bin pünktlich", sagte ich, einen Apfel essend.
"Fangen wir an. Wie ihr alle wisst, geht es morgen wieder los. Wir werden
morgen mit 100 anderen Soldaten zu unserem Lager 50 Kilometer vor Puerto Cabezas
versetzt. Unser Ziel wird es sein eben jene Stadt zu erobern und zu halten.
Damit wäre der Nordosten frei und wir könnten dort eine zweite Zange
bilden um dann mit beiden Zangen auf Managua zu rücken. Sobald wir Puerto
Cabezas eingenommen haben, müssen wir die Stadt halten bis wir Nachschub
bekommen. Die anderen 100 Soldaten sollen den Hauptangriff übernehmen.
Unsere Rolle dabei ist, die Verteidigung soweit zu schwächen, dass es für
die anderen "Soldaten" möglich ist, den Rest der Stadt einzunehmen.
Sobald wir in unserem Lager angekommen sind, müssen wir dieses sichern.
Danach müssen wir bis zum Stadtrand von Puerto Cabezas vorrücken und
dabei gleichzeitig schon mal eine Nachschubroute sichern, wenn wir das nicht
schaffen, sind wir da ganz schnell eingekesselt. Und danach müssen wir
die Stadt einnehmen. Die Stadt ist nicht sonderlich gut gesichert, nach unseren
Angaben sind dort gerade mal 75 Soldaten stationiert. Das kommt daher, weil
sie dort absolut nicht mit uns rechnen. Selbst unser Lager wurde noch nicht
entdeckt. Wir müssen also vor unserem Hauptangriff jede Kontaktaufnahme
verhindern. Wir bekommen auch ein paar nette Spielzeuge von Ortega. Wir haben
neben unserem Transport-LKW noch einen Kampfjeep mit stationären MG bekommen.
Ich hab so das Gefühl, dass er uns dort unten viel bringen wird. Das MG
wird dein Job, Vladimir."
Vladimir nickte bloß, der kalte Russe, wie er auch genannt wurde. Keine
Gefühle, keine Regung. Ein kalter Stein der Tod und Panik mit seinem MG
verbreiten würde. Er war durch und durch Söldner, ich bewunderte ihn
für seine Kaltblütigkeit.
"Bulldog, wir laden auch einen Mörser mit 20 Schuss auf. Wenn es soweit
ist, nimmst du jemanden, der dir mit dem Nachladen hilft. Du kriegst außerdem
noch 3 LAWS, falls es dort gepanzerte Komplikationen gibt."
"Howdey Hoo, endlich gibt´s mal ordentliches Equipment.", freute
sich Bulldog.
"Manuel, Duncan und Nikita, ihr bildet die Vorhut. Falls es auf unserer
Reise Komplikationen gibt, sorgt ihr dafür, sie lautlos zu erledigen. Manuel,
du bist außerdem unser Reiseleiter. Wir sind in der Nähe der Moskito-Küste,
wir reisen also in den Dschungel. Vergesst also eure Regenjacken und Moskitonetze
nicht. Um den Rest und um die genauen Pläne kümmern wir uns vor Ort.
Ich hoffe jeder hat seine Ausrüstung beisammen? Dem allgemeinen Nicken
zufolge ja. Gut, dann wär´s das. Bereitet euch ordentlich vor. Morgen
früh um 10 Uhr ist Abfahrt. Noch Fragen?"
"Ja, ich hätte da eine.", sagte ich verhalten. Es war eine absolute
Anfänger-Frage. Aber ich musste sie fragen, sie war wichtig für mich.
Ich hoffte, dass mich die anderen nicht belächeln würden, wir hatten
uns gestern ein wenig angefreundet. Wie viel diese Freundschaft wirklich wert
war, würde sich erst im Feld herausstellen, wenn es um Leben und Tod von
uns ging.
"Wie wollen wir eigentlich die ganzen Sachen transportieren? Ich meine,
es wäre doch ein unheimlicher Nachteil im Kampf, wenn wir unser gesamten
Sachen schleppen müssten, oder?" Ich hoffte inständig, dass sie
mich nicht für ein Weichei hielten.
"Ach so, du bist ja zum ersten Mal dabei. Wir haben Mulis, die uns diese
Aufgabe abnehmen. Denen hängen wir solche Transporttaschen um, und die
tragen unsere Sachen. Nur die Vorhut hat keine Mulis, weil die ja eventuell
blitzschnell reagieren müssen oder die Mulis sie verraten würden.
In den Taschen ist aber genug Platz für das Equipment der Vorhut."
Die Anderen schmunzelten nicht, das beruhigte mich. Ziemlich clever Mulis zu
nehmen, aber irgendwas störte mich daran.
"Aber, wie verhalten sich die Mulis im Kampf?", wollte ich wissen.
"Das ist in der Tat ein Problem. Aber sie sind einigermaßen abgerichtet,
dass heißt, sie laufen nicht mit Fremden mit und laufen auch nicht weg,
solange sie nicht zu nah am Geschehen sind. Wir müssen sie vorher irgendwo
abstellen, und am meistens lassen wir noch jemanden auf sie aufpassen. Das machen
aber normalerweise ein paar reguläre Soldaten."
"Und wie groß ist diese Stadt?"
"Es ist eine mittelgroße Kleinstadt , ungefähr 50.000 Menschen
leben dort. Sie ist aber, wie gesagt nur mit ca. 75 Mann besetzt. Auch ist sie
nicht sonderlich groß. Die meisten Gebäude sind nicht höher
als 3 Stockwerke. Aber noch mal, wir können zu zwölft nicht die ganze
Stadt einnehmen, dafür haben wir die 100 Mann Verstärkung mit, die
sollen den Hauptangriff führen. Wir bereiten diesen Angriff nur vor, so
dass die Anderen wenigstens den Hauch einer Chance haben." Es schien, als
ob Raul nicht sonderlich viel von den regulären Kräften hielt. Wahrscheinlich
wollte er die Anderen nur schützen und uns zu Top-Leistungen anhalten.
Außer mir hatte natürlich niemand weitere Fragen, bei den Anderen
hatte sich schon, zumindest in der Besprechung, Routine eingestellt. Fast gleichzeitig
standen die Ersten auf, ich ging zusammen mit Zybell in unsere Hütte.
Ich schnappte mir meine Ausrüstung und ging auf das Trainingsgelände.
Ich wollte meine Waffen näher kennen lernen. Für mein Training bekam
ich aus dem Waffenlager zwei Magazine für jede Waffe. Derart ausgerüstet
ging ich auf das Schießgelände. Als erstes betrat ich das Gelände
für Handfeuerwaffen. Die Desert Eagle hatte für eine Pistole einen
gewaltigen Rückstoß, aber auch eine extreme Durchschlagskraft. Sie
zog ziemlich stark nach oben, nach zehn Schuss hatte ich Sie einigermaßen
unter Kontrolle. Nachdem ich beide Magazine verschossen hatte und auch das Nachladen
schon ganz gut klappte, bewunderte ich meine Trefferausbeute. Sie war gar nicht
mal so schlecht. Ein paar der Treffer wären sogar tödlich gewesen.
Ich war zufrieden mit mir. Danach testete ich die MP5. So etwas nannte man wohl
deutsche Wertarbeit, sie war ausgezeichnet verarbeitet und auch recht genau.
Ich hatte noch nie zuvor mit einer MP5 geschossen, aber nach dem ersten Schuss
wusste ich, dass ich etwas verpasst hatte. Eine MP5 mit Schalldämpfer,
Laserpointer und Zielfernrohr machte mich zum König der Nacht.
Zum Schluss testete ich noch die M16. Mit Hilfe des Zweibeins, des Laserpointers
und des Zielfernrohrs, war sie die Allroundwaffe. Man konnte sie als Sturmgewehr
und Scharfschützengewehr benutzen. Letzteres allerdings nur aus kurzen
Entfernungen bis maximal 300m. Es hatte sogar ein Bajonett.
Ich war zufrieden, meine Waffen waren das Beste, was der Markt hergab und ich
damit perfekt ausgestattet.
Auf dem Rückweg traf ich Bulldog, er nahm mich mit auf das Sprengstoff-Trainingsgelände.
Dort erklärte er mir, wie ich seine Zünder benutzen musste.
"Ich benutze zwei unterschiedliche Zünder", sagte Bulldog,"
einen Zeitzünder und einen Funkzünder.
Beide Systeme haben prinzipiell den gleichen Aufbau. Ein Display, zwei grüne
und einen roten Knopf. Als erstes drückst du auf den roten Knopf, damit
aktivierst du die Zeitschaltung. Dann stellst du mit den beiden grünen
Knöpfen je nach Typ des Zünders den Countdown oder die Funkfrequenz
ein. Sobald du damit fertig bist, drückst du wieder zweimal auf den roten
Knopf. Damit machst du die Bombe scharf. Dann renne was das Zeug hält,
denn du kannst es nicht wieder rückgängig machen."
Es war erschreckend, wie einfach es heutzutage war eine Bombe zu legen. Nun
ja, man durfte die Intelligenz eines Soldaten halt nicht überfordern.
Schließlich ging ich zurück in meine Hütte und bereitete mich
auf den nächsten Tag vor. Obwohl meine Waffen neu waren, reinigte ich sie
sehr gründlich, schließlich hatte ich mit ihnen schon ein paar Schuss
abgegeben und würde sie die nächsten Tage wohl nicht mehr allzu oft
putzen können. Ich hatte von meinen Testmagazinen jeweils eine Kugel behalten.
Diese lud ich jetzt in die Kammern meiner Waffen. Es war ein altbekannter Trick,
aber das war er, weil er so genial war. Dadurch, dass bereits eine Kugel im
Lauf war, hatte man immer eine Kugel mehr im Magazin. Es waren nur ein paar
Millimeter Stahl, die den entscheidenden Unterschied zwischen Sieg und Niederlage
ausmachen konnten und damit zwischen Leben und Tod.
Dann packte ich meine Sachen zusammen und lud meine Tasche mit den Klamotten
den LKW. Da ich gerade da war, lud ich noch den Rest der Ausrüstung auf.
Als ich meinen Rucksack fertig gepackt hatte, war es bereits dunkel draußen.
Ich beschloss früh ins Bett zu gehen. Nach meinem Abendbrot und einer langen
Dusche, packte ich mich ins Bett. Es war jetzt gegen 10 Uhr. Doch natürlich
konnte ich nicht schlafen. Ich entschloss mich, noch mal eine Raucherpause zu
machen. Mit meiner Schachtel trat ich vor die Tür. Die Sterne strahlten
hell, viel heller als in New York. Sie strahlten so hell, es schien gerade so
als, wenn sie mir eine strahlende Zukunft voraussagten. Doch ich mochte daran
nicht so recht glauben. Ich hatte Angst. Angst vor der Ungewissheit. Ich war
ein Newbie und wurde gleich in solch einem Konflikt eingesetzt. Ich stand ziemlich
unter Druck. Die Rauchwolke, die ich produzierte, stieg empor und verschwand
nach und nach in der Unendlichkeit.
"Hast du auch eine für mich?", fragte mich Zybell. Ich öffnete
die Packung und streckte sie ihm entgegen.
"Natürlich. Aber Rauchen gefährdet die Gesundheit." Es war
der Running Gag unter Söldnern.
"Die Chance, dass ich an Nikotinvergiftung sterbe, ist doch eher gering.
Weitaus höher ist die Chance, dass mich eine Bleivergiftung ins Grab bringen
wird."
Zybell blickte mir in die Augen. Er sah sofort, dass ich Zweifel an mir hatte,
er hatte diesen Blick schon zu oft gesehen. Und dieser Blick würde tödlich
sein, wenn es hart auf hart kam.
"Du bist ziemlich nervös, nicht?"
Ihn anzulügen hätte keinen Sinn gemacht, er hatte mich schon längst
durchschaut. Es wäre auch nicht sonderlich gut für das gegenseitige
Vertrauen gewesen. Außerdem wollte ich mich auch jemanden anvertrauen.
"Ja, ziemlich. Morgen wird´s für mich zum ersten Mal ernst."
"Du könntest immer noch aussteigen, wenn es dir zu viel wird."
"Ach, könnte ich das wirklich Zybell?"
Er überlegte kurz.
"Nein, nicht wirklich. Ungemein beruhigend, nicht?"
Er schmunzelte. Es war ein blöder Witz, doch er lockerte das verkrampfte
Gespräch auf.
"Mach dich nicht verrückt. Glaub mir, unsere Gegner sind so schlecht,
die würdest du mit verbundenen Augen killen. Vor allem nachts und da bist
du ja ausgezeichnet. Wir greifen sowieso meist dann an, da kann dir niemand
was vormachen. Es sei denn..."
"Es sei denn was?", fragte ich besorgt.
"Es sei denn, du rauchst deine Kippen immer nachts und wirst damit zur
lebenden Zielscheibe."
Er schnappte sich meine Zigarette, nahm einen tiefen Zug und schmiss sie auf
den Boden. Sie zischte kurz auf, als sie in einer Pfütze landete, eine
kleine Rauchwolke stieg hoch und aus der feurig glühenden Glut wurde nasse,
schwarze Asche. Auf einmal war alles ruhig, keine sagte mehr ein Sterbenswörtchen.
Die Zeit schien still zu stehen. Es war die berühmte Ruhe vor dem Sturm.
Nur der Wind säuselte seine Geschichten in die Wipfel der Bäume. Auf
einmal wurde mir alles klar. Ich musste warten, ich musste Geduld haben. Bald,
ja bald würden sich all meine Fragen beantworten. Morgens schon würde
ich Gewissheit haben, denn morgen, ging es los. Morgen wurde es ernst.
Von Mattscho
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