Wie wird
das Ende aussehen? Ist es friedlich, eine Erlösung von den
Irrungen und Wirrungen dieses Lebens? Ist es ein Fegefeuer
schrecklicher Schönheit, das über uns alle kommt? Oder
hören wir einfach auf, zu existieren? Der Weissagungen gibt es
viele, alle nur sich selbst verpflichtet, aber Antworten kennt
niemand. Woher sollten wir es auch wissen, wo wir so friedlich und
unbeschwert unseren trivialen Problemen nachjagen, leidend, ohne zu
wissen, wie schlimm es sein könnte – oder fröhlich,
ohne zu wissen, was wahres Glück ist. Aber wenn das Ende kommt –
in hundert Jahren oder morgen – was gibt es noch zu tun? Was
können wir angesichts der überweltlichen Macht des Endes
tun? Was bleibt, ist nur die wirklich letzte Wahl: Aufgeben. Oder
kämpfen…
Prolog – Der Strahlende
Am Anfang war nichts.
Dann teilte sich das
Vakuum in zwei Kräfte. Es war ein quälend langsamer
Prozess, der weitestgehend unbemerkt ablief, da es noch niemanden
gab, der ihn hätte beobachten können. In dem Maße,
wie sich die beiden Kräfte auseinander erschufen, entstanden
Materie und Antimaterie, Licht und Schatten in dieser neuen Welt, die
man heute gemeinhin als Universum bezeichnet. Für eine Zeit war
es gut so, doch dann begann der Fluch der Komplexität auf dieses
Gebilde einzuwirken. Atome verbanden sich zu Molekülen, Staub zu
Wolken, Wolken zu Planeten und Sonnen. Die Kräfte jedoch
spalteten sich auf, verbanden sich mit der entstehenden Materie in
verschiedenem Maße, wobei ihre Essenz je nach dem Grad der
Verschmelzung mehr oder weniger stark verwässert wurde. Es
bildete sich Bewusstsein, Persönlichkeit. Die beiden Kräfte
selbst waren unpersönlich, rein, aber ihre Kinder hatten die
Fähigkeit erlangt, mehrere Impulse zu verspüren und zu
artikulieren.
Und so
begab es sich, dass der neuste Diener der konstruktiven Kraft etwas
entwickelte, dass die anderen Diener – die Engel – nicht
hatten, egal, wie tief man in ihrer Hierarchie herabstieg: freier
Wille. Er wusste davon lange nichts, aber er spürte, dass er
anders als die restlichen Engel war. Sie hatten begonnen, sich
voneinander zu unterscheiden, und entwickelten das Konzept der Namen
unter sich. Einer, der unter ihnen die Bekämpfung der
destruktiven Kräfte vorantrieb, nannte sich alsbald Michael. Er
wurde der Erzengel des Krieges. Ein anderer Azrael, Erzengel der
Rache. Er aber, der er den freien Willen besaß, war eher
angetan von der neuesten Lebensform auf dieser kleinen Kugel aus Fels
und Wasser, die man später als Erde bezeichnen würde. Sie
würden sich einst Menschen nennen, und zum ersten Mal fand der
Strahlende – wie ihn die anderen Engel nur noch nannten –
Geschöpfe, die ebenfalls freien Willen besaßen. Er wurde
ihr Verfechter in den endlosen Debatten; die Menschen, so schien es,
gehörten weder der konstruktiven noch der destruktiven Kraft im
eigentlichen Sinne an. Er argumentierte, dass man über die
Menschen Brücken zum anderen Lager schlagen könnte, dass
sie das Gleichgewicht der Mächte stabilisieren könnten. Für
diesen ketzerischen Gedanken taten die Engel ihm etwas an, was sie
vorher noch nie tun mussten: Sie verstießen ihn. Seine
blendende Schönheit wurde entstellt, seine Flügel
verbrannt.
Selbst im Leid rief er
Andere an, seinem Weg zu folgen. Der Einzige, der ihm noch beistand,
war sein Diener Moloch. Dieser erlitt das gleiche Schicksal, aber er
folgte seinem Herren in die Verbannung, obwohl die Treue seine
einzige Sünde war.
So fanden
sich die beiden am Rande des Todes. Der Strahlende konnte alleine
nicht überleben; trotz seiner Macht brauchte er einen neuen
Meister. Es war Moloch, der vorschlug, die Kräfte des
Destruktiven – die Hölle – zu unterwandern und ihre
Macht zu benutzen. Der Strahlende zögerte. Aber er wusste, dass
es nun seine einzige Chance war. Zorn regte sich in ihm. Die Hölle
würde ihn benutzen wollen. Sollte sie doch. Er würde alles
tun, um die Engel von ihrem Irrtum zu überzeugen, selbst, wenn
es bedeuten würde, ihr schlimmster Feind zu werden. Und das war
er anscheinend bereits, also hatte er nichts zu verlieren. In der
Hölle nahm man die beiden Gefallenen mit offenen Armen auf. Zwei
neue mächtige Streiter verstärkten nun ihre Legionen. Nur
der Strahlende musste noch das Hindernis überwinden, eine
endgültige Entscheidung zu fällen; Moloch würde ihm in
alle Richtungen folgen. Schweren Herzens sprach der Strahlende die
Worte, die ihn endgültig in die Verdammnis führten.
An diesem
Tag schwor er Rache.
Von Gatac
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