Kapitel 5
Palast des Präsidenten
Meduna, Awano
1. August 2002, 17:43 Ortszeit
"Ich will keine Ausflüchte hören! Du hattest den Auftrag, mir
dabei zu helfen, die Rebellen zu vernichten, oder wenigstens dafür zu sorgen,
daß sie uns nicht mehr in die Quere kommen."
"Woher sollte ich denn ahnen, was die beiden vorhatten?" kam beleidigt
Manuels Stimme aus der Freisprechanlage. "Es hatte so danach geklungen,
als ob sie sich einfach nur in der Stadt etwas anschauen wollten."
"Dann hättest du trotzdem damit rechnen müssen, daß sie
dort irgendwelchen Ärger anzetteln könnten. Und daß sie nicht
einfach so zusehen werden, wie ich hier diesen Machtwechsel vollziehe, konntest
du dir ja wohl selber denken." Müde rieb Sanchez sich die Augen und
seufzte. "Egal jetzt. Sag uns einfach, wo diese verfluchte Rebellenbasis
ist, mach dich aus dem Staub und überlaß uns den Rest."
"Nö."
Die Antwort kam so unerwartet, daß er glaubte, sich verhört zu haben.
"Was?"
"Ich habe nö gesagt."
"Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?" hakte Sanchez unerbittlich
nach.
"Das dürften doch gerade Sie gut genug wissen! Oder wer ist dafür
verantwortlich, daß mein Konto noch genauso leer ist wie es eingerichtet
wurde?"
"Da muß es sich um ein Mißverständnis handeln, ich habe
das Geld überwiesen! Irgendjemand muß da etwas verbockt haben. Ich
werde mich sofort darum kümmern."
"Das will ich auch schwer hoffen. Mir ist egal, wer zur Rechenschaft gezogen
wird, Hauptsache, das Geld ist da. Sie bekommen von mir die Lage des Stützpunktes
erst, wenn ich es schwarz auf weiß sehe, daß ich angemessen bezahlt
worden bin. Solange das nicht geschieht, brauchen Sie gar nicht erst anzurufen."
Es klickte in der Leitung, und ein Tuten zeigte an, daß Manuel aufgelegt
hatte. Sanchez schaltete die Freisprecheinrichtung aus und trommelte nervös
mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
"Du hast alles im Griff?" spottete Rutherford. "War wohl doch
nicht so eine glorreiche Idee, die Überweisung vorzeitig wieder rückgängig
zu machen. Ich hatte dir doch gesagt, daß dieser Manuel einer von der
vorsichtigen Sorte ist. So einer verläßt sich nicht auf das Wort
anderer."
Genervt winkte Sanchez ab. "Ach verschone mich mit deiner Klugscheißerei
und kümmere dich lieber darum, daß das Geld wieder auf seinem Konto
ist, plus noch ein paar Zehntausender zusätzlich für die Information
über die Basis. Ich will die Rebellen so schnell wie möglich loswerden.
Die haben mir jetzt schon genug Kopfschmerzen bereitet."
"Soweit alles klar, sie haben noch keinen Verdacht geschöpft. Die
Landezone ist frei. Es kann losgehen."
"Bestätigt, Jota. Landezone frei. Team Sigma schlägt zu. Zerhacker
initialisieren."
Als kurz darauf in der Leitung nichts außer einem elektrostatischen Rauschen
zu hören war, schaltete Ivan auf eine andere Frequenz um. Die UKW-Störsender,
die sie im Drassen erbeutet hatten, leisteten wirklich ganze Arbeit. Während
man auf den normalen Kanälen beim besten Willen kein Wort verstehen konnte,
empfing man auf dieser Frequenz alles deutlich und ungetrübt. Natürlich
hatte man vorher sichergestellt, daß der Feind sie nicht zur Kommunikation
benutzte.
Er holte sein Fernglas heraus, in der Hoffnung, etwas von den Vorgängen
einige hundert Meter vor ihm in Tixa mitzubekommen. In der Tat konnte er eine
Reihe von Köpfen mit Atemgeräten herauslugen sehen, die sich langsam
auf den Strand zubewegten, als auch der Rest ihrer Körper sich aus den
Wellen schälte. Gemächlich wateten sie aus dem Wasser, während
sie ihre Waffen von ihren Rücken schnallten und aus den wasserdichten Hüllen
packten. Ivan konnte etwa zwanzig Gestalten zählen, die sich in Fünfergruppen
den beiden Bunkern näherten. Eine von ihnen blieb hinter den anderen zurück
und hob eine wuchtige Panzerfaust auf seine Schulter. Sie hielt einen Moment
still, bevor beinahe ohne Vorwarnung eine Explosion die Front des rechten Bunkers
zerriß. Aus dem anderen loderten die Flammen, als zwei Rebellen mit Flammenwerfern
ihre brennbare Ladung hineinsprühten. Die übrigen Angreifer stürzten
sich sofort auf die herausrennenden Soldaten und überrumpelten sie, als
sie Hals über Kopf vor dem Feuer flüchtend quasi in ihre Arme stolperten.
Im von der Panzerfaust getroffenem Bunker hatten allerdings noch einige überlebt
und eröffneten das Feuer auf die anstürmenden Rebellen. Ein paar sanken
tödlich getroffen in den Sand, doch die Überlebenden blieben den Schützen
nichts schuldig und brachten ihre Kanonen zum verstummen. Wenige Minuten später
hatten sie den Strand unter ihre Kontrolle gebracht. Das Funkgerät knackste
wieder.
"Hier Sigma Eins", ertönte Ricks Stimme. "Sigma hat den
Strandabschnitt gesichert. Der Weg in die Stadt ist gesichert."
Ivan hob das Funkgerät an den Mund und drückte die Senden-Taste. "Verstanden,
Sigma Eins. Team Gamma setzt sich in Bewegung. Haltet uns den Rücken frei."
Er wandte sich zum Rest seines Sappeur-Trupps um. "Ihr habt es ja gehört.
Jetzt kommt unser Auftritt. Los, los!"
Die mit Blättern und Gestrüpp bedeckten Rebellen, die an einem Hang
in Deckung gelegen hatten, standen wie ein Mann auf und hasteten in Richtung
Stadt. Der Sack, den jeder von ihnen trug, stieß beim Laufen beständig
gegen seinen Rücken, und Ivan verlagerte das Gewicht auf die andere Seite,
um seine Schulter zu entlasten. Die Sprengsätze in ihnen waren recht schwer,
und er hatte sie noch ein ganzes Stückchen zu tragen.
Noch ein paar große Schritte, und er war endlich in Tixa angelangt. Die
Ruinen der Bunker neben ihm waren noch warm vom Feuer und der Explosion. Diese
Stelle war der beste Eingang für einen Angreifer, um Tixa einzunehmen,
wenn man von den Bunkern absieht. Doch hatten diese Bunker den Nachteil, daß
sie sehr nah am Strand lagen, ihn aber nicht abdeckten. Augenscheinlich hatten
die Konstrukteure nie mit einem Angriff aus dieser Richtung gerechnet.
Team Sigma kam im Laufschritt anmarschiert und sicherte die Umgebung. Der vorderste
kam auf Ivan zu und nahm seine Maske ab. "Seid ihr soweit?"
"So bereit, wie wir nur sein können, Rick." Er zeigte mit dem
Daumen auf seine Leute hinter ihm. "Ein großes Bumm, und schon ist
der Weg frei."
"Na dann macht mal hin, ich weiß nicht, wie lange die dort in der
Wachstation noch untätig herumsitzen werden, wenn sie merken, daß
sie keinen Kontakt mit den Bunkern hier haben. Unser Vorteil beruht darauf,
daß sie noch keine Verteidigung auf die Beine gestellt haben, wenn wir
ankommen und sie ungewarnt überfallen. Also laßt euch auch möglichst
nicht von zufälligen Beobachtern sehen."
"Geht klar, wir machen uns auf den Weg." Ivan salutierte, dann winkte
er sein halbes Dutzend Saboteure, die er in Sachen Sprengstoffe ausgebildet
hatte, hinter sich her, und sie eilten zur Wachstation, die an der Westseite
Tixas lag.
Die Wachstation bestand aus einer hohen Aussichtsplattform und einem Hauptgebäude
aus Stahlbeton, umgeben von einer hohen Wand. Ivan und sein Team Gamma hatten
die Aufgabe, diese Wand zu sprengen, damit Team Sigma die Wachstation einnehmen
konnte. Es war nicht so, daß die Awaner diese Tyrannenherrschaft mochten.
Aber sie waren zu verängstigt, um etwas zu unternehmen. Man mußte
ihnen zeigen, daß Sanchez zu besiegen war. Und genau das hatten sie hiermit
vor.
Mittlerweile waren sie am Fuße der Mauer angelangt. So, wie es aussah,
hatte man noch keinen Verdacht über die Funkstörung geschöpft.
Keine verstärkte Bewachung, keine ausrückenden Truppen. Ivan ging
vor der Mauer in die Hocke und holte einen Packen TNT heraus. Ein paar schnelle
Griffe, und der Fernzünder war aktiviert. Vorsichtig bettete er den Sprengsatz
in eine kleine Vertiefung etwas unterhalb der Mauer, damit der Hauptteil der
zerstörerischen Kraft sich nicht nach außen richtete. Als der Sprengsatz
gut versteckt war, hastete er ein paar Meter weiter und tat dort dasselbe nochmal.
Seine Saboteure waren auch bald soweit, und sie zogen sich wieder von der Mauer
in die Innenstadt zurück.
"Sigma Eins, hier Gamma Eins. Die Böller sind bereit."
"Alles klar, wir geben euch dreißig. Trödelt nicht herum."
"Wir machen uns schon davon."
Dreißig Sekunden. Mehr als genug, um sich in Sicherheit zu bringen, bevor
das Spektakel losgehen würde. Plötzlich ertönte über ihnen
ein Ruf, ein Knall folgte, und ein Mann neben ihm strauchelte. Er wollte zu
ihm rennen, doch eine weitere Kugel schlug dicht neben ihm in den Boden, und
er rollte schnell zur Seite.
"Achtung, Achtung!" brüllte Ivan ins Funkgerät. "Wir
wurden entdeckt, stehen unter Beschuß. Kommt jetzt!"
"Verstanden, Gamma Eins. Wir knöpfen sie uns vor."
"Geht in Deckung!" rief er seinen Leuten zu, dann suchte er selbst
Schutz unter einem vorstehenden Häuserdach. Über ihm donnerte von
der Aussichtsplattform das Maschinengewehr und bestrich die Umgebung mit einem
Kugelschauer. Einige Sekunden verharrte er bewegungslos in seinem Unterschlupf,
bis er von weiten das hellere Knattern von Sturmgewehren vernahm. Rick, Thor,
Kamiru und Manuel waren mit ihren Sigma-Teams eingetroffen. Ivan zog aus seiner
Westentasche die Fernbedienung für die Zündmechanismen heraus und
stellte die richtige Frequenz ein. Er schaute hinaus, doch zur Mauer, wo die
Sigmas einen verzweifelten Kampf gegen die Verteidiger der Wachstation führten.
Ivan blickte hinab auf das Stück Plastik in seiner Hand. Noch war Zeit,
die Fronten zu wechseln und sich auf die Seite des sicheren Siegers zu stellen.
Sein Daumen verhielt über dem Auslöser.
"Gamma Eins, was ist los? Zünden Sie die Sprengsätze!"
Was für Chancen hatten sie schon gegen eine solche Übermacht? Das
war ein reines Selbstmordkommando. Noch wußte die Armee nichts eindeutiges
über ihn, er wäre ein unbeschriebenes Blatt, wenn er bei ihnen anfangen
würde. Niemand würde ihm seine Mithilfe bei den Rebellen nachweisen
können, und alle Zeugen wären in wenigen Minuten tot. Ivans Finger
entfernte sich vom Knopf.
"Gamma Eins! Ivan! Was zum Teufel soll das? Wir brauchen dringend Hilfe,
sonst werden wir abgeschlachtet! Wir müssen da rein, sofort!"
Er blickte wieder zur Wachstation. Fast die Hälfte des Einsatzkommandos
lag schon blutend am Boden. Die Verbliebenen hielten sich wacker und erwiderten
verbissen das Feuer, und hier und da fielen ein paar Soldaten unter ihrer Gegenwehr,
doch ihre Lücken wurden sofort wieder von nachrückenden Verstärkungen
geschlossen. Bald würde die gesamte Station mobilisiert sein und den Rest
vom Sigma Team auslöschen. Er aber lebte noch. Vielleicht könnte er...
"Ivan! Zünde endlich die verdammten Sprengsätze!"
Nein. Es war zu spät.
Ivan hob seinen Daumen und betätigte den Auslöser. Eine Serie von
Explosionen erschütterte die Mauer über die gesamte Länge eines
Abschnittes von mehr als fünfzig Meter. Unter der gewaltigen Sprengkraft
von dreißig Kilogramm Trinitrotuluol auf engen Raum konzentriert, gab
selbst die meterdicke Stahlbetonmauer nach, zerbröselte und fiel zusammen.
Was blieb war eine breite Schneise, durch die die überlebenden Sigmas ins
Hauptgebäude stürmten. Von dort würden sie die Oberhand gewinnen.
Der Vorteil auf engem Raum lag bei ihnen. Sie konnten sich verschanzen, und
niemand würde sie wieder herausscheuchen können. Die Wachstation war
praktisch schon in ihren Händen. Der Kampf um Tixa war vorüber.
Ivan seufzte. Für ihn war es noch nicht vorbei.
Rick war außer sich. Seine Augen funkelten und seine Hände zitterten,
als ob er sie nur mühsam unter Kontrolle hätte. Eingeschüchtert
trat Ivan ein paar Schritte zurück. So kannte man Rick gar nicht. "Bist
du dir darüber im klaren, was du da heute angerichtet hast? Wir wären
vorhin fast alle draufgegangen! Was hast du dir dabei gedacht? Wir müssen
uns auf dich verlassen können! Und was ist dabei herausgekommen?"
Er deutete mit dem Arm auf die weißen Leinenbündel, die hinter ihnen
auf den Tragebahren lagen. "Wir haben heute über fünfzehn Menschenleben
verloren. Wieviel hätten nicht sterben müssen." Rick schnaubte.
"Willst du nicht wenigstens etwas zu deiner Verteidigung hervorbringen?"
Ivan schaute betroffen zu Boden. "Ist doch eh sinnlos. Ein einfaches es
tut mir leid, ich werd's nie wieder machen' wird ja wohl nicht reichen."
"Da hast du verdammt recht. Aber eine Sache stimmt. Du wirst keine Gelegenheit
bekommen, es nochmal soweit kommen zu lassen. Du bist fürs erste suspendiert.
Wir können dich erst wieder gebrauchen, wenn du wieder voll dabei bist.
Solange bleibst du erst einmal in Omerta."
Rick machte einen Schritt zurück, aber zögerte. Er schien sich wieder
einigermaßen beruhigt zu haben und legte versöhnlich eine Hand auf
Ivans Schulter. "Ich bin froh, daß du dich aber letztendlich doch
entschieden hast, etwas zu tun."
Dann drehte er sich um und ging davon.
Seine nächste Aufgabe würde noch unangenehmer werden, als einen unentschlossenen
Kameraden wegen Insubordination zu suspendieren. Die Rebellentruppen waren immer
noch damit beschäftigt, ihre Gefangenen zusammenzutreiben und erbeutete
Ersatzteile und Vorräte aus der Station zu verladen, als eine Delegation
der Bewohner Tixas eintraf. Die Delegation bestand aus Tixas Chefproktor, einem
graumelierten Mann in den Fünfzigern mit besorgten Augen, und zwei Begleitern.
Flankiert von Jacqueline und Claus stand Rick zwischen den Trümmern der
Bunker und empfing sie. Er lächelte und streckte den Besuchern die Hand
entgegen, doch der Proktor ignorierte sie. Stattdessen öffnete er ein kleines
Paket, holte ein paar Fotos heraus und reichte sie Rick.
Die Bilder zeigten die Schrecken des Krieges. Eine trümmerübersäte
Straße, Leichen, die verkrümmt und wahnwitzig entstellt in schwarzen
Lachen lagen. Ein Wald aus orangeroten Flammen, vor dem sich die Silhouette
einer Ortschaft abzeichnete. Einige Soldaten hoben sich schwarz im Gegenlicht
des Feuers ab.
Rick runzelte die Stirn und sah den Mann fragend an. "Was ist das?"
Der Mund des Proktors wurde schmal, das Gesicht über dem Stehkragen seiner
graugrünen Jacke bleich. "Das ist... war das Dorf
Balime. Wir fanden, daß Sie das sehen sollten."
"Und?" Rick ließ sich keine Regung anmerken, doch er wußte,
was jetzt kommen würde. Nervös spielte er mit seinem Medaillon herum.
"Balime liegt auf der anderen Seite von Awano", erklärte einer
der anderen Awaner. Er hatte einen buschigen Schnauzbart, und sein Blick drückte
wie der des Proktors Furcht und Ablehnung aus. "Aber so weit ist es auch
wieder nicht von Tixa entfernt. Ein paar fehlgeleitete Jugendliche hatten dort
einen Bloodspiller-Wachsoldaten erschossen. Die dortige Garnison hat so darauf
reagiert."
"Ich verstehe nicht", behauptete Rick. "Auf wessen Seite sind
Sie?"
Die Miene des Proktors verdüsterte sich. "Wir sind auf gar keiner
Seite', wie Sie es ausdrücken! Indem Sie diese Wachstation angriffen,
haben Sie Tixa und alle übrigen Dörfer der Umgebung in tödliche
Gefahr gebracht! Haben Sie eine Ahnung, was der Präsident mit uns machen
wird, wenn er von diesem Überfall erfährt?"
"Ich würde sagen, es besteht eine sehr gute Chance, daß er herkommt
und Ihr Dorf zerstört", erwiderte Rick. "Die Frage ist, was wollen
Sie dagegen unternehmen?"
Der dritte Awaner blickte seinen Anführer an. "Kalev hatte recht,
Proktor Jorgen. Wir sollten uns auf die Seite des Staates stellen."
"Und um Gnade winseln?" Rick wedelte mit den Fotos. "Ist das
die staatliche Gnade, die Sie sich wünschen? Oder ihre Gerechtigkeit?"
"Sie haben und keine andere Wahl gelassen, Fremder", gab der Proktor
zurück. "Sie hielten es nicht einmal für nötig, uns von
Ihrem Angriff zu informieren..."
Rick stellte sich die Folgen vor, wenn er vor jedem geplanten Angriff erst mit
der Zivilbevölkerung beratschlagen müßte. "Ich entschuldige
mich dafür, nicht Ihren Rat gesucht zu haben, aber dazu war vor dem Angriff
einfach keine Zeit. Und ich fürchte, daß wir auch jetzt wenig Zeit
zum Reden haben. Die Armee wird bald auf unseren Vorstoß reagieren."
Er wandte sich an Jacqueline. "Sieh nach, wie weit die Ladearbeiten fortgeschritten
sind. In einer Stunde ziehen wir ab, ob sie abgeschlossen sind oder nicht."
Das war ein Schock für die drei Zivilisten. "Was? Warten Sie! Sie
können uns nicht einfach im Stich lassen!"
Rick täuschte Überraschung vor. "Wieso, ich hatte den Eindruck,
Sie wollten mit Sanchez zusammenarbeiten, um seine Gnade bitten? Sie werden
doch wohl nicht von uns erwarten, daß wir hierbleiben, während Sie
mit Sanchez um unsere Köpfe feilschen."
"Sie mißverstehen uns, Sir", stellte Proktor Jorgen fest. "Wir
mögen den Präsidenten und seine Armee ebensowenig wie Sie. Noch weniger,
wage ich zu behaupten. Es ist unser Land, das er tyrannisiert,
nicht das Ihre. Aber welche Chance haben wir gegen ein Regiment trainierter
Soldaten? Bleiben Sie wenigstens hier und schützen Sie uns, jetzt, wo Sie
die Truppen gegen uns aufgebracht haben! Uns jetzt im Stich zu lassen wäre...
wäre ein Verbrechen!"
"Meine Herren, ich würde gerne bleiben und Ihnen helfen, aber das
ist schlicht und einfach unmöglich. Meine Armee ist in der Unterzahl. Uns
hier auf offenem Feld von Sanchez überlegenen Kräften einschließen
zu lassen, hieße, eine Katastrophe heraufzubeschwören. Wir müssen
in Bewegung bleiben."
"Aber was sollen wir tun?" Die Frage des Proktors kam fast flennend.
"Sie werden uns umbringen!"
"Was Sie tun sollen? Na.. Sie könnten hier bleiben und mit Sanchez
Oberst Frieden schließen, wenn er kommt."
Jorgens Finger stießen zornig auf das Bild der Soldaten vor den Flammen.
"Das ist Sanchez Oberst!" stieß er aus. "Einen Moment,
nachdem dieses Foto geschossen wurde, hatte er seine Leute angewiesen, die gesamte
Stadt zu sprengen!"
"Dann sollten Sie wohl besser fliehen..."
"Es sind Kinder in der Stadt.. Frauen... Alte..."
"... oder Sie können kämpfen!"
"Kämpfen? Womit?"
Rick wandte sich an Claus. "Wir haben hier mehr Waffen erbeutet, als wir
mitnehmen und einsetzen können. Such dir jemanden, der nichts zu tun hat.
Ihr beide organisiert ein paar Mann, die an alle verteidigungswilligen Bürger
von Tixa Waffen und Munition ausgeben. Und ihnen zeigen, wie man sie benutzt.
Aber schnell, wir haben nicht viel Zeit!"
"Jawohl, Sir!"
"Sie geben uns Gewehre? Ist das alles?" Jorgen
wedelte ungläubig mit den Armen. "Was nützen uns das gegen so
viele Soldaten? Wir sind nur ein Dorf"
"Dann reden Sie mit Ihren Nachbarn, zum Teufel! Bringen Sie die anderen
Dörfer dazu, Ihnen zu helfen. Vielerorts herrschen offene Unruhen. Schließen
Sie sich an! Bringen Sie andere dazu, sich anzuschließen! Sie haben -
mein Gott - wie viele? Fünfzigtausend? Hunderttausend Menschen auf dieser
Insel? Gegen ein paar tausend Soldaten! Dieser Staat ist von denen unmöglich
zu kontrollieren, wenn nur genug von Ihnen Widerstand leisten!"
"Jorgen schien wie betäubt. "Sie... Sie werden uns helfen?"
Rick nickte. "Wir kommen zurück. Oder zumindest ein Teil von uns.
Wir werden Ihnen beim Training und bei der Organisation helfen. Wir werden Ihnen
alles beibringen, was wir vom Kampf wissen, wo der Feind seine Schwachstellen
hat. Glauben Sie mir, Sie sind nicht hilflos. Und Sie sind auch nicht allein."
"Sie Bastard", murmelte der dritte Awaner. In seiner Stimme lag Verbitterung.
"Sie verdammter Bastard. Sie haben uns in ihren Krieg manövriert!"
"Es ist Ihr Krieg", stellte Rick richtig. "Ich
bin nur zur Aushilfe hier. Aber wenn Sie die Tyrannen wirklich loswerden wollen,
dann sollten Sie langsam anfangen, selbst gegen sie zu kämpfen!"
Der Proktor packte die Fotos zusammen und stopfte sie wieder ins Päckchen.
"Wie lange wird es dauern, bis Sanchez uns angreift?"
"Das weiß ich nicht. Es hängt davon ab, ob die Besatzung dieser
Wachstation eine Warnung durchgeben konnte. Aber das glaube ich kaum, es könnte
noch Stunden bis Tage dauern, bevor sich jemand fragt, warum er keine Meldung
von hier bekommt. Andererseits können in einer Viertelstunde feindliche
Truppen hier auftauchen."
"Dann muß ich das Dorf alarmieren... und die anderen Dörfer
der Gegend. Und dann muß ich mit den Leuten reden, um zu sehen, wer...
wer mir folgt. Den Rest müssen wir wohl nach außerhalb evakuieren,
vielleicht in die Höhlen in den Bergen."
Rick sah ihn sich genau an. Der Proktor wirkte immer noch verängstigt,
aber jetzt brannte ein neues Feuer in den Augen des Mannes. Er führte die
Zivildelegation zurück zu ihren Wagen und verabschiedete sich von ihnen.
Melissa Kell hatte sich während des Gespräches dazu gesellt, und Rick
ging zu ihr hinüber.
"Kell, ich muß einen Moment mit Ihnen reden." Als der Wagen
des Proktors außer Sichtweite war, begann er hastig zu reden. "Sie
werden kämpfen."
Kell hob eine Augenbraue. "Und?"
"Ich möchte, daß Sie einen Trupp Ihrer Männer abstellen,
so viele Sie benötigen. Bleiben Sie bei diesen Leuten, organisieren und
bewaffnen Sie sie. Sanchez wird diesen Ort in ein, zwei Tagen angreifen, um
ein Exempel zu statuieren. Das Dorf braucht einen Kader aus Veteranen als Stütze,
sonst sind die Leute verloren."
"Fällt Ihnen das jetzt ein, nachdem Sie sie hier reingezogen haben?"
Für einen Augenblick zeigte sich Ricks Verzweiflung in seinen Augen und
in seinem Gesicht. "Verdammt, Kell, was soll ich denn machen?"
"Es... es tut mir leid, Lieutenant." Sie blickte an Ricks Schulter
vorbei in die Stadt hinein und lächelte leicht. "Irgendwie überkommt
mich das Gefühl, daß wir eine kleine Chance haben könnten."
"Was gibt es diesmal?"
"Hallo Manuel, wie geht's dir?" Sanchez' Stimme triefte vor Freundlichkeit.
"Schwafeln Sie nicht so lange und kommen Sie zur Sache. Wenn Sie nichts
wollen, würden Sie mich ja nicht anrufen, oder?"
Er wurde ernst. "Na gut. Wir haben dir das Geld jetzt endgültig überwiesen,
unwiderruflich. Du kannst ruhig nachschauen."
"Worauf Sie Gift nehmen können." Man hörte im Hintergrund
das Geräusch der Tastatur herumklackern, dann eine Weile lang nichts. "Gut,
scheint ja diesmal alles seine Richtigkeit zu haben. Aber ich warne Sie, noch
so eine linke Nummer, und Sie können mich und meine Infos abschreiben."
"Schon gut, schon gut." Sanchez nervte langsam dieses Niveau, auf
dem sie sich unterhielten. "Nun sagen Sie uns endlich, wo sich diese vermaledeiten
Rebellen verkrochen haben."
"In Omerta, in den Höhlen."
Eilig trat Oberst Malloy mit einer Landkarte von Awano herbei und breitete sie
vor Sanchez auf dem Schreibtisch aus. Er zeigte auf einen Punkt in der Mitte
der Insel, nahe dem Gebirge. "Dort ist Omerta", flüsterte Malloy
in Sanchez' Ohr.
"Alles klar, Manuel. Danke für deine Kooperation. Wir werden so schnell
wie möglich kommen. Ich rate dir, zu verschwinden, solange du kannst. Spätestens
heute Nacht werden wir zuschlagen."
"Gut, ich mach mich ab. Sie hören dann wieder von mir."
Sanchez legte auf. Freudig blickte er hoch zu Malloy.
"Oberst, stellen Sie einen Kommandotrupp zusammen, geben Sie ihnen alles,
was sie benötigen und bringen Sie sie in Stellung. Ich will Sie bis 2200
einsatzbereit wissen. Ihre Aufgabe wird sein, die Rebellen in Omerta auszurotten.
Sie sollen Gefangene machen, wenn es möglich ist, aber wenn's zu riskant
wird, töten sie sie. Und bringen Sie mir die Köpfe der Anführer,
tot oder lebendig. Und nun weggetreten!"
"Jawohl, Sir." Er salutierte und marschierte Richtung Tür.
"Ach, Oberst?" Malloy blieb stehen und drehte sich um. "Wenn
sie Manuel finden... töten Sie ihn. Er hat ausgedient, wir brauchen ihn
nicht mehr."
"Jawohl, Sir."
Nachdem Malloy aus dem Raum gegangen war, wandte Sanchez sich Rutherford zu,
der mit verschränkten Armen im Sessel saß, die Füße auf
der Glasplatte des Tisches vor ihm ausgestreckt. Aufgeregt ging er zu ihm hinüber.
"Endlich, die Zeit für das Rebellenpack ist gekommen."
Gelassen betrachtete Rutherford den vor ihm Stehenden. "Freu dich lieber
nicht zu früh, noch hast du sie nicht aus dem Weg."
"Ach Quatsch, das ist nur noch eine Sache von Stunden. Was haben die denn
schon für eine Chance? Monatelang haben sie mit uns Verstecken gespielt
und sich verkrochen. Doch jetzt habe ich sie, und das wird ihr Ende sein. Sie
können sich zur Wehr setzen, aber letztendlich werde ich siegen."
Manuel packte gerade seinen PDA weg, als sich von hinten eine Hand auf seine
Schulter legte. Erschreckt schnellte er herum und sah in Thors Gesicht.
"Komm mit. Rick will dich sprechen."
Manuel schluckte einen Kloß in seinem Hals hinunter, bevor er seine Fassung
wiedergewann und entschlossen das Kinn hob. "Okay, ich komme."
"Jetzt." Thors Stimme war unerbittlich.
"Ist gut, ich komme schon."
Zusammen gingen sie in Ricks Büro. Die anderen Söldner standen schon
in dem kleinen Raum und warteten ungeduldig auf die beiden. Manuel überflog
rasch seine Chancen im Kopf. Er könnte schnell aus der Tür rennen
und aus den Höhlen. Niemand würde ihn finden. Er könnte auch
warten und schauen, was sie schon alles über ihn herausgefunden haben und
versuchen, alles abzustreiten. Oder aber auch...
"Ah, da seid ihr ja endlich." Rick schob die Dokumente beiseite, in
die er vertieft war, und verschränkte seine Finger ineinander. "Dann
können wir ja anfangen. Heute abend ist ein weiterer Überfall geplant.
Diesmal geht's nach San Mona. Wir dürfen ihnen keine Zeit zum Verschnaufen
lassen. Die Ausrüstung liegt schon im Wagen, die anderen sind auch schon
soweit. Wir können aufbrechen. Ivan bleibt hier. Tut mir leid, aber wir
können dich momentan nicht mitnehmen." Ivan winkte verständnisvoll
ab. "Noch Fragen?"
"Aber..." setzte Manuel an. Was würde aus dem Angriff? Die Söldner
waren das Hauptziel. Wenn sie nicht zerschlagen wurden, war die Operation nur
zur Hälfte gelungen. Sie mußten den Überfall verschieben. Sie
durften heute Nacht nicht weg.
"Was?" fragte Rick.
Manuel zögerte. Er senkte den Kopf und schüttelte ihn. "Nichts."
"Also wenn's sonst keine anderen Einwände gibt, dann sollten wir uns
jetzt beeilen. Sattelt auf!"
Leise schwebte eine CH-47 Chinook über die zackigen und bizarr anmutenden
Gipfel. Am dunklen Nachthimmel hob sie sich kaum von der Umgebung ab. Die fünfzehn
Kommandos in schwarzer Montur an der Heckluke ließen ihre Füße
hinaus baumeln oder streckten sich im Inneren der Maschine. Die Männer
und Frauen des Knightsaber Trupps in Kompanie Omega waren Spezialisten auf ihrem
Gebiet, die sich auch dementsprechend gut bezahlen ließen, ausgezeichnet
trainiert in Kommandoeinsätzen wie diesem hier. Sanchez hatte diese Söldner
angeheuert, doch bisher konnte er sie nie einsetzen. Sie waren zu wertvoll,
um sie für etwas anderes als einen Angriff gegen ein wichtiges, leicht
zu identifizierendes Ziel einzusetzen, und entsprechende Gelegenheiten boten
sich in einem Guerillakrieg nun mal selten. Jetzt aber hatten die Knightsabers
ein Ziel.
Langsam näherte sich der zweimotorige Transporthubschrauber dem Rand des
kleinen Gebirges und ging in den Sinkflug über. Schwerbewaffnet und gepanzert
stürzten sich die Knightsabers aus der Luke und fielen wie ein Stein nach
unten. Schwarzgekleidete Arme und Beine streckten sich in den steifen Fahrtwind
des freien Falls. Über ihnen flog die Chinook auf ihren beiden Rotoren
wieder davon. In lockerer Formation steuerten die Kommandos das Ziel unter ihnen
an, ein schwach beleuchteter Höhleneingang zwischen ein paar Hütten.
Zweihundert Meter über dem Boden zogen sie die Sicherungsleinen, und nachtschwarze
Fallschirme entfalteten sich mit leisem Rascheln. Mit jahrelang eingeübter
Zielsicherheit steuerten sie sich mit den Parawings ihrem Landeplatz entgegen.
Die Infrarotoptik der Helmvisiere zeichnete die Lichtung vor dem Höhleneingang
deutlich ab, ebenso die gelb bis rot pulsierenden Objekte, mit denen Wärmequellen
gekennzeichnet wurden.
Die ersten Kommandos kamen mit tödlicher Lautlosigkeit am Boden an, lösten
ihre Gurte und griffen ihre Ziele an. Ein im Schatten eines Hauses stehender
Wachposten keuchte überrascht auf, als ein schwarzes Messer von hinten
sein Kehle durchtrennte. Ein Techniker auf dem Rückweg von einer der Lagerhallen,
in der die erbeuteten Waffen und Fahrzeuge des heutigen Tages untergebracht
waren, fühlte etwas Hartes gegen seine Rippen prallen und sah in dumpfer
Überraschung auf den vierzackigen Wurfstern hinunter, der aus seiner Seite
ragte. Das Nervengift an der Klinge verwandelte das Acetylcholin seiner Nervenscheiden,
das sich mit blitzartiger Geschwindigkeit über die Synapsen seines plötzlich
sterbenden Körpers ausbreitete. Der Techniker brach zusammen, unfähig
zu reden, zu wimmern, zu denken.
Gary Dober, Kells Stellvertreter, trat aus der Höhle, um sich eine Zigarette
anzuzünden. Er glaubte, etwas gehört zu haben - das Trippeln leiser
Schritte womöglich -, und blinzelte in die Dunkelheit. Seine Augen waren
noch an die Helligkeit der Lampen im Höhleninnern gewöhnt, so daß
er außer dem graublauen Himmel und dem dunkleren Silhouetten der Häuser
nichts ausmachen konnte. Ein Schatten erhob sich neben ihm und rannte auf ihn
zu. Dober stieß einen überraschten Schrei aus, aber eine schwarzbehandschuhte
Hand erstickte das Geräusch, während schwarzer Stahl sich hob und
senkte. Dober sank zitternd auf die Knie, die Hände nutzlos um den tiefen
Schnitt in seiner Kehle gelegt, aus dem sich in erstickender Flut sein Blut
ergoß.
Der Schatten, der bereits an ihm vorüber gesprungen war, achtete nicht
weiter auf Dobers vornüber kippende Leiche. Der Höhleneingang war
frei. Die Söldnerin zog ein kleines, metallisches Bündel aus einer
Oberschenkeltasche, drehte einen Knopf und warf es in die nächste Tür
hinein. Sekundenbruchteile später wurde das aus der Öffnung fallende
Licht von einem weit grelleren Blitz überstrahlt. Dann erschütterte
ein Donnern das Gestein, und aus der Türöffnung flogen Trümmer
und Splitter heraus. Ein Dutzend halb bekleideter Männer und Frauen stolperten
durch den Qualm aus dem Raum. Ihre geblendeten Augen sahen weder Dobers Leichnam
noch die lautlos in der Dunkelheit kauernden Schatten. Kugeln aus schallgedämpften
Gewehren bohrten sich in ihre ungeschützten Körper. Rufe und laute
Fragen wurden zum gellenden Kreischen Sterbender und schrecklich verbrannter.
Irgendwo in der Dunkelheit hämmerte eine Maschinenpistole eine harte Herausforderung,
die mit einer Granatenexplosion beantwortet wurde.
Mit jedem Augenblick landeten mehr Knightsabers auf ihren lautlosen, schwarzen
Schwingen. Auf ein Zeichen ihres Anführers hin verteilten die Schatten
sich in der Nacht, die Waffen schußbereit. Mehrere Kommandos stürmten
in die Höhlen hinein, nahmen vor Türen Stellung, bevor sie sie eintraten
und Schüsse ratterten.
Der Anführer beugte den Kopf und schottete sich gegen den Lärm um
sich herum ab, um die Berichte besser hören zu können, die durch die
Funkverbindung seines Helms hereinkamen. Einer seiner Scouts meldete die Eroberung
der Funkstation der Basis - der diensthabende Funker war tot und die Geräte
zu einem nutzlosen Metallklumpen zerschmolzen. Einem anderem zufolge waren viele
Rebellen in ihren Schlafquartieren überrumpelt und gefangengenommen worden.
Er drückte eine bestimmte Kombination an seinem Armfunkgerät. Das
Rauschen einer offenen Trägerwelle erklang im Kopfhörer. "Sturm
Eins an Sturm Zwo", meldete er sich leise.
"Sturm Eins, hier Sturm Zwo", antwortete eine Stimme. "Sturm
Zwo ist in Position. Lagebericht."
Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des Anführers. "Angriffsphase
Eins abgeschlossen, ich wiederhole: abgeschlossen. Wir haben sie völlig
überrascht."
"Hervorragend, Sturm Eins. Irgendwelcher Widerstand?"
Der Anführer blickte auf eine am Boden liegende Gestalt und stieß
sie mit dem Fuß an. Es war eine junge Frau mit weitgeöffneten, starrenden
Augen. "Negativ, Oberst. Kein Widerstand. Alle Ziele gesichert und neutralisiert."
"Verstanden. Wir sind planmäßig auf dem Weg. Ankunft in zwei
Stunden."
"Verstanden, zwei Stunden. Sturm Eins Ende."
Zwei Stunden. Das hieß, Oberst Malloy hatte seine Truppen zum Abtransportieren
schon bereitgemacht und war in einer nahen Stadt in Stellung gegangen. Er hatte
nur noch darauf gewartet, daß sie die potentiellen Gefahrenquellen ausgeschaltet
hätten. Er schaute auf die Leiche der Rebellin vor seinen Füßen.
Sie hatten ihren Auftrag ausgeführt.
Langsam rollten sie die Straße entlang, während hinter ihnen die
einsetzende Morgendämmerung ihre Umgebung in ein farbarmes Zwielicht tauchte.
Der Angriff auf San Mona war ein voller Erfolg gewesen. In der Nacht hatten
sie die Wachen beim mitternächtlichen Schichtwechsel überrumpelt und
trafen den Großteil der Wachmannschaft schlafend in ihren Quartieren an.
Von dem Augenblick, als sie sich mit Gewalt in die oberen Etagen der Station
schossen, bis die Besatzung ihre Waffen niederlegte, vergingen nicht einmal
zwei Minuten.
Die Verwaltung in San Mona hatte sich kooperativer erwiesen als Tixas. Freudig
hatte man ihr Angebot entgegengenommen, von den Rebellen Waffen und Ausbildung
zu erhalten, um sich gegen die Soldaten behaupten zu können. Sie hatten
sich auch dazu bereit erklärt, die in San Mona gemachten Gefangenen zu
verwahren. Die restliche Nacht hatten sie damit verbracht, die wichtigsten Köpfe
in San Mona in die grundlegendsten Taktiken und Techniken einzuführen,
bevor sie wieder losgezogen waren und ihnen ein paar Rangers da gelassen hatten,
die sie trainieren sollten.
Die Kolonne zog westwärts nach Omerta zurück. Während der Fahrt
glaubte Rick das zwitschernde Kauderwelsch zerhackter Funksprüche in seiner
Leitung gehabt zu haben. Ihre Basis lag unter Funkstille, eine notwendige Maßnahme,
um zu verhindern, daß der Feind die Signale anpeilte und die Lage des
Rebellenhauptquartiers entdeckte. Die Funksignale mußten also vom Gegner
stammen.
Was machte Sanchez? Was heckte er aus? Ein eiskalter Klumpen breitete sich in
Ricks Eingeweiden aus, und ehe er's sich versah war sein Medaillon wieder in
seinen Händen gelandet. Die Erfolge der letzten Tage gegen die Armee waren
weitgehend seinem Glück zuzuschreiben - und der Tatsache, daß er
Sanchez' Einheiten für einen Augenblick die Initiative entrissen hatte.
Sanchez brauchte nur einen Zug, einen Angriff gegen eines der Dörfer, einen
Vorstoß, auf den die Rebellen antworten mußten, und die Initiative
war wieder verloren, möglicherweise für immer.
Später hatte er den Eindruck gehabt, aus dem Westen wäre ein kurzer,
schwacher Lichtschein in den Wolken zu entdecken, doch da er schnell wieder
verblaßt war, schrieb er ihm seiner Übermüdung zu. Rastlos trieb
Rick die Kolonne weiter an und gönnte seinen Leuten kaum eine Pause. Er
wollte Omerta um neun Uhr erreichen, damit seine Männer Gelegenheit hatten,
sich neu auszurüsten, bevor sie zu ihrem nächsten Ziel aufbrachen,
einem Vorposten nahe Chitzena, 25 Kilometer weiter westlich. Danach würden
sie dann vielleicht Gelegenheit haben, eine Weile auszuruhen.
Aber nur kurze Zeit. Der Erfolg der Rebellen hing von ihrer Beweglichkeit ab.
Sie mußten schnell und weiträumig zuschlagen und die Garnisonen überfallen,
wo immer sie schwach und unaufmerksam waren. Wenn sie sich irgendwo zu lange
aufhielten, würde dies dem Feind Gelegenheit geben, sie mit stählernen
Händen zu ergreifen, einzuschließen und zu zerquetschen.
Sie waren noch zwei Kilometer vom Lager entfernt, als die Vorhut einen Melder
zu ihm schickte. "Sir, wir haben jemanden dort vorne in dem Wäldchen
entdeckt, wahrscheinlich einer oder wenige Menschen."
Rick runzelte verwundert die Stirn. So weit östlich von Omerta waren keine
Wachposten aufgestellt. Er nickte dem Melder zu und machte sich selbst zur Spitze
des Zuges auf. Nun sah auch er die Bewegungen im Gebüsch, wie Äste
und Zweige zur Seite gebogen wurden. Er wies seine Leute an, sich bereit zu
machen, aber nicht zu schießen. Weniger als zehn Meter vor ihnen brach
ein Mann aus dem Unterholz auf den Weg und blieb unsicher stehen. Mit blutüberströmten
Gesicht sah er zu den vor ihm stehenden Bewaffneten, dann brach er vornüber
auf dem weichen Boden zusammen. Einer der Sanitäter war sofort mit seinem
Instrumentenkoffer zur Stelle. Rick und ein paar andere Rangers eilten auch
hinzu. Erst als der Sanitäter Blut und Schmutz aus dem Gesicht des Mannes
gewischt hatte, erkannte Rick Ivan.
Ivans Augen öffneten sich. "Nicht... weitergehen", krächzte
er mit heiserer Stimme. "Sie sind da..."
"Wer? Wer ist da?"
"Soldaten..."
Ein eisiger Schauer lief durch Ricks Körper. "Was ist passiert? Erzähl!"
"Kommandos. Fallschirme. Sie sind mitten zwischen uns gelandet. Wir wußten
nicht... wußten nicht, daß sie da waren. Die... regulären Truppen
sind erst später gekommen."
"Reguläre? Hell Reapers?"
Er nickte, eine Anstrengung, die ihn reichlich Blut und Kraft kostete. "Sie
sind immer noch da... warten... auf euch..."
Der Sanitäter ließ die Hände über Ivans Körper wandern.
"Wo sind sie getroffen worden, Sergeant?"
Ivan lachte, ein ersticktes, kurzatmiges Lachen. Er versuchte, das aus seinem
Mundwinkel fließende Blut wegzuwischen. "Wo nicht?"
Rick kaute auf der Unterlippe herum. Er war kein Mediziner, aber er konnte sehen,
daß Ivan höchstens in einem gut ausgerüsteten Hospital noch
eine Überlebenschance hatte, und das würden sie hier kaum finden.
Der Sanitäter verteilte kleine Plastikpflaster auf die Löcher im Brustkorb
des Verletzten, aus denen helles Blut quoll. Mit jedem Atemzug, den Ivan tat,
saugten und blubberten die Wunden.
"Wie viele Soldaten?" fragte Rick leise. Der Sanitäter sah zu
ihm hoch, als wolle er protestieren, aber Rick brachte ihn mit einem Kopfschütteln
zum Schweigen und wiederholte seine Frage: "Wie viele Soldaten, Ivan?"
"Weiß... nicht. Vielleicht eine Kompanie. Vielleicht mehr."
Er warf den Kopf hin und her. "Bleibt weg. Sie... sie warten nur auf euch.
Müssen ausgeharrt haben, bis sie hörten, daß ihr fort wart,
um ihre Außenposten zu überfallen... dann haben sie zugeschlagen.
Sie haben alle Menschen, die zurückgeblieben sind. Und die Ausrüstung.
Haben sie nach Südwesten getrieben... irgendwohin... ich denke Meduna..."
Langsam wurde Rick das volle Ausmaß der Katastrophe bewußt. Ohne
Basis, ohne Ausrüstung, ohne Verstärkung, ohne Techs...
"Konnte kein Fahrzeug erreichen", fuhr der verwundete Söldner
fort. "Hatte keine Chance. Haben alle zusammengetrieben und weggeschafft.
Weiß nicht, was mit ihnen passiert ist. Ich... bin davongeschlichen, aber
ein MG-Schütze hat mich entdeckt und das Feuer eröffnet. Sie werden
gedacht haben, sie hätten mich gekillt. Als ich das dritte Mal umgekippt
bin, haben sie aufgehört zu schießen." Er begann zu husten,
und das Blut strömte schneller, drang durch die Pflaster. "Ich schätze,
sie hatten recht."
"Ganz ruhig bleiben", ermahnte ihn Rick und war sich sehr bewußt,
wie falsch seine Worte klangen. ""Wir werden dich wieder zusammenflicken
und..."
Aber Ivan hustete weiter. Es war ein nasses, ersticktes Gurgeln. Sein Atem ging
in kurzen, hastigen, nassen Stößen. Seine Augen fielen zu. "Ich
hab nie gewußt, daß..."
Und dann war er tot.
Rick stand auf. Seine Gedanken rasten. Seine Tarnkleidung war mit Blut getränkt,
das warm und klebrig bis auf seine Haut drang. Der Sanitäter ballte die
Fäuste, dann packte er seine Instrumente schweigend wieder ein. Kamiru
blickte ihn an, sah das Blut an seinem Hemd und an seinen Händen. "Was
nun, Rick?" fragte sie. "Bringen wir sie nach Omerta?"
Er blickte einen Moment lang auf den Leichnam, die Lippen zu einem schmalen
weißen Strich zusammengepreßt. Dann schüttelte er den Kopf.
"Nein. Wenn sie auf uns warten, wissen sie, was wir haben, und sind darauf
vorbereitet. Wir hätten keine Chance."
"Wohin dann?"
"Wir haben nicht viel Auswahl, oder? Wir müssen und einen Ort suchen,
an dem wir mit der Ausrüstung, die wir aus der Wachstation haben, eine
neue Basis ausbauen können. Dann werden wir weitersehen."
"Ich hätte vielleicht eine Idee", meinte Sergeant Salvador Calavera.
Er war nach Kell und Dober der dritte in der Kommandofolge bei den Awano Rangers.
Etwas stürmisch, aber dennoch kompetent und fähig, selbst unter Druck
einen klaren Kopf zu bewahren. "Wir könnten nach Estoni gehen. Ich
kenne dort jede Menge Leute, die uns helfen und Unterschlupf gewähren würden.
Die Ausrüstung könnten wir auch in den Häusern oder Lagerhallen
verstecken, kein Problem."
"Und was ist mit den Fahrzeugen?" fragte Rick nach. Die Idee gefiel
ihm, doch er wollte sichergehen, daß es sicher wäre.
"Parken wir in den Lagern oder auf einfach vor den Türen, die fallen
nicht weiter auf. Und wenn wir uns treffen wollen, organisieren wir das einfach
in einem Haus."
Rick nickte. "Okay, gebongt. So machen wir's." Aber vorher mußte
er seinen Leuten noch erklären, was geschehen war. Er rief alle zusammen
und beschrieb den Männern und Frauen knapp die Lage, berichtete, daß
der Feind Omerta eingenommen hatte, und teilte ihnen mit, die Kolonne würde
nach Süden ziehen.
"Aber Sir!" ertönte eine Stimme, als er fertig war. "Was
ist... was ist mit unseren Leuten dort? Konnten sie fliehen?"
Er erkannte die Stimme von Gonzo Martinez. Er war einer der neuen, die erst
vor kurzem zu ihnen gestoßen waren, als er von ihren neuesten Erfolgen
gehört hatte. "Es tut mir leid. Wir können nichts mehr für
sie tun."
"Wir könnten sie herausholen!"
"Nicht, wenn sie auf uns warten mit Gott weiß wievielen Soldaten."
"Nein!"
"Hiergeblieben, Rekrut!" Der Ausreißer Gonzo zögerte, wurde
von der Schärfe in Ricks Stimme gestoppt. "Das Schlimmste, was wir
jetzt tun könnten, wäre, mit donnernden Kanonen da hineinzuplatzen...
und den Rest der Awano Rangers auch noch auszulöschen."
Viele der anderen Rebellen fühlten wie Martinez. Einige der Rebellen hatten
Verwandte, Freunde und Geliebte unter den Hilfskräften, die in Omerta zurückgeblieben
waren. Rick selbst fühlte den Verlust der zurückgelassenen Rangers.
Gonzo Martinez trat wieder zurück ins Glied, aber Rick konnte die Anklage
förmlich spüren, die unausgesprochen in der Luft lag.
Sie hatten keine andere Wahl, sie mußten weiterziehen. Ivans Leiche nahmen
sie auf der Ladefläche eines Transporters mit. Salvador Calavera kannte
das Gelände gut und führte sie nach Estoni.
Manuel fuhr am Schluß der Kolonne als Nachhut. Als er sich unbeobachtet
wähnte, stahl er sich davon, setzte sich mit seinem Jeep ab und fuhr in
die Richtung davon, aus der sie gekommen waren.
Sanchez mußte unbedingt von der Wendung der Dinge ins Bild gesetzt werden.
Leider hatte er seinen PDA und das Handy in Omerta gelassen, und die Hell Reapers
dort würden ihn bestimmt nicht ausreden lassen, um zu zeigen, daß
er für Sanchez arbeitete. Er mußte irgendwie anders mit ihm Kontakt
aufnehmen.
Ein Mörsergeschoß zischte mit einem hohen Pfeifen über ihre
Köpfe und schlug in die hinteren Reihen ein. Aus dem niedrigen Gebüsch
vor ihnen blitzte zu Dutzenden Mündungsfeuer auf, und ihre Frontreihe fiel
im Kugelschauer. Ein Soldat mit einem altertümlichen Flammenwerfer auf
seinem Rücken wurde getroffen, und sein Tank explodierte in einem großen
Feuerball, der seine Nachbarn umhüllte und mit ins Verderben riß.
Ein MG-Schütze feuerte in die Flora hinein und jubelte auf, als drei Leute
verletzt heraustaumelten, doch er verstummte kurz danach, als einer der Heckenschützen
als Antwort zurück und ihm einen Kopfschuß zwischen die Augen verpaßte.
"Vorwärts, verdammt nochmal! Wir müssen näher an sie heran!"
brüllte Hauptmann Javier Salmones von seinem Befehlsstand aus. "Kommt
über die Flanken!"
Er fluchte, als er sah, wie die vorrückenden Hell Reapers gnadenlos abgeknallt
wurden, sobald sie auch nur versuchten, aus ihrer Deckung herauszugehen. Zwischen
ihnen war nur leeres Feld. Einer der Soldaten hatte mitgedacht und einen Jeep
quergestellt, so daß die anderen sich dahinter verschanzen konnten. Blindlings
feuerten sie hinter dem Fahrzeug hervor auf die unsichtbaren Gegner.
"Hauptmann Salmones", rief Oberleutnant Sofia Ramirez, "Ich habe
hier Oberst Malloy in der Leitung."
"Na großartig." Salmones versuchte sein Helmkomm in die Leitung
einzuschalten, aber er hörte lediglich ein statisches Rauschen. Er riß
sich den defekten Helm vom Kopf uns schnippte in Richtung Ramirez. Sie nickte
und reichte ihm ein Handgerät. Der Hauptmann stöpselte sich den Hörer
ins Ohr und öffnete die Leitung. "Hier Salmones, Kompanie Sierra,
Bataillon Eins."
"Hauptmann, sobald sie ihren Quadranten gesichert haben, begeben sie sich
mit ihren Leuten zu den Koordinaten Zulu-Zwo-Drei. Wir haben die Rebellenbasis
in der gestrigen Nacht eingenommen und sämtliche Rebellen festgenommen.
Ein paar wenige sind uns davongekommen, aber die dürften keine Probleme
bereiten. Sie sind demoralisiert und desorganisiert."
"Sie sind ihnen entwischt, oder?"
"Kein Grund, unverschämt zu werden, Salmones", erwiderte Malloy
entrüstet.
Aus dem Gebüsch hatte jemand eine Bazooka abgefeuert, und der Jeep, hinter
dem einige Soldaten Deckung gesucht hatten, ging in Flammen auf. Ein paar Einzelteile
flogen bis zu ihm hinüber, und er duckte sich hinter das Schutzgeländer.
"Was zum Teufel ist da los bei Ihnen?" erkundigte sich Malloy, der
die Explosion und die Schüsse mitbekommen hat.
"Och, nichts besonderes," entgegnete Salmones sarkastisch. "Wir
sind nur auf die demoralisierten und desorganisierten Rebellen gestoßen,
die Ihnen durch die Lappen gegangen sind."
"Dürfte ich um Ruhe bitten", sprach Rick. Die übriggebliebenen
Rangers hatten sich in dem großräumigen Lagerschuppen an der Küste
des Fischerdorfs Estoni eingefunden. Calavera hatte recht behalten. Die Estonier
waren sehr zuvorkommend gewesen und hatten ihnen ohne zu zögern ihre Hilfe
angeboten. Sie waren je zu viert oder fünft in einem Haus untergekommen,
die alle eng beieinander lagen, so daß eine schnelle Kommunikation möglich
war. Merkwürdigerweise war Menuel nirgendwo auffindbar, und sie fingen
schon an, sich Sorgen zu machen. Frisch gestärkt nach einem Mittagsschläfchen,
mit dem sie ihren ganzen versäumten Schlaf der letzten Tage nachholten
und die Ereignisse der letzten Stunden verarbeiteten, machten sie sich rachelüstern
auf, um sich abzureagieren. Zufällig stolperte ihnen auch gleich ein unvorsichtiger
Infanteriezug in die Arme. Das Scharmützel konnten sie beinahe ohne Verluste
für sich entscheiden, und ihre Leute fühlten sich danach gleich viel
besser, indem sie dem Feind ihre Zähne gezeigt hatten, auch wenn sie einen
Rückschlag erlitten hatten. Im Grunde hatte es nur einen psychologischen
Effekt, doch der war in einer Schlacht auch nicht zu unterschätzen. Nichts
konnte ein Kommandeur weniger gebrauchen als eine Einheit ohne Moral und der
Tendenz, bei jeder Kleinigkeit wegzulaufen.
Langsam verstummte auch das Gemurmel im Lagerschuppen, und nur das Rauschen
des Meeres und die gegen die Felsen brandenden Wellen war zu hören. Rick
schaute sich in der Menge vor sich um. Da waren sie nun, die tapferen Rebellen,
die bereit waren, weiter zu kämpfen, um endlich frei zu sein. Zwischen
ihnen standen auch die Wohltäter, die sie bei ihnen aufgenommen hatten
und ihren Kampf für Freiheit zu unterstützen. Rick war erstaunt gewesen,
wie viele in Estoni doch bereit gewesen waren, sich ihnen anzuschließen,
so daß sie wieder neue Rebellenrekruten zum Ausbilden hatten. So nahe
an der Hauptstadt Meduna hatte er eine so starke anti-präsidiale Einstellung
nicht erwartet. Tatsächlich war ihm aufgefallen, daß hier weniger
Kontrolleure vorbeikamen als beispielsweise in Omerta. Anscheinend war Sanchez
so arrogant, daß er so nahe seines Einflusses nicht mit Widerstand rechnete.
Und wenn doch mal einer vorbeikam, hielten die Estonier zusammen und deckten
die Rangers. Hier war wirklich der perfekte Ort, um neu anzufangen.
"Ich danke euch, daß ihr mir vertraut habt und gefolgt seid",
begann Rick. "Diese Schweine haben uns zwar geschwächt, doch wir haben
ihnen gezeigt, daß wir immer noch gefährlich sind." Ein leiser
Jubel ging durch die Menge. "Doch ihr müßt euch im klaren sein,
daß es so nicht weitergehen kann. Irgendwann kommen sie hinter unsere
Taktik, und dann werden sie ihre Vorräte dorthin zurückziehen, wo
wir nicht mehr herankommen. Wir müssen uns also dringend etwas Neues einfallen
lassen."
"Dann versucht es doch gleich dort, wo's wirklich weh tut", kam eine
Stimme von hinten. Die Söldner vorne auf der Empore schnellten herum, die
Hände an ihren Handfeuerwaffen. Doch als sie Trent sahen, der den Vorhang
beiseite schob und zu ihnen trat, entspannten sie sich wieder.
"Und an was hattest du konkret gedacht?", fragte Rick. "Und woher
weißt du, wo wir uns aufhalten?"
"Das geht auf mich", mischte sich der Bürgermeister von Estoni
ein. "Ich habe ihn benachrichtigt, daß Sie hier sind. Er ist ein
guter Freund und hat uns schon oft geholfen. Tut mir leid, wenn es ihnen Schwierigkeiten
bereitet hat."
Rick nickte ihm verständnisvoll zu, und Trent lächelte. "Dann
ist ja gut. Nun, zu Ihrer Frage: In Cambria befindet sich eine Kommunikationsanlage,
die Satellitenverbindung hat. Ich dachte, das könnte eine ganz nützliche
Information für Sie sein."
"Hm, die ist doch sicher gut bewacht?" Trent nickte. "Es wird
schwierig, da einzudringen. Aber vielleicht..." Man konnte sehen, wie in
Rick eine Idee zu keimen begann. "Na gut, wir wollen es probieren. Aber
vorher hätte ich noch eine Bitte."
"Und die wäre?"
"Nennen Sie mich Rick. Unter Freunden sollte man nicht so förmlich
sein."
"Nur wenn Sie mich auch duzen."
"Abgemacht. Und wie soll ich dich nennen? Immer noch Trent? Ist das der
Vorname oder Nachname?"
Trent lächelte. "Tut mir leid, aber ich glaube, soweit sind wir doch
noch nicht. Aber es wird die Zeit kommen, da bin ich mir sicher. Solange belassen
wir's bei Trent, in Ordnung?"
"Meinetwegen... Trent."
Von Zhizhou Fang
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