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Paladin - Zyklus 4: Allianzen
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Teil 5 - Skorpione und andere Delikatessen

"Wow, ich wusste gar nicht, dass man sich auch auf den Augenlidern Sonnenbrand holen kann."

Am anderen Ende des afrikanischen Kontinents setzte ein schillernd weißes Linienflugzeug auf einem geringfügig überfüllten Flughafen auf. Zugegebenermaßen passierte das dort etwas häufiger, also müssen mehrere zusätzliche Anhaltspunkte zur genauen Identifizierung des atmosphärischen Fortbewegungsmittels angefügt werden. Zum einen hatte diese Maschine auf ihrem weiten Weg nach Süden mehrere Zwischenstopps eingelegt. Des Weiteren hatten sich durch ungünstige Wetterbedingungen mehrere Verzögerungen auf diesen Stopps ergeben, die zusammengerechnet fast 12 Stunden Verspätung ausmachten. Schlussendlich befand sich ein uns allen wohlbekannter Dämon auf diesem Flug, welcher von dieser ungünstigen Korrelation der Ereignisse nicht ganz unverärgert war.

Klarer ausgedrückt war Sharon beim Aussteigen in der richtigen Laune, dem erstbesten Zollbeamten einen Kehlkopf zu entreißen.

Bei der eigentlichen Untersuchung gesellten sich ein paar weitere Gründe für diese Einstellung zu den erstgenannten hinzu. Einerseits schien der ältliche Zollbeamte (der, seinem Aussehen nach zu urteilen, den Besuch eines Kieferorthopäden aus philosophischen Gründen ablehnte) ein wenig zu interessiert daran zu sein, zu beweisen, dass Sharon irgendwo in ihrer Kleidung eine versteckte Waffe trug - was ja nicht so falsch war, auch wenn die gesamte Angelegenheit ein Vorwand für mehrere gründliche Leibesvisitationen zu sein schien. Anderseits hielt man sie dann bei der Gepäckkontrolle erneut auf, und sie versuchte angestrengt darüber nachzudenken, ob jemand den Schrei eines temporär impotenten Zollbeamten mit ihr in Verbindung bringen würde. Auf jeden Fall konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der uniformierten Nicht-Arbeitslosen auf ihren metallenen Koffer, während ihr Rucksack anscheinend ignoriert wurde.

"Sagen sie, was ist in dem Koffer?"
Sharon zog eine Augenbraue hoch, dann öffnete sie den Koffer und präsentierte den schleimigen Inhalt.
"Ich bin Töpferin und habe meinen eigenen Ton mitgebracht. Der muss in diesem Koffer kühl gehalten werden."
Einer der Beamten zupfte am Ärmel seines Kameraden und sprach ihn geringfügig indiskret an.
"Du, das habe ich schon mal in einem Film gesehen. Da war so' n Typ, irgendwo aus Asien her, und der hatte da einen Koffer mit einer Schicht aus Latex, und darunter war eine Knarre!"
Der andere Beamte starrte seinen paranoiden Partner an, als wolle er sagen, dass niemand in Wirklichkeit daran denken würde, so was abzuziehen, dann wandte er sich Sharon zu.
"Sie töpfern also, hm?"
"Hey, sehe ich vielleicht asiatisch aus? Wie soll ich denn sonst meinen Ton transportieren?"
"Jones, reich mir mal dein Taschenmesser."
"Sie wollen doch nicht da rein stechen, oder? Die Keime an der Klinge würden den Ton ruinieren!"
Der paranoide Beamte schien sich etwas zu entspannen.
"Halb so wild. Ich hab mein Messer sowieso zu Hause liegen lassen."
"Und ich hab keines dabei. Sie hätten nicht zufällig ein Messer für uns, Gnädigste?"
"Klar. Wie soll ich bitte mit einem Messer durch den Metalldetektor kommen?"
Der Filmkenner sah sich gezwungen, die Logik dessen anzuerkennen, und sein Kollege zuckte mit den Schultern.
"Stell dir mal vor, sie wäre ne Terroristin, und wir entdecken ihre Waffen. Wir wären tot, bevor wir schreien könnten. Wenn sie keine ist, haben wir ihren Ton ruiniert, und sie verklagt uns. Also, warum der Stress?"
"Gutes Argument. Sag mal, wann ist eigentlich Mittagspause?"
"Hat vor einer Minute angefangen."
"Mist! Machen sie, dass sie Land gewinnen, Miss, und töpfern sie gefälligst nicht in meiner Nähe. Am Ende ist das noch gefärbter Plastiksprengstoff oder so was."

Sharon schloss den Koffer und verabschiedete sich mit einem freundlich gemurmelten "Danke für nichts, Flachwichser…", bevor sie sich mit gebotener Eile vom Zoll entfernte. Bei dieser Gelegenheit beschloss sie, ihren Nebenverdienst als Gastautor für Reisemagazine aufzustocken und diesbezüglich einmal eine Inspektion des sanitären Bereiches durchzuführen. Dabei musste sie der Ausschilderung und äußeren Aufmachung erst einmal miese Noten zuweisen, denn erst nach einer Viertelstunde fiel ihr endlich eine kleine, schmierige Tür als dunklem Holz auf, die anscheinend zu einem sagenumwobenen Ort namens Damentoilette führen sollte. Mit allem gebotenen Nachdruck schob sie sich durch eine Gruppe von auf wunderbare Weise animierten Haufen von Lumpen - allesamt wohl auf dem Weg zum Anschlussflug - , unter denen wohl vor langer Zeit mal Menschen gesteckt haben mochten. Schließlich erreichte sie den Durchgang, schloss die Tür hinter sich und überprüfte die Umgebung.

Mehrere Kabinen. Dreckig, aber OK.
Licht. Nicht angenehm, aber OK.
Ein paar schmutzige Waschbecken. Ekel erregend, aber OK.
Ein Typ in schmutzigen Klamotten, der einem weiblichen Homo sapiens sapiens mit seiner linken Hand die Nahrungsaufnahmeöffnung blockierte und in seinem anderen Manipulationsorgan ein scharfkantiges Metallobjekt hielt. Nicht OK.

Unser heldenhafter Kuttenträger entschied sich dafür, die beiden Wirbeltiere von einer nur halb-freiwilligen Paarung abzuhalten, und bewegte sich festen Schrittes in Richtung des Paares. Ohne Worte tippte sie dem Mann auf die Schulter und nahm dann eine Art ruhige Grundstellung ein, die Arme vor der Brust verschränkt. Der maskuline Luftverdränger drehte sich in ihre Richtung und schrie sie an.

"Was soll das werden, wenn es fertig ist? Willst du auch was von mir?"

Sharon verharrte in stoischer und stummer Nichtbewegung, während der Messerhalter selbiges in ihre Richtung deutete. Dann lächelte sie kurz und erwachte explosionsartig aus ihrer Starre; innerhalb einer halben Sekunde hatte sie den Mann bei den Schultern gepackt und an sich herangezogen, wobei sie den Arm mit dem Messer an ihrem Torso vorbei führte und ihr linkes Knie dazu benutze, ein dauerhaftes Souvenir in den Leisten ihres Gegenspielers zu hinterlassen. Der Möchtegern-Vergewaltiger jappte und krümmte sich, wobei sein Kopf auf Sharons Schulter zur Ruhe kam und sich sein Messer einen Sitzplatz auf den Bodenfliesen suchte. Sie hielt ihr Lächeln weiter aufrecht, dann wandte sie ihren Kopf zu seinem Ohr und hauchte ihm ein paar Worte in sein offensichtlich mangelhaft gepflegtes Hörorgan.

"Willst du mal meine Tyson-Imitation sehen?"

Ohne weitere Ankündigung versenkte sie ihre Zähne in seine Ohrmuschel und wies ihren Kiefer an, sich bis zum Anschlag zu schließen. Dies mobilisierte neue Kräfte in ihrem Opfer, der sich ruckartig von ihr losriss und dabei selber dafür sorgte, dass er die längste Zeit seines Lebens Besitzer von zwei vollständigen Ohren war. Ohne weitere Kommentare spuckte Sharon das Stück verknorpeltes Fleisch aus und versetzte dem keuchend winselnden Mann einen kräftigen Tritt unter die Rippen. Der Mann schrie noch ein letztes Mal auf, dann sank er benommen zu Boden. Sharon inspizierte ihr Opfer noch kurz, dann drehte sie ihren Kopf zur einzigen Zeugin.

"Wenn du irgendwann mal ohne Albträume schlafen willst, würde ich vorschlagen, dass du jetzt Land gewinnst. Gleich wird's nämlich eklig."

Die Frau schaute sie noch einen Augenblick an, dann verließ sie stillschweigend die Szene.

Nachdem Sharon sichergestellt hatte, dass sie mit dem Mann alleine war, versetzte sie ihm einen weiteren Tritt in die Rippen, der nur noch von einem leisen Zusammenzucken quittiert wurde. Ermutigt von dieser Reaktion zog sie den Kopf der Fast-Leiche an den Haaren nach oben und flüsterte wieder in sein Ohr.

"Wenn du Charon triffst, grüß ihn von mir!"

Mit einem weiteren Lächeln schleuderte sie den Vergewaltiger gegen die nächste Wand, die diese Kollision mit einem netten Zersplitterungsmuster auf ihren Fliesen registrierte. Das Opfer hielt sich noch einige Sekunden aufrecht, dann sank er endgültig zu Boden. Während Sharon noch darüber nachsann, wie praktisch übermenschliche Kraft doch war, hob sie ihren rechten Fuß über den Schädel am Boden und ließ ihn mit voller Wucht nach unten sausen. Die kompromittierte strukturelle Integrität des Craniums wurde damit endgültig vertrieben, und der Impuls des schwarzen Stiefels übertrug sich auf ein halbes Dutzend Knochensplitter, die sich in einer kleinen Explosion vom eigentlichen Schädel absetzten und der harten Sohle Zugang zum Gehirn verschafften. Dieses widersetzte sich dem Druck nicht besonders lange und löste sich endgültig in einen blutigen Pudding von toten Nervenzellen auf, woraufhin sich ein Mischmasch aus verschiedenen Körperflüssigkeiten nach dem Austritt aus diversen Körperöffnungen auf die lange und beschwerliche Reise zum nächsten Abfluss im Fußboden machte. Schließlich zog Sharon den Stiefel aus der offenen Wunde und beäugte ihr Werk.

"Mist. Die Blutflecken werden wieder nicht rausgehen."

Nun, hier irrte der Dämon; mit ein paar Papiertüchern ließ sich das Gröbste vom Stiefel und der Hose entfernen, und nach fünf Minuten Nachbearbeitung - die von den starren Augen der Leiche mit anscheinend großem Interesse verfolgt wurde - konnte Sharon den Raum verlassen, ohne rötliche Schuhabdrücke zu hinterlassen. Nun schloss sich wieder einer der langweiligeren Teile des Tages an - die Besorgung eines Mietwagens. Keine Frage, auch solche Arbeiten sind ultimativ notwendig, aber das änderte nichts daran, dass man sich beim Verleih einerseits unfreundlich und andererseits sehr eifrig zeigte - letzteres allerdings erst, nachdem Sharon ein Bündel US Dollar auf den Schreibtisch knallte und mit gebotenem Nachdruck einen Geländewagen verlangte. Dieser wurde ihr mit verhaltenem Eifer zur Verfügung gestellt, und bereits nach zwei Minuten zähen Verhandelungen über die Notwendigkeit einer zusätzlichen Vollkaskoversicherung krallte sich das bereits vom Sonnenlicht aufgeheizte Gummi auf den nicht weniger heißen Asphalt, was nach einer kurzen ruckartigen Phase eine stetige Vorwärtsbewegung des Metallkastens zur Folge hatte. Nach kurzer (also etwa vierstündiger) Stauphase verließ der Wagen Kapstadt, und Sharon nutzte die Gelegenheit, bei der nächsten Gelegenheit von der Straße abzubiegen und etwas gegen dieses schreckliche Gefühl der taktischen Impotenz zu unternehmen.

Die Tonschicht im Koffer widerstand selbst dem ersten kräftigen Zug nicht und verteilte sich auf den umliegenden Wüstensand, während die Latexmembran darunter ebenfalls aufriss.

Die gekürzte Schrotflinte fand ihren Platz in einem Schulterhohlster, während sich ein Colt 1911A1 in einer Aufhängung am Rücken breit machte. Das ebenfalls eingelagerte G36 bildete sich nach Art des quadratischen Kreises aus seinen Einzelteilen und landete unter einer alten Wolldecke auf dem Beifahrersitz. Schließlich fanden sich noch einige kleine Splittergranaten und ein in Folie eingepackter Batzen Plastiksprengstoff an, die sich regelrecht in die Ritzen zwischen den größeren Waffen gedrängelt hatten. Die Granaten wanderten in eine Gürteltasche, während es sich der Sprengstoff in einer Manteltasche ausruhen dürfte. Als letztes Ausrüstungsstück entfernte Sharon eines von Marks Messern samt Scheide aus dem Boden des Koffers und befestigte es an dem Schulterhohlster der Flinte. Mit sichtlich besserer Laune donnerte Sharon den vollständig entleerten Behälter in den Busch und saß schon fast wieder hinter dem Lenkrad, als der Koffer auf dem Boden aufschlug.

Im Aufschlaggebiet befand sich zu diesem Zeitpunkt eine Stubenfliege, die mit Hilfe eines anderen Touristen dort angekommen war und nun dort still hockte. Allerdings handelte es sich nicht um ein gewöhnliches Insekt, sondern um eine genetische Kuriosität, eine Mutante sozusagen. Dieses Gliedertier saugte Luft durch seine Tracheen, während sich in seinen hyperaktiven Nervenzellen eine Art Gedanke formte - ein Gedanke, der in Worte gefasst über das normale Vokabular einer Stubenfliege hinausging. Nicht nur ein vager Impuls zur Fortpflanzung, zur Flucht oder zum Fressen. Nein, eine Frage, und zwar eine der wichtigsten Fragen, die je ein Wesen (geschweige denn eine Fliege) je gestellt hatte. Nämlich die Frage nach dem Sein, nach der Existenz, nach der Realität. Und dies lief ab, während sich Teile des Nervensystems noch darüber wunderten, warum die Facettenaugen auf einmal einen dunklen Himmel meldeten. Dann passierten zwei Dinge fast gleichzeitig. Zunächst konnte die Fliege den Grundsatz formulieren, dass sie aufgrund ihres Bewusstseins nachweisen konnte, dass sie in der Wirklichkeit existierte; dass sie sei, da sie dachte. Während die Fliege noch darüber sinnierte, wie sie diese überraschend befreiende Erkenntnis an ihre Artgenossen, an ihre Artverwandten, ja vielleicht sogar an alle Insekten weitergeben könnte, wurde der Himmel schwarz. Obwohl es sich hier nur um eine relativistische Betrachtung handelt - korrekter wäre es, zu behaupten, dass für die Fliege der Himmel schwarz wurde. Der unabhängige Beobachter stellte hingegen fest, dass das abgelenkte Insekt von dem Metallkoffer zu Brei zermatscht wurde.

Dieser gesamte Vorgang hätte gravierende Folgen für das Selbstverständnis aller potentiellen Flecke auf der Sportseite der Zeitung gehabt, wenn nur irgendjemand davon erfahren hätte.

Auch Sharon hatte von diesem existenzialistischen Drama nichts bemerkt und bewegte sich stattdessen mit einem beängstigend großen Betrag an kinetischer Energie über das asphaltierte, von Steuern finanzierte und unter der direkten Verantwortung des souveränen Nationalstaates Südafrikas stehende Transportnetz, auch bekannt als Straße. Auf dem Weg zu ihrem ersten Ziel dachte sie noch einmal an die Szene mit dem Vergewaltiger zurück.

Der Gedanke an den Tod dieses Menschen schien sie zu amüsieren. Allerdings wurde ihr kurz danach klar, das sie erst einmal ein paar Menschen retten müsste, um hinterher weiter in deren Genpool aufzuräumen. Der Logik folgend müsste sie dazu ein Siegel sichern, welches sie zunächst finden müsste. Also spann sich der Faden weiter - jemand musste davon wissen. Wenn jemand davon wusste, würde er sicher auch versuchen, es unter seine Kontrolle zu bringen. Das würde wiederum bedeuten, dass jemand anders etwas davon wissen würde, wie die erste hypothetische Person das Siegel suchte. Und bei einem Besuch dieser zweiten hypothetischen Person in einer Bar müssten dies jetzt eigentlich eine ganze Menge Kneipengänger wissen. Natürlich basierte diese Strecke von wilden Schlussfolgerungen auf noch wilderen Spekulationen, aber da sich ihr Fahrzeug gerade an einer Raststätte am Straßenrand (sofern man die Strecke als Straße bezeichnen konnte oder wollte) näherte, wäre es ja kein großer Zeitverlust, sich einmal umzuhören.

So kam sie zu einer doch relativ logischen Rechtfertigung dafür, sich dort mit ein paar Truckern die grauen Zellen abtöten zu lassen.

Mit dem Betreten der Lokalität entschied sich Sharon dafür, dass hier mal wieder mit der rauen Tour etwas zu erreichen wäre. Ihr Blick fiel auf den vermeintlichen Rädelsführer des örtlichen Lederjackenkults, ein abgrundtief hässlicher, aber stämmiger Mann mit integralem Rettungsring und einem waschechten Dreijahrebart. In ihrer gewohnt ruhigen, aber bestimmten Art näherte sie sich dem gleichsam lachenden wie ahnungslosen Opfer und bezog ruhig ihre Position, während er auf sie aufmerksam wurde und sie musterte.

"Was gibt's?"
"Ich suche eine Art archäologische Ausgrabung in der Nähe. Geht dir ein Licht auf?"
"Bei mir geht höchstens mal die Hose auf - für ne Ausgrabung an meinem Fossil!"
Das reichte von Seiten des Bikers einerseits, um das gesamte Lokal zum Lachen zu bringen, andererseits aber auch, um sich einen heftigen Schlag auf die Leber einzufangen, was das Lokal wieder zum Schweigen brachte.
"Lauscher auf, Mistkäfer, ich hab keine Zeit für Scherze. Weißt du, wo was steigt, oder muss ich dich durchkneten, bis es dir einfällt?"
Die linke Faust des Bikers näherte sich ihrem Sternum mit beachtlicher Geschwindigkeit, musste jedoch feststellen, dass sie nicht das alleinige Recht auf Bewegung gepachtet hatte. Analog dazu setzte Sharons rechte Hand einen Kurs zum Hals ihres Opponenten und gewann das Tauziehen der Agilität mit deutlichem Vorsprung. Die Finger verschränkten sich nun um das Doppelkinn ihres Zieles, und mit einiger Unterstützung von Muskelfasern im Arm, Rücken und den Beinen des Dämons wurde der Mann in die Luft gestemmt. Gleichzeitig glitt die rechte Hand der Kuttenträgerin in ihren Mantel. Als der Rest der Meute eingreifen wollte, starrte man nur noch in den Lauf von Sharons Flinte.

"Raus damit, sonst presse ich euch das Mark aus den Knochen!"

Sharon musste sich nicht umdrehen, um zu hören, wie jemand hinter ihr versuchte, leise eine Schrotflinte durchzuladen. Je nach Betrachtungsweise erwies es sich als glücklicher beziehungsweise unglücklicher Umstand, dass ihre Reaktionszeiten und Reflexe die Leistungen der meisten Menschen mit ausreichendem Abstand übertrafen. Während der Geschäftsführer hinter ihr noch versuchte, den Lauf seiner Waffe in die grobe Richtung des schwarz gekleideten Tornados vor sich zu richten, hatte sie bereits den Biker vor sich gestoßen und ihre Flinte über die Schulter dieses unfreiwilligen Schutzschildes gelegt. In so einer Situation hätte Mark vielleicht mit einer lahmen Bemerkung die Situation entschärft, aber als Dämon interessierte man sich nicht für Deeskalation. Fast zeitgleich machten sich zwei Ladungen Schrot in Entgegengesetzter Richtung durch die stickige Atmosphäre; eine zauberte eine faszinierende Vielzahl kleiner, blutiger Löcher in die Brust des Barmanns, während sich aus einem vergleichbaren Muster von Wunden mit durchaus bemerkenswerter Geschwindigkeit im Rhythmus der schwächer werdenden Herzschläge Blut in die Lederjacke des Bikers ergoss. Zu diesem Zeitpunkt befand sich dieser jedoch bereits wieder auf den Weg zum gelinde ausgedrückt dreckigen Boden; Sharon jedenfalls rotierte auf einer Fußspitze und warf sich dann rückwärts über die Bar, kam in einer geradezu unglaublichen Rolle wieder auf die Beine und stand dann relativ nahe an der ersten Leiche, die Flinte auf das gleichfalls erschütterte wie erstaunte Publikum gerichtet.

"So, jetzt will ich ein paar Antworten."
Sie repetierte die heiße Hülse in ein Rinnsal hochprozentigen Alkohols auf der Bar, der prompt Feuer fing.
"Sonst gebe ich noch eine Runde aus."

Als sie wenige Minuten später die Bar verließ, beschwerte sie sich lautstark über die mangelnde Kooperationsbereitschaft des durchschnittlichen Kneipengängers. Bei einer Inspektion ihrer Stiefel stellte sie fest, dass sich blutiger Sand in den Rillen der Sohlen festgesetzt hatte. Sie fluchte erneut, steckte dann ihre Flinte weg und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen.

Hinter ihr verwandelte sich der Gastronomiebetrieb in eine beachtlich laute Explosion.

Auf dem Weg zu ihrem ersten Ziel - dessen Ort sie einem der Barinsassen aus dem Leib gequetscht hatte, und zwar wörtlich - versuchte sie sich vorzustellen, wie Mark die Situation wohl gelöst hätte. Vermutlich hätte er wieder viel zu viele Zeugen hinterlassen. Vermutlich hätte er sie auch dafür zur Verantwortung gezogen, dass sie die Menschen getötet habe, die er retten wollte. Er. Sie stellte sich vor, ihn anzulächeln, ein viel sagendes, aber letztendlich unergründliches Lächeln. Wie sie ihm zuwerfen würde, dass sie die ganze Welt retten, nicht nur die Menschen. Dass man dabei auch Opfer bringen (und schaffen) musste. Und dass seine neu gefundene Aversion gegen das Töten nicht nur kontraproduktiv, sondern auch masochistisch wäre. Dann würde er ihr irgendwas Schwammiges über Menschlichkeit entgegnen.

Er war nützlich, sicher, aber philosophisch eine einzige Katastrophe.

Dunkel war's, als ihr Wagen einen halben Kilometer vor ihrem Ziel stoppte. Sharon sah sich genötigt, diesmal etwas leiser vorzugehen. Sie entfernte die Sonnenbrille von ihren Augen und musste sich ein paar Minuten Zeit nehmen, um wieder etwas zu sehen - nach ihrem Geschmack gab es hier schon fast wieder genug Licht, um einen Dämon ernsthaft zu blenden. Sie bedachte den Vollmond mit leisem Fluch, packte ihre Ausrüstung zusammen und machte sich auf den Weg. Die Sicherheitsmaßnahmen um die Ausgrabung waren lächerlich, da es kaum welche gab. Jemand hatte sich hingesetzt und geplant, wie man Artefakte vor einem Sandsturm schützen könnte. Die taktischen Implikationen hatte niemand bedacht. Doch sie ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, blieb bei der Sache; man schwang sich über Zäune, wartete hinter Zelten und lauschte dem Herzschlag der Menschen um sich. Schlussendlich stand sie vor einer der größeren Gruben und wagte den Sprung in die Tiefe.

Unten erblickte sie das Siegel sowie einen kleinwüchsigen Mann, der es mit einer Art Pinsel bedachte. Sie schien er nicht wahrzunehmen, und so näherte sich Sharon, um einen besseren Blick zu erheischen. Unabhängig von der Frage seines Platzes in der hiesigen Hierarchie war der Pinselführer kein Fest für die Augen. Er trug zerschlissene Jeans und einen staubigen, grau-roten Pullover. Nach einigen Sekunden fiel ihm schließlich auf, dass jemand hinter ihm stand.

"Wer ist da?"

Als Antwort hörte er das Spannen des Hahns an Sharons Colt.

"Jemand, dem du gerade im Weg bist. Keine Faxen, sonst verteile ich deine Kindheitserinnerungen an die Skorpione."

Er wich zur Seite, machte Platz für sie am Siegel, das von mehreren Standscheinwerfern geradezu penibel übertrieben beleuchtet wurde, so, als wollte es sagen, dass der Verantwortliche dafür in Hollywood an mehreren Abenteuerfilmen mitgearbeitet hatte. Sie betrachtete den Stein vor sich, fühlte seine Aura und las die Inschriften.

"Wer sind sie? Was soll das alles?"

Sie richtete ihre Waffe auf ihn, was er mit einem Ausdruck gesteigerter Panik (so sich Panik denn noch steigern lässt) quittierte.

"Ich will noch nicht sterben!"
"Tja, Kleiner, Überraschung: Ich auch nicht, und deshalb bin ich hier. Leider gibt's da einen kleinen Unterschied zwischen uns beiden."

Er starrte sie verwirrt an.

"Und dieser Unterscheid wäre?"
"Mein Wunsch geht in Erfüllung."

Womit sich wieder einmal ein Mitglied des Ensembles dieser Geschichte mit einem Knall, einem blöden Gesichtsausdruck und einer Riesensauerei aus dieser Welt verabschiedete. Erwartungsgemäß heulte wenig später eine Sirene. Allerdings überraschte Sharon, dass bereits Schüsse fielen - und zwar nicht auf sie gerichtet. Über den Krach dieses Desasters hörte sie jemanden brüllen.

"Die Armee ! Alle zu den Waffen !"

Sharon warf einen kurzen Blick auf ihr letztes Opfer, dann lauschte sie für ein paar Sekunden dem Stakkato von Gewehrsalven um sie herum. Schließlich steckte sie den Colt weg, brachte ihr G36 in Feuerbereitschaft, zog eine Schachtel aus ihrem Mantel und steckte sich eine Zigarette an.

"Das wird ne lange Nacht."


Von Gatac


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[ Druckerfreundliche Version ] Letze Änderung: 16.03.2003