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Kapitel 4

Palast des Präsidenten
Meduna, Awano
31. Juli 2002, 10:27 Ortszeit

Sanchez' Blicke wanderten vom Computerausdruck in seiner Hand zu Oberst Malloy und wieder zurück.
"Über achtzig Mann verloren", stellte er mit einer Mischung aus Überraschung und Sarkasmus fest. "Das ist gut. Das wird den Bloodspillers eine ganz schöne Delle in ihrer Einsatzbereitschaft versetzen." Stolz schob Malloy sein Kinn etwas höher. "Doch leider nur etwa fünfzig bis sechzig Verluste beim Gegner. Das ist erbärmlich."
Unter der plötzlichen Beleidigung zuckte Malloy zusammen und straffte sich unwillkürlich etwas. Der Berater des Präsidenten starrte ihn herausfordernd an, und die Finger seiner freien Hand trommelten unablässig auf den Schreibtisch. Schließlich schüttelte er die Papiere in Malloys Richtung. "Haben Sie nichts zu ihrer Verteidigung hervorzubringen?"
"Nein, Sir."
"Sie sind ein Feigling."
Über dem hohen Kragen seiner roten Dienstuniform wurde das Gesicht des Obersten bleich. "Nein, Sir!"
"Sie hatten dieses Gewürm in der Hand... in Ihrer Hand! Ihr Versagen bringt noch viele Schwierigkeiten mit sich, wenn wir wieder gegen sie kämpfen müssen. Sie hätten das Geschmeiß verfolgen können und haben es nicht getan! Sie waren in der Falle, aber Sie haben sie entkommen lassen!"
"Ich bin kein Feigling, Sir! Und meine Männer auch nicht!"
Sanchez' Augen verengten sich, aber insgeheim lächelte er. Malloy mußte wütend werden, damit er aussprach, was er fühlte.
"Dann verteidigen Sie sich! Wie konnte das geschehen?"
"Wir... wir haben keine feindliche Verstärkung erwartet, Sir. Sie haben unsere rechte Flanke von hinten angegriffen, nachdem wir die erste Rebellengruppe schon fast eingekesselt hatten."
"Sie haben es nicht erwartet." Sanchez' Stimme triefte vor Sarkasmus. "Seit wann tut ein Gegner, was von ihm erwartet wird? Soviel sollten Sie zumindest mittlerweile gelernt haben!"
"Das... das war nicht meine Schuld", versuchte sich Malloy herauszuwinden. "Den Befehl dort hatte Hauptmann Javier Salmones. Er hatte die Truppen dort geführt, als es zum Hinterhalt kam. Ich war mit einer kleinen Truppe bei den Treibstofflagern und hatte die Saboteure zur Strecke gebracht."
"Oh wie praktisch für Sie." Sanchez senkte seine Stimme zu einem weichen und gefährlichen Schnurren. "Daß man die Schuld auf jemanden schieben kann, der jetzt tot ist, kommt Ihnen sicher gelegen, nicht wahr?" Als Malloy etwas erwidern wollte, winkte Sanchez mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. "Lassen wir's dabei. Ich hoffe nur, Sie sind jetzt als Kommandeur der Hell Reaper verantwortungsbewußter. Ich kann keinen inkompetenten Schwachkopf gebrauchen, wenn ich den Staat regiere und eventuell manche etwas dagegen haben könnten."
"Natürlich, das wird nicht wieder vorkommen", versicherte ihm Malloy schnell, erleichtert darüber, daß dieses Thema vorbei war.
"Das will ich in Ihrem Interesse hoffen. Und jetzt zeigen Sie mir, daß Sie wenigstens zu etwas fähig sind und bringen Sie mir den Präsidenten her."
"Und was soll ich ihm als Grund sagen? Wollen Sie sich entschuldigen für das Desaster?"
"Natürlich nicht, Sie Trottel! Wenn Sie ein wenig Grips hätten und mitdenken würden, könnten Sie sich doch denken, was ich mit ihm vorhabe. Weshalb haben wir den ganzen Zirkus denn veranstaltet, hm?"
Malloy setzte eine zweifelnde Miene auf. "Aber das war doch…" Ihm schien die Erleuchtung zu kommen. "Ah, natürlich! Jetzt weiß ich's wieder! Sie wollen um ein höheres Etat für die Hell Reapers bitten, nicht wahr?"
Entnervt schlug sich Sanchez mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Nein! Das auch nicht. Ich will, daß sie ihn mir hierher bringen, damit ich ihn töten kann. Dann bin ich der neue awanische Präsident, haben Sie's jetzt begriffen?"
"Ja natürlich, ich bin ja nicht blöd." Sanchez' zweifelnden Blick, den er ihm zuwarf, bemerkte Malloy nicht. "Jetzt ist es mir auch wieder eingefallen. Ich werde mich sofort darum kümmern."
Damit marschierte er aus dem Zimmer.
"Und Flaschen wie der schaffen es hierzulande bis zum Oberst, oder wie sehe ich das?" kam eine Stimme aus dem Hintergrund. "Das muß ja ein Niveau hier sein."
"Niveau? Iwo!"
"Laß die Kalauer, das paßt nicht zu dir."
"Genausowenig wie zu dir dieses Herumschnüffeln paßt. Seit wann hast du dir denn angewöhnt, meine Gespräche zu belauschen?"
"Seit ich mich hier in Awano zu Tode langweile und ich daher nicht besseres zu tun habe." Walter Rutherford stand aus dem Ohrensessel auf, der mit dem Rücken zu Sanchez gestanden hatte. Er war ordentlich gekleidet wie immer, in Anzug und scharfen Bügelfalten. "Aber nur um eins klarzustellen: ich hab nicht absichtlich gelauscht. Ich war nur schon im Zimmer und hatte ein Buch gelesen, als ihr beide hereingeschneit kamt. Und da ich keinen Grund sah, euch zu unterbrechen…"
"Ist egal, ist ja sowieso kein Geheimnis gewesen, und so erspare ich es mir wenigstens, dir alles nochmal erzählen zu müssen. Setz dich." Sanchez verschränkte seine Finger ineinander und wartete, bis Rutherford ihm gegenüber am Tisch Platz genommen hatte. "Nun ist es endlich soweit, mein lieber Cousin. Der Zeitpunkt, auf den ich so lange hingearbeitet habe, ist nun in ersichtlicher Reichweite. Nach all dieser Zeit als untergebener Handlanger in der zweiten Reihe werde ich nun über diese Insel herrschen. Du darfst dich ruhig mitfreuen, Walter, denn du wirst natürlich auch Anteil haben. Deine Firma kann dann die Goldvorkommen in den Bergen ausbeuten, und wenn du Glück hast, findest du sogar etwas Zortrium. Na, ist das nicht was?"
Rutherford zog einen Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln hoch. "Tu nicht so selbstlos, Elliot, du profitierst dann ja schließlich auch vom Handel. Und überhaupt: wie kommst du darauf, daß es hier auf dieser armseligen Insel Zortrium gibt?"
"Tja, wenn du dich etwas mit der awanischen Geschichte befaßt hättest, wüßtest du, daß Awano durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist. Dieser Meteorit hatte dabei Bodenschätze aus der Oberfläche hervorgehoben und auch selber allerlei Metalle mitgebracht. Du siehst also, es lohnt sich."
"Warten wir erst einmal ab, bis du an der Macht bist, dann sehen wir weiter."

Wütend fegte Enrico Chivaldori mit einer Armbewegung die Blätter vom Tisch, die vor ihm lagen. Langsam schwebten sie zu Boden, wo sie sich ungeordnet verstreuten. Schnaubend trat er genüßlich drauf.
Wie konnte dieser Naivling von Elliot eine so günstige Gelegenheit vermasseln, die Rebellen ein für allemal unschädlich zu machen? Er hatte sie fast in der Hand gehabt, bevor sie doch noch entkommen waren. Und der Bericht über die Verluste unter den Bloodspillers, den er ihm heute morgen eingereicht hatte, trug nicht gerade dazu bei, seine Laune zu verbessern. Fast die gesamte Garnisonstruppen in Meduna waren gestern nacht vernichtet worden. Die Hauptstadt Awanos stand quasi wehrlos da, wenn er nicht bald wieder Nachschub besorgte.
Die Tür sprang auf, und fünf schwarzgekleidete Soldaten traten ein, ihre Waffen in den Händen. Der vorderste von ihnen mit den Abzeichen eines Obersten, anscheinend der Anführer der Truppe, baute sich vor seinem Schreibtisch auf, während die anderen vier sich um ihn herum aufstellten.
"Was gibt es, Oberst? Ich habe zu tun."
"Ich muß Sie bitten, mitzukommen, Präsident Chivaldori."
Aber Chivaldori machte keine Anstalten, aus dem Sessel aufzustehen. Der Anführer nickte seinen Leuten zu, und die beiden, die hinter ihm standen, zerrten ihn aus dem Stuhl hoch. "Was...?!" empörte er sich, doch der Oberst schnitt ihm das Wort ab.
"Klappe halten! Mitkommen!"
Die Soldaten schleppten den unwilligen Präsidenten quer durch den gesamten Palast. Chivaldori zerrte und wehrte sich im Griff seiner Wächter, doch ihr Griff war fest und ließ ihm nicht ein bißchen Bewegungsfreiheit. Endlich waren sie am Ziel angelangt und hielten vor einer Tür, die ihm recht vertraut vorkam. Der Anführer klopfte kurz an, dann traten sie ein.
In der Mitte des mit Portraits und Bildnissen von wichtigen politischen Ereignissen dekorierten Raumes standen Elliot Sanchez, sein persönlicher Berater und Nagel zu seinem Sarg, und ein Geschäftsmann im feinen Sakko. Seine beiden Bewacher ließen ihn los, und er fühlte die Gewehrlaufmündung in seinem Rücken.
"Elliot? Was zum Teufel...?"
Einer seiner Wächter zog ihm mit dem Gewehrstutzen über den Schädel, und Chivaldori ging leicht betäubt zu Boden. Als er den schmerzenden Hinterkopf reibend hochblickte, sah er, wie Sanchez seine Hand streckte und sie ihm reichte. Verwirrt langte er nach der Hand, doch er schlug sie beiseite.
"Nicht Sie, Chivaldori." Damit wandte er sich an den Oberst. "Malloy?"
Der Anführer trat vor, zog eine Colt 1911 aus dem Halfter und drückte sie Sanchez in die Hand. Er richtete sie direkt auf sein Gesicht.
"Elliot, Sie...?"
"Jetzt sag auf Wiedersehen", sprach er und drückte ab.

Als über den Bergen der neue Tag anbrach kehrten die Rebellentruppen nach Omerta zurück. Rick befahl, die Fahrzeuge wieder in den Höhlen zu verstecken. Ihnen waren nur noch fünf Jeeps geblieben, von denen drei ziemlich mitgenommen waren und bald auseinander zu fallen schienen. Dann trat er in die große Versammlungshöhle, wo sich die Rebellen vorerst niedergelassen hatten. Ringsum waren Männer und Frauen in schmutzverschmierter Kleidung damit beschäftigt, Verwundete zu transportieren oder zu versorgen, Kameraden zu suchen oder in kleinen Grüppchen die Schlacht zu diskutieren. Die in Omerta gebliebenen Angehörigen und Versorgungstruppen - Techniker, Mechaniker, Köche, Ärzte - schwärmten herein und suchten nach ihren Verwandten. Auch die Zahl der eintreffenden Verwundeten wuchs ständig. Sie kamen auf den Schultern ihrer Kameraden oder auf verrußten Lastwagen an, die sie auf ihrem Rückweg aufgegabelt hatten. Unter den Nachzüglern befanden sich auch Ivan Serenowski und Kamiru Nakamura, die sich mit den Insassen ihres Jeeps bis nach Omerta hatten durchschlagen können. Die Leute mit medizinischer Ausbildung hatten vom ersten Moment an alle Hände voll zu tun. Rick verteilte Anordnungen an die Unteroffiziere, die verbliebenen Männer und Frauen in ihre Betten zu schicken, sobald es möglich war. Nach so einem Erlebnis brauchten sie jetzt Ruhe.
Am späten Abend versammelten sich die Söldner zu einer Stabssitzung um ein Lagerfeuer vor den Höhlen. Die Umgebung war pechschwarz, nur aus dem nahen Höhleneingang drang Licht in die Nacht. Der anhaltende Lärm der Reparaturarbeiten an den Rebellenfahrzeugen mischte sich mit den Geräuschen der Felder und Wiesen.
Rick stand mit in die Hüften gestützten Händen außerhalb des Feuerscheins. Mit ihren sieben Personen bildeten sie einen schmutzig und zerlumpt aussehenden Haufen. Alle hatten sie die letzte Nacht durchgemacht - der Marsch auf Meduna, die Schlacht vor der Stadt - und waren danach den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, die Ausrüstung der Rebellen wieder einsatzbereit zu machen. Abgesehen von einem gelegentlichen Dösen hatte keiner in den letzten dreißig Stunden geschlafen. Die Belastung war ihnen anzusehen.
"Ich möchte euch danken, daß ihr gekommen seid" eröffnete Rick und trat ans Feuer. Die zu ihm aufblickenden Gesichter zeigten kaum eine Gefühlsregung. "Bevor irgendetwas anderes geschieht, sollten wir uns entscheiden, wie wir weitermachen."
Jacqueline lachte, und es klang bitter. "Was für eine Wahl haben wir denn?"
"Findest du, daß wir diesen vermaledeiten Bakas noch weiter helfen sollen?" fragte Kamiru. Er spielte nervös mit einem kurzen Holzstück. "Ihr sogenannter General ist tot... und das ist ein Glück."
Rick blieb neben dem Feuer stehen, beugte sich herunter und stieß einen halbverbrannten Scheit tiefer in die Flammen. Rote Funken stiegen in die Nacht. "So wie ich die Lage sehe", stellte er schließlich fest, "haben wir keine Wahl. Im besten Fall sitzen wir hier fest und versuchen, ein gemütliches Landeierleben zu führen. Und wie schätzt ihr die Wahrscheinlichkeit ein, daß Chivaldori es bei der Schlappe beläßt, die wir ihm zugefügt haben?"
Gedämpftes Murmeln antwortete ihm. Jacqueline starrte in die Flammen. An ihrem rechten Auge zuckte ein winziger Muskel. Rick studierte ihr Gesicht und kam zu den Schluß, daß er darin eine Niederlage sah. Auch er verspürte dieses Gefühl der Sinnlosigkeit. Aber man durfte sich davon nicht überwältigen lassen. "Wir können nur kämpfen", erklärte er. "Kämpfen und gewinnen."
"Gewinnen?" Kamiru brach den Zweig, mit dem er gespielt hatte, entzwei und warf eine Hälfte ins Feuer. "Der Präsident hat ein ganzes Regiment auf dieser Drecksinsel. Und was haben wir? Eine Handvoll Grünschnäbel!"
"Das ist immerhin ein Anfang, Kamiru." Rick versuchte zu lächeln. "Ein Anfang ist gemacht. Ich habe nicht behauptet, daß es einfach wird."
Kamiru schleuderte das zweite Holzstück ins Feuer. Sein Gesicht zeigte Ablehnung.
"Wir können gewinnen", bestand Rick. "Sie haben zwar ein Regiment, aber das ist über die gesamte Insel verstreut, und das ist ein verdammt großes Stückchen Land." Er breitete die Arme aus. "Die Argumente sind dieselben wie vor einer Woche auch. Wir können den Feldzug der Rebellen fortführen."
"Wie?"
"Indem wir die Armee da treffen, wo sie schwach sind, und zu einem Zeitpunkt, an dem sie schwach sind. Indem wir einen echten Guerillakrieg führen. Indem wir uns weigern, zu ihren Bedingungen zu kämpfen. Indem wir gute Beziehungen mit der Zivilbevölkerung und den Rebellen aufrechterhalten und uns von ihnen mit Nahrungsmitteln und nichtmilitärischen Vorräten versorgen lassen."
"Und womit sollen wir diesen Krieg führen?" fragte Kamiru. "Wir brauchen auch militärische Ausrüstung."
"Aber Kamiru", warf Thor ein. "Wenn die Bloodspillers die Munition und Waffen zum Kampf haben, werden wir einfach hingehen und uns an der Quelle bedienen."
Kamiru schnaufte nur, aber Rick nickte. "Ganz genau. Unsere Rebellenfreunde werden uns feindliche Vorratslager und Depots zeigen oder uns an Zivilisten verweisen, die dazu in der Lage sind. Danach geht es nur noch darum, Zeitpunkt und Art des Vorgehens auszuarbeiten."
Ivan Serenowski rutschte unbehaglich auf einem fast morschen Baumstamm herum. "Wir haben noch eine andere Möglichkeit", meinte er. "Wir können zu den Truppen des Präsidenten überlaufen."
Das Knistern des Lagerfeuers war das einzige Geräusch. Ivan blickte von einem zum anderen. Um seine Augen und Mundwinkel regte sich der Trotz. "Und? Warum nicht? Welche Chance haben wir gegen sie?"
"Eine passable Chance", antwortete Jacqueline langsam. Auch sie schien ihren inneren Kampf gegen die Verzweiflung zu gewinnen. "Sie sind groß, schwerfällig und langsam", stellte sie fest. "Wir nicht. Wir haben die Hilfe der Awaner. Sie nicht."
"Sie werden uns fangen und..."
"Ivan", unterbrach Rick, "willst du aus deinem Söldnervertrag aussteigen?"
"Wie? Nein! Ich will nur..."
Rick stocherte mit einem Stock in den Flammen und Funken stoben auf. "Diese Einheit arbeitet nicht für den Präsidenten. Nicht, solange ich das Kommando habe." Er blickte vom Feuer hoch, bis er Ivan in die Augen sah. "Willst du mein Kommando über diese Einheit in Frage stellen?"
"Natürlich nicht, Lieutenant! Aber ich finde, wir sollten uns nichts vormachen. Wir können es Mann für Mann nicht mit ihnen aufnehmen! Ich habe den Eindruck, daß unser Vertrag mit Awanos Rebellen beendet ist. Sie haben nichts mehr, womit sie kämpfen können."
"Sie haben uns", entgegnete Rick. "Dazu haben sie uns angeheuert. Deswegen sind wir hier. Um sie auszubilden und ihre Armee in eine schlagkräftige Truppe zu verwandeln. Du kannst uns dabei helfen oder dich aus deinem Vertrag freikaufen."
"Du weißt, daß mein Geld in der Schweiz liegt."
"Meines auch. Wir legen es dir vor. Aber eines sage ich dir. Wenn du dich freikaufst, bleibst du hier. Es gibt keinen Weg von dieser Insel, bis wir den Flughafen kontrollieren. Und das wird einiges an Anstrengungen erfordern. Du hast die Wahl. Du kannst mit uns kämpfen oder hierbleiben, wo du niemanden störst."
Ivan murmelte etwas.
"Was? Sprich lauter!"
"Ich sagte, ich habe kein Selbstmordbündnis unterschrieben! Das ist Wahnsinn!"
Rick seufzte. "Hör mal, Ivan, wir können dich nicht brauchen, wenn du nicht voll dabei bist - voll bei uns! Wenn wir in ein Gefecht verwickelt werden, und du deckst unsere Flanke, müssen wir uns auf dich verlassen können! Die Leute, die uns unter Vertrag genommen haben, müssen wissen, daß wir nicht bei der erstbesten Gelegenheit die Seiten wechseln. Und das bedeutet, wir müssen alles strikt nach den Regeln, offen und legal abhandeln, sonst ziehen sie uns das Fell über die Ohren, und AIM, die internationale Vereinigung der Söldner, sorgt dafür, daß wir nie mehr wieder einen Auftrag bekommen. Wenn du also raus willst, dann sag es! Wir werden dich nicht bestrafen. Dann hältst du dich raus und wir nehmen dir auch nichts übel. Also? Wie ist es? Bist du dabei oder raus aus der Sache?"
Ivan starrte in die Flammen. "Ich bleibe."
Rick fragte sich, ob er sich auf Ivan verlassen konnte. Es bestand die Gefahr, daß er bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit sich absetzte. Sie sollten besser in nächster Zeit auf ihn aufpassen. Er blickte zu den übrigen Mitgliedern der Gruppe. "Was ist mit den anderen? Wenn ihr irgendwelche Zweifel habt, wenn ihr aussteigen wollt, dann ist jetzt der Zeitpunkt, es zu sagen. Thor?" Thor Björnson grinste und streckte den Daumen in die Höhe. Rick blickte hinüber zu Kamiru. "Wie sieht es aus, Kamiru?"
Auch Kamiru nickte und fügte hinzu: "Vielleicht ist es Selbstmord, aber ich sehe keine andere Möglichkeit."
Rick sah zu Manuel. "Manuel?"
"Ich bin dabei, Rick. Wir können nicht mehr zurück."
"Da hast du recht", bestätigte er und blickte in das Dunkel hinter dem Lagerfeuer. Ohne, daß er es bemerkte hatte, umklammerte er sein Amulett so fest, daß die Knöcheln weiß hervortraten. Verwundert ließ er es los. Er mußte sich diese Macke unbedingt wieder abgewöhnen. "Gott steh uns bei, wir können nicht zurück."

Langsam tuckerte der Pickup die Straße hoch, die nach Meduna führte. Der Lack war schon fast vollkommen abgekratzt und hing stellenweise nur noch in Fetzen herab. Insgesamt machte der ganze Wagen den Eindruck, als hätte er jahrelang im Hinterhof gestanden und wäre auf dem Weg zum nächsten Schrotthändler.
Rick hoffte, daß man genau das mit dieser Klapperkiste assoziieren würde. So würden sie weniger auffällig erscheinen, als wenn sie mit einem blitzblanken Militärjeep ankämen. Thor hatte es als ‚Müll auf vier Rädern' bezeichnet, doch das war nötig, wenn sie nichts weiter zu sein scheinen wollten als Bauerntrottel bei einem Stadtbesuch mit ihrem schrottreifen Erbstück von einem Wagen.
Heute morgen in der Frühe war ein Mann, der sich als Trent vorstellte, aufgetaucht und hatte ihnen einen Hinweis gegeben, daß in Meduna etwas Bedeutsames passieren würde. Hätte nicht Melissa Kell ihnen versichert, daß Trent ein guter Freund ist, der den Rebellen schon öfters geholfen hatte, hätten sie ihm höflich, aber bestimmt den Ausgang gewiesen. Wie sich herausstellte, war Trent auch der Mann im Trenchcoat, der sie vom Vergeltungsschlag auf Drassen in Kenntnis gesetzt hatte. Mehr wollte er aber auch nicht verraten, als daß es ein wichtiges Ereignis geben würde, und bevor sie noch eingehender nachfragen konnten, war er auch schon wieder verschwunden.
So wie's aussah, hatte Trent nicht unrecht gehabt. Überall auf den Straßen hatten sich Menschen versammelt und jubelten einem Umzug zu, der sich durch die Hauptstraße schlängelte.
Thor fuhr in eine Seitengasse und brachte den Kleinlaster zum Stehen. Es hätte in dieser Menschenmenge auch keinen Sinn mehr gemacht, sie wären sowieso nicht weit gekommen. Um das Auto mußten sie sich keine Sorgen machen. Auch wenn es in Awano nicht so verbreitet war, ein Auto zu haben, bezweifelte Rick stark, daß jemand sich die Mühe machen würde, diesen Haufen Schrott zu stehlen.
"Schick siehst du aus in deinem Sonntagsanzug", feixte Thor, als sie ausstiegen.
"Das Kompliment gebe ich gern zurück", konterte Rick grinsend. Sie hatten sich ihrer Tarnung gemäß alte Lumpen angezogen, die ihnen eine rebellenfreundliche Familie gegeben hatten. Dazu hatten sie sich noch etwas Dreck in die Haare und ins Gesicht gerieben, damit sie nicht allzu wie aus dem Ei gepellt aussahen. Außer den Pistolen, die sie unter ihren Hosenbeinen in ihre Stiefel gesteckt haben, waren sie unbewaffnet. Sie mitzunehmen war ein Risiko, das sie auf sich nehmen mußten, wenn sie nicht völlig schutzlos im Zentrum der Bloodspillerpräsenz herumlaufen wollten.
Vor ihnen bot sich nur eine einzige Wand aus Leibern, die dichtgedrängt die Hauptstraße säumten. Als sie näher herankamen, vernahmen sie Parademusik, die immer lauter zu werden schien. Sie drängelten sich durch die Reihen der Zuschauer nach vorne, um etwas mitzubekommen.
Mehrere Reihen Soldaten in hübsch ausstaffierten Paradeuniformen marschierten gerade mit Pauken und Trompeten an ihnen vorbei. Sie blieben kurz stehen, drehten sich auf der Stelle um ihre eigene Achse und setzten dann ihren Weg fort. Wie am Karneval flogen bunte Papierschnipsel umher und säumten den Weg der Parade.
Sie hörten es schon, noch bevor sie etwas sehen konnten. Weiter vorne an der Straße fingen die Leute an, lauthals zu kreischen und jubeln, und die Massen gerieten in Bewegung. Manche versuchten, weiter in die Straßenmitte zu gelangen, doch sie wurden von den Soldaten am Straßenrand zurückgehalten. Dann kamen drei Fahrzeuge in Sicht, denen die Schaulustigen anscheinend zuwinkten. Langsam näherte sich der Zug, und die Massenhysterie griff auch auf die Umstehenden über.
Rick konnte sich die Wagen nun näher ansehen. Die militärische Herkunft des Jeeps war für ein geübtes Auge unübersehbar. So wie es schien, war das Fahrzeug eigens für diesen Umzug ausgeschmückt und zweckentfremdet worden. Man hatte ein paar Laken über die Karosserie gelegt und an allen Ecken und Enden Blumenkränze angebracht. Im vorderen und hinteren Wagen standen schwerbewaffnete Soldaten mit Vollvisier und Vollkörperpanzerung. Im mittleren Wagen jedoch stand auf einem Podest ein hagerer Mann in feierlicher Kleidung, flankiert von weiteren Soldaten und einem überkorrekt angezogenen Geschäftsmann, und ließ sich von den Menschen bejubeln, ein aufmunterndes Lächeln aufgesetzt.
"Vivat"-Rufe breiteten sich aus wie ein Lauffeuer, bis die gesamte Menge in sie einstimmte. Hier und da hörte man noch ein "Sanchez, Ole!" oder "Viva la Sanchez!", die fast untergingen im Tumult. Einen Augenblick lang sahen sich Rick und der bejubelte Sanchez in die Augen, dann waren die Wagen schon vorbeigezogen. Die Menschen lösten sich aus der Menge und bildeten eine Traube hinter den Umzugswagen, und auch die Soldaten marschierten mit, um sie notfalls im Zaum zu halten. Unversehens befanden sich Thor und Rick mitten in der Menschenmasse und gingen hinter den Fahrzeugen her. Binnen weniger Minuten hatte sich die Versammlung aufgelöst, die Zuschauer alle hinter der Parade her trottend.
So folgten sie dem Umzug durch die Straßen, und mit jeder Minute wuchs die Anhängerschar. Überall fanden sie dasselbe Bild vor, begeisterte Meduner vor ihren Häusern, ihre Blicke auf die Person auf dem mittleren Jeep gerichtet. Nach einer ganzen Weile kamen sie endlich auf einem großen Platz zum Stillstand. Die drei Fahrzeuge standen in der Mitte, umringt von den Menschen. Rick und Thor befanden sich ziemlich am Rande des Pulkes und hatten einen relativ schlechten Ausblick auf die Geschehnisse auf dem Platz.
"Und was jetzt?" fragte Thor ratlos.
"Wir müssen erst einmal herausfinden, was hier los ist."
"Ausgezeichnete Idee, Rick", meinte er sarkastisch. "Und wie willst du das anstellen? Ich denke kaum, daß diese Lemminge hier noch etwas anderes mitbekommen als das was dort vorne geschieht" sagte er und zeigte auf die Menschen vor ihnen.
"Wenn man was herausbekommen will, dann geht man am besten zur Quelle und fragt." Rick ließ ihn auf dem Bürgersteig stehen und ging auf einen Soldaten zu, der etwas weiter abseits stand und gelangweilt über den Platz schaute.
"Hey, Soldat!" rief er. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, den leichten Akzent eines gebürtigen Awaners zu imitieren, den Gedanken aber wieder aufgegeben. Es war zu leicht, die Karikatur einer Sprechweise zu erkennen, und außerdem waren die örtlichen Sprachmuster kaum auffällig.
Der Soldat drehte sich um und sah ihn wachsam, aber ohne sichtbare Feindseligkeit entgegen. Er hielt jedoch die Hände auf den Hüften und die Finger seiner rechten Hand in Griffnähe seiner im Holster steckenden Pistole. "Meinen Sie mich?"
"Jepp. Äh, wissen Sie, ich bin gerade erst in der Stadt angekommen und wüßte zu gern, was das hier für eine Aufregung ist."
Hatte er etwas Falsches gesagt? Rick achtete sorgfältig auf verräterische Anzeichen - ein Weiten der Nasenflügel oder der Pupillen, eine Anspannung der Muskeln in Hand oder Schulter - aber der Soldat grinste nur, und seine Zähne blitzten weiß durch seinen Bart. "Sie müssen von der anderen Seite dieser verdammten Insel kommen", meinte er.
"Ist heute irgendein Feiertag und ich habe ihn verpaßt, oder wieso sind hier alle so außer sich?"
"Feiertag? Naja, so kann man's nennen. Sagen Sie bloß, Sie haben noch nicht mitbekommen, daß Elliot Sanchez nun der neue Präsident Awanos geworden ist? Er hat Enrico Chivaldori, den ehemaligen Präsidenten, gestürzt und uns von seiner grausamen Herrschaft befreit, und heute tritt er offiziell sein Amt an." Er beugte sich etwas vor und flüsterte verschwörerisch: "Wissen Sie, wenn man während Chivaldoris Amtszeit gefragt worden wäre, hätte jeder versichert, was für ein großartiger Präsident er doch sei. Aber so ist das nun mal eben, anderer Herrscher, andere Loyalitäten." Er richtete sich wieder auf und zuckte mit den Achseln. "Mir ist es sowieso egal. Solange ich mein Geld bekomme, werde ich die Befehle ausführen, die ich bekomme, einerlei, ob es nur darum geht, Wache zu stehen oder Zivilisten zu töten. Befehl ist Befehl. Hast du deine Papiere dabei?"
Die Frage war so beiläufig, daß es einen Augenblick dauerte, bis sie in Ricks Bewußtsein drang. "Papiere?"
Die Hand des Soldaten streckte sich ihm wartend entgegen. "Ja, Landei, Papiere. Die Anschläge sind seit gestern in der ganzen Stadt zu lesen. Her damit!"
Rick hatte die Wahl. Er konnte so tun, als suche er nach nichtexistenten Papieren, während er auf eine Chance hoffte, die Flucht zu ergreifen, oder er konnte völlige Unwissenheit vortäuschen. Er überlegte hastig und entschied sich für die zweite Möglichkeit. Vielleicht konnte er so mehr herausfinden.
Er kratzte sich nach am Kopf. "Ich habe nichts von Papieren gesehen, bin doch erst seit ein paar Minuten hier. Was versuchst du mir da anzudrehen?"
Rick erwartete halb, daß der Mann seine Pistole zog, doch der Soldat sah ihn nur müde an. "Keine Papiere?" Er beschloß, in die Offensive zu gehen, und brüllte: "Was für verdammte Papiere!?"
Ein paar der umstehenden Menschen drehten ihre Köpfe in seine Richtung. Der Soldat beugte sich vor und ließ eine Hand auf Ricks Schulter fallen. Rick spannte sich an bereit, einen Schlag abzufangen oder auszuteilen, aber etwas in der Haltung des Soldaten ließ ihn zögern. Der Mann war entspannt und bot ein völlig offenes Ziel für einen Angriff. Und er lächelte.
"Paß auf, Kleiner, siehst du die Fahne da, die Straße hoch?" Der Soldat deutete hinter sich. "Da ist die Verwaltung. Direkt davor ist ein Schalter. Wenn du da hingehst und mit dem Offizier redest, gibt er dir deine Papiere. Okay?"
"Ja, ich seh's. Und können Sie mir jetzt vielleicht erklären, was hier los ist?"
"Präsident Sanchez hat angeordnet, daß jeder Bürger Awanos registriert werden muß. Sicherheitsvorkehrungen, verstehst du?"
"Sicherheitsvorkehrungen? Gegen was denn?"
"Geh und rede mit Hauptmann Briggs am Schalter vor dem Verwaltungsgebäude. Er wird dir alles erklären." Der Tonfall des Soldaten ließ darauf schließen, daß er Rick für geistig minderbemittelt hielt, und er entschloß sich, den Mann nicht weiter zu bedrängen oder ihn eines Besseren zu belehren. "Jawoll", verabschiedete sich."
Thor wartete immer noch dort, wo Rick ihn stehengelassen hatte. "Auch eine Methode, unauffällig zu bleiben", stellte er fest. "Schreien und brüllen und dafür sorgen, daß einen alle beobachten."
"Ich hielt das für eine gute Idee", gab Rick schnippisch zurück. Er berichtete, was er herausgefunden hatte. "Sieht so aus, als wären wir unser altes Problem los. Aber wieso habe ich so das Gefühl, daß wir mit dem neuen Präsidenten genausoviel Ärger haben werden?"
"Wie kommst du denn darauf?"
"Keine Ahnung. Nenn es Gefühl oder Eingebung, wie du willst. Die Art und Weise, wie er auftrat, wie er sich zeigt und das alles, das paßt einfach nicht zu einem gutmütigen Präsidenten, der das Wohl seines Volkes vor Augen hat."
"Dann knallen wir ihn doch gleich ab."
"Doch nicht hier. Denk doch mal nach. Wie sollen wir denn wieder mit heiler Haut davonkommen? Außerdem können wir uns nicht nur auf mein ungutes Gefühl verlassen, wenn wir sowas durchführen wollen."
"Ich wünschte, Jacqueline wäre hier. Wenn man mal ihre Schießkünste gebrauchen kann, ist sie natürlich nicht da."
"Ist dir eigentlich auch aufgefallen, daß diese Soldaten hier andere Uniformen tragen als die Bloodspillers, denen wir bisher begegnet sind? Ich glaube nicht, daß verschiedene Abteilungen in derselben Einheit so unterschiedliche Abzeichen haben."
"Stimmt, jetzt wo du's sagst, sehe ich's auch. Glaubst du, das hat was mit dem Regierungswechsel zu tun?"
"Das wäre das Naheliegenste, oder? Vielleicht will der neue Präsident - wie heißt er nochmal, Sanchez? - die Soldaten auf ihn einstimmen, und die alte Uniform würde sie nur unnötig an ihre alten Loyalitäten erinnern. Jetzt müssen wir nur noch..."
"Vorsicht!" Thors Augen blitzten warnend und starrten über Ricks Schulter. "Gesellschaft!"
Rick wandte sich um und sah den bärtigen Soldaten, mit dem er sich Augenblicke zuvor noch unterhalten hatte, auf sie zukommen. "Ich habe meinem Freund gerade erzählt...", setzte Rick zu einer Erklärung an.
"Ja, das habe ich gesehen", stellte der Soldat fest. "Ich dachte mir, ich bringe euch vielleicht besser zur Dokumentenstelle, damit ihr euch nicht verlauft."
"Das ist nett", antwortete Rick lächelnd. "Wir wissen, wo es ist, und wir gehen auch hin... jetzt gleich." Die rechte Hand des Militärs ruhte auf dem Griff seiner Pistole. Rick bemerkte, daß der Sicherheitsriemen gelöst war. "Es ist wirklich nicht nötig."
"Ich bestehe darauf." Die vorherige Freundlichkeit des Bärtigen war verschwunden.
Wenn Rick und Thor bis zur Dokumentenstelle gebracht würden, mußten sie eine erhebliche Verringerung ihrer Fluchtchancen in Kauf nehmen. Mit Sicherheit waren dort mehr Soldaten anzutreffen, besser bewaffnet und wachsamer als die isolierten Grüppchen von Ordnungshütern, die sich hier mehr in der Menge treiben ließen, als daß sie sie kontrollierten. Die Gelegenheit zur Flucht war jetzt am günstigsten, bevor ihr Bewacher noch mißtrauischer wurde und sie irgendwo endeten, wo ihre Chance zu entkommen ebenso nichtexistent war wie ihre Papiere.
"Also gut denn", verkündete Rick. Er tauschte einen Blick mit Thor und war angesichts dessen vorsichtiger Miene sicher, daß er die Situation analysiert und zum selben Schluß gekommen war. "Gehen wir."
Rick marschierte in Richtung des Verwaltungsgebäudes los, aber seine ersten Schritte brachten ihn auch näher an den Soldaten und dessen linke Seite. Thor bewegte sich in dieselbe Richtung, hielt sich aber rechts, auf einem Kurs, der ihn in den Rücken des Militärs bringen mußte.
Als dieser erkannte, daß die beiden sich trennten, trat er einen schnellen Schritt zurück und drehte sich zu Thor um. Die Pistole glitt aus dem Holster. "Momentchen mal..." Er brachte den Satz nicht zu Ende, als Rick vorsprang und ihn auf Thor zustieß. Thor reagierte sofort. Sein gestiefelter rechter Fuß schoß durch die Luft. Die Stiefelspitze traf den Soldaten hinter dem Ohr mit blitzartiger Geschwindigkeit und Präzision. Der Kampf war vorbei, noch bevor er richtig begonnen hatte. Der Soldat lag flach auf dem Boden. Rick hob seine Waffe auf, ließ sie aber wieder fallen, als er bemerkte, daß sie noch mit einer drahtverstärkten Halteschnur an dessen Gürtel befestigt war.
"Verschwinden wir!" drängte Thor.
Rick nickte. Der Vorfall war von den Umstehenden nicht unbemerkt geblieben. Diejenigen, die ihn beobachtet hatten, wichen langsam zurück und bewegten sich von den beiden fort, während die Soldaten sich ihnen näherten. Sie kamen aus allen Richtungen und blockierten damit sämtliche Straßen, die vom Platz wegführten.
"Hier entlang", bedeutete ihm Thor und zerrte ihn in die Menge. "Zusammenbleiben. Halt dich dicht an mir."
Sie liefen in die Wand auf Menschen hinein, doch wenn Thor vorgehabt hatte, zwischen ihnen unterzutauchen, dann wurde er enttäuscht. Die Leute standen so dicht beieinander, daß sie sich nicht hindurchquetschen konnten. So zuvorkommend, daß sie irgendwelchen Dränglern zur Seite wichen, waren sie auch nicht, sodaß das Unternehmen gleich nach wenigen Metern endete. Doch zumindest hatte es einige Soldaten dazu gebracht, einen anderen Pfad einzuschlagen, um ihnen den Weg abzuschneiden, wodurch eine Straße nun frei war.
"Sie da! Stehenbleiben!" Die Stimme hatte den Klang von Autorität. Rick machte sich gar nicht die Mühe, über die Schulter zu blicken. Er wußte genau, daß die Soldaten gesehen haben, wie sie sich von der reglosen Gestalt des ersten Soldaten abgesetzt hatten. Thor rannte los und er folgte ihm. Sie huschten schnell um die Ecke und rannten geduckt durch eine verdreckte Gasse voller Schlamm.
"Halt! Stehenbleiben!" tönten hinter ihnen die schwächer werdenden Rufe. Das Ende der Gasse, die auf eine größere Straße traf, kam mit jedem Schritt näher. Plötzlich schob sich eine Gestalt in schwarz-blauer Uniform vor den Ausgang wenige Meter vor ihnen und ging in die Hocke.
"Stehenbleiben, Bauerntölpel!"
Thor warf sich flach auf den Boden, bevor eine Kugel wenige Zentimeter neben ihm in den Sand einschlug. Noch ehe sich Thor wieder aufgerappelt hatte, kam Rick über seinen Rücken gesprungen und stürzte sich auf den Angreifer. Sie rollten beide ein paar Meter über den Boden, bis Rick rittlings oben auf dem Soldaten drauf saß. Zweimal rammte er ihm seinen Ellbogen ins Gesicht, dann trennte er sich von ihm wieder. Von der anderen Seite her, wo sie in die Gasse eingebogen waren, tauchten ihre Verfolger wieder auf.
"Beeil dich!" rief er Thor zu, dann lief er auch schon die Straße hinunter, die wie ausgestorben war. Alle Passanten hatten sich auf dem Platz versammelt. Die beiden gaben ein perfektes Ziel ab, so allein auf offenem Feld.
"Rick, warte mal!" kam es von hinten. Als er stehen blieb und sich umdrehte, sah er, wie Thor an der Tür eines Hauses am Straßenrand rüttelte. Erwartungsgemäß war sie abgeschlossen. Thor bückte sich und zog seine Pistole aus seinem Stiefel. Er ging ein paar Schritte zurück und zielte sorgfältig. Schlösser aufzuschießen war nicht so einfach oder sicher, wie das in Filmen immer dargestellt wird. Ein Querschläger aus Metall konnte auf diese nahe Entfernung den Schützen selber töten. Thor schoß, zweimal. Der Rahmen zersplitterte, und der metallene Riegel des Schlosses kam zum Vorschein in einem Schauer aus Holzstückchen. Thor drückte den Knauf herunter und die Tür schwang auf. Er eilte hinein, Rick hinter ihm und schloß die Tür hinter sich.
Sie verharrten still hinter der Tür und lauschten nach draußen. Kurz darauf hörten sie das Geräusch von genagelten Stiefeln im Eilschritt auf dem Pflaster. Aufgeregtes Gemurmel war vor der Tür zu hören. Rick drückte sein Medaillon und hoffte, daß sie das aufgeschossene Schloß nicht bemerken würden. Nach schier endlosen Sekunden entfernten sich die Stimmen wieder.
Erleichtert atmeten sie tief durch, und Thor riskierte einen Blick durch einen kleinen Türspalt. Die Straße war wieder so leer wie vorher. Ihre Verfolger wähnten sie wahrscheinlich schon viel weiter weg. Bevor die Bewohner des Hauses sie melden konnten, traten sie vorsichtig wieder auf die Straße hinaus.
Thor blickte beiderseits die Straße hinunter. "So, und nun?"
"Ich denke, wir haben gesehen, was Trent uns zeigen wollte. Wir sollten uns lieber davonmachen, solange es noch geht."
"Tja, ich denke, wir schaffen es nicht mehr, ungesehen da durchzukommen." Er zeigte in die Richtung, wo sie den Wagen geparkt hatten. Dazwischen lag der Platz mit den Zuschauern und den Soldaten.
"Dann werden wir eben erst einmal zu Fuß nach Osten hin aus der Stadt müssen. Dann gehen wir außen herum und kommen von Norden wieder in die Stadt hinein und holen das Auto dann ab."
Thor ließ die Schultern hängen. "Na toll. Es gibt nichts Schöneres, als zu Fuß durch die Gegend zu latschen."
"Jetzt jammer nicht rum, gehen wir lieber los."
Sie marschierten los und hielten sich grob ostwärts. Je weiter sie sich vom Stadtzentrum entfernten, desto bescheidener wurden die Häuser. Waren sie in der Stadtmitte noch bis zu drei Stockwerke hoch und mit blitzblankem Marmor verziert, wurden sie mit der Zeit zunehmends niedriger, Marmor durch bloßen Beton ersetzt. Passanten trafen sie kaum an. Die Zivilisten waren allem Anschein nach immer noch größtenteils bei der Parade, und den Militärs gingen die beiden nach Möglichkeiten aus dem Weg oder umgingen sie ganz. Überall an den Wänden hingen Plakate über den neuen Präsidenten Elliot Sanchez, der Awano vom Tyrannen Enrico Chivaldori befreit hat. Gleichzeitig dazu waren aber direkt daneben neue Gesetze ausgehangen, die die Bürger Awanos aufforderten, für den Präsidenten in den Minen zu arbeiten.
Plötzlich kam ein alter Minivan um die Ecke gebrettert und hielt mit quietschenden Reifen vor ihnen. Rick und Thor zogen ihre Waffen und richteten sie auf die Fahrerkabine. Die Tür schwang auf, und ein Mann im Trenchcoat saß hinterm Steuer und winkte ihnen zu.
"Nicht schießen! Ich bin's, Trent."
Stirnrunzelnd nahm Rick seine Pistole herunter. "Was suchen Sie hier, Trent?"
"Keine Zeit für Erklärungen, steigen Sie schnell ein! Wir müssen von hier weg."
"Wo er recht hat, hat er recht, Rick."
"Na gut, aber Sie erklären uns das alles noch."
"Ja, das mache ich auf dem Weg."
Sobald sie eingestiegen waren, gab Trent Gas und sie schossen über den Asphalt hinweg. Während die Häuser an den Seitenfenstern vorbeizogen, lehnte sich Rick im Sitz zurück und wandte sich an Trent.
"So, also was ist das nun für ein Trubel hier?"
"Sie haben vielleicht schon mitbekommen, daß der alte Präsident Enrico Chivaldori gestürzt wurde."
"Von einem gewissen Elliot Sanchez, ja, soviel haben wir auch schon in Erfahrung bringen können", fuhr Thor dazwischen. "Und daß seine neuen Soldaten ziemlich ungemütlich werden können, wenn man sich nicht diese komischen Papiere besorgt. Und weiter?"
"Dieser Sanchez war bis vorgestern der Berater des Präsidenten gewesen. Hält sich im Hintergrund und kümmert sich um die Kleinigkeiten, für die ein Präsident nicht belästigt werden sollte. Steht immer mit Rat und Tat zur Seite und führt Buch. So sollte es zumindest sein. In Wirklichkeit aber hatte er sein eigenes Süppchen gekocht und hatte es immer auf das Amt des Präsidenten abgesehen. Aber er hatte sich das nicht offen anmerken lassen, sondern hatte subtilere Methoden angewandt. Machte den Präsidenten bei den Bürgern unbeliebt, indem er Gerüchte ausstreute oder Aktionen durchführen ließ, dessen Rechenschaft er auf Enrico Chivaldori schob, während er die daraus resultierenden Unruhen als völlig unprovoziert und unbegründet dem Präsidenten darstellte. So baute er einerseits um Chivaldori quasi einen Wall aus Lügen auf, aus dem die Awaner als aufrührerisch und rebellisch hervorgehen, und prägte auf der anderen Seite bei den Bürgern das Bild eines tyrannischen und launischen Herrschers. Er hatte erwartet, daß die Awaner früher oder später Chivaldori absetzen lassen würden, doch dieser hatte als Antwort auf die Handgreiflichkeiten auf Seiten der Zivilisten eine Armee ausgehoben, die auf ihn eingeschworen war. Als Reaktion bildeten sich die ersten Rebellengruppen, und eine Zeit lang hielt sich das Kraftverhältnis im Gleichgewicht. So hätten sich Armee und Rebellen gegenseitig so geschwächt, daß Sanchez bei einem Putsch nicht mit der starken Präsenz einer Meute unzufriedener Soldaten rechnen mußte, und auch von Seiten der Bevölkerung einer möglichen Unzufriedenheit nicht so leicht Luft gemacht werden konnte. Vor einigen Wochen jedoch ließ Chivaldori schweres Kriegsgerät, Panzer, Artillerie, Flaks und so einfliegen. Die Armee gewann drastisch an Macht, und bald waren die Rebellenaktivitäten auf ein Minimum gesunken. Sie konnten gegen solche Waffen wenig ausrichten. Es sah nunmehr so aus, daß der Präsident seinen Willen durchgesetzt hatte."
"Und dann kamen wir", führte Rick den Satz weiter.
"Genau. Ohne die Panzer trauten die Rebellen sich wieder aus ihren Verstecken hervor und nahmen ihre Aktivitäten wieder auf. Und ohne den Militärgouverneur fiel das Oberkommando über die Soldaten an Sanchez. Sein Ziel bestand nun darin, beide Seiten, Bloodspillers und Rebellen, gegeneinander aufzuhetzen. Nach der Schlacht am letzten Dienstag waren die beiden Streitkräfte nun so stark dezimiert, daß er endlich den Schritt gewagt und sich zum Herrscher aufgeschwungen hatte."
"So ein Mistkerl. Uns einfach für seine Pläne zu mißbrauchen. Das erklärt auch, woher die Soldaten in der Villa des Gouverneurs von unserer Ankunft gewußt haben. Also war dieser Elliot Sanchez unser Auftraggeber?"
"Nein, das wäre zu gefährlich gewesen. Diesen Part hat sein Cousin übernommen, Walter Rutherford, Geschäftsführer von QualTek, einer Firma für Supraleiter und Biotechnik. QualTek war der Geldgeber hinter Sanchez' Unternehmungen, und Rutherford wird anschließend seine Angestellten nach Awano transferieren, um vor Ort Untersuchungen an dem Zortrium durchführen, das es hier gibt."
"Zortrium?" fragte Thor dazwischen. "Was ist das?"
"Ein Metall, höchst selten. Gibt es hier in relativ lohnenswerten Mengen, weil in der Nähe vor langer Zeit ein Meteor eingeschlagen ist. Der hatte das tonnenweise mitgeschleppt und auch andere Bodenschätze an die Oberfläche gehoben. Daher ist QualTek auch so scharf auf diese Insel, weil er sich viel Gewinn von der Verwertung von Zortrium verspricht. Und Sanchez läßt ihn gewähren, weil sein lieber Cousin ihm viel für den Zugang zu den Schätzen zahlt, womit er seinen Staatshaushalt und die Soldaten unterhalten kann."
"Mal eine dumme Frage", wollte Rick wissen. "Woher wissen Sie das eigentlich alles? Dieser Sanchez wird seine Pläne wohl nicht öffentlich verkündet haben?"
Trent bedachte ihn mit einem Seitenblick. "Ich habe da so meine Quellen. Mehr brauchen Sie darüber nicht zu wissen." Er warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, und seine Augen wurden zu Schlitzen. "Außerdem haben wir Gesellschaft."
Thor und Rick drehten ruckartig ihre Köpfe nach hinten. Zwei schwarze Impaler fuhren nebeneinander hinter ihnen her, verdunkelte Fenster, keine Nummernschilder.
"Los, gib schon Gas!" rief Rick Trent zu.
Trent trat aufs Pedal, und der Wagen machte einen kleinen Hüpfer, als der Minivan beschleunigte. Rick warf wieder einen Blick zurück und sah, wie die beiden Sportwagen ihre Fernlichter einschalteten und ebenfalls beschleunigten. Gewehrschüsse schallten durch Medunas warme Nachmittagsluft. Die Heckscheibe zeigte Risse, und das Glas splitterte.
Rick duckte sich in seinem Sitz und zog seine USP. "Schüttel sie ab!"
Trent ging mit hundert Sachen um die Kurve, so daß Thor und Rick halb durch die Kabine flogen. Thor hatte sich schon wieder aufgerichtet und erwiderte das Feuer durch die zerschossene Heckscheibe. Die Neunmillimeter Explosionen seiner P99 waren im engen Raum des Wageninneren so laut, daß Rick die Ohren klingelten. Der Minivan schoß die Straße hinunter, die beiden Impaler dicht auf den Fersen. Trent klammerte sich fest an das Lenkrad und starrte konzentriert auf die Straße vor sich. Der VW war zu schwer, um die Impaler auszumanövrieren. Auch ohne die drei Insassen war der sperrige Wagen nicht gerade ein Kraftpaket. Wenn sie es schafften, die Verfolger abzuschütteln, wäre es ein kleines Wunder. Ihre einzige Chance lag darin, etwas Verkehr zu finden und etwas Dribbeln zwischen den Autos zu spielen. Es war zwar gefährlich, aber herumzurennen und erschossen zu werden war nicht viel besser.
Mit einem Klicken schoß Thor sein Magazin leer und ging wieder in Deckung. Er hatte die Rückenlehne heruntergedrückt, um besser schießen zu können. Rick gab ihm Feuerschutz, während er nachlud. Das ohrenbetäubende Donnern seiner Handfeuerwaffe klang durch die Kabine. Weitere Schüsse kamen von ihren Verfolgern zurück. Ein paar Kugeln pfiffen gefährlich nahe an ihren Köpfen vorbei. Rick schoß sein Magazin leer und schaute kurz nach vorne. Trent hatte den Wagen wieder in Richtung Stadtzentrum gewendet, doch durch die heutige Parade war absolut niemand auf den Straßen und damit auch kein Verkehr, in dem man sie hätte abhängen können.
Rote und blaue Lichter blitzten über den Dächern der Impaler auf. Vielleicht waren es wirklich Polizisten, die nur von Elliot Sanchez mißbraucht wurden, um sie zu jagen. Das würde die Sache verkomplizieren, denn sie wollten nicht, daß Unschuldige verletzt werden. Von Sanchez übers Ohr gehauen zu werden, war kein Verbrechen, und wenn das wirklich die Polizei ist...
"Keine Antennen, keine Warnung, keine Cops!" rief Trent über die Schulter. "Hell Reapers, Sanchez' Schergen, seine neu ausgehobene Privatarmee."
Rick hatte Zeit, einen Moment der Erleichterung zu verspüren, bevor er die Sandsack-Barrikade dreihundert Meter vor ihnen sah. Ein Auto hatte sich quer auf die Straße gestellt und ein paar Soldaten hatten vor den Wagen Stellung bezogen. Ein paar Kugeln zauberte Risse in die Windschutzscheibe. Als der VW nichtsdestotrotz weiter auf sie zuraste, warfen sie ihre Waffen weg und sprangen zur Seite. Es wäre lustig anzuschauen gewesen, wenn sie nicht mit hundert Stundenkilometer auf die Barrikade zusausen würden.
"Festhalten!" schreite Trent eine Warnung zurück, und Rick konnte gerade noch seine Finger in das Sitzpolster krallen, bevor die Reifen quietschten und der Wagen sich zur Seite neigte. Er förmlich fühlen konnte, wie unter ihm die rechte Seite des Minivans den Bodenkontakt verlor und wurde nach links gegen die Seitentür gedrängt. Einige Momente schlingerte der Wagen gefährlich herum, bis er mit lautem Geschepper wieder auf den Asphalt zurückfiel und Trent den VW wieder unter Kontrolle zu haben schien. Das durchdringende Geräusch aufkreischender Bremsen hatte sich jedoch immer noch in den Ohren festgesetzt.
Die Explosion von Metall und zersplitternden Glases hinter ihnen war so nah, daß Ricks Herz einen Schlag aussetzte. Er drehte sich um, schaute zurück und sah, daß einer der Sportwagen in die Barrikade gekracht war. Die Barrikade, in die sie vor ein oder zwei Sekunden selber gerast wären. Er konnte nur einen flüchtigen Blick auf eine verknitterte Motorhaube, zerbrochene Fenster und eine Säule aus öligem Rauch erhasche, bevor der zweite Impaler die Verfolgung wieder aufnehmend um die Ecke fegte und ihm die Sicht blockierte.
"Sorry!" rief Trent über die Schulter nach hinten, was sich aber ganz und gar nicht so danach anhörte. "Alles in Ordnung da hinten?"
"Ziemlich durchgeschüttelt, aber noch in einem Bereich, den ich mit ‚in Ordnung' bezeichnen würde" kam es von Thor, der sich mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck die Schulter rieb. "Aber ich denke nicht, daß..."
Was immer Thor auch dachte oder nicht dachte wurde durch einen ohrenbetäubenden Schuß unterbrochen. Einer der Passagiere des Impalers einen Häuserblock hinter ihnen hatte eine Shotgun auf sie abgefeuert. Ein paar Handbreit höher und der Schrot wäre durchs Fenster gesegelt.
"Hey, Trent, Plan B!" rief Rick, als der Wagen auswich. "Wir sind in ihrem Sichtfeld..."
Bevor er aussprechen konnte, bog Trent scharf nach links. Thor wurde durch die Kabine geschleudert und knallte beinahe gegen Rick. Trent drückte die Pedale nochmal tief durch und jagte den Minivan die ruhige Nebenstraße hinunter, in die sie eingebogen waren. Als er einem schlecht geparkten Truck auswich, gewann der Impaler wieder an Boden. Die Verfolger gaben wieder einen Schuß ab, doch er war zu hoch angesetzt und ging über ihre Köpfe hinweg.
"Plan B", setzte Rick wieder an. "Bereitet euch auf einen Zusammenstoß vor. Trent, bieg um die nächste Ecke und mach eine Vollbremsung. Zuschlagen und weiterfahren, verstanden? Wenn sie uns unbedingt haben wollen, dann sollen sie bekommen, was sie wollen."
Trent murmelte etwas zustimmendes in sich hinein, und Thor nickte bedächtig. Er stemmte die Füße gegen die Rücklehne, den Kopf zwischen den Knien und klemmte sich regelrecht in seinem Sitz ein. Trent brachte den VW schlitternd in die nächste Kurve und trat die Bremse bis zum Anschlag durch. Mit einem Ruck blieb der Wagen stehen und würde gleich von anderthalb Tonnen Metall und Glas getroffen werden.
Rick atmete tief durch, entspannte seine Muskeln so gut es ging, schloß die Augen und konzentrierte sich auf das Geräusch der kreischenden Bremsen hinter ihnen, das sich schnell näherte. Mit einem unglaublichen Krach zerbrechenden Glases und einer zerdrückten Dose, nur tausendfach verstärkt, kam der Aufprall, und ein gewaltiger Ruck ging durch die Karosserie. Rick wurde aus seinem Sitz gehoben und schlug mit dem Rücken hart gegen die Lehne des Beifahrersitzes. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus dem Lungen, und für ein paar Momente japste er verzweifelt nach Luft. Die Sekunden wurden zu Ewigkeiten. Und es war vorbei, und Trent trat aufs Pedal, als Thor schon wieder auf den Beinen war und seine Pistole zückte. Er warf einen Blick aus der Heckscheibe und sah den Impaler bewegungslos und zusammengestaucht mitten auf der Straße stehen, die gesamte vordere Hälfte zerschmettert. Die zusammengesunkenen, schattenhaften Gestalten hinter der rissigen Windschutzscheibe waren genauso leblos wie der ruinierte Wagen.
Sie selber hatte es nicht viel besser getroffen. Dem sowieso schon nicht besonders gut in Schuß gehaltenen Minivan fehlten die Stoßstange, Rücklichter und rückwärtige Nummernschilder - geschweige denn die Möglichkeit, die verzogene und zertrümmerte hintere Tür zu öffnen.
Klappernd entfernten sie sich vom Wrack des Sportwagens und fuhren auf dem schnellstmöglichen Weg aus Meduna heraus.
"Netter Trick, Rick", meinte Thor. "Muß ich mir fürs nächste Mal merken, wenn meine Fans wieder hinter mir her sind."
"Wer zum Teufel war das?" wollte Rick wissen. "Du hattest vorhin etwas von Hell Reapers gesagt?"
"Ja, Sanchez' neue Bluthunde. Ihr erinnert euch, daß er die alte Staatsarmee erst kampfunfähig machen mußte, damit keine falsche Loyalität ihm schaden konnte? Nun, das ist der Ersatz dafür, denn schließlich kann er ja nicht ohne Militärmacht sein Terrorregime aufbauen."
Ricks Miene verdüsterte sich. "Ich habe so eine Vorahnung, daß wir es noch oft genug mit ihnen zu tun haben werden."


Von Zhizhou Fang


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