Teil 2 - Doppelter Verrat
"Messer im Rücken, Blut in der Lunge und Staub im Gesicht - einigen
Leuten kann man einfach nicht vertrauen, egal unter welchen Umständen."
Am nächsten Morgen stand Mark auf dem Balkon und starrte in die Häuserschluchten,
verfolgte das Flirren der aufsteigenden Luft und beobachtete, wie die Straßen
langsam mit Leben füllten. Wie lange war es her, dass er einfach so mal
irgendwo gestanden hatte, um die Ruhe zu genießen? Zu lange. Er wandte
sich wieder von der Morgensonne ab und betrat das Wohnzimmer der Suite. Dem
Zustand des Bettes nach zu urteilen hatte sich Avenger schon etwas früher
abgesetzt; Mark war wieder alleine. Nach dem Stress der letzten Wochen wusste
er genau, was ihm wieder auf die Beine helfen würde - Duschen. Mit vorsichtigen
Bewegungen entledigte er sich seiner Kleidung, die in einem Haufen von unübersehbarer
Beispielhaftigkeit für Marks innere Unordnung landete. Er betrachtete seinen
nun gänzlich entblößten Körper für ein paar Sekunden
und stellte ein paar Dinge fest.
Seine Haut war dunkler geworden, aber auf seiner Brust war immer noch die Form
des Kreuzes sichtbar - das Kreuz, das ihm kürzlich abhanden gekommen war,
dessen Umrisse sich aber trotzdem noch klar und deutlich abzeichneten. Seine
alten Narben waren blasser, erschienen weniger stark - mache waren sogar ganz
verschwunden. Seine Muskeln spannten und entspannten sich mit einer Geschwindigkeit
und Härte, wie er sie selbst in seinen besten Tagen nie erlebt hatte -
er hätte schwören können, dass einige Bewegungen so schnell waren,
das sie vor seinen Augen verschwammen.
Aber hauptsächlich fiel ihm auf, dass er wirklich, wirklich dreckig war.
Mit einem inneren Schulterzucken betrat er das Badezimmer, wo er feststellte,
dass die Dusche über eine ziemlich stabil aussehende Plastikverkleidung
verfügte - es kostete ihn einiges an Überwindung, sie zu betreten
und das Wasser aufzudrehen. Zu seiner Überraschung war das Wasser - nun
ja, es war warm, wohl etwa 42 Grad Celsius. Nichts, was irgend jemanden erschreckt
hätte, der sich nicht schon mal mit einer Hitzeaura aus einer Waschgelegenheit
ähnlicher Konstruktion gerettet hatte - nun ja, aber dies galt nun einmal
für Mark nicht, deshalb dauerte es einige Sekunden, bis er sich wirklich
entspannen konnte.
Dann klingelte sein Handy.
Laut fluchend sprang Mark aus der Dusche und versuchte, sich in aller Eile
ein Badetuch um die Lenden zu wickeln, bevor er aus dem Bad stürzte. Wie
oben angesprochen, impliziert ein Versuch immer, das etwas schief gehen kann
- und auch diesmal hatte Mark kein Glück, als sich das Tuch im Lauf löste
und er darüber die Balance verlor. Mit knapper Not konnte sich Mark rechtzeitig
abbremsen und vermied eine Kollision mit der gläsernen Balkontür.
Wortlos schnappte er sich das Tuch und wickelte es erneut um seinen Unterkörper,
dann nahm er das Handy vom Nachttisch und nahm den Anruf an.
"Hallo ?"
"Hey Mark, Azuriel hier. Ich kenne jetzt dein Ziel. Fredo Besucchi, der
Sohn des Dons der Familie. Macht schon ne ganze Zeit Ärger in Rom, und
gerüchteweise weiß er wo das Siegel liegt. Er wird die Informationen
nicht freiwillig rausrücken. Es gibt auch andere Fraktionen, die an ihm
interessiert sind, eventuell kannst du mit denen Kontakt aufnehmen. Meine Quelle
war ziemlich vage, also kann ich dir keine Namen nennen. Am besten wird sein,
du bringst ihn zu seinem Vater zurück, der wird sich um alles Weitere kümmern."
"Und wie sieht es bei dir aus?"
"Stecke noch am Flughafen von Neu Delhi fest. Ich rufe dich wieder an,
wenn's etwas Neues gibt."
"Az ?"
"Ja ?"
"Ruf mich nie wieder an, während ich unter der Dusche stehe!"
Mark schaltete sein Handy ab, trocknete sich ab, dann warf er sich wieder in
seine Kleidung und sah nach seinen Waffen.
Mit einem lauten Krachen ergoss sich der Inhalt einer größeren Tragetasche
auf Marks Bett; ein großer Haufen aus Waffen und kleinen mit Munition
gefüllten Beuteln. Mark begann, seine Bewaffnung zusammenzustellen und
griff scheinbar wahllos in die Menge, betrachtet seine Beute kurz, dann warf
er sie zur Seite auf einen anderen Haufen oder wieder zurück ins Gemenge.
Nach einigen Minuten hatte er seine Waffen aussortiert und betrachtete sie noch
einmal.
Mit Erstaunen stellte er fest, dass die beiden USP Tactical auf mysteriöse
Weise wieder aufgetaucht waren.
Mark hatte es sich schon abgewöhnt, in Bezug auf das plötzliche Verschwinden
oder Erscheinen von Personen, Gegenständen oder Phänomenen noch irgendwelche
Fragen zu stellen. Sicher, all dies verstieß mehr oder minder schwer gegen
die etablierten Gesetze der Physik - aber sein wir mal ehrlich, Newton und Einstein
waren auch bloß Menschen, und nichts ist so schwer in Formeln zu fassen
wie launische übernatürliche Wesen. (Die dazu benötigten Formeln
der vereinigten Feldtheorie und das berühmte quadratische Lebenssinn-Integral
- sollten sie von Menschen je entdeckt werden - werden laut Meinung der meisten
himmlischen Experten in ihrer Komplexität nur von der Einkommenssteuer
übertroffen.) Auf jeden Fall nahm Mark eine der USPs in die Hand und betrachtete
sie für ein paar Millisekunden, bevor er sich sagte, dass ein Mangel an
geeigneter Munition jede ernsthafte Verwendung der beiden Waffen unmöglich
machen würde. Darum warf er die Waffe wieder zurück auf den Stapel.
Wäre es nicht Mark gewesen, der sie durch die Luft schickte, wäre
die Waffe wohl sogar liegen geblieben.
So aber beobachtete er mit einer Mischung aus Erstaunen, Erfurcht, Angst, Verwirrung
und Hunger auf Rührei, wie sich die Waffe in der Luft hielt - sie hing
einfach da, ohne ersichtlichen Grund. Dann folgte die zweite USP ihrem Vorbild
und gesellte sich neben jene, was dazu führte, das jetzt beide Waffen parallel
in greifbarer Distanz vor Marks Kopf schwebten. Die Schlitten der beiden Waffen
glitten zurück; ebenfalls ohne äußere Krafteinwirkung lösten
sich die Magazine aus den Griffstücken und gewannen an Höhe, bis sie
wenigstens zehn Zentimeter über den Waffen selbst schwebten.
Aus irgendeinen Grund fühlte Mark das ungeheure Bedürfnis, nach den
Magazinen zu greifen, tat dies und stellte fest, dass aus irgendwelchen unerfindlichen
Gründen Geräusche aus jenen drangen, ein leises Zischen von Luft,
die einem sich plötzlich materialisierenden Objekt Platz machte. Eine genauere
Inspektion wurde ihm erspart, denn nach zwei Sekunden erschienen am oberen Rand
der Magazine je eine Kugel. Oder, um diese Absätze einfacher auszudrücken,
aus irgendeinem Grund hatte Mark die Fähigkeit wiedergewonnen, Munition
zu regenerieren. Bevor er sich selbst irgendwelche tiefsinnigen philosophischen
Fragen stellen konnte, luden sich die Magazine von selbst in die USPs, die dann
wiederum in Griffweite schwebten, so, als bettelten sie ihn an, sie in die Hand
zu nehmen. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck fasste er die Waffen
und packte sie in zwei Hüftholster.
"OK, das reicht. Kein Bier zum Einschlafen mehr."
Mark packte seine Waffen zusammen und entschied sich dafür, auf den Schock
erst einmal zu frühstücken. Allerdings hatte er es inzwischen gründlich
satt, unvorbereitet in irgendwelche Feuergefechte hinein zu geraten, also packte
er seinen Colt und die Desert Eagle zusätzlich noch in seinen Mantel und
hing sich die schwere CAWS in einer Schlaufe unter die rechte Schulter - eine
etwas ungewohnte Transportmethode, aber um einiges weniger auffällig, als
sie per Schulterriemen auf dem Rücken zu tragen. So vorbereitet begab er
sich auf die Straßen, um nach einem kleinen Restaurant zu suchen.
Die italienischen Straßen lebten.
Der Effekt ist schwer zu beschreiben, aber im Wesentlichen läuft es darauf
hinaus, dass solche abstrakten Konzepte wie "Ruhe", "alleine"
oder "deine eigenen zwei Kubikmeter Luft" hier nur wenig Bedeutung
hatten. Wenn man einen Vergleich mit einer menschlichen Arterie machen würde,
wäre die Diagnose eindeutig Bluthochdruck durch Verengung - die so schon
engen Straßen waren mit diversen Marktständen voll gestopft, und
Tausende von Menschen, Touristen mit lächerlichen Strohhüten, Ureinwohnern,
Polizisten und nicht näher zu identifizierenden Primaten drängten
sich durch die Enge. Um wieder zur Analogie zurückzukehren, im Sommer stand
Rom ständig kurz vor einem Herzinfarkt. Und wie das bei solchen Staus üblich
ist, befand sich Mark genau in der Mitte und verlor bereits nach einigen Minuten
den Überblick.
Manche Leute behaupten ja, ganze Arten wären durch Stress ausgestorben,
und Mark war sicher kurz davor. Der Hunger nach einem Toast mit Speck verblasste
gegenüber dem Verlangen nach Sauerstoff. Die Situation eskalierte eindeutig
und förderte in allen Teilnehmenden die eher primitiven Instinkte und Verhaltensmuster,
wohingegen die Logik selber ein bisschen Urlaub im Urlaub machte und die Hauptrecheneinheit
im Schädel langsam den Hitzetod starb. Tja, Overclocking sollte man nicht
übertreiben, und als dann jemand Mark von der Seite anlaberte, hisste die
Hirnrinde endgültig die weiße Flagge und gab das Steuer an den nächst
bestem Trieb weiter.
"Schöne Handtaschen !"
"Harte Faust !"
Mit einem gewissen Schwung verpasste Mark dem verdutzten Straßenhändler
eine rechte Gerade direkt auf das Nasenbein, was selbigen mit blutigem Riechorgan
auf den sparsam bemessenen Boden schickte. Der Effekt dieser Kurzschlusshandlung
war in etwa so, als hätte Mark im tiefsten Dschungel eine Ladung TNT hochgehen
lassen.
Erst glotzen die Affen, dann flüchten sie auf die Bäume.
Nachdem nun Mark mit einem etwas ungünstig gewählten Gesichtsausdruck
in die staunende - und schweigende - Menge blickte, gab es erst einmal überhaupt
keine Reaktion. Dann schrie jemand, dass Mark eine Waffe hätte, und wie
das mit der Wahrheit so ist, kam sie zum falschen Zeitpunkt. Mit einer fast
urtümlich-chaotischen Geschwindigkeit versuchte jeder, sich so weit wie
möglich von Mark zu entfernen, was natürlich - jeder kennt dieses
Phänomen - nirgendwo hin führte, außer ins Krankenhaus. Mit
überraschender Sehschwäche lief jeder jedem in die Arme, man stieß
Stirn gegen Stirn, wurde noch wütender und panischer, und am Ende brach
eine Massenschlägerei aus, was dazu führte, dass niemand mehr auch
nur im Geringsten an Mark dachte. Etwas erstaunt von diesem doch durchaus interessanten
Verhalten machte dieser sich wieder auf den Weg, nachdem er dem ebenfalls etwas
verwirrten Straßenhändler wieder auf die Beine geholfen und sich
entschuldigt hatte.
Nach einiger Zeit erreichte er ein kleines Bistro und setzte sich an einen
einsamen Tisch, bestellte sich mit verzweifelt zusammengeklaubten Wortfetzen
einen Capuccino und betrachtete seine Umgebung. Trotz der vielen Menschen, die
offenbar nichts Besseres zu tun hatten, als sich Koffein hinter die Binde zu
kippen, war es auffällig ruhig. Nun ja, auch das entspricht nicht ganz
den Tatsachen, der Lautstärkepegel im Hintergrund war schon wahrnehmbar,
aber vor Marks Ohren verschwammen die Worte in einer fremden Sprache zu einem
einzigen, dumpfen Rauschen. So betrachtet war es für Mark vom Vorteil,
das er kaum Italienisch sprach; wenn er verstanden hätte, über welche
Banalitäten hier geplaudert wurde, hätte es ihn wohl noch etwas weiter
in den Wahnsinn getrieben.
"Mr. Simmons ?"
Mark drehte sich erschreckt um und starrte in die Augen - also in die verspiegelten
Gläser einer dieser verdammten billigen Sonnenbrillen - eines konservativ
gekleideten männlichen Europäers mit leicht spanischem Akzent.
"Die Armee der Sterblichen schickt mich."
Mark fischte die Desert Eagle aus dem Mantel und entsicherte die schwere Pistole
so leise wie möglich.
"Ihr geht mir langsam auf die Nerven. Ich bin verdammt müde und habe
schon seit Tagen nichts Vernünftiges mehr gegessen, ist kein schönes
Leben auf der Flucht. Also, bestellen sie sich was, wir frühstücken
gemeinsam, und dann gehen wir vor die Tür und erschießen uns mit
unseren fortschrittlichen Primatenhänden. OK?"
"Ich bin hier, um ihnen zu helfen."
Mark gähnte.
"Geben sie mir einen guten Grund, warum ich ihnen nicht mit meiner .50
ein paar neue Körperöffnungen verpassen sollte."
"Schauen sie, ich gebe ihnen die Adresse von Fredo Besucchi und eine Übersicht
über die Wachen. Sie müssen ihn nur noch festnageln, das Siegel sichern
und hier abhauen. Wir werden uns nicht mehr in ihre Geschäfte hier einmischen."
"Na toll. Gibt's das auch schriftlich?"
"Vertrauen sie uns nicht?"
"Ungefähr so weit, wie ein Amboss hüpfen kann."
"Wenn sie es so wollen. Ich lasse ihnen die Informationen da. Benutzen
sie sie, verbrennen sie sie, zerreißen sie das Papier und rollen sie sich
ein paar Joints damit. Geht uns nichts mehr an."
Der Agent donnerte einen Umschlag auf den Tisch, verneigte sich höflich
und verschwand dann wieder hinaus auf die Straße.
Mark starrte auf den Umschlag. In seinem Inneren kämpften mehrere Gedanken
miteinander.
"Vielleicht ist da eine Bombe drin, die hochgeht, wenn du den Umschlag
öffnest?"
"Die Informationen könnten dir sehr hilfreich sein."
"Wieso hilft dir die AdS?"
"Was für eine schimmlige Milch haben die dir in den Kaffee gerührt?"
Schließlich siegte die Neugier, und der Umschlag öffnete sich unter
guter Zurede von Marks Händen. Nach kurzem Schütteln landete ein Bündel
Papiere auf dem Tisch, sonst nichts. Keine Wanze, keine Bombe, keine Postwurfsendungen.
Mark betrachtete die Schriften, blätterte hastig durch die Seiten und prägte
sich alles gut ein; schließlich zahlte er sein Getränk, verließ
das Bistro und wanderte in eine Seitenstraße, wo er - ohne zu zögern
oder nachzudenken - den Stapel Papier mit einem Feuerzeug anzündete und
den brennenden Haufen Altpapier auf den Boden warf, um sich schleunigst aus
dem Staub zu machen. In seiner Eile rannte er an einem Van vorbei, der so unauffällig
war - legales Kennzeichen, Scheinfirma als Werbung und kleinere Rostspuren -,
das Mark ihn vermutlich bemerkt hätte, wenn er denn auf solche Dinge geachtet
hätte. Im Inneren des Wagens wartete der Agent der AdS, sah Mark und griff
nach einem Funkgerät.
"Fuchs an Löwe. Der Falke ist gestutzt wurden."
Nach einer halben Stunde hatte sich Mark trotz mangelhafter Sprachkenntnisse
soweit durchgefragt, um zu wissen, wo Fredo lebte, was er für ein herzloser
Bastard war und wo man die absolut besten Handtaschen aus 100% echtem Leder
kriegen kann. Den langweiligsten Teil seines Aufenthalts hatte Mark jetzt noch
vor sich - Observation. Nach kurzem Einkaufsbummel bei einem Optiker suchte
er sich ein schönes Hochhaus, legte sich auf eine alte Wolldecke und zückte
ein kürzlich erstandenes Fernglas, um die Villa auszukundschaften. Er zählte
etwa zwanzig Sicherheitskräfte, alle mit Funkgerät und automatischen
Waffen. Der Park um das Haus war zwar mit Büschen voll gestopft, aber auf
den ersten Blick offenbarten sich keine Lücken im Muster der Wachen.
"Also wieder ein Nachtspaziergang."
In den nächsten Stunden beobachtete Mark die Villa weiter, notierte sich,
welche Wege die Wachen liefen, vermerkte die Uhrzeiten der Wachablösungen
und versuchte, einige Entfernungen im Anwesen zu schätzen. Er kam schließlich
zu der Schlussfolgerung, dass er von solchen Dinge keine Ahnung hatte und er
am besten einfach den Strom ausknipsen sollte, um dann in der entstehenden Verwirrung
die Villa zu stürmen. Da er sich etwas erschöpft fühlte, schlief
er mehrmals fast auf der Decke ein, bis er sich bei Einbruch der Dunkelheit
aufraffte und im nächsten Gully Unterschlupf suchte. Nach kurzer Untersuchung
eines Sicherungskastens kam er zu dem Schluss, dass er auch hiervon keine Ahnung
hatte - aber mit seiner typischen Gelassenheit entfernte er einfach alle Sicherungen
und bemerkte mit einem gewissen Stolz, dass über ihm so ziemlich alle Lichtquellen
plötzlich nicht mehr so recht Lust hatten, zu leuchten.
Durch geschicktes Nutzen eines ungünstig platzierten Mülleimers und
etwas Vertrauen in seine Fähigkeit zum Springen landete Mark schließlich
- wieder an der Oberfläche - in dem Garten um Fredos Villa, dessen Wachen
anscheinend alle auf dem Weg zum nächsten Elektrowarengeschäft waren,
um sich ein paar Dutzend Taschenlampen zu besorgen. Demzufolge war auch das
Eindringen in das eigentliche Haus kein Problem mehr. Mit einer gewissen Überheblichkeit
spazierte Mark durch das Haus, zückte seine CAWS und gelangte schließlich
an eine verschlossene Tür, die er mit seinem automatischen Universalschlüssel
zum Öffnen überredete. Als er eintrat, verging ihm jedoch das Lächeln
- denn dort stand nicht nur ein ruhiger, gelassener, entspannter Fredo, sondern
auch der Spanier.
"Ah, Mr. Simmons. Sie sind spät dran für unsere kleine Party."
"Was zum Teufel geht hier vor? Wieso haben sie mich hierher gelockt? Ach
na ja, wenn ich es mir recht überlege, interessiert es mich eigentlich
nicht. Noch irgendwelche letzten Worte?"
Mark hob seine Flinte und legte an.
"Nicht so hastig. Sie wollen doch nicht unseren gemeinsamen Freund erschrecken,
oder?"
Mit diesen Worten lachte der Spanier und klopfte Fredo auf den Rücken -
dieser fiel der Länge nach auf den Boden, steif wie ein in Stahlbeton gegossener
Baumstamm.
"Diese Wachsfiguren sind täuschend echt, nicht? Wir haben da noch
eine Kopie am Schreibtisch, aber die hat kein Gesicht. Sie haben in den letzten
Stunden sowieso nur den Rücken gesehen."
"Wo ist Fredo?"
"Der echte Mafiaboss? Dort drüben im Kleiderschrank, mit einem von
ihren Messern im Rücken. Das wird seinem Vater aber nicht gefallen."
"Das reicht jetzt, Arschloch. Friss Wolfram!"
Der Spanier lächelte und schüttelte den Zeigefinger.
"Wenn sie mich erschießen mit ihrer tollen automatischen Waffe, zerstören
sie die Ampulle mit dem Gegengift."
"Gegengift?"
"Sie sind zu vertrauensselig, Mr. Simmons. Oder sollte ich sie lieber Reap'
nennen? Die Papiere waren mit einem Kontaktgift bestrichen, dass sie über
die Poren in ihren Fingern aufgesogen haben. Sie sollten die Wirkung langsam
spüren - Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindelgefühle
Wenn
sie das nicht umbringt, wird es Fredos Vater tun. Ich mache ihnen einen Vorschlag.
Sie legen jetzt ihre Waffen ab und folgen mir auf die Straße. Dann verraten
sie mir noch, wo ihre Freunde sind, und dafür kriegen sie von mir eine
neue, wasserdichte Identität inklusive einem neuen Gesicht und neuen Fingerabdrücken
- gratis, versteht sich. Ach, ich bin heute spendabel. Ich lege noch ne halbe
Million US-Dollar drauf. Damit können sie sich auf einer schönen kleinen
Farm niederlassen, und wir kommen ihnen nicht mehr in die Quere, wenn sie uns
nicht in die Suppe spucken."
Mark schauderte vor Angst und Verwirrung; das Gift fraß sich durch seinen
Verstand und hinterließ ein fiebriges Gefühl, so dass die Welt vor
seinen Augen verschwamm. Deshalb nahm er die folgenden Sekunden nur verschwommen
wahr. Der Spanier lachte, lachte ihn aus, und sein Haar flammte auf. Nein, kein
Spanier. Ein Dämon. Ein verflixter Dämon. Wieso verschwamm der Raum
vor seinen Augen? Der Boden gab ihm kaum noch Halt; sein Bewusstsein drohte,
sich zu verabschieden. Der Spanier beugte sich zu ihm herunter und zückte
eine Ampulle.
"Wollen sie die hier?"
Mit einem Krachen bewegte sich eins der Fenster - oder präziser, etwa
2543 Fragmente dessen - aus der Flugbahn eines schwarzen Bündels, dass
nach kurzer Flugphase auf dem Boden landete und sich als Avenger entpuppte,
die sich ohne weitere Zeitverschwendung aufrichtete und ihre rechte Hand mit
einem doch recht beeindruckenden Kampfmesser füllte.
"Irgendwelche letzten Worte, bevor ich ihnen die Finger abschneide und
sie ihnen zum Abendessen frittiere?"
Woran erkennt man, dass jemand mit einem bestimmten Ereignis nicht gerechnet
hat? Nun ja, es gibt mehrere Möglichkeiten. Entweder sie blinzeln mit dem
linken Augenlid, ballen eine ihrer Hände zu einer Faust - oder sie vergessen
ihre Manieren und kontern mit unfeinen Bemerkungen. Wie aus der folgenden Bemerkung
des Spaniers zu entnehmen war, hatte er nicht damit gerechnet, das jemand dumm
genug wäre, Mark helfen zu wollen, und deshalb fluchte er in leicht übertriebener
Lautstärke auf Spanisch in einem Vokabular, dessen genaue Wiedergabe die
Regeln des Anstands verletzen würden - im wesentlichen ließe es sich
aber mit etwas übersetzen, das so ähnlich klänge wie:
"Friss Blei, Schlampe!"
Vielleicht lag es an der Droge, aber Mark blickte auf seinen Nemesis, der in
Zeitlupe nach einer Waffe griff. Ohne lange zu überlegen, stieß sich
Mark vom Boden ab und krachte mit beeindruckender Stärke in den Spanier,
der daraufhin nach vorne stolperte und seine Waffe fallen ließ, aber dank
blitzschneller Reflexe bei der Landung abrollte und sich in Richtung der nächsten
Tür warf. Während dessen hechtete Avenger nach der frei fallenden
Ampulle und fing sie knapp über dem Boden ab. Leider reichte ihre Schnelligkeit
nicht für eine vernünftige Landung, und sie schlug auf dem harten
Parkett relativ unsanft auf, wobei sie sich ein paar blaue Flecken einfing.
Mark hingegen rollte, kam schlitternd in eine ruhigere (relativ betrachtet)
Lage und zog seinerseits die Desert Eagle aus dem Holster. Der Spanier rettete
sich hinter die Tür und rannte den Korridor entlang, verfolgt von einigen
Geschossen Kaliber 50, die sich durch die Wand bohrten und die Inneneinrichtung
- einschließlich eines Picasso-Nachdrucks - vollkommen ruinierten. Mark
kam zum Stillstand, und die Zeit bewegte sich wieder in geregelten Bahnen.
"Scheiße!"
Avenger sammelte sich vom Boden auf und warf Mark die Ampulle zu; dieser gurgelte
den Inhalt auf Ex und steckte die schwere Waffe wieder in ihr Holster; dann
sammelte er seine Flinte ein und schaute zu Avenger hinüber.
"Hey, danke für die Unterstützung."
"Dich kann man wirklich nicht alleine lassen. Bloß Mist, dass der
Typ weg ist."
"Der kommt nicht weit, weil er nicht weglaufen will. Jede Wette, gleich
dürfen wir uns durch die Wachmannschaft metzeln."
"Was schlägst du vor? Brandpfeile?"
"Du brauchst wirklich noch etwas mehr Zeit, um dich an unser Jahrhundert
zu gewöhnen, hm? Heutzutage verwenden wir für so was Schrotflinte.
Schrotflinten töten alles."
"Ja, aber so ein Brandpfeil hat Stil. Da wurde mir ganz warm ums Herz,
wenn ich nur daran dachte, einem meiner Feinde ein brennendes Kuckucksei direkt
ins Nest zu legen. Oder die armen Schweine, die wegrennen wollen
einfach
einen lodernden Pfeil in den Arm, und schon winden sie sich vor Schmerzen, rollen
auf dem Boden, um das Feuer zu löschen, - wobei sie die glühende Eisenspitze
nur noch tiefer ins Fleisch treiben
Dann werfen sie sich in den nächsten
Fluss, und wir lassen ein paar unserer Jagdhunde auf sie los. Tja, das waren
noch brutale Zeiten, als ich mit ein paar anderen Söldnern Dörfer
ausgeräuchert habe. Seltsam, wenn man so aus der Ferne angreift, sieht
es gar nicht so schlimm aus, aber wenn ich daran denke, wie ich denn mitten
in die Meute reinritt und alles, was noch stand, per Schwert geköpft habe
- da wird mir schon wieder ganz übel von."
Mark zog eine Augenbraue hoch.
"Tu dir selbst einen Gefallen und schau besser nicht in den Schrank dort."
Avenger trat an das Möbelstück heran und öffnete die Tür.
"Wieso, was ist
Bäh. Das sieht wirklich verflixt übel aus.
Wer war das?"
"Unser Informant. Ich schlage vor, wir folgen unserem Gastgeber. Inzwischen
dürften sich unsere Gegner verschanzt haben, also tue ich ihnen mal einen
Gefallen und mache einen Höflichkeitsbesuch mit Gastgeschenken Kaliber
12."
"Klar. Brauchst du Hilfe?"
Mark schaute sie an, als hätte sie ihm gerade unterstellt, primäre
Geschlechtsmerkmale in nanoskopischer Größenordnung zu besitzen.
"Nein. Aber komm ruhig mit, dann kannst du vielleicht noch was lernen!"
Bevor Avenger Zeit hatte, danach zu fragen, wie sich Mark den Kampf gegen etwa
zwanzig bewaffnete Killer vorstellte, stürmte dieser zur Tür mit seiner
Flinte im Anschlag, warf sich in die Luft und rollte auf den Gang hinaus. Als
nächstes hätte er wohl das Feuer eröffnet - wenn jemand dort
gewesen wäre. Aber wie impliziert war der Gang ungefähr so voll wie
die Mehrzweckhalle Hintertupfingen beim letzten Konzert von Rex Guildo - sprich,
nach Mengenlehre hätten ihn etwa zwölf Leute betreten müssen,
damit er leer gewesen wäre. Frustriert ob des Mangels an Zielen und gleichzeitig
erfreut ob des Verschonens von Menschenleben richtete sich Mark auf und bewegte
sich auf die Eingangshalle zu, dicht gefolgt von Avenger.
Die Halle war erfreulicherweise etwas voller, denn dort befand sich der Spanier
und begrüßte das Duo mit einer Salve aus einem herzigen, kleinen
Sturmgewehr - ein G36, aber mehr konnte Mark nicht erkennen, als er sich mit
einem Sprint zur Seite in Sicherheit brachte und hinter einer Säule Deckung
suchte, während Avenger einfach wieder hinter die nächste Ecke kroch
und sich dazu entschloss, diesen Kampf aus sicherer Entfernung zu verfolgen.
Mit einem Gefühl von Deja-Vu wartete Mark auf das Ende der Salven, dann
rollte er aus der Deckung hervor und nahm die Position seines Gegners unter
Feuer, welcher sich mit einem Hechtsprung wiederum in Sicherheit brachte. Der
Schrot prasselte gegen Säulen, Wände, Bilder, persische Wandteppiche,
Statuen, Wasserspender, Stühle, Tische, Fenster, Türen, leere Bildrahmen,
offene Wasserleitungen, einen kleinen Zimmerspringbrunnen sowie einen antiken
Kerzenständer - oder einfacher ausgedrückt, der Spanier wurde nicht
getroffen. Mit einem missmutigen Klicken stellte die Waffe ihr Feuer ein, und
mit einem Fluch warf Mark das nun nutzlose Stück Metall auf den Boden,
sah jedoch auch, wie die Waffe seines Kontrahenten ebenfalls auf dem Parkett
schlitterte. Offensichtlich hatten beide Parteien ihre schweren Argumente verschossen.
Deshalb überraschte es Mark kaum, dass der Spanier aus seiner Deckung
rollte und einen wahren Kugelhagel aus einer kleinen Maschinenpistole auf ihn
losließ - aber nicht schnell genug, denn Mark war schon wieder auf den
Beinen und sprintete eine lange Reihe von Säulen entlang, während
um ihn herum viele - um nicht zu sagen, sehr viele - kleine Metallstücke
den Teil des Raums verwüsteten, den das Sturmgewehr und die Flinte ausgelassen
hatten. Nun mag man sich fragen, wie viel Inneneinrichtung man denn mit einen
Sturmgewehr und einer automatischen Schrotflinte verfehlen könnte, und
die Antwort wäre, überraschend viel - allerdings muss man Fairerweise
sagen, dass nach der Behandlung mit drei vollautomatischen Waffen jede Renovierung
dieses Raumes vergebene Liebesmühe gewesen wäre. Auf jeden Fall ratterte
der Mechanismus der kleinen Bleispritze, bis die gesamte Munition aufgebraucht
war - also etwa 1,5 Sekunden lang. Fluchend ließ der Spanier auch diese
Waffe fallen und zog eine weitere Pistole aus seinem Mantel - gerade rechtzeitig,
um zu sehen, wie Mark wieder seine reichlich demolierte Deckung verließ,
mit zwei USPs bewaffnet.
An dieser Stelle erscheint es irgendwie unnötig, zu erwähnen, dass
nun wieder beide Kontrahenten in den Laufschritt wechselten und sich gegenseitig
mit Kugeln beharkten - was allerdings auch nichts so richtig funktionierte,
weil beide Schwierigkeiten hatten, im Laufen ein sich bewegendes Ziel hinter
wechselnder Deckung zu bekämpfen. Mit qualmenden Waffen erreichten beide
das jeweils andere Ende des Raumes - mal wieder - und drehten sich zur Mitte
des Raumes.
"Ich habe keine Munition mehr, Mr. Simmons. Und auch wenn ich nicht genau
mitgezählt habe, dürfte für ihre zwei Waffen das Gleiche gelten.
Treffen wir eine Entscheidung durch Geschwindigkeit und Fähigkeit. Ich
zähle bis 3, dann laden wir beide unsere Waffen nach und eröffnen
das Feuer. Wer zuerst tot ist, hat verloren."
"Einverstanden."
Mit höchster Konzentration beschwor Mark leise seine Waffen, ihm doch wieder
den Vorteil von spontaner Munition zu gewähren - aber es war nichts zu
hören, nichts zu fühlen.
"Eins."
Mark versuchte es weiter, aber anscheinend hatten seine übernatürlichen
Kräfte gerade Kaffeepause.
"Zwei."
Er überlegte, ob sie vielleicht doch schon nachgeladen waren und er es
bloß nicht hören konnte - aber darauf vertrauen erschien ihm doch
etwas zu gefährlich, selbst für seine Verhältnisse.
"Drei !"
In Zeitlupe ließ Mark beide Waffen fallen; er sah, wie der Spanier ein
neues Magazin aus einer Tasche zog, mit nahezu übermenschlicher Geschwindigkeit.
Aber da würde er schon früher aufstehen müssen; Mark ließ
seine Beine zusammensacken und machte sich auf den Weg zum Boden, während
er quälend langsam nach seinem Colt griff. Mit dieser unheimlichen Langsamkeit
- die in Wirklichkeit natürlich verteufelt schnell gewesen wäre -
richtete der Spanier seine Waffe auf Mark und drückte ab. Dieser aber fiel
schon nach hinten und hatte seine rechte Hand bereits am Griff des Colts, als
die Kugel knapp neben seinen Kopf hinwegrauschte und sich in seine Schulter
grub. Bevor der Spanier erneut feuern konnte, drückte Mark ab und beobachtete,
wie Feuer durch die Kappe des Holsters schoss und sich eine Kugel auf den Weg
machte, mit unendlicher Langsamkeit die Waffe des Spaniers ansteuerte und entgegen
aller Wahrscheinlichkeit selbige traf und sie aus der Hand seines Gegners schleuderte.
Während sich Mark also noch auf dem unendlich langsamen Fall zu Boden befand,
flog die Pistole aus der Hand seines Gegners in Richtung Boden, riss selbigem
ein paar Finger ab und spendete den Glockenschlag, der den Kampf beendete und
wieder der normalen Zeit den Vortritt gab. So knallte Mark rücklings auf
den Boden, während der Spanier vorerst zu Boden ging.
Mark hatte zwar immer noch keine Ahnung, wie er solche Wunder wirken konnte,
empfand es aber als unheimlich praktisch - im selben Moment stach ihn aber der
Schmerz wieder in die Schulter, und ihm wurde bewusst, dass er diesen Kampf
eventuell nicht gewinnen würde. Obwohl - ja klar, es fiel ihm wie Schuppen
aus den Haaren, so eine Pistole hat ja heutzutage ein Magazin! Und um unnötige
Komplikationen zu vermeiden, leerte Mark selbiges in die grobe Richtung des
Spaniers, der daraufhin zu Boden ging.
Avenger erhob sich aus ihrer Deckung und beäugte das Schlachtfeld. Ihr
Blick fiel auf Mark, und im Angesicht der Tatsache, dass sie außer faul
zugucken sowieso nichts zu tun hatte, machte sie sich auf, Marks Wunde zu versorgen.
"Sieht ganz schön böse aus."
"Ich hab schon schlimmere Verletzungen gehabt. Das war nur ein Kleinkaliber,
nichts ernsthaftes auf die Distanz. Schau mal lieber nach der, eh, Leiche?"
Das Fragezeichen ist durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass sich der noch
nicht wirklich tote Spanier hinter Avengers Rücken aufrichtete und nach
kurzer Überlegung mit seiner unverletzten Hand plus lädierter Pistole
das Feuer auf selbige eröffnete. Die Kugeln fraßen sich in ihr Fleisch,
aber sie stolperte nicht zu Boden; nach zwei Treffern schaffte sie es endlich,
sich umzudrehen und ihn anzuschauen. Sie sprach ihn an, während er weiter
auf sie feuerte, und das Gespräch hörte sich dann etwa so an:
"Hey Baby
Das solltest
du eigentlich wissen
Vampire...wie
ich
kannst du so nicht verletzen!"
In leichter Panik zog der Spanier den Abzug wiederholt durch, aber wie schon
vorhin war das Magazin aufgebraucht, und ohne irgend eine Art von Reservemunition
war die Situation, aus Mangel an einer geschickteren Vokabel, vollkommen und
absolut beschissen. Dies wiederum nutze Avenger aus, näherte sich ihm weiter
und presste ihn schließlich gegen die von Kugeln durchsiebte Wand.
"Ich würde vorschlagen, du entspannst deine Halsmuskeln, das ist
für mich einfacher und für dich schmerzloser."
So verabschiedete sich der Spanier mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden
und einem bleichen, blutleeren Gesicht; Marks Feind war nun endgültig tot
und würde nie wieder irgendjemanden blöde angrinsen, außer vielleicht
den Pathologen.
"Musstest du ihn aussaugen? Ich dachte, das hast du aufgegeben?"
"Ist auch verdammt eklig, aber anders funktioniert es einfach nicht. Die
Pillen helfen gegen die Entzugserscheinungen, aber ne richtige Kur dagegen gibt
es nicht."
"Wie lange soll das so weitergehen? Wir sind hier, um Menschen zu retten,
nicht, um sie unter die Erde zu bringen."
"Glaubst du, mir macht das Spaß?"
"Halt mal kurz die Klappe, OK? Hörst du das? Sirenen. Polizeisirenen.
Wir müssen hier so fix wie möglich raus!"
Mark steckte seine Waffe wieder weg, sammelte seine Ausrüstung zusammen
- inklusive dem nun besitzlosen G36 - und sprintete auf dem schnellsten Weg
zurück zum Arbeitszimmer, hechtete aus dem Fenster und landete krachend
auf dem wartenden Geländewagen. Ohne seinem schmerzenden Rücken die
Genugtuung eines Schreies zu tun, rutschte er auf die Straße, öffnete
die Tür und besetzte den Fahrersitz. Nach etwa einer halben Minute erschein
Avenger seelenruhig von der Straße her und besetzte den Beifahrersitz;
hastig trat Mark das Gaspedal durch und steuerte das Auto in den Seitenstraßen
der italienischen Metropole.
"Wieso hast du das Fenster benutzt? Was glaubst du, wofür es Türen
gibt?"
"Türen hin, Türen her. Immer nur Türen! Bin ich der einzige,
dem die Routine auf den Keks geht?"
"Das sah bestimmt auch ganz toll aus, aber in deinem Zustand solltest du
dich lieber etwas schonen. Dir steckt ne Kugel in der Schulter, schon entfallen?"
"Wie
autsch...könnte ich das vergessen? Da hinter uns brummt
ein Orchester aus Martinshörnern, das trägt nicht gerade zu meiner
inneren Ruhe bei!"
"Sieht aber so aus, als hätten wir sie abgehängt!"
"Die finden uns schon noch. Wir müssen aus der Stadt verschwinden,
wir hinterlassen auch so schon ne recht gute Spur für unsere Feinde."
"Was ist mit dem Siegel?"
"Steht sicher irgendwo in alten Urkunden, wo es ist."
"Und wo bewahrt man so etwas auf?"
"Wie wäre es mit einer kleinen Lesestunde in der Bibliothek des Vatikans?"
"Und wie kommen wir da rein?"
Mark grinste leise vor sich hin.
"Nein. Nein. Nein! Worauf hab ich mich hier eigentlich eingelassen? Ich
könnte immer noch unter der Erde begraben sein, ruhigen, kleinen Tod genießen
- aber stattdessen versuche ich mit einem weltweit verfolgten Ex- Auftragskiller,
in eine schwer bewachte Bibliothek einzudringen, nur damit wir überhaupt
den Hauch einer Chance haben, die Welt vor der Apokalypse zu retten, was hinterher
keiner außer uns mitgekriegt haben wird. Wir werden vermutlich alle dabei
draufgehen, die vier Reiter aus dem Sattel zu werfen, und am Ende wird es so
sein, als wenn nie irgendwas passiert wäre!"
"Jetzt, wo ich drüber nachdenke - das klingt wirklich wie irgend so
ein Schundroman."
Von Gatac
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