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Merkwürdige Menschen in einem merkwürdigen Land
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oder Was wirklich in Arulco geschah

Prolog

Für ein paar Stunden war alles weit weg, Omerta, die Rebellion, Deidranna ...
In Darren Van Haussens Club im Süden von San Mona herrschte ausgelassene Stimmung, es wurde getanzt und gesungen, geboxt und gewettet, gegessen und getrunken, viel getrunken.
Josie hatte sogar auf dem Tisch getanzt und wäre beinahe heruntergefallen. Peter saß stumm in der Ecke und grübelte, eigentlich grübelte er immer. Natürlich wußte auch Josie, daß es eigentlich keinen Grund zu Fröhlichkeit gab, doch das war ja schon mindestens acht Jahre so und irgendwie ging das Leben weiter.
Die einzige Hoffnung der Arulcaner hieß Omerta, die Stadt die immer noch Widerstand leistete. Die Rebellen unter Miguel Cordona unterhielten dort eine Art Gegenregierung. Doch deren Chancen standen äußerst schlecht, Deidranna hatte ihre Elitetruppe erst kürzlich weiter verstärkt. Würde sie Cordona zur Kapitulation zwingen. Nein, ein Mann wie Miguel ergab sich nicht.
Doch überall im Lande wurde jeder umgebracht, der im Verdacht stand mit den Rebellen zu sympathisieren.

Josie wäre jetzt am liebsten in Drassen bei ihrer Familie, doch da konnte sie zur Zeit natürlich nicht hin. Also würde sie hier noch ein bißchen Spaß haben, egal ob dieser Trauerkloß Peter Clarke dachte, daß der morgige Tag Schreckliches bringen würde.
"It's a long way to Tipperary ..."
... oder Drassen, oder wohin auch immer.

Doch bereits am nächsten Morgen sollte sich zeigen, daß Peters Ahnung stimmte ...

Völlig unerwartet war über die Bewohner Omertas die Hölle hereingebrochen. Deidrannas einziges Kampfflugzeug, das man wegen des Treibstoffmangels in den letzten Monaten kaum gesehen hatte, flog einen Bombenangriff.
Kurz darauf rückten die Panzer vor, ihre Kanonen zerstörten ein Haus nach dem anderen. Danach marschierten die Infanteristen der Elitetruppe ein. Mit automatischen Waffen schossen sie auf alles was sich bewegte. Männer, Frauen und Kinder wurden erschossen oder von Granaten zerfetzt. Verzweifelt versuchten die Rebellen von Miguel Cordonas Truppe Widerstand zu leisten, doch die meisten von ihnen fanden den Tod. Die Übermacht war zu groß ...

Josie stolperte durch das Trümmerfeld, im dichten Qualm konnte sie kaum etwas sehen. Überall wurde geschossen, auch vereinzelte Panzergranaten schlugen immer noch ein.
Noch vor wenigen Stunden war sie in ausgelassener Stimmung gewesen, jetzt wollte sie einfach nur lebend aus einem Inferno herauskommen.
Da explodierte neben ihr eine Granate. Von der Druckwelle zu Boden geschleudert landete sie schmerzhaft auf den Resten einer Hauswand. Plötzlich war jemand über ihr, ein Messer näherte sich ihrer Kehle. Verzweifelt versuchte sie, die Hand des Angreifers zur Seite zu schieben, die Todesangst verlieh ihr zusätzliche Kraft, doch nicht lange. Die Messerspitze bohrte sich bereits in die Haut, ein letztes Mal blickte sie in das Gesicht des Angreifers - und plötzlich war da kein Gesicht mehr. Ein Schuß aus höchstens zwanzig Metern Entfernung hatte ihm den halben Kopf weggerissen.
Vorsichtig setzte sich Josie auf und schaute sich um. "Danke Pete, das war höchste Zeit!"
Peter Clarke stand wie versteinert, mit dem Gewehr in der Hand. Er starrte auf das, was gerade noch ein menschliches Gesicht gewesen war. "Ich habe ..." stotterte er und brach ab.
Josie stand auf und schüttelte ihn "Du hattest keine Wahl, los wir müssen weiter!"
Doch Peter stand wie angewurzelt, schien nichts um sich herum mehr wahrzunehmen, nicht einmal die Kugeln die dicht an seinem Kopf vorbeiflogen. Mit einem Tritt in die Kniekehle holte ihn Josie zunächst von den Füßen und aus der Schußlinie. Sie ohrfeigte ihn, doch er starrte sie nur an. Er war wie in einer anderen Welt.

Als er wieder zu sich kam war er bereits gefesselt und bereit zum Abtransport.


Kapitel 1

15. April 1999, 8:00 Uhr, Omerta

Obwohl die Panzer und die meisten Soldaten abgezogen waren konnten sich die wenigen überlebenden Rebellen nicht aus ihren Verstecken wagen. Einige von Deidrannas Schergen hielten ständig Wache.
Sie glaubten alle Rebellen getötet zu haben, einzelne Frauen und Kinder wurden nicht mehr unter Feuer genommen. Gelegentlich konnten sie sogar etwas Eßbares für die in Kellern versteckten Menschen organisieren.

Doch wie gefährlich das war allen erst gestern wieder bewußt geworden. Adela, die junge Witwe eines von Deidrannas Männern getöteten Rebellen, hatte sich auf den Weg zum nur halb zerstörten Haus des ermordeten Doktors gemacht. Ihr Sohn Leo war schwer krank, der Landarzt hatte ihn mit Penizillin behandelt. Er hatte gesagt, daß man die Behandlung auf keinen Fall unterbrechen darf.
Als die Soldaten Omerta zerstörten hatte sich der Doktor um verwundete Rebellen gekümmert. Dabei hatten sie ihn ergriffen und gemeinsam mit den Verwundeten mit Benzin übergossen und verbrannt.

Die Medizin reichte noch einige Tage, doch nun war sie zu Ende gegangen. Adela wußte, daß es im Haus des Doktors noch mehr davon gab. Sie ging los um sie zu holen.
War es ein Fehler gewesen?
Sieben Soldaten waren in Omerta auf Wache, siebenmal wurde die junge Frau vergewaltigt.
Als sie bat, ihr wenigstens die Medizin zu geben, wurde sie auch noch halbtot geprügelt.

Als sie zurück kam, natürlich ohne Medizin, wollte Dimitri losstürmen und die Kerle fertigmachen. Es war nur noch eine Handvoll Rebellen, doch an diesem Tag hätten sie es mit der ganzen Armee aufgenommen.
Doch Miguel sagte nein.
Sie könnten diese sieben Männer töten, aber dann würde Deidranna hundert schicken. Oder noch mehr, und wieder Panzer.
Auch Ira hatte Miguel zugestimmt, obwohl jeder sah wie schwer es ihr fiel.

Dimitri hatte großes Vertrauen in die Meinung von Miguel und Ira, schließlich war er nicht so klug wie sie. Er wußte das auch.
[Dimitri Guzzo wurde 1966 in Cambria geboren, als drittes von sechs Kindern. Sein Vater starb bei einem Unfall im Bergwerk als er elf Jahre alt war.
Mit zwölf verließ Dimitri die Schule und seine Familie. Er zog mit Gauklern umher, lernte allerlei Kunststücke. Besonders geschickt stellte er sich beim Messerwerfen an.
Als Deidranna 1989 an die Macht kam verließ das fahrende Volk das Land. Die älteren von ihnen waren schon viel in den mittel- und südamerikanischen Ländern herumgekommen, sie ahnten was kommen würde.
Dimitri blieb, er dachte daß es nicht so schlimm würde.
Ins Bergwerk, wo sein Vater gestorben war, wollte er nicht. Also nahm er den Job als Hausmeister und Fensterputzer in der Universität von Cambria an. Vielleicht würde er ja in dieser Lehranstalt noch etwas lernen.
Er lernte auch eine Menge, hauptsächlich auf handwerklichem Gebiet. Da das Geld für die Universität immer knapper wurde mußte Dimitri auch komplizierte technische Geräte reparieren und er wurde immer besser darin.

Im September 1991 wurden alle Schulen in Arulco geschlossen, auch die Universität.
Deidranna wollte sie nur noch für ihre Forschungen nutzen. Dimitri verstand nicht worum es da ging, doch hinter vorgehaltener Hand sprachen einige Leute von teuflischen Plänen.
In den nächsten fünf Jahren änderte sich für Dimitri nicht viel. Fenster mußten geputzt werden, Apparate repariert. Was in den Reagenzgläsern passierte wußte er nicht. Auch jetzt konnte ihm noch niemand sagen worum es bei der Forschung eigentlich ging.
Anfang 1997 änderte sich dann alles, der Rektor weigerte sich plötzlich weiter mitzumachen.
Hatte er entdeckt worum es der Herrscherin wirklich ging?
Wahrscheinlich, jedenfalls tauchten plötzlich Deidrannas Elitesoldaten auf.
Der Rektor, und alle die sich auf seine Seite gestellt hatten wurden verhaftet. Später fand man ihre verstümmelten Leichen.
Die Forscher, die sich auf Deidrannas Seite gestellt hatten verließen Cambria und nahmen alle Geräte und Unterlagen mit. Danach wurden die Gebäude gesprengt, die Universität gab es nicht mehr.
Deidrannas Forscher erhielten ein neues Labor an einem geheimen Ort.
Auch den geschickten Handwerker Dimitri Guzzo hätten sie gern verpflichtet.
Dimitri war klar daß sie ihn töten würden wenn er sich weigerte. Er flüchtete in die einzige nicht von Deidranna kontrollierte Stadt, Omerta, und schloß sich Miguel Cordonas Rebellen an.]

Jetzt, etwas mehr als zwei Jahre später, würde er wohl mit den Rebellen sterben.
Doch nicht ohne zu kämpfen!

Heute war Ira losgegangen um die Medizin für den kleinen Leo zu holen.
"Ich bin Bürgerin der Vereinigten Staaten, die unterstützen ja Deidranna sogar. Außerdem bin ich nicht besonders hübsch. Vielleicht tun sie mir ja nichts." hatte sie gesagt.
Dimitri wollte ihr widersprechen, besonders zum zweiten Punkt.
Doch sollten sie das Kind sterben lassen?
Wahrscheinlich mußten sie alle sterben, aber wenigstens erhobenen Hauptes.
Dimitri war Ira gefolgt, eine weitere Vergewaltigung würde es nicht geben.

Unbemerkt von den Soldaten und von Ira lag er hinter einem Schutthaufen. Fünf der Soldaten, die Adela geschändet hatten, waren nicht zu sehen. Sicher waren sie irgendwo in der Umgebung.
Jetzt waren drei Soldaten da. Nur drei, doch sie gehörten zur berüchtigten Elitetruppe.
Dimitri konnte sie genau beobachten, sie waren in direkter Nähe der Arztpraxis. Es waren zwei Männer und eine Frau. Der offensichtlich gefährlichste war ein großer Mann mit stark tätowierten Armen. Er trug eine Splitterschutzweste und einen Helm und war mit einer Maschinenpistole bewaffnet. Der andere Mann trug nur einen Helm, sein Oberkörper war bis auf eine Lederweste nackt. Er hatte eine Bierflasche in der Hand, weitere lagen am Boden. So wie er sich benahm hatte er sie vor kurzem geleert. Seine Waffe konnte Dimitri nicht sehen.
Die Frau war eher klein von Wuchs, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Auch sie trug eine Schutzweste, hatte eine Pistole am Gürtel und vermutlich auch noch ein Gewehr am Boden liegen. Den Helm hatte sie abgesetzt, sie war gerade dabei ihre dunklen Haare zu einem Zopf zu flechten.
Dimitri hatte eine 45er Pistole, dazu seine beiden Wurfmesser. Reichte das notfalls für drei Elitesoldaten?

Ira hatte keine Waffe mitgenommen. Es wäre ihr Tod gewesen wenn man sie durchsuchte.
Langsam näherte sie sich den Soldaten.
"Wen haben wir denn da?" rülpste der Kerl mit der Bierflasche.
"Ich bin eine U.S.-Bürgerin, die zufällig in den Bürgerkrieg geraten ist..." erzählte Ira und bemühte sich um einen starken Akzent.
"Blödsinn, du bist diese Ira Geschmeiß - oder so ähnlich - die sich hier schon seit Jahren herumtreibt." stellte die Soldatin fest, "Ich glaube nicht, daß du hier sein dürftest."
"Ich bin krank und brauche unbedingt Medikamente. Der Doktor ist ja tot..."
"... und eingeäschert!" ergänzte der Tätowierte, "Aber in ungewöhnlicher Reihenfolge!"
"Ich möchte im Haus nach meiner Medizin suchen."
"Ist mir doch egal. Aber das ganze Zeug sowieso ist längst im Müllsack ..." antwortete die Soldatin grinsend.
"Aus hick... hygienischen Gründen." ergänzte der Mann mit der Flasche.
"Pike, schmeiß' den Sack doch mal rüber!" rief die Frau dem Tätowierten zu.
Er warf ihr den Beutel zu. "Na ja, besonders viel hat den Einsturz der Bude ja nicht überstanden. Wenn dein Zeug in 'ner Flasche war hast du Pech gehabt..."
"Es sind Tabletten."
"Vielleicht hast du ja Glück. Ich meine, wenn du fein 'bitte' sagst..."
"... und auch so ein bißchen nett bist..." ergänzte der Soldat mit der Bierflasche und öffnete demonstrativ seine Hose.
"Dreckschwein!" erwiderte Ira und spuckte ihn an.
"Dann operieren wir dich eben." Blitzschnell hatte der Mann die Flasche fallenlassen, in der rechten Hand hielt er jetzt ein Kampfmesser, in der linken ein kleineres Messer, wahrscheinlich ein Skalpell.

Es ging also los. Dimitri hatte genug Menschen gesehen denen nach einer Begegnung mit Deidrannas Elitetruppe Ohren und Nase fehlten.
Er überlegte fieberhaft wie er mit den dreien fertig werden konnte.
Mit der Pistole würde es schwer werden, so schnell und zielsicher war er nicht. Besonders der tätowierte Kerl mit Helm und Weste war zu gefährlich. Er würde Dimitri zwar wahrscheinlich nicht treffen, doch Ira wäre ein leichtes Ziel.
Blieben die Messer. Ein präziser Wurf in den Hals der Frau war für ihn kein Problem, das zweite Messer konnte er sogar mit links in den ungeschützten Körper des Mannes, der sich Ira mit seinen Messern immer bedrohlicher näherte, werfen. Wenn Dimitri Glück hatte bemerkte der Tätowierte erst mit Verzögerung was mit seinen Kameraden geschah. Besser, wenn Ira Glück hatte.

Dimitri war kein Mann von schnellen Entschlüssen. Bevor er zum Wurf kam wirbelte die Soldatin herum und holte Ira mit einem schnellen Tritt von den Beinen. Es folgte ein Tritt in die Rippen, dann stellte sie ihren Fuß demonstrativ auf ihr Opfer.
"Ja, wenn du das Zeug nicht haben willst ..." Im hohen Bogen warf sie den Beutel weg. "Hast Glück das du Amerikanerin bist. Ohne Nase würdest du vielleicht unserem Ansehen im Ausland schaden."
"Welchem Ansehen denn, ihr Schweine?" stieß Ira hervor und schien es gleich darauf zu bereuen.
Doch die Soldatin ließ, nach einem weiteren Tritt in die Seite, von Ira ab.
Stöhnend rappelte sie sich auf und hinkte davon.

Als die drei Ira nicht folgten zog sich auch Dimitri leise zurück.
Am Eingang zum Versteck trafen sie sich.
"Es tut mir leid daß ich dir nicht konnte helfen." sagte er, "Ich hatte Angst sie dich erschießen."
"Schon in Ordnung, ich bin ja nicht verletzt. Die blöde Schlampe hatte nicht besonders viel Kraft im Fuß, meine Rippen sind noch heil ... glaub' ich jedenfalls. Und den Sack hat sie gleich so weit weggeworfen daß der kleine Paco ihn aufheben konnte ohne gesehen zu werden. Jetzt haben wir alle Medikamente die noch da waren."
Fatimas Sohn Paco war mal wieder überall und nirgends und hatte richtig reagiert. So war wenigstens für den kranken Leo alles noch mal gut gegangen.


1. Juni 1999, 5:00 Uhr, in der Luft

Jane Doherty, vor vierundzwanzig Jahren als Tochter des IRA-Mannes Eamon Doherty in Derry geboren, hätte vor einem Vierteljahr nicht im Traum daran gedacht ein Söldnerkommando zu führen.
Auch sie war zur Freiheitskämpferin (oder Terroristin, je nachdem von welchem Standort aus man es betrachtete) ausgebildet worden, doch in Nordirland gab es zur Zeit keine Verwendung für ihre Fähigkeiten.
Sie hatte die letzten zwei Jahre in einem Ausbildungslager kolumbianischer Rebellen zugebracht und hörte dort zum ersten Mal von einem kleinen Land namens Arulco. Sie begann sich dafür zu interessieren und bekam plötzlich ein sonderbares Angebot: Ein Enrico Chivaldori, der behauptete, König von Arulco zu sein, bot dreißigtausend Dollar für die Aufstellung eines Söldnerkommandos zu Befreiung des kleinen Landes. Er hatte sich zuvor an eine Söldneragentur namens A.I.M. gewandt, doch natürlich ging niemand auf diesen absurden Vorschlag ein. Man sagte ihm, daß bei dem Betrag mindestens eine Null fehlte. Für dieses Geld bekam er eine Handvoll Leute (und sicher nicht die besten) für wenige Tage, mehr nicht.
Jane kannte ein paar Leute bei A.I.M., sie hatte die Meinung vertreten, dieser Enrico würde sein Geld nicht investieren wenn es keine Chance gäbe. Daraufhin hatten die Verantwortlichen von A.I.M. ihr vorgeschlagen, doch mal nach Prag zu fliegen und den Auftraggeber zu treffen. Allerdings müßte sie das Unternehmen auf eigene Rechnung durchziehen, schließlich vermietete A.I.M. nur Söldner, alles andere war der Organisation egal.
Also hatte sich Jane einige Hintergrundinformationen über dieses Land namens Arulco besorgt und war anschließend nach Prag gefahren um Enrico zu treffen.
Nach übereinstimmenden Informationen stellte sich die Lage so dar: Enrico Chivaldori war vor zehn Jahren von seiner Frau, Deidranna Reitmann, vom Thron gestürzt worden. In Arulco hielt man ihn für tot.
Deidranna hatte ein Terrorregime errichtet. Es gab keine Justiz, Polizei oder sonstige Verwaltung mehr. Die Armee beherrschte das Land und unterdrückte das Volk mit äußerster Grausamkeit.
Haupteinnahmequelle waren die Gold- und Silberminen. Diese brachten zwar Millionen ein, doch reich wurde nur Deidranna. Das Land lag am Boden, es gab wenig Industrie und die Landwirtschaft konnte die Bevölkerung kaum ernähren, da es keinen Diesel für die Maschinen gab und kaum jemand Geld hatte.
Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen waren praktisch nicht mehr vorhanden.
Die Stadt Omerta befand sich bis vor gut zwei Monaten in der Hand von Miguel Cordona, dem langjährigen Rivalen der Chivaldoris. Dann hatte das Militär die Stadt, und damit die Basis der Rebellen, zerstört.
Nach Aussage von Enrico Chivaldori war Miguel aber wahrscheinlich noch am Leben. Die Söldner mußten ihn finden und mit ihm eine Geldquelle erschließen, um einen Aufstand zu finanzieren.
Jane hatte das Angebot angenommen, ohne Enrico viel Hoffnung zu machen.

Viel war mit dreißigtausend Dollar ja nicht zu machen. Dreitausend waren bereits für die Organisation draufgegangen. Sie würden kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst aus dem Wege gehen müssen.
Für den Fall, daß sie sich aber doch den Weg freischießen müßten hatte Jane Ice Williams verpflichtet. Sie kannte nicht mal seinen richtigen Vornamen, auch hatte sie ihn nur für einen Tag bezahlen können.
Für medizinische Fragen hatte sie Dr. Michael Dawson dabei, einen guten Arzt, aber schlechten Schützen.
Dieses Handicap würde hoffentlich Monica Sondergaard ausgleichen. Die Dänin, die meist kurz "Buns" genannt wurde, hatte als Schützin an den Olympischen Spielen teilgenommen.
Jane Doherty glaubte eigentlich damit erst mal auszukommen, doch man empfahl ihr dringend, noch einen weiteren Kämpfer mitzunehmen und nicht mit dem Geld zu geizen.
Sie fragte ihren irischen Landsmann John Peters, dieser hatte im Moment keine Zeit, empfahl aber seinen Freund Steve Bornell. Der war ein Mann wie ein Bär und wurde allgemein der Grizzly genannt.
Wenig später saßen sie im Hubschrauber und waren auf dem Weg nach Arulco.


1. Juni 1999, 7:00 Uhr, Omerta

Sergeant Caruso hatte sich gerade von seinem Schlafplatz erhoben und wollte sich rasieren als er bemerkte daß seine Leute angestrengt zum Himmel starrten. Jetzt hörte auch er das Geräusch eines Hubschraubers.
Was hatte das zu bedeuten?
"Sergeant, ich glaube, es kommt ein Hubschrauber." meldete Ramon Sanchez.
"Das höre ich auch, denkst du vielleicht ich bin taub?"
Caruso bildete mit seinen vier Soldaten die eine Hälfte der nördlichen Patrouille. Die andere, geführt von seinem Chef Leutnant Ketch, plünderte wahrscheinlich gerade irgendwo eine Farm und ließ es sich gut gehen. Er sollte derweil hier nach versprengten Rebellen suchen. Dabei waren die doch mit Sicherheit alle tot.
Aber Deidranna wollte ihren Soldaten die Prämien erst auszahlen wenn sie Miguel Cordonas Kopf brachten. Und der war wahrscheinlich verbrannt, zerfetzt oder verschüttet, wer sollte ihn nach mehr als zwei Monaten noch finden und identifizieren. Es war wohl nur ein Trick der Herrin um Geld zu sparen.
Also streiften sie durch die tote Stadt. Die Häuser waren zerstört, die Einwohner tot oder geflohen. Selbst die Leichen waren nicht mehr da. Die Soldaten hatten sie zusammen mit den gefesselten Verwundeten auf einen Haufen geworfen, mit Benzin übergossen und verbrannt. Einen Teil der unverletzt gefangengenommenen hatte man nach Tixa gebracht, andere hatten die Soldaten, nachdem sie ihnen Nasen und Ohren abgeschnitten hatten, als abschreckendes Beispiel laufen lassen. Einige der Elitesoldaten sammelten solche Trophäen wie Schmetterlinge.
Jedenfalls lies sich hier kein Mensch mehr sehen, höchstens mal ein paar Frauen und Kinder die nach etwas Eßbarem suchten.
In diesem Gebiet zu patrouillieren war also völlig sinnlos, hier passierte ja doch nichts mehr ... doch was bedeutete dieser Hubschrauber?


Jane Doherty haßte das Fliegen, haßte Helikopter und jetzt haßte sie auch diesen Verrückten, der am Steuer saß. Statt die Pläne noch einmal durchzugehen ließ sie sich das Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen. Zum Glück hatte ihr MD schnell eine Tüte gereicht.
"Danke!"
"Keine Ursache! Ich denke, wir sind gleich da. Das da unten scheint Omerta zu sein." MD hatte sich genau mit der Geographie des Landes beschäftigt, immerhin war Arulco so klein daß man es in den meisten Atlanten gar nicht fand.
"Wir sollten die Waffen bereit halten." bemerkte Ice.

Die Ausrüstung des Trupps war nicht gerade vom Feinsten, es fehlte an Zeit und Geld all das zu beschaffen was eigentlich benötigt wurde. Immerhin konnte Jane über ihren Laptop Kontakt zu einem Online-Waffenhändler aufnehmen und nachbestellen, sobald wieder Geld da war. Im Moment waren nur noch fünfeinhalbtausend Dollar übrig.
Jetzt hatte jeder Söldner nur das was er kurzfristig selbst besorgen konnte, natürlich von Janes Spesenkonto bezahlt.
Am besten war Ice ausgerüstet, er besaß eine Thompson M1A1 und hatte neben seinem Stahlhelm auch eine Kevlarweste. Die hielt schon etwas aus.
Buns, Grizzly und MD verfügten zusammen nur über zwei Stahlhelme und zwei Splitterschutzwesten und waren lediglich mit Faustfeuerwaffen ausgerüstet.
Jane hatte immerhin eine MP5K. Während sie ihre Weste anlegte und den Stahlhelm aufsetzte meldete sich der Pilot zu Wort: "Da unten sind ein paar verdächtige Typen. Sehen aus wie Soldaten."
"Können wir woanders landen?"
"Nein, nach dem Aufklärungsbericht ist das die einzige Ecke die nicht vom Radar erfaßt ist. Wenn zu dem Radar auch Luftabwehrraketen gehören ist die Mission sehr schnell zu Ende."
"Okay, da werden wir sie ein wenig ablenken müssen ..." Jane holte die Tüte mit ihrem Erbrochenen hervor "...ich brauche noch ein bißchen Ballast und eine Zeltplane."

"Sie haben etwas abgeworfen." meldete Leon Sanchez.
"Auch das ist mir nicht entgangen!" Glaubten diese Brüder ihr Vorgesetzter sei blind?
"Vorsichtig anschleichen!" befahl der Sergeant, "wir wollen ja den nicht verschrecken für den das Päckchen bestimmt ist."
Unterdessen verschwand der Hubschrauber kurzzeitig hinter einigen Bäumen. Offensichtlich wartete der Pilot auf jemanden der das Paket abholte.
Ramon erreichte den Abwurfort zuerst.
"Gib schon her!" befahl Caruso. Die Ware war in eine Zeltplane eingeschlagen und nicht besonders schwer.
"Vielleicht Sprengstoff." vermutete Leon.
"Glaub ich nicht." Schon hatte Sergeant Caruso die Hand im Paket. Sofort zog er sie zurück. "Scheiße!"
"Sieht eher wie Kotze aus." verbesserte Ramon Sanchez.
'Diese beiden Arschlöcher treiben mich noch zum Wahnsinn.' dachte Caruso. Die Brüder Sanchez stammten aus Omerta und waren nach dem Angriff so begeistert daß sie der Armee beitraten. Sie hatten wohl schon immer Ärger mit den Rebellen gehabt. Trotzdem, daß jemand sich freiwillig meldete nachdem die Armee so etwas mit seinen Bekannten und Nachbarn getan hatte war auch für einen relativ gewissenlosen Menschen wie Caruso zu hoch. Sie waren vermutlich die einzigen in Deidrannas Armee die aus der Rebellenstadt Omerta stammten.
"Euch ist doch wohl klar daß das ein Ablenkungsmanöver war. Die eigentliche Ware liegt wahrscheinlich da drüben wo der Hubschrauber jetzt ist."
In diesem Moment flog der Helikopter in nördlicher Richtung davon.
"... beziehungsweise war. Los, im Laufschritt zur Abwurfstelle! Ihr beiden Deppen geht von rechts heran, Xavier und Armando von links. Und haltet die Waffen bereit, der Abholer ist wahrscheinlich schon da!"

Als sie vorstürmten bemerkte Ramon einen kleinen Jungen am Straßenrand.
"Ist das nicht der Sohn von diesem Verräter Manuel?"
"Ja," bestätigte Leon, "den sollten wir uns nachher noch greifen!"

Die fünf Söldner waren zwischen einigen zerstörten Häusern abgesetzt worden. Noch bevor sie sich ein Versteck suchen konnten tauchte bereits der erste Gegner auf, ein ziemlich fetter Kerl von Anfang zwanzig. Sofort riß er die Waffe hoch, doch Grizzly schoß zuerst, allerdings daneben. Buns feuerte ihre Beretta zweimal ab, traf ihn in die rechte Schulter und ins linke Knie. Dieser Bursche war erst mal außer Gefecht.

Die Sanchez-Brüder näherten sich aus südlicher Richtung.
"Wie viele sind denn das?" fragte Leon erschrocken als die erste Revolverkugel über ihre Köpfe flog.
"Zwei, drei - was weiß ich!" antwortete Ramon während er seine SPAS-15 durchlud. "Wir legen sie alle um und zählen dann nach."
Im gleichen Moment krachte ein Schuß aus einer schwereren Waffe, vermutlich 45er. Und noch eine weitere Kugel zischte heran, ganz ohne Knall. Ramons dreckiges Unterhemd begann sich im rechten Brustbereich rot zu färben. Mit einem Seufzer sank er zu Boden.

Jane hörte einen Schuß, direkt neben ihr schlug die Kugel in den Boden ein. Der Schütze stand in einem der Häuser. Sofort schoß Ice zurück, der Mann schrie auf und zog sich zurück.

"Da drüben liegen sie auf der Lauer" rief Xavier, den die Kugel nur gestreift hatte, seinem Sergeanten zu.
"Vorwärts, die erwischen wir!" Caruso bog rechts um die Hausecke und schaffte es tatsächlich dem ersten Gegner, einer dunkelhaarigen Frau, eine Kugel zu verpassen.
Doch dann zwangen ihn die Schüsse der anderen zum Rückzug. Xavier versuchte sich durch das Haus heranzuschleichen, doch die zahlreich einschlagenden Projektile belehrten ihn eines Besseren.
"Wir sollten es aus nördlicher Richtung versuchen!" befahl der Sergeant.

Jane verband ihre Wunde, der Einschuß hatten nur zu einer oberflächlichen Verletzung geführt, die Kugel steckte noch in der Weste.
"Mach hin, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!" drängte Grizzly.
Ice und Buns hatten inzwischen dem übergewichtigen Burschen den sie zuerst erwischt hatten die Hände auf dem Rücken verschnürt. Weglaufen konnte er ohnehin nicht.
Danach schlichen sie vorsichtig voran.

Angestrengt hielt der Sergeant Ausschau, gedeckt durch die Ecke eines Steinhauses.
"Sie kommen!" schrie Xavier, im gleichen Moment hatte Caruso auch schon eine Kugel im Oberarm. Die Angreifer hatten sogar Schalldämpfer.
"Rückzug!" befahl er. Sein Untergebener ließ sich das nicht zweimal sagen, wie die Hasen rannten die beiden davon, in Richtung des nahen Waldes.


1. Juni 1999, 7:15 Uhr, Keller eines beschädigten Hauses in Omerta

Ira Smythe war äußerst beunruhigt. Vor einer Viertelstunde hatte draußen eine Schießerei begonnen.
Was hatte das zu bedeuten?
Zwar tauchten im zerstörten Omerta immer wieder Patrouillen der Armee auf, doch es gab niemanden mehr der ihnen Widerstand leistete. Die meisten Rebellen waren getötet worden, entweder beim Angriff auf die Stadt oder in den Wochen danach. Nur ein paar Verzweifelte saßen hier in diesem Keller und konnten keinen Ausbruch wagen. In der Stadt gab es nur noch einige wenige Zivilisten, hauptsächlich alte Menschen die nicht weg wollten. Fast alle Einwohner waren nach Drassen oder Cambria geflohen, soweit sie sich nicht auf dem Land versteckten.

[Ira stammte aus Brooklyn, New York, war dreißig Jahre alt und lebte erst seit 1994 in Arulco. Damals hatten einige Entwicklungshelfer versucht ein Hilfsprogramm zu starten. Bereits nach zwei Wochen jagte Deidranna die Ausländer aus dem Land und ließ die einheimischen Helfer ermorden. Spontan entschloß sich Ira zu bleiben und sich den Rebellen in Omerta anzuschließen.
In den folgenden Jahren kümmerte sie sich um Kranke und Verwundete - obwohl das einzige Krankenhaus des Landes nur etwa dreißig Kilometer entfernt lag war es für die Rebellen natürlich unerreichbar - und gab auch den Kindern etwas Unterricht. Nicht genug daß Deidranna die Schulen schon vor Jahren geschlossen hatte, auch die meisten Lehrer waren ermordet, inhaftiert oder aus dem Lande getrieben worden.
Bis zu jenem verhängnisvollen Tag Ende März versuchten die Menschen in Omerta ein einigermaßen normales Leben zu führen, immer von Deidrannas Schergen bedroht, doch von den Rebellen geschützt. Doch dann war die Übermacht zu groß und nun war alles aus, auch wenn es noch keiner aussprach.
Sicher hätte Ira das Land immer noch verlassen können, doch sie wollte lieber bis zum letzten Blutstropfen gegen diese Mörder kämpfen. Und so war sie, die aus gutem Hause stammte und vorher nie eine Waffe in der Hand hatte, auch noch zur Kämpferin geworden. Sie bekam von Miguel einen 38er Revolver und auch wenn sie noch nicht besonders gut damit umgehen konnte hoffte sie, wenigstens ein paar von den Menschenschindern mitzunehmen wenn sie sterben mußte.]

Dimitri, der oben Wache schob, kam in den Keller herunter. Mit ihm kamen Fatima, die Frau eines Rebellen der außer Landes geflohen war, sowie fünf Personen die Ira noch nie gesehen hatte. Es waren zwei Frauen und drei Männer, die Fatima als Söldner vorstellte, die von Enrico Chivaldori, dem vor zehn Jahren gestürzten König von Arulco, angeheuert wurden.
Ira hielt nichts von Chivaldori, was hatte er denn in den letzten zehn Jahren für sein Land getan?
Und wessen Frau war diese Deidranna noch gleich?
Und überhaupt - Söldner! Leute, die für Geld kämpften und diejenigen töteten die ihrem Auftraggeber im Weg standen. Deidrannas Armee bestand aus solchen Typen, und nun sollten auch welche für die Freiheit kämpfen?
Aber es gab wohl keinen anderen Weg und auch dieser würde wahrscheinlich nicht zum Ziel führen. Und wenn sich die einen und die anderen Söldner gegenseitig umbrächten wäre die Welt zumindest um ein paar Verbrecher ärmer.
Immerhin, diese fünf Figuren hatten den Mut sich mit einer ganzen, wenn auch ziemlich kleinen, Armee anzulegen. Sie hatten die Streife, die in Omerta immer noch nach versprengten Freiheitskämpfen suchte, in die Flucht geschlagen und zwei von den Schweinen niedergeschossen.
"Einen hat's in der Lunge erwischt, ich schätze der ist ziemlich schnell tot." berichtete die Anführerin. "Den anderen haben wir gut verschnürt."
"Ich schätze, der ist auch ziemlich schnell tot." bemerkte Miguel. Dann gab er den Söldnern den Auftrag nach Drassen zu gehen. Dort würden sie Pater Walker treffen und der würde hoffentlich Lebensmittel für die in Omerta verbliebenen Rebellen schicken können. Voraussetzung war natürlich daß die Armee anderweitig beschäftigt war und sollten den Söldnern das für einige Tage gelingen war die Mission nicht ganz umsonst.

Ira hatte die Ehre, oder das Pech, ihnen als Führer zu dienen.
Einen weiteren positiven Aspekt hatte die Sache noch, die Söldnerführerin besaß einen Laptop mit Satellitenantenne. So konnte Ira endlich ihrer Familie eine Nachricht schicken. Auch wollte sie einen Bericht über die schlimme Lage in Arulco ans amerikanische Außenministerium schreiben, doch Miguel riet ab. Mit Sicherheit war die Situation dort bekannt und da sich nichts rührte hatten die Amerikaner vermutlich kein Interesse am Sturz Deidrannas. Also würde ein Bericht schnell bei der Diktatorin landen und ihr wichtige Informationen über die Rebellen und deren Helfer geben.
Miguel Cordona hatte eine bessere Idee. Er schickte eine Nachricht an Fatimas Mann, der die Armee ausspioniert hatte und nun im Nachbarland Tracona untergetaucht war. Vielleicht könnte er wichtige Hinweise geben.


1. Juni 1999, 7:30 Uhr, Omerta

Verzweifelt versuchte Armando die Fesseln zu lösen, doch das wäre auch ohne die Schulterverletzung unmöglich gewesen.
Wo waren nur die Kameraden?
Tot? Oder geflohen?
Die Schießerei war nur kurz gewesen, wie lange lag er jetzt schon hier?
Er wußte es nicht, schließlich konnte er nicht auf die Uhr sehen, seine Hände waren auf den Rücken gebunden.
Jedenfalls kam es ihm wie eine Ewigkeit vor.

Endlich kam jemand.
Doch es war keiner seiner Kameraden, das Gesicht kannte er aber. Er hatte es auf einem Fahndungsplakat gesehen, der Mann hieß Carlos Dasouza und war ein gesuchter Rebellenführer. Eigentlich war er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot. Hinter ihm stand die junge Frau, die vor einigen Wochen Medikamente für ihren Sohn gesucht hatte und die er und die anderen vergewaltigt hatten.

Armando wollte etwas sagen, doch er brachte vor Schreck kein Wort über die Lippen.
Carlos sagte auch nichts, wortlos schnitt er dem Soldaten die Kehle durch.


1. Juni 1999, 9:08 Uhr, Wald südlich Omertas

"Wir müssen zurück, Ramon liegt noch in Omerta. Ich bin mir sicher daß er noch lebt." sagte Leon Sanchez.
"Tut mir leid," antwortete Sergeant Caruso obwohl ihm dieser Schwätzer überhaupt nicht leid tat, "aber wenn er nicht schon tot war als du abgehauen bist haben ihn die Rebellen wahrscheinlich inzwischen umgebracht. Wir drei können sie nicht allein fertigmachen, wir müssen nach Drassen und Alarm schlagen. Wir haben ja hier nicht mal ein Funkgerät."
Außerdem hatte Caruso seine Armverletzung nur oberflächlich versorgen können und wollte dringend zum Arzt.

Plötzlich schrie Xavier "Da sind sie!"
Die Angreifer waren ihnen gefolgt, oder zufällig den gleichen Weg gegangen, und schneller als die angeschlagenen Soldaten gelaufen.
Sofort schoß Xavier, doch er konnte mit seinem 38er Revolver keinen Glückstreffer landen. Die Rebellen erwiderten das Feuer, zahlreiche Projektile und eine Schrotladung flogen in Richtung des Soldaten.
Leon kam seinem Kameraden zu Hilfe und wurde von einer Schrotladung gestoppt. Zu seinem Glück trafen ihn nur wenige Kugeln in den linken Arm.
Der Sergeant warf sich zu Boden, gerade noch rechtzeitig bevor zwei schallgedämpfte Geschosse über seinen Kopf hinweg pfiffen. Vorsichtig robbte er zurück.
Als er sich aufrichtete traf eine volle Schrotladung seinen ohnehin verwundeten linken Arm. Mit letzter Kraft schaffte er es ins nahe Unterholz.

Nach zahlreichen Fehlschüssen auf beiden Seiten schaffte es Ice endlich den Soldaten ruhig anzuvisieren. Das 45er Projektil traf den Mann genau zwischen die Augen.
"Bye bye, Dude!" kommentierte der Söldner seinen Volltreffer.

Schießend stürmte ein weiterer Gegner heran. Jane und Buns feuerten gleichzeitig, er hielt sich den Bauch und kippte vornüber.

"Sollen wir dem dritten Kerl ins Unterholz folgen?" fragte Ice.
"Nein, so wie der blutet stellt er keine Gefahr mehr dar." erwiderte Jane, auf die Blutspur deutend.
"Okay, machen wir, daß wir weiterkommen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns."


1. Juni 1999, 12:00 Uhr, Drassen, Militärkommandantur

"Ein wichtiger Anruf, Captain!" rief Fähnrich Gomez, "Brennan."
"Was will denn der? ... Captain Lawrence hier, Sir."
"Es gibt Ärger," kam der Chef der regulären Truppen sofort zur Sache, "gerade hat Elliot aus Meduna angerufen. Wie es scheint hat ein Helikopter ein ausländisches Einsatzkommando in Omerta abgesetzt. Diese Typen haben vier Männer der nördlichen Patrouille getötet und sind jetzt mit unbekanntem Ziel unterwegs. Wahrscheinlich arbeiten sie mit den Rebellen zusammen."
"Wie viele sind es denn?"
"Eine Streife aus Cambria hat einen überlebenden Soldaten gefunden. Der sprach von mindestens einem Dutzend."
"Wie reagieren wir?"
"Cambria hat bereits zwei Patrouillen entsand, falls sie nach San Mona wollen werden wir ihnen den Weg abschneiden. Sie werden ebenfalls zwei Patrouillen losschicken, für den Fall daß sie zum Flugplatz wollen."
"Wir haben keine zwei Patrouillen. Unsere und die Nordost-Patrouille suchen in den Sümpfen diesen Bullock, den Hubschrauberpiloten."
"Ich weiß. Gott, ich wünschte sie hätten ihn schon gefunden, dann wäre die Jagd auf diese Rebellen ein Kinderspiel. Nun ja, Sie werden aus der Besatzung der Stadt zwei Patrouillen zusammenstellen müssen."
"Aber ..."
"Keine Diskussion! In Drassen gibt es genug andere Bewaffnete, die Fabrikaufseher zum Beispiel. Da wird nicht gleich ein Aufstand ausbrechen. Sie schicken zwanzig Mann, übernehmen Sie das Kommando gleich selbst!"
"Zu Befehl, Sir"
"Übrigens, Lawrence, es könnte sein daß dieser Miguel Cordona doch noch lebt und der Trupp wegen ihm kommt. Möglicherweise wollen sie ihn außer Landes schaffen. Wissen Sie was das heißt?"
"Äh ..., nein, Sir!"
"Denken Sie doch mal nach! Wir würden diesen aufgeblasenen Heinis von der Elitetruppe die Kopfprämie wegschnappen. Es würde auch unseren Stand bei der Herrin verbessern - und deren Ansehen schwächen - und wäre hervorragend für unsere Karriere. Also halten Sie auf jeden Fall die Elite draußen! Und nun legen Sie los, die Herrin will Erfolge sehen!"
"Jawohl, Sir!" antwortete Lawrence und legte auf. Der General stand kurz vor der Pensionierung und der Wettlauf der Kommandeure der regulären und der Elitetruppe nahm langsam groteske Züge an. Zum Glück hatten sie es nur mit einem Dutzend verlauster Rebellen zu tun, im Falle eines ernsthaften Angriffs würden die beiden die Verteidigungsfähigkeit ernsthaft gefährden. Doch wenn das mit Cordona stimmte würde vielleicht auch ein kleiner Teil der Prämie bei ihm, dem Kommandanten von Drassen, hängenbleiben.

"Lagebesprechung!" befahl er und Gomez hatte bereits die wichtigsten Männer herbeigerufen.
"Männer," begann er, "wir haben ein Rebellenproblem."
"Wieviele sind es denn noch?" fragte Hauptfeldwebel Tomkins.
"Ein Dutzend, ungefähr. Irgendwo zwischen Omerta, Cambria und Drassen. Wir werden zwei Patrouillen schicken. Tomkins, Sie stellen zwei Trupps zusammen, je einen Sergeanten und acht Soldaten. Einen führen Sie, den anderen übernehme ich selbst. Underhill!"
"Ja, Sir!" meldete sich der Leutnant, der als Zahlmeister und Verwaltungschef eine Art Bürgermeister war.
"Sie übernehmen in meiner Abwesenheit das Kommando. Sichern Sie den Flugplatz und die Stadt. Rekrutieren Sie alle Bewaffneten zur Unterstützung, außer irgendwelchen Eliteheinis natürlich, falls sich welche hierher verirren! Gomez, Sie halten Funkkontakt zum Hauptquartier und zu uns, soweit die Funkgeräte reichen! Das war's, Abmarsch ist in dreißig Minuten!"


1. Juni 1999, 12:20 Uhr, eine Farm nordwestlich von Drassen

Nach dreistündigem Marsch hatten die Söldner einen Platz zum Ausruhen erreicht, eine kleine Farm direkt an der Straße nach Drassen. Sie bestand aus einem kleinen Wohnhaus, einer Garage für die landwirtschaftlichen Geräte und einer Scheune. Die Felder erstreckten zu beiden Seiten der Straße.
Auf den ersten Blick schien das Leben hier in Ordnung zu sein ...
"Das ist die Farm von Emilio Zacharias." wußte Ira zu berichten, "Er lebt hier allein mit seinem kleinen Sohn seit Soldaten aus Drassen seine Frau vergewaltigt und ermordet haben."

Vorsichtig kam der Mann aus seinem Haus.
"Guten Tag, Emilio!" rief Ira. "Wie geht's?" ('Dumme Frage!' fiel Ira gleich darauf ein.)
"Schlecht, wie immer seit ... - aber ich freue mich das du noch am Leben bist. Wen bringst du mit?"
"Kämpfer aus dem Ausland, die uns helfen werden."
"Seid gegrüßt. Iras Freunde sind auch meine Freunde. Mein Haus ist euer Haus."
'Na - nicht gleich Freunde!' dachte Ira, "Das sind Jane, Monica, Michael, Steve und äh ... Ice." stellte sie ihre Verbündeten, denen sie weiterhin sehr mißtrauisch gegenüberstand, vor.
"Also, ich bin Emilio. Leider kann ich euch nur ein paar Maisfladen anbieten."
"Sehr schön," erwiderte Ice, "ich habe noch zwei Fleischkonserven. Damit können wir eine schöne Mahlzeit machen und den Krieg für einen Moment vergessen."
"Wenn Emilio nichts dagegen hat bleiben wir bis zum Abend hier und gehen nach Drassen wenn es dunkel ist." entschied Jane.

"Gibt's was neues in Drassen?" wollte Ira wissen.
"Diese Doreen Harrows ist neuerdings auch offiziell Direktorin der Fabrik. Sie beschäftigt jetzt nur noch Kinder und zahlt ihnen so gut wie keinen Lohn." berichtete Emilio.
"Und die Eltern lassen sich das gefallen?"
"Die Stadt ist voller Soldaten, da wagt keiner aufzumucken."

"Könntest du uns dein Auto überlassen?" fragte Grizzly und zeigte auf den rostigen Pick-Up der vor der Garage stand.
"Der ist völlig hinüber und Ersatzteile gibt es nicht. Wahrscheinlich werdet ihr in ganz Arulco keinen fahrtüchtigen Wagen und keinen Tropfen Benzin finden. Sogar die Armee geht meist zu Fuß."


1. Juni 1999, 14:00 Uhr, Drassen, Militärkommandantur

Nun war Leutnant Underhill also amtierender Kommandant, eine völlig neue Erfahrung für den Schreibtischsoldaten. Jetzt galt es die zur Verfügung stehenden Männer richtig zu verteilen.
"Der wichtigste Punkt ist der Flugplatz. Sergeant Estevez, Sie übernehmen hier das Kommando. Nehmen sie vier Soldaten und die Männer vom Flughafensicherheitsdienst und bewachen Sie alle wichtigen Positionen!" Underhill war froh das Kommando in der Praxis einem erfahrenen Soldaten übertragen zu können. "Corporal Kairns, Sie sichern mit drei Mann und den Wächtern der Bergwerksgesellschaft die Mine! Ich sichere mit den anderen drei Soldaten und den Fabrikaufsehern die Stadt selbst." Für sich selbst hatte er den vermutlich ungefährlichsten Posten ausgesucht. "Gomez, sie bleiben hier im Militärgebäude und halten Funkkontakt!"
"Was ist mit mir?" fragte Franca, die Sanitätssoldatin.
"Ach ja, du hältst dich einfach an mich."

Nachdem Underhill und der Corporal mit ihren Leuten in die südlichen Teile der Stadt gegangen waren begann Estevez seine Männer zu verteilen.
"Wieviele Männer haben Sie?" fragte er Ken Robertson, den Sicherheitschef des Flugplatzes.
"Nur drei, und sie haben keine Kampferfahrung."
"Na, kämpfen werden wir hoffentlich nicht müssen, aber Sicherheit muß sein. Okay, einer meiner und einer Ihrer Leute sichern das Tor. Ebenfalls je einer bleibt bei Gomez im Wachgebäude in Bereitschaft. Wir fünf anderen patrouillieren auf dem Flugplatz."


1. Juni 1999, 19:00 Uhr, Drassen, Herve Santos' Bar

Nach mehr als zwei Monaten hatte Josie endlich die Möglichkeit in ihre Heimatstadt Drassen zu kommen. Nach der Zerstörung Omertas hatten die Elitesoldaten die gesamte Umgebung durchkämmt, noch viele weitere Menschen waren abgeschlachtet worden. Die Rebellion war zu Ende. Lebte Miguel Cordona noch? Das wußte keiner, gefunden hatte man ihn jedenfalls nicht. Vielleicht versteckte er sich irgendwo, doch an eine Rückkehr glaubte keiner.
Die Menschen, auch hier in Drassen, verspürten Wut, Haß auf Deidranna und ihre Armee, doch vor allem Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Deidranna schien ihre Macht auf alle Ewigkeit zementiert zu haben.
Wenigstens hatte Josie jetzt endlich die Schulden ihrer Eltern bei Herve Santos bezahlen können. Das kleine Lebensmittelgeschäft von Eric und Anna Lee lief schlecht, kein Wunder - es gab ja nicht viel zu verkaufen und niemand konnte viel bezahlen.
Die meisten Menschen waren arbeitslos, obwohl es in Drassen eine funktionierende Fabrik gab. Hier mußten die Kinder, für die es keine Schule mehr gab, arbeiten. Unter dem alten Direktor war das anders gewesen, die Menschen verdienten zwar wenig, aber irgendwie ging es noch. Doch dann hatte Doreen Harrows die Leitung übernommen. Der Direktor war erstochen in seinem Büro aufgefunden worden, daneben ein erschossener Arbeiter mit einem Messer in der Hand. Der Elitesergeant Bob Slater hatte den Mörder angeblich zufällig überrascht, leider zu spät.
Was wirklich passiert war konnte man sich nur denken, aber es war nicht schwer. Doreens Schwester Eileen Harrows war Leutnant in der Elitetruppe und Slater diente in ihrer Einheit. Und das Slater einer der brutalsten und gewissenlosesten Männer Arulcos war wußte nicht nur Josie, die schon seinen Stiefel im Nacken gespürt und um Gnade gebettelt hatte.
Kurz nachdem Doreen Chefin geworden war hatte sie alle Arbeiter entlassen und Kinder eingestellt, natürlich zu einem Bruchteil des Lohnes. Nach der Niederschlagung der Rebellion hatte sie gar keinen Lohn mehr gezahlt, sondern die Fabrik zur Schule erklärt. Die eingesparten Löhne flossen in ihr schönes Haus in Balime, weit weg von aller Armut.
Das Ganze war natürlich nicht nur für die Kinder und die Arbeitslosen eine Katastrophe, sondern auch für die kleinen Händler in Drassen.
Aber wenn irgend etwas in Arulco funktionierte war es das Kreditwesen. Es lag in den Händen der Brüder Santos. Diese kontrollierten nicht nur die meisten Kneipen in Arulco, sie waren auch so etwas wie Bankiers - eine richtige Bank gab es nicht mehr. Sie hatten Kontakt zu den amerikanischen Banken und Kreditkartenunternehmen, über sie konnte man an sein Geld von ausländischen Konten kommen und verdientes Geld schnell und sicher ins Ausland bringen. Sie nahmen sogar Gold und Silber aus den Minen in Zahlung, mancher Bergarbeiter fand ja zufällig ein paar Krümel in seinen Stiefeln oder seiner Brotbüchse.
So kam niemand, egal ob Bergarbeiter, Soldat oder Rebell, an ihnen vorbei - Schulden mußten bezahlt werden, sonst konnte man selbst in diesem gesetzlosen Land sein Haus legal verlieren.

Geld war auch das zweitwichtigste Gesprächsthema von Ralph Morris, und da Josie noch etwas davon hatte durfte sie dem Sohn des Drassener Minenvorarbeiters auch gleich ein Bier bezahlen.
Sein wichtigstes Thema war allerdings seine mißglückte Olympiateilnahme in Atlanta. Er war ein hervorragender Schütze, doch er war in der Qualifikation gescheitert. An seinen Nerven, seine Schießkunst hätte auch für eine Medaille gereicht. Und vor allem an einer Monika Sowieso aus Finnland oder Norwegen. Das nagte an seinem Stolz und das erzählte er seit Jahren jedem, der es nicht hören wollte.
Er war ja eigentlich ein kluger Bursche, hatte sogar im Ausland Bergbau studiert. Das für arulcanische Verhältnisse recht hohe Gehalt seines Vaters ermöglichte ihm das, doch zu einem gutbezahlten Job für ihn hatte es noch nicht geführt.
Jetzt hatte er beschlossen, seinen Lebensunterhalt mit der Waffe zu verdienen. Er wollte der Armee beitreten, am besten der Elitetruppe. Schon wenn er es dort zum Unteroffizier brächte würde er ähnlich viel Geld verdienen wie sein Vater, würde er Offizier wäre er einer der reichsten Männer in Drassen.
"Warum bewirbst du dich nicht gleich als General?" fragte ihn Josie ironisch.
"Lach nicht, ich denke ich habe alles was ein Elitesoldat braucht: Klugheit, Kondition, Treffsicherheit ..."
"... Geldgier, kein Gewissen ..." setzte Josie fort.
"Wie kommt man in diese Truppe und ans große Geld?" fragte er ernsthaft.
"Familiäre Beziehungen, nachgewiesene Brutalität, Fähigkeiten im Schießen oder Nahkampf..."
"Genau! Und ich glaube, ich bin der beste Schütze in Arulco. Das muß denen da oben doch aufgefallen sein."
"Vermutlich ist denen da oben aufgefallen, daß du in Atlanta keinen Blumentopf gewonnen hast." wand Josie ein, "Du hast verloren und Deidranna mag keine Verlierer."
Wie konnte man diesem Spinner nur seine Pläne ausreden. Was wollte er, Geld? Abschußprämien für Rebellen oder Leute die so aussahen? Nach Herzenslust plündern und vergewaltigen?
Und im Gegenzug die Achtung aller verlieren die ihn kannten?
"Warum fängst du nicht im Bergwerk an?" fragte sie ihn, "Du könntest dich doch hocharbeiten, und mit deinen Fähigkeiten kriegst du schon irgendwo einen besseren Job."
"Warum sollte ich diese Knochenarbeit machen wenn mich die Elitetruppe nimmt?"
"Die nimmt dich nicht, also hör endlich auf damit!"
So intelligent und doch so bescheuert! Josie mußte an Omerta denken, an Peter Clarke. Vielleicht lebte er ja gar nicht mehr. Starr hatte er dagesessen bis ihn die Soldaten festnahmen. Sie hatten ihn nicht erschossen, auch nicht an den folgenden Tagen. Das gab Hoffnung, doch irgendwann würde es vielleicht Deidranna oder einer ihrer Führungsoffiziere für eine gute Idee halten, ihn hinzurichten und dann würde es keine Möglichkeit mehr geben, um Gnade zu bitten.
"Warum rennen eigentlich die ganzen Soldaten wie aufgescheuchte Hühner durch die Stadt?" unterbrach Ralph ihre Gedanken.
"Die meisten sind heute mittag ausgerückt. Wahrscheinlich haben sie irgend jemanden gesehen der aus der Ferne wie ein Rebell aussah - oder sie haben einen noch nicht geplünderten Weinkeller entdeckt. He, Zahlmeister!" begrüßte Josie den gerade hereinkommenden Leutnant Underhill, "Warum waltest du nicht deines Amtes und zahlst die nächste Runde? Und verrate uns doch mal was hier eigentlich los ist!"
Ralph mußte grinsen, diese vorlaute Josie Lee würde wahrscheinlich auch Deidranna persönlich so respektlos begrüßen.
"Es sind neue Rebellen aufgetaucht. Mit einem Hubschrauber, aus dem Ausland. Captain Lawrence ist unterwegs um ihnen den Garaus zu machen und ich bin jetzt zeitweise Stadtkommandant." Underhill versuchte einen wichtigen Eindruck zu machen.
"Wer weiß was das für Vögel waren, vielleicht verirrte Touristen." warf Josie ein.
"Das wohl nicht, sie haben vier Männer aus Ketchs Patrouille umgelegt."
"Hoppla, da war wohl jemand überfordert!" stellte Josie fest.

"Wie können die mit einem Hubschrauber kommen, ich dachte es gäbe neuerdings sogar eine Luftabwehr?" fragte Ralph Morris.
"Sie wurden nicht vom Radar erfaßt."
"Oh, hoffentlich ist noch Garantie drauf." spottete Josie.
"Ganz im Vertrauen," erzählte Underhill, "ausgerechnet Omerta wird von keiner Raketenbasis erfaßt. Irgendein Saboteur, ein Manuel Dingsbums der sich kürzlich nach Tracona abgesetzt hat, hat die Pläne manipuliert. Gemerkt hat man es erst als die Anlagen fest installiert waren."
"So ein Pech aber auch, aber warum macht ihr hier so eine Hektik?"
"Sicherheitshalber habe ich, kraft meines Amtes, alle Bewaffneten in Drassen unter mein Kommando gestellt."
"Soll ich auch mitmachen?" bot sich Ralph an. "Schließlich will ich ja Elitesoldat werden."
"Nein danke!" Der Befehl lautete ja die Elite draußen zu halten. "Elitesoldaten sind hier mit Sicherheit unterfordert."
"Kommen wir mal zu etwas wirklich wichtigem - du wolltest eine Runde schmeißen!" unterbrach Josie.
"Na gut." Underhill zeigte sich spendabel. "Santos!" (Welcher Santos war das noch gleich?) "Füllen Sie die beiden auf meine Kosten ordentlich ab!"

"Du siehst wie schnell man als Soldat ins Gras beißen kann ..." setzte Josie das ursprüngliche Thema fort nachdem Underhill gegangen war.
"... wenn man so blöd wie Ketchs Leute ist. Aber ich bin ja schlau. Prost!" antwortete Ralph


Zwei Stunden später waren beide reichlich betrunken. Josie verließ das Lokal und ging zurück in den kleinen Laden ihrer Eltern. Das schäbige Häuschen neben der Kirche bestand nur aus zwei Räumen: dem Verkaufsraum und einem Hinterzimmer das als Schlaf-, Wohn- und Lagerraum diente. Josie wollte früh zu Bett, bereits morgen früh mußte sie die Stadt wieder verlassen.
Irgendwo im Gelände würden auch in dieser Nacht wieder Menschen sterben. Hörte der Wahnsinn denn niemals auf?


1. Juni 1999, 21:00 Uhr, Emilio Zacharias' Farm

"Macht euch bereit, wir müssen los!" befahl Jane Doherty.
"Übrigens, während ihr geschlafen habt sind einige Soldaten durchgezogen. Sie suchen euch wahrscheinlich jetzt gerade zwischen Omerta und Cambria." erzählte Emilio.
"Schau doch mal nach ob Manuel schon geantwortet hat!" schlug Ira vor.
Jane schaltete den Laptop ein. "Tatsächlich, das ging aber schnell."

Es freut mich daß es wieder Hoffnung gibt. Wie ihr wißt konnte ich die Armee ein wenig ausspähen und sabotieren.
Vor Deidrannas Machtübernahme gab es in Arulco keine wirkliche Armee, nur eine kleine Grenzschutztruppe. Deidranna brachte eine kleine Leibgarde mit, eine gut ausgebildete Söldnertruppe. Nach dem Putsch stockte sie diese Truppe sehr schnell mit internationalen Söldnern und einheimischen Verbrechern auf. Es wurde ihre Elitetruppe, die das Land mit einer Welle aus Mord und Terror überzog. Sie haben ihr Hauptquartier in Meduna, wie viele es sind ist geheim. Über sie weiß ich recht wenig, außer ihren Greueltaten. Ich konnte mich in die reguläre Armee einschleichen. Diese hat ihr Hauptquartier in Alma und Truppen in allen Städten, abhängig von der Größe und Wichtigkeit zwischen 25 und 100 Mann. Darüber hinaus sind mindestens 15 Patrouillen zu 10 Mann ständig im Lande unterwegs.
Deidranna hat in den letzten Jahren mindestens 20 Panzer angeschafft, da sie aber an Ersatzteilen spart und Treibstoff sehr knapp ist stehen sie meist nur am gleichen Ort.
Die Luftwaffe spielt keine große Rolle, zwar gibt es ein altes Flugzeug, doch die Piloten werden im Ausland 'geborgt' und arbeiten nur auf Honorarbasis. Sie sind sehr teuer und Deidranna ist sehr geizig.
Es gibt 4 Raketenbasen als Luftabwehr, die sind natürlich sehr gut bewacht.

Die Armee steht unter dem Kommando eines gewissen Theo Humphey. Der frühere Hauptmann der Grenztruppe nennt sich jetzt General. Der regulären und der Elitetruppe steht je ein Oberst vor, die beiden können sich nicht ausstehen und wollen den General beerben. Das könnte die Armee ernsthaft behindern.

Es gibt in der Armee keine Wehrpflichtigen mehr, auch die ehrlichen Berufssoldaten haben die Truppe längst verlassen.

In Drassen gibt es einen Hector Perez, einen ehemaligen Offizier. Der kann euch vielleicht helfen geeignete Leute für eine Miliz zu finden, auch kennt er einige Waffenverstecke.

Das ist fürs erste alles, ich versuche noch mehr herauszufinden.

Ich wünsche euch viel Glück, ihr seid unsere einzige Hoffnung

Manuel


1. Juni 1999, 22:30 Uhr, Flugplatz Drassen

Vorsichtig schnitt Jane Doherty ein Loch in den Zaun des Flugplatzes, gerade groß genug daß auch ein Mann wie Grizzly hindurch kam. Einer nach dem anderen schlüpften die Angreifer hindurch. Offenbar hatte man hier, in der äußersten Ecke im Nordwesten des Flughafengeländes keinen Wächter postiert.
Es herrschte völlige Dunkelheit, kein Geräusch war zu hören. Kriechend arbeiteten sich die Söldner vor.
Links von ihnen war eine kleine Lagerhalle, vermutlich für ankommende und abgehende Waren.
Mit der Waffe im Anschlag blickte Ice um die Hausecke, nachdem er Schritte gehört hatte. Doch es war nur ein unbewaffneter Mann, offensichtlich der Lagerverwalter.
Für einen Moment hielten sie inne, Jane versuchte sich in der Dunkelheit an den Lichtern der Gebäude zu orientieren. Im Westen des Flugplatzes befanden sich drei kleinere Baracken, im Osten standen, rechts und links von einer sich drehenden und beleuchteten Radarantenne, ein Hubschrauber und ein kleines Flugzeug. Etwas weiter im Südosten war noch eine etwas größere Lagerhalle. Im Süden war der Eingang des Geländes mit Schlagbäumen und Schilderhäuschen. Daneben war noch ein kleineres Haus, vermutlich ein Wachgebäude.
Die eigentliche Stadt Drassen konnte man nur ahnen, sie lag etwas südlich des Flugplatzes.

Plötzlich tauchte neben der Radaranlage ein Bewaffneter auf.
"Was ist denn das für ein Clown in der blauen Uniform da?" flüsterte Jane Doherty Ira zu, schließlich wollte sie ja keinen Unschuldigen erwischen.
"Einer von Deidrannas Totschlägern die den Flughafen bewachen. Mann, den würde ich gern totschlagen."
Die Anführerin der Söldner schickte zwei 9mm-Geschosse in die Richtung des Mannes, beide schienen ihr Ziel getroffen zu haben. Der Mann schwankte, verschwand für einen Moment aus dem Blickfeld. Eine Sekunde später tauchte er wieder auf, wegen des Schalldämpfers konnte er den Standort des Schützen nicht feststellen. Eine dritte Kugel beendete sein Leben.

Entsetzt sah der Flugplatzwachmann Norman Enos seinen Chef tot zusammenbrechen. Er hatte keinen Schuß gehört, doch die Einschußlöcher sprachen für sich.
"Alarm!" schrie er, "Die Rebellen sind auf dem Gelände."
Sofort flogen ihm die Kugeln um die Ohren. Obwohl der muskelbepackte rothaarige Bursche einen gefährlichen Eindruck machte war er kein Held. Er war ein Schläger ohne Kampferfahrung. Enos spürte wie sich seine Blase vor Angst entleerte - immerhin hatte er sich mit einigen Bieren Mut angetrunken. Er war gerade mal zwanzig Jahre alt und hatte keine Lust hier zu sterben und so trat er den Rückzug an, gerade als Sergeant Estevez mit seinen Männern heranstürmte.

Jane und Buns nahmen den Rothaarigen unter Feuer, allerdings war er im Halbdunkel kaum zu erkennen.
"Scheiße!" entfuhr Buns als mit einem mal drei Soldaten gleichzeitig aus der Dunkelheit auftauchten.
Doch schon jagte Grizzly zwei Schrotladungen in ihre Richtung, Jane und Ice ließen Feuerstöße ihrer automatischen Waffen folgen. Auch Buns Kugel fand ein Ziel, nur die von MD ging weit daneben und die unerfahrene Ira kam überhaupt nicht zum Schuß.
Alle drei Gegner schrien getroffen auf, zwei verschwanden in der Dunkelheit, der dritte blieb röchelnd liegen.

Jetzt, wo es auch noch den Sergeanten erwischt hatte, gab es kein Halten mehr.
"Tom, hilf mir!" rief Udo, ein deutscher Söldner in Arulcos Armee. Die Kugel hatte sein rechtes Bein erwischt.
"Los, fass' mit an!" rief Tom, der selbst eine leichte Verletzung am Arm erlitten hatte, dem Wachmann Norman Enos zu. Gemeinsam schleppten sie ihren verwundeten Kameraden aus der Gefahrenzone.

Vorsichtig näherte sich Jane dem Soldaten der sich nach einem Bauchschuß vor Schmerzen krümmte. Sie nahm ihm seinen 45er Colt ab, von ihm ging jetzt keine Gefahr mehr aus.
"Wie gehen wir weiter vor?" wollte Grizzly wissen.
"Ganz langsam und vorsichtig. Am Schlagbaum warten sie sicher schon auf uns."

"Ich werde mal vorsichtig nachsehen wo sie stecken." beschloß der Wachman am Eingang.
"Bist du lebensmüde?" fragte der Soldat.
"Ich bin ein guter Schütze und schnell, mich erwischen sie nicht. Bleib' du ruhig hier und decke meinen Rücken!"
Sprach es und verschwand in der Dunkelheit.
Kopfschüttelnd blieb der Soldat zurück.
Auch nach Minuten tat sich nichts. Der Soldat wußte nicht daß der Mann vom Flughafenwachschutz längst die Kugel einer schallgedämpften Waffe im Hirn hatte, doch er ahnte es.
'So ein leichtsinniger Tölpel!'

In der Dunkelheit lagen die Angreifer und beobachteten die Schilderhäuschen. Zuerst war auf der linken Seite ein glatzköpfiger Soldat kurz zu sehen, danach erschien für einen Moment ein dunkelhaariger auf der rechten.

"Wir feuern erst, wenn wir beide gleichzeitig im Visier haben." flüsterte Jane Doherty.
Drei Minuten vergingen, mal war der eine, mal der andere zu sehen.
"Wir sollten die Initiative übernehmen, sonst kommt noch Verstärkung aus der Stadt." schlug Grizzly vor.
"Hast recht, wenn der erste getroffen ist wird der zweite schon auftauchen."
Mit ihrer schallgedämpften MP5K gab Jane den ersten Schuß ab, der dunkelhaarige Soldat schrie auf. Überraschend kam ihm ein Wachmann in blauer Uniform zu Hilfe, doch diesen konnte Buns an der Schulter treffen. Die beiden schienen den Rückzug anzutreten als plötzlich der Glatzkopf erschien - und von Buns mit einem Knieschuß begrüßt wurde. Stöhnend fiel er zu Boden.

Erschrocken bemerkte Fähnrich Gomez daß offenbar auch die Posten vom Tor den Rückzug antraten. Er packte sein Funkgerät zusammen und verließ das Wachgebäude.
Doch als er im Lichtschein des Eingangs zum Flugplatz die Rebellen erspähte siegte sein Killerinstinkt über die Vernunft. Er riß die Waffe hoch und eröffnete das Feuer.
Doch er machte lediglich die Rebellen auf sich aufmerksam. Der Feuerstoß einer automatischen Waffe traf das Funkgerät, eine weitere Kugel verletzte seinen linken Arm. Fluchend zog auch er sich zurück.

"Bleib' liegen, oder du stehst nie wieder auf!" befahl Grizzly dem Glatzkopf. Sechs Waffen richteten sich auf ihn und Ice nahm ihm seine Barracuda ab. Danach mußte er sich auf den Bauch drehen und Grizzly verschnürte seine Hände auf dem Rücken.
MD versorgte auch seine Wunde, dem Sergeanten mit dem Bauchschuß konnte dagegen keiner mehr helfen. Die beiden Wachmänner waren ohnehin sofort tot gewesen.

Grizzly knackte die Schränke im Wachgebäude mit einem Brecheisen, außer einigen Magazinen verschiedenen Kalibers fand er aber nichts brauchbares.
Die Beute an Waffen beschränkte sich auf die Pistolen der vier besiegten Feinde, es waren ein 45er Colt, eine 38er S&W, eine Desert Eagle und eine Barracuda.
"Punkt für uns," resümierte Jane Doherty, "wir haben ihnen den Flugplatz abgenommen und wenn das ihr einziges weitreichendes Funkgerät war haben die Kerle ein ernstes Problem. Grizzly, Ice, bringt den Gefangenen ins Wachgebäude!"
"Sollten wir ihn nicht verhören?" fragte Ira.
"Wir wissen sowieso nicht ob er die Wahrheit sagt, also was soll's? Wir werden ein wenig verschnaufen und dann gleich weitermachen. Um den Burschen kümmern wir uns später."


1. Juni 1999, 23:00 Uhr, Drassen, Herve Santos' Bar

"Wie konnte das nur passieren?" Leutnant Underhill betrachtete den kläglichen Haufen der vom Flugplatzgelände geflohen war.
"Es waren sehr viele und offenbar hervorragend ausgebildet." wußte Enos zu berichten, "Wir sind ja nur Wachleute, keine Superkämpfer."
"Das glaub ich auch, übrigens, was riecht hier so streng?" bemerkte Franca, die alle Hände voll damit zu tun hatte die geschlagenen Verteidiger zu verarzten.
"Das Funkgerät ist also auch hin?" fragte Underhill.
"Ja, leider ..."
"Das heißt wir sind in den nächsten Stunden auf uns allein gestellt ... Franca, du bringst, zusammen mit dem Inkontinenten hier," er zeigte auf Enos, "die Verwundeten zur Mine. Kairns soll mit seinen Leuten sofort hierher kommen, wir müssen damit rechnen daß die Rebellen der Stadt einen Besuch abstatten. Gomez, Sie versuchen vom Bergwerk aus irgendwie eine Verbindung nach Alma zu bekommen! Hoppla, wer kommt den da? Welch Glanz in unserer armseligen Hütte!"
Doreen Harrows war hereingekommen und kam sofort zur Sache: "Ich brauche meine Aufseher wieder. Ich befürchte Ärger mit der Nachtschicht, jetzt wo die Rebellen vor der Tür stehen."
"Tut mir leid, wir brauchen jeden Mann zur Verteidigung der Stadt." Es war Underhill klar daß Doreen gute Gründe hatte sich zu fürchten. "Sollten die Rebellen die Stadt erobern nützen die beiden Figuren auch nichts mehr. Aber das wird nicht passieren, und wenn die 'Arbeiter' sich morgen erst einmal die Leichen der Rebellen angesehen haben arbeiten sie in Zukunft noch schneller. Am besten Sie gehen schlafen und lassen uns die Rebellen fertigmachen!" Underhill wußte, daß das alles nur Wunschdenken war, aber eine bessere Lösung fiel ihm nicht ein. Im Prinzip hoffte er einfach, daß sich die Rebellen mit dem Flugplatz zufrieden gaben.


2. Juni 1999, 00:08 Uhr, Drassen

"Das ist also die Stadt Drassen."
Vor den Söldnern lag ein Haufen armseliger Baracken. Hier und da brannte ein Licht, ansonsten war es stockfinster. Niemand schien auf der Straße zu sein, doch die Soldaten der Diktatorin warteten mit Sicherheit hinter irgendeiner Ecke.
Also bemühten sich die sechs Angreifer kein Geräusch zu machen und arbeiteten sich, auf dem Bauch liegend, langsam vorwärts.

Diego glaubte seinen Augen nicht zu trauen als er plötzlich mehrere Personen heranrobben sah. Die Pistole in der Hand stürmte der Soldat vorwärts. Einer der Eindringlinge feuerte eine Schrotflinte ab, zum Glück verfehlte er sein Ziel um Haaresbreite. Diego schoss zunächst auf einen anderen Gegner, einen Schwarzen der ihm am gefährlichsten erschien. Dieser stöhnte auf, sein Hosenbein begann sich rot zu färben.
Der Schrotflintenmann warf seine Waffe weg und zog zwei Pistolen, doch diese Zeit reicht Diego um sich mit einem Hechtsprung in die Dunkelheit in Sicherheit zu bringen.

"Verdammt!" Ice stopfte den Inhalt seines Verbandspäckchens in die Wunde im Oberschenkel um die Blutung zu stillen. Wenigstens konnte er das Bein weiterhin normal bewegen.
"Verdammt!" schimpfte auch Grizzly, aber was sollte er machen? Es war seine letzte Schrotpatrone gewesen, von jetzt an mußte er sich auf die beiden Desert Eagles verlassen.
Aus südwestlicher Richtung tauchte ein weiterer Soldat auf, noch bevor er die Angreifer sah schickte Jane einige Kugeln in seine Richtung. Er schien getroffen zu sein und verschwand aus dem Blickfeld.
Gleichzeitig erschien ein anderer direkt vor MD, ein schon etwas älterer, ziemlich fetter Kerl.
'Der paßt wahrscheinlich in gar keine Schutzweste.' ging es dem jungen Arzt durch den Kopf - wie die meisten Soldaten lief der Mann nur im Unterhemd herum. Dann feuerte er seine beiden 38er je zweimal ab, mit mehreren Löchern im Bauch sank der Dicke zu Boden. "Ich sag's doch immer, Übergewicht verkürzt das Leben."

Corporal Kairns sah seinen Untergebenen zu Boden sinken, er wollte ihm noch zu Hilfe kommen doch da pfiffen auch ihm die Kugeln um die Ohren. Er verspürte einen Schmerz, auch wenn es nur ein Streifschuß war, und zog sich schnell zurück. Dem Soldaten konnte er ja ohnehin nicht mehr helfen.

"He, Cesar, es geht los!" rief der Fabrikaufseher Enzo seinem Kollegen zu, "Die verdammten Rebellen sind eingedrungen."
"Dann bereiten wir ihnen mal einen heißen Empfang!" Cesar war zuversichtlich die Angreifer schlagen zu können. Immer nur Kinder zu schlagen wurde auf die Dauer langweilig.
Sofort rannten beide in die Richtung aus der sie die Schüsse hörten.
Von links hörten sie Schritte, sofort riß Cesar die Waffe hoch. Im letzten Moment sah er daß es ein Soldat war. 'Das hätte ins Auge gehen können.' dachte er. Die Armee verstand schließlich keinen Spaß.
Eine Sekunde später wurde der Soldat vom Feuerstoß einer MP durchsiebt. Eine weitere Kugel streifte Enzo, die nächste traf Cesar in die Schulter. Enzo schnappte sich seinen Kameraden und zog ihn aus der Gefahrenzone. Es war wohl besser beim Kinder-zur-Arbeit-Zwingen zu bleiben.

Die Angreifer trieben ihre Gegner praktisch vor sich her, immer weiter nach Süden. Auf der rechten Seite bemerkte Jane einen alten Mann der sich ängstlich hinter einer Mülltonne versteckte. Ansonsten waren keine Zivilisten zu sehen.
Grizzly näherte sich der kleinen Bar. Vorsichtig blickte er durch ein Fenster, außer dem Wirt schien niemand da zu sein. Geduckt, beide Desert Eagles im Anschlag, ging er durch die Tür. Der Wirt sagte nichts, deutete aber in östliche Richtung.
Der Söldner verließ das Lokal so wie er gekommen war und zeigte in die Richtung, in die die Soldaten offenbar geflohen waren.

Leutnant Underhill hatte seine 'Kommandozentrale', Herve Santos' Bar, verlassen als er feststellen mußte das seine Männer die Flucht in Richtung der Mine angetreten hatten. Sicher war es das Beste, dort eine neue Verteidigungslinie zu bilden und auf Verstärkung zu warten. Auf jeden Fall hatte Underhill auch keinen besseren Plan. Hoffentlich hatte Gomez eine Verbindung nach Alma herstellen können.
Er wollte sich an einer Wellblechhütte vorbei ebenfalls davonschleichen, doch plötzlich bemerkte er ein halbes Dutzend Rebellen die ihm den Weg nach Süden versperrten.
Er schoß zuerst, traf sogar den ersten Rebellen. Sofort wurde er unter Feuer genommen.
"Ich ergebe mich, ich ergebe mich." rief er und ließ seine Waffe fallen. Sollte doch für Deidranna sterben wer will.

"Wen haben wir denn da? Schein ein etwas höheres Tier zu sein." grinste Jane.
"Ich bin amtierender Kommandant dieser Stadt." stellte Underhill klar.
"Ah, Kommandant." spottete Grizzly. "Gut kommandieren kann er schlecht - aber schlecht schießen kann er gut." Die Kugel des 'amtierenden Kommandanten' hatte ihn nur leicht gestreift.
"Du warst Kommandant," berichtigte Ira, "jetzt bist du Gefangener und in Kürze wirst du vielleicht Gehangener sein."
"Wir sperren ihn erst mal zu dem Glatzkopf am Flughafen. Morgen sehen wir weiter." entschied Jane.

"Yo, dude, das ist nach meinem Geschmack!" freute sich Ice, "Von diesem Einsatz werden wir noch unseren Enkeln erzählen."
"Ein paar Zentimeter höher und das mit den Enkeln könntest du vergessen." bemerkte MD während er die Kugel aus dem Bein des dunkelhäutigen Söldners schnitt, "Aber du hattest Glück, in ein paar Tagen ist es fast wieder wie neu und bis dahin dürfte dich das Bein nicht all zu sehr behindern."
"Um so besser, da können wir den Rest von den Schweinen ja gleich noch ins Jenseits befördern."
"Nicht gleich, Buns, aber noch diese Nacht." Jane Doherty war zuversichtlich die Stadt bis zum Morgen komplett zu kontrollieren.


2. Juni 1999, 02:30 Uhr, Drassen-Minenverwaltung

Vergeblich bemühte sich Fähnrich Gomez um eine Verbindung nach Alma, in der dortigen Mine wurde in der Nacht nicht gearbeitet. Vielleicht konnte man am Morgen Hilfe rufen.
Franca ging langsam das Verbandszeug aus, es gab ja auch nur noch drei unverletzte Soldaten. Wenigstens gab es noch die Aufseher des Bergwerks. Doch diesen fünf Männern fehlte es natürlich an Kampferfahrung.
Corporal Kairns teilte den Gesunden und den Leichtverletzten ihre Positionen zu, diesmal würden sich die Rebellen hoffentlich die Zähne ausbeißen.

Vor den Söldnern lagen nicht nur zahlreiche kleine Häuser, hier wohnten vermutlich die Bergleute, sondern auch eine Kirche.
"Da werden wir diesen Pater Walker ja gleich treffen." vermutete MD.
"Wenn er da ist, vielleicht schläft er ja irgendwo seinen Rausch aus." gab Ira zu bedenken.
"Wir werden ja seh... - aha, wir haben Besuch!" Direkt vor Buns tauchte ein Soldat auf. Sofort schoss sie, auch Grizzly feuerte seine beiden Waffen ab. Dennoch schaffte es der Bursche sich zurückzuziehen.
An seiner Stelle erschien ein anderer, ein leichtsinniger Rekrut von wahrscheinlich gerade mal achtzehn Jahren. Ohne nachzudenken stürmte er vor, feuerte mehrmals.
Buns verspürte eine Schmerz im linken Arm, ihre Bluse begann sich rot zu verfärben. Trotzdem konnte sie mit der rechten Hand schießen. Der Soldat trug keine Schutzweste und so beendete ein einziges Hohlspitzprojektil sein kurzes Leben.
Während die Dänin sich bemühte die Blutung zu stillen erschien der nächste Gegner auf der Bildfläche, diesmal aus südlicher Richtung. Der Mann gehörte offenbar zu den Aufsehern der Mine. Jane und Ice nahmen ihn unter Feuer, nach einem Oberarmschuß ließ er seine Waffe fallen und flüchtete.

Hocherfreut bemerkte Diego die Rebellin. Sie trug keinen Helm und ihr blonder Haarschopf war in der Nacht gut sichtbar. Ihr linker Arm blutete, sie war gerade dabei ihn zu verbinden, wobei sie ein Ende des Verbandes zwischen den Zähnen hielt. Leise schlich er näher, er war ja leider kein besonders treffsicherer Schütze. Gleich würde er dieser doofen Blondine ihr bißchen Gehirn wegpusten. Er sah seinen jungen Kameraden am Boden liegen, aus einem großen Einschußloch sowie Mund und Nase blutend. Ihm konnte niemand mehr helfen, doch diesen Strolchen würde er es geben. Noch zwei Meter näher und dann...
Plötzlich hörte er ein lautes Knirschen unter seinem Stiefel. "Welcher Idiot hat die Blechbüchse hier liegen lassen?" dachte er noch als die Blonde ihr Verbandszeug fallenließ und blitzschnell den vor ihr liegenden Revolver ergriff.
Bevor er reagieren konnte zerriß das Hohlspitzgeschoß seine Lunge.

Kaum hatte Buns auch diesen Gegner ins Jenseits geschickt, er röchelte zwar noch - aber sicher nicht mehr lange, versuchte sich noch einer an ihr. Der dunkelhäutige Bergwerksaufseher stand zwischen den beiden in ihrem Blute liegenden Soldaten. Buns schickte ihm ihre letzte Hohlspitzkugel, auch Grizzly konnte einen Treffer landen und schon lag noch einer in einer Blutlache. Sie steckte den jetzt nutzlosen 38er Revolver weg und legte ihre Beretta bereit, vielleicht kamen ja noch mehr Lebensmüde. Jetzt würde sie erst einmal ihre Verletzung zu Ende versorgen.

Minenaufseher Glenn Kelly schlich sie aus südlicher Richtung heran. Irgendwo hier im Dunkeln mußten die Angreifer sein. Wie nahe sie waren wurde ihm erst klar als er den kalten Lauf einer Maschinenpistole am Hals spürte. "Du weißt gar nicht, was du für ein Glück hast." flüsterte die dunkelhaarige Rebellin während sie ihm die Pistole abnahm.
Dann mußte er sich zu Boden legen und wurde gefesselt.

Gerade hatte Jane Doherty sich um diesen Gefangenen gekümmert, da tauchte schon ein weiterer Wachmann auf. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich zu Boden werfen, die erste Kugel verfehlte sie.
Zum Glück kam der Mann zu keinem zweiten Schuß, Grizzly, MD, Ice und Buns schossen sofort zurück und er sank mit mehreren Einschüssen im Körper zu Boden.
Nachdem Jane auch diese Verletzung notdürftig versorgt hatte arbeiteten sich die Söldner weiter vor. Neben der Kirche entdeckte Grizzly jenen Soldaten der ihnen vor einigen Minuten entwischt war. Der Söldner gab zwei Schüsse ab, sofort zog sich der Gegner zurück, offenbar nur leicht verletzt.

Manuel Morales, der Chef der Aufseher des Bergwerks, hatte gerade die Toilette aufgesucht als die Schießerei begann. Es gab ja in Drassen tatsächlich eine öffentliche Bedürfnisanstalt, sie war vor Jahren auf Drängen des Pfarrers errichtet worden der es satt hatte, daß die Minenarbeiter hinter seine Kirche pinkelten.
Als nicht mehr geschossen wurde kam er heraus, die Waffe im Anschlag.
Entsetzt mußte er feststellen daß sich die Verteidiger aus dem Staub gemacht hatten. Er sah gerade noch zwei Soldaten die den am Bein getroffenen Kameraden davonschleppten.
"Ergib dich!" schallte es ihm entgegen. Er stand den Rebellen allein gegenüber.
Trotzdem wollte er nicht aufgeben, er hob seine Waffe. Natürlich schossen die Rebellen sofort.
Eine Kugel traf sein Becken, eine weitere verfehlte ihn und traf das Becken in das er sich gerade entleert hatte. Die nächste traf seinen Kopf. Er stolperte rückwärts und brach dann zusammen, mit dem Gesicht in der Kloschüssel hauchte er sein Leben aus.

"Yo, dude, sie haben sich aus dem Staub gemacht!" stellte Ice fest. Tatsächlich war der Rest der Besatzung der Stadt in südlicher Richtung aus der Stadt geflohen.
"Der Pfarrer ist nicht da." meldete MD.
"In der Kneipe war er aber auch nicht, vielleicht ist er ja nur eins seiner Schäfchen besuchen." hoffte Buns.
Ira kam zurück. "Pater Walker habe ich auch nicht gefunden, aber dieser Mann wird uns helfen."
Erschrocken sahen die Söldner in das entstellte Gesicht eines Mannes dem man Nase und Ohren abgeschnitten hatte.
"Ich bin Hauptmann Hector Perez."
"Äh ... ja ... ich bin Jane. Jane Doherty. Es..."
"Bitte, kein Mitleid. Davon habe ich in den letzten zwei Monaten genug erfahren. Jetzt ist keine Zeit zum Klagen, es ist Zeit zum Handeln."
"Gut. Manuel hat von Ihnen berichtet. Er sagte Sie könnten uns helfen eine Miliz aufzustellen."
"Nun, ich werde es natürlich versuchen. Sie wissen sicher daß wir praktisch von der Armee eingekreist sind. Etwa zwanzig Mann sind gestern in westlicher Richtung ausgerückt, geführt vom Stadtkommandanten..."
"Wer ist denn dann der Kerl den wir gefangen haben?" unterbrach Jane.
"Das ist nur Underhill, der Zahlmeister. Bereits vorgestern ist ein zehnköpfiger Patrouillentrupp in die Sümpfe im Osten gegangen um einen gesuchten Piloten zu jagen. Dort sind vermutlich noch ein bis zwei weitere Patrouillen unterwegs. Der größte Teil der gerade geflohenen Soldaten ist auch nur leicht oder gar nicht verwundet.
Ich denke, es sind mindestens fünfzig Soldaten in direkter Nähe der Stadt. Und das Hauptquartier in Alma ist nur wenige Stunden entfernt."
"Das hört sich gar nicht gut an!"
"Nein, aber die Armee ist mehr auf die Unterdrückung der Bevölkerung als auf den Kampf gegen bewaffnete Aufständische vorbereitet. Sie werden einige Zeit brauchen einen Gegenschlag zu organisieren und wir müssen mit dem Aufstellen der Miliz einfach schneller sein."
"Wie sieht es mit Waffen aus?"
"Nun, viele ehemalige Soldaten und Polizisten haben nach Deidrannas Machtübernahme ihre Waffen vergraben. Leider sind die meisten dieser Männer tot, doch die Verstecke sollten sich finden lassen. Sicher müssen die Waffen zunächst noch gewartet werden, aber es gibt einige Leute die das tun können, leider nicht umsonst."
"Brauchen Sie Geld?"
"Ja. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß daß wir keine Forderungen an Sie stellen können. Doch für die Bewaffnung brauchen wir die Kontakte eines Mannes namens Tony. Er ist in San Mona, dieser von dem Gangsterboss Kingpin kontrollierten Stadt. Er wird uns nur gegen Bezahlung helfen."
'Na, unsere Söldner müßt ihr auch bezahlen, so ist das nun mal!' dachte Jane.
"Übrigens, er sitzt im Hinterzimmer eines kleinen Ladens." fuhr Hector fort, "Wenn Sie mal in San Mona sind können sie Waffen und Munition auch direkt kaufen. Allerdings brauche ich auch für die Milizionäre etwas Geld. Die Menschen in dieser Stadt leiden Hunger, etwas gutes zu Essen und ein Faß Bier sind eine gute Motivation."
"Meine Kriegskasse ist allerdings auch fast leer..."
"Reden Sie mit dem Minenvorarbeiter, er wird Ihnen helfen. Nicht mit Bargeld, aber wenn die Mine für uns arbeitet müßte sich die Kriegskasse schnell füllen. Übrigens können Sie, wenn ihre Kreditkarte in Ordnung ist, bei jedem Gastwirt oder Händler an Bargeld kommen."
"In Ordnung. Reichen Zweitausend Dollar für den Anfang?"
"Zweieinhalb wären besser. Wir müssen mit mindestens hundert Dollar pro Waffe rechnen und die 'Motivation' kostet auch ein bißchen."
"Gut, ich habe noch genau 5520 Dollar, ich gebe Ihnen die Hälfte, für den Rest muß ich einige Bestellungen tätigen. Sobald das mit der Mine geregelt ist erhalten Sie soviel Geld wie Sie brauchen."
"Aber natürlich ist Geld nicht alles. Die Leute bringen zwar Mut - und Wut - mit, doch sie haben keinerlei militärische Ausbildung. Es wäre gut, das heißt, es ist absolut notwendig, daß Sie das übernehmen."
"Machen wir. Trommeln Sie nur so viele zusammen wie Sie können!"


2. Juni 1999, 3:00 Uhr, Meduna, Offiziersunterkunft der Elitetruppe

Das Satellitentelefon riß Leutnant Eileen Harrows aus dem Schlaf. Wer, zur Hölle, rief den um diese Zeit an?
"Harrows."
"Ja, hier auch..."
"Sag mal, Doreen, weißt du wie spät es ist?"
"Natürlich weiß ich... - sag mal, ihr wißt wohl noch gar nicht was hier los ist?"
"Was meinst du denn?"
"Die Rebellen haben Drassen erobert!!!"
Mit einem Mal war Eileen Harrows hellwach. Wie konnte das sein? Sicher, es war gemeldet worden daß einige Leute mit einem Hubschrauber gekommen waren. Sie hatten vier Soldaten getötet, doch vierzig weitere waren auf der Jagd nach ihnen.
"Was ist denn mit der Besatzung der Stadt?"
"Tot, oder geflohen. Die Aufständischen kontrollieren den Flughafen, die Mine, einfach alles."
Eileen dachte nach.
"Was soll ich tun?" fragte Doreen. "Wann werdet ihr da sein?"
"Du solltest untertauchen bis alles vorbei ist."
"Das kann ich nicht, die Fabrik muß weiterlaufen. Du weißt, ich habe da ein kleines Privatgeschäft laufen..."
Doreen und ihre Geschäfte! "Wenn's unbedingt sein muß. Aber sei vorsichtig! Wir tun was wir können."

Eileen Harrows wußte daß es für ihre Schwester verdammt gefährlich werden konnte. Sie konnte nur hoffen daß die Leute in Drassen mit der baldigen Rückkehr der Armee rechneten und nicht durch Racheakte auffallen wollten.
Die Sache war jedenfalls verdammt ärgerlich, andererseits...
Die reguläre Armee hatte kläglich versagt und in Alma wußte man offensichtlich noch gar nichts davon. Brennan würde sich bis auf die Knochen blamieren, die Chefin der Elitetruppe im Rennen um die Nachfolge des Generals in Führung gehen und das würde auch Eileens Karriere förderlich sein.
Sie würde jetzt sofort die Obristin aufsuchen und diese über die Lage informieren.


2. Juni 1999, 6:00 Uhr, Flughafen Drassen

Das Gespräch mit dem Minenvorarbeiter Fred Morris war erfolgreich verlaufen. Er würde die Arbeiter zur Weiterarbeit bewegen und auch den Verkauf des Erzes an den offiziellen Kanälen vorbei organisieren. Natürlich würde nur ein Bruchteil des Gewinnes bei den Rebellen ankommen, ein großer Teil bleibt bei Zwischenhändlern und korrupten Zollbeamten hängen. Doch drei- bis viertausend Dollar am Tag würden es schon sein, versicherte Morris, später wahrscheinlich noch etwas mehr.
Die Söldner waren auch in die Mine eingefahren, die Bergleute hatten ihnen einen großen Beutel mit gesammelten Silberstücken gegeben, dieser würde beim Verkauf etwa zweitausend Dollar einbringen. Außerdem hatten sie auch einige chemische Leuchtstäbe spendiert.
Jetzt suchte Jane Doherty, begleitet von Buns, noch den Verwalter des Flughafens auf. Sie mußten Munition und Ausrüstung bestellen und die Lieferung konnte nur hierher gehen.
Der Verwalter hieß Pablo Greco und war nicht gerade sehr kooperativ. Immerhin, für eine kleine Spende für die Kaffeekasse war er bereit ankommende Lieferungen abzufertigen. Man konnte nur hoffen daß die Waren auch ankamen.
"Was für ein Scheißtyp!" stellte Buns fest. "Aber hoffentlich ein nützlicher Scheißtyp!"
"Hoffentlich! Schade übrigens daß Ice uns mit dem nächsten Flugzeug verläßt, aber neuntausend pro Woche sind einfach nicht drin."


2. Juni 1999, 6:00 Uhr, Alma Hauptquartier

Annette Garner räkelte sich im Bett. Nicht in ihrem eigenen, sondern in dem von George Brennan, wie üblich wenn sie in Alma war. Schon seit einigen Monaten war die Elitesoldatin die Geliebte des Chefs der regulären Truppe und da sie ihren Vorgesetzten auch hin und wieder ein paar Informationen über die 'Konkurrenz' zukommen lies hatte auch niemand etwas gegen diese Liaison einzuwenden.
Brennan war bereits aufgestanden um sich zu rasieren und sich auf den Morgenappell vorzubereiten.
Das Telefon schrillte.
"Jaaahhh..., hier bei Oberst Brennan." gähnte die Soldatin.
"Elliot hier, geben Sie mir sofort den Obersten!"
"Bärchen, es ist Elliot, es scheint dringend zu sein."
"Nenn' mich nicht immer..., na, egal, ... Brennan."
"Sehe ich das richtig, in Drassen ist der Teufel los und Sie liegen im Bett?"
"Äh, ich habe keine Meldungen aus Drassen."
"Weil keiner mehr da ist um etwas zu melden. Aber ich habe Meldungen, und die besagen daß die Stadt von den Rebellen kontrolliert wird. Ihre Leute sind tot oder geflohen."
"Das ist unmöglich! Meine Suchtrupps..."
"... suchen die Eindringlinge wahrscheinlich auf dem Boden eines Bierkruges oder im Bett von irgendeiner Schlampe! Es ist Ihnen wohl klar daß die Herrin alles andere als erfreut ist." Schade, daß Elliot die Ohrfeigen nicht übers Telefon weitergeben konnte. "Sie erwartet die unverzügliche Rückeroberung. Bringen Sie die Leichen der Rebellen und die Leichen aller die sie unterstützen. Es wäre besser für Sie nicht noch einmal zu versagen!!!"
Damit knallte Elliot den Hörer auf die Gabel.

Verdammt, wie konnte das passieren?
"Romero!" schrie der Oberst. Sofort erschien der Adjutant.
"Nehmen Sie sofort Kontakt Captain Lawrence auf. Er soll alles tun um Drassen zurückzuerobern. Wenn er versagt wäre es besser für ihn tot zu sein. Schauen Sie nicht so dumm! Ach so, Sie wissen ja noch gar nichts. Drassen ist in der Hand der Rebellen. Also, unterstellen Sie Lawrence die Nord- und Nordostpatrouillen. Er soll die Stadt belagern und bei günstiger Gelegenheit zuschlagen. Los, machen Sie schon!"


2. Juni 1999, 7:30 Uhr, Flughafen Drassen

"Hallo Grizzly, was gibt's?" begrüßte Jane ihren Kameraden. "Ice ist gerade abgeflogen."
"Ich habe gerade in der Kneipe einen interessanten Typen getroffen, einen Kerl namens Carmen Dancio."
"Ein Kerl namens Carmen? Wirklich interessant."
"Der nennt sich wirklich so. Und er nennt sich Internationaler Kopfgeldjäger. Er gab mir diese Machete damit wir Typen, auf deren Kopf eine Prämie ausgesetzt ist, selbigen abschlagen können. Die Prämie will er dann mit uns teilen. Die Steckbriefe sind auf dieser Diskette."
"Wirf doch mal die Kiste an!" drängte Buns, "Vielleicht ist ja der Kopf von diesem Pablo dabei, den würde ich gern absäbeln."
Der Flughafenverwalter zuckte zusammen und verschwand um die nächste Ecke.
Nachdem Jane den Laptop gestartet hatte legte sie die Diskette ein. Es waren sechs Steckbriefe enthalten, alle gehörten zu gesuchten Mördern. Es waren fünf Männer und eine Frau, alle schienen sehr gefährlich zu sein, einige arbeiteten mit Sprengstoff, andere mit Gift.
"Na ja, wenn wir einen sehen müssen wir sehr vorsichtig sein. Aber sie bieten zwanzigtausend pro Kopf, lohnen würde es sich natürlich."
"Wenn du gerade dabei bist, schau doch mal bei diesem Online-Waffenhändler vorbei! Wie hieß der noch gleich?"
"Bobby Ray's. Hier habe ich ihn schon."
"Hat er auch Schrot? Diese SPAS-15 ist eine feine Waffe, viel besser als die Remington die ich früher mal hatte, aber nur wenn man Munition hat." fragte Grizzly.
"Hat er. Auch 9mm und 45er für die MPs."
"Wie sieht's mit einem Scharfschützengewehr aus?" wollte Buns wissen.
"Hat er nicht. Überhaupt hat er für einen Waffenhändler recht wenige Waffen. Ich werde ein wenig Verbandsmaterial bestellen..."
"Nimm auch ein paar von den Feldflaschen!"
"Okay. Den Werkzeugkasten werde ich auch nehmen und das Dietrichset ... Grizzly, verstehst du was vom Schlösserknacken?"
"Klar." antwortete Grizzly und holte das Stemmeisen aus dem Rucksack.
"Hmm... ich werde es trotzdem nehmen. Das war's - Huch, zweieinhalbtausend für das bißchen Zeug!!!"


2. Juni 1999, 8:00 Uhr, Drassen

"Mein Gott, was hat mir dieser Herve nur ins Glas getan?"
Josie steckte ihren Kopf in die Schüssel mit kaltem Wasser.
"Herve Santos sagt, Underhill habe dir und Ralph Morris Wodka ins Bier gegossen um euch irgendwie aus dem Weg zu haben." erzählte Anna Lee ihrer Tochter.
"Na, dem werd' ich ... aber nachher erst!" Josie fiel aufs Bett zurück.
"Dem haben's schon andere besorgt. Die Stadt ist in der Hand der Rebellen."
"Ach du Scheiße! Da habe ich also nicht geträumt daß da jemand schießt."
"Nein, bestimmt nicht. Ich glaube es wäre sicherer für dich die Stadt zu verlassen. Ich habe einen starken Kaffee gekocht, damit du munter wirst."
"Danke! Wo ist eigentlich Vater?"
"Bei den Bauern, Lebensmittel einkaufen. Jetzt, wo du etwas Geld dagelassen hast..."
"... könnt ihr es wieder verschenken. Ist schon in Ordnung."
"Wir können die Menschen ja nicht verhungern lassen und Geld hat keiner."
"Ich fürchte nur, daß Deidranna mal wieder die Panzer in Bewegung setzt."
"Glaubst du, sie läßt unsere Stadt zerstören wie Omerta?"
"Nein, sie verdient ja gut an der Mine und der Fabrik. Aber noch so ein Massaker, das wäre möglich, sie ist unberechenbar."
"Die Einwohner bewaffnen sich bereits, Hector Perez - du weißt, der dem sie ..."
"Ja." Wer könnte diesen Anblick vergessen?"
"Er ist ihr Anführer. Was hat er auch zu verlieren?"


2. Juni 1999, 8:00 Uhr, Drassen, Kirche

"Hallo, Pater John!" Früher als erwartet war der Pfarrer erschienen.
"Ich habe Sie in der letzten Zeit nicht gesehen Ira. Ich machte mir schon Sorgen daß Ihnen vielleicht etwas zugestoßen sein könnte. Sie sehen gut aus, wie immer." begann er Süßholz zu raspeln.
"Ich war in Omerta, bei den Rebellen. Ich bin selbst Rebellin, wie Sie sehen. Wir sind gekommen um sie Menschen in Drassen um Hilfe zu bitten. Die Leute in Omerta sind am Verhungern. Miguel Cordona bittet Sie, Hilfe für unsere Stadt zu organisieren."
"Nun ich denke ich kann einige Lebensmittel organisieren, die Versorgung von Drassen ist wieder etwas besser geworden. Es wird natürlich einige Zeit dauern, ich muß an die Großzügigkeit der Gläubigen appellieren. Auch können wir den Transport nur zu Fuß an den Soldaten vorbei organisieren. Sie wissen ja, Benzin gibt es schon lange keines mehr."
"Vielen Dank! Da ist noch etwas: Unsere Truppführerin läßt fragen was wir mit den Toten tun sollen. Es gibt ja keinen Friedhof mehr..."
"Nein, Sie haben es sicher auch in Omerta gehört, seit einiger Zeit läßt Deidranna alle Verstorbenen von ihren Soldaten abholen und an einen unbekannten Ort bringen. Man munkelt daß sie Experimente mit ihnen anstellt, aber genaues scheint keiner zu wissen. Diese Verbrecherin hat nicht mal vor den Toten Respekt."
"Nicht vor ihnen und schon gar nicht vor den Lebenden. Trotzdem, irgendwo müssen diese Leichen ja hin."
"Ich habe mich schon umgehört, drei der Toten haben Angehörige hier, die anderen sieben kennt keiner so genau. Es gibt einen geheimen Ort am Stadtrand wo die Menschen manchmal heimlich ihre Toten begraben. Dafür mußten sie allerdings die Soldaten bestechen und jetzt ist keiner bereit diese Leute würdig zu bestatten."
"Das kann ich verstehen."
"Ich fürchte wir müssen sie zunächst auf der Straße liegenlassen."
"Na gut, wenn es zu stark zu riechen beginnt wird sie schon jemand begraben."
"Hoffentlich! Übrigens, schauen Sie doch mal bei der Lebensmittelhändlerin Lee vorbei. Sie ist eine sehr freundliche Frau und wir ihnen bestimmt gern helfen."
"Danke."
Ira verließ die Kirche. Draußen traf sie auf Grizzly und Buns, die einigen jungen Leuten die Grundbegriffe des Waffenhandwerks erklärten.
"Hat's geklappt?" wollte Buns wissen.
"Sieht so aus. Ich werde gleich mal selbst nachsehen wie es mit Lebensmitteln aussieht."

Josie hatte den Kaffee hintergestürzt, jetzt fühlte sie sich besser. Es war höchste Zeit zu verschwinden. Sie hatte ihre Sachen im Rucksack verstaut, trug nur eine alte Jeans und ihr graues Unterhemd und wollte gerade in die Schuhe schlüpfen als vorn jemand den Laden betrat.
"Hallo, ist jemand da?" fragte eine weibliche Stimme. Und dann kam die Kundin auch schon durch die halboffene Tür nach hinten. Josie kannte die Frau, es war Ira Smythe, die Entwicklungshelferin. Das sie zu Miguel Cordonas Rebellen gehörte war ein offenes Geheimnis. Gelegentlich wurde sie in Drassen bei Pater Walker gesehen.
Kannte Ira auch Josie? Nicht persönlich, doch vor ein paar Wochen waren sie sich in Omerta begegnet.
Würde sich Ira an Josies Gesicht erinnern? Wahrscheinlich, kein Einwohner Omertas würde wohl so schnell ein Detail dieser Schreckenstage vergessen.
"Guten Mor..." sagte Ira und brach ab. Sie schien einen Moment überlegen zu müssen.
"Morgen!" erwiderte Josie und griff nach ihrem Rucksack.
Als Ira begriff woher sie Josie kannte griff sie zu ihrem Revolver, doch da hatte Josie ihren 45er Colt längst aus dem Rucksack geholt. Sie richtete die Waffe auf Iras Stirn und nahm ihr mit einer schnellen Bewegung ihre 38er ab.
Anna Lee stand mit angstgeweiteten Augen daneben, sie fürchtete wahrscheinlich um die Entwicklungshelferin genauso wie um ihre Tochter.
"Hört endlich mit diesem Wahnsinn auf!" wollte sie wohl rufen, aber es hatte ihr die Sprache verschlagen. Doch konnte es nach allem was in Omerta passiert war noch ein Ende geben das nicht den Tod einer der beiden bedeutete.
"Na los, leg mich schon um, das wolltest du doch schon in Omerta!" schrie Ira so laut sie konnte ihrem Gegenüber ins Gesicht.
Nicht schlecht gedacht, aber auch Josie begriff daß draußen noch andere Rebellen warteten. Sofort verschwand sie hinter Iras Rücken und drückte ihr den Lauf der Pistole an den Kopf. Keine Sekunde zu früh, ein Mann und eine Frau stürmten mit vorgehaltenen Waffen herein.
"Jetzt geht's dir an den Kragen!" stieß Ira hervor.
"Abwarten." entgegnete Josie, doch sie wußte daß die Lage ziemlich aussichtslos war. Diese Ira würde sich eher erschießen lassen als daß sie ihr zur Flucht verhalf. Die blonde Rebellin an der Tür hatte Josie genau im Visier, doch sterbend würde sie noch den Abzug drücken können und damit Ira das Gehirn wegblasen.

Es wäre für die dänische Scharfschützin ein leichtes gewesen der dunkelhaarigen Frau eine Kugel zwischen die Augen zu setzen, doch das war für Ira zu gefährlich, auch wenn sie "Knallt sie ab, nehmt keine Rücksicht auf mich!" rief.
Doch was hatte Grizzly vor?
Er legte seine Pistole weg und ging langsam auf die beiden zu. Mit seinem breiten Rücken versperrte er Buns sogar die Sicht...

Der Rebell war ein Typ wie ein Bär und er kam bedrohlich näher.
Was hatte er nur vor?
Wenigstens verstellte er seiner Kameradin unfreiwillig das Schußfeld. Josie könnte den dummen Kerl jetzt erschießen, doch wollte sie das wirklich? Und was wäre dann?
Erst als er direkt vor ihr stand richtete sie die Waffe auf ihn.

Grizzlys Plan ging auf. Dieses Mädchen, dem der Angstschweiß aus allen Poren rann, würde einen Unbewaffneten nicht einfach erschießen - daß die Hände des Nahkämpfers Waffen gleichkamen wußte sie ja nicht.
"Bleib' stehen!" befahl sie, doch im gleichen Moment griff Grizzly zu. Als sie die Waffe von Ira weg auf ihn richten wollte hatte der Lauf für einen Augenblick auf niemanden gezeigt. Sofort drückte Grizzly mit seinen Bärenkräften ihre Hand zusammen, sie konnte sie keinen Millimeter mehr bewegen und ließ die Pistole unter Schmerzen fallen.

Josie ließ Ira los und versuchte sich zu befreien. Doch der Mann blockte den Tritt zwischen die Beine ab indem er sich zur Seite drehte und als sie ihren linken Daumen in sein Auge drücken wollte bekam er auch noch diese Hand zu fassen. Als nächstes krachte sein Schädel auf ihre Nasenwurzel und danach spürte sie nichts mehr.


2. Juni 1999, 9:00 Uhr, Drassen, Textilfabrik

Auch ohne die beiden Aufseher waren die meisten Kinder pünktlich zur Arbeit erschienen.
Doreen Harrows war etwas ruhiger geworden. Ihr kleines Privatgeschäft mit der amerikanischen Handelskette würde nicht platzen. Das war das wichtigste, denn würden sich die Amerikaner bei der Herrin beschweren würde Doreen einige unangenehme Fragen beantworten müssen. Wenn sie Glück hätte würde sie nur den an Deidranna vorbei erwirtschafteten Gewinn verlieren, aber wenn die Herrin schlechte Laune hatte, und die hatte sie gerade jetzt mit Sicherheit, dann...
Das malte sich die Fabrikdirektorin lieber nicht aus.
Zum Glück würde die Armee dem Spuk hier schnell ein Ende machen. Diese Rebellen mußten weg, und zwar schnell, schließlich waren sie im Gegensatz zu den Soldaten nicht korrupt und damit unberechenbar.
Die Tür ging auf, herein kam eine junge Frau, offensichtlich eine Rebellin.
"Ich bin Ira Smythe." Ach ja, von der hatte Doreen schon gehört - die war mit Sicherheit nicht bestechlich.
"Ich bin Doreen Harrows, die Leiterin dieser Fabrik." Doreen wollte ihr klarmachen daß dies ein Privatunternehmen ist, daß es nichts mit dem Krieg zu tun hat, daß es praktisch die Schule der Kinder ersetzte, daß sie hier nichts zu suchen habe und jetzt lieber gehen sollte, schließlich würde sie ja ohnehin nicht mehr lange leben, aber diese Rebellin hörte gar nicht zu. Statt dessen unterhielt sie sich ausgiebig mit den Kindern, hielt sie noch von der Arbeit ab.
"Machen Sie daß sie rauskommen!" herrschte sie die Rebellin an, "Die Herrin wird sich noch früh genug mit ihnen befassen und ihr Urteil wird endgültig sein. Genießen Sie den Rest ihres kurzen Lebens!
Und ihr verdammten Bälger, ihr glaubt wohl wenn Senor Enzo und Senor Cesar nicht da sind könnt ihr hier Maulaffen feilhalten? Wer in drei Sekunden nicht an seinem Platz ist bekommt meine Peitsche zu spüren."
Daß sie das jetzt lieber nicht gesagt hätte fiel Doreen erst auf als sie Iras Faust im Gesicht hatte.

In Ira hatte die Wut schon zu kochen begonnen als sie in der letzten Stunde mit zahlreichen Eltern gesprochen hatte, deren Kinder hier schufteten und geschlagen wurden während sie arbeitslos zuhause sitzen mußten, die Striemen auf den Rücken der Kinder steigerten diese Wut noch mehr, doch erst diese unverschämte Person brachte das Faß zum überlaufen.
"Sie Idiotin!" zeterte die Fabrikherrin noch, dann brachte ein zweiter Faustschlag, diesmal genau auf den Mund, sie zum Schweigen.
Ira packte sie an den Haaren und schlug ihren Kopf gegen die Wand, direkt neben der Tür.
"Schlagen ... Sie ... nie ... wieder ... ein ... Kind! - Und nennen Sie mich nie wieder Idiotin!" Nach jedem Wort schlug sie den Kopf der Frau gegen den Türrahmen, danach noch dreimal als krönenden Abschluß.
Eine breite Blutspur hinterlassend rutschte Doreen an der Tapete hinunter. Mit dem Gesicht an der Wand lehnend kniete sie da und rührte sich nicht mehr.
Erst jetzt bemerkte Ira den rostigen Haken neben der Tür, auf der braunen Tapete kaum zu erkennen. Jenen Haken, an dem jetzt Teile vom Hirn der Fabrikherrin klebten.
"Das hast du dir selbst zuzuschreiben, was ist denn das für ein Arbeitsschutz? Man stelle sich nur vor ein Kind bleibt da dran hängen, gar mit dem Auge!"
Ira nahm sich ein T-Shirt vom Stapel und hängte es über Doreen Harrows' Kopf. Den Kindern, die jetzt nachhause gehen konnten, sollte dieser Anblick erspart bleiben, sie hatten schon genug Schreckliches erlebt.
Sofort begann sich das Shirt rot zu färben, Ira betrachtete es genauer:
"'Deidranna rules!', haha, aber Doreen herrscht nicht mehr - und Deidranna nicht mehr lange!!!"


2. Juni 1999, 16:30 Uhr, Drassen

Es war erst wenige Stunden her daß sich Pancho zum Dienst in der Miliz gemeldet hatte. Hector Perez suchte Freiwillige um die Stadt gegen Deidrannas Soldaten, die mit Sicherheit bald angreifen würden, zu verteidigen. Natürlich gingen sie ein hohes Risiko ein und viele glaubten nicht an die Chance die Stadt auf Dauer zu halten. Doch kämen die Soldaten zurück würde es ein Blutbad geben, selbst wenn keiner Widerstand leistete.
Pancho hatte in seinem Leben noch nie einen richtigen Job gehabt, als er zwölf Jahre alt war waren die Schulen geschlossen worden und ihm blieb nur die 'Karriere' als Gelegenheitsarbeiter. Da er ein starker Bursche war fand er immer mal wieder etwas im Bergwerk oder bei einem Bauern, doch es reichte gerade zum Überleben. Jetzt, wo die Minenerträge dem Volk zugute kamen, morgen würde auch die Textilfabrik mit erwachsenen Arbeitern den Betrieb wieder aufnehmen, hatten die jungen Leute wieder eine Perspektive.
Jetzt bewachte er erst einmal mit einem alten Schießprügel bewaffnet die Tür zu einem Lagerschuppen der Mine. Den Typen da drin würde bald klar werden daß sie die falsche Karriere gewählt hatten. Die Menschen in Drassen waren sich zwar noch nicht einig was mit ihnen geschehen sollte - würde man gleiches mit gleichem vergelten müßte man Deidrannas Schergen Ohren und Nasen abschneiden oder sie bei lebendigem Leibe verbrennen, so wie sie es mit den Rebellen in Omerta getan hatten - doch das Leben dieser Verbrecher würde sicher bald zu Ende sein.

"Na, auch aufgewacht?!"
"Underhill, du Ar..." Josie wollte sich zu dem Offizier umdrehen doch sie konnte sich kaum bewegen. Ihre Hände und Füße waren gefesselt, Handgelenke und Knöchel in einem einzigen großem Knoten auf dem Rücken verschnürt. Es gab keine Möglichkeit sich aus dieser unangenehmen Lage zu befreien.
Vorsichtig, aber dennoch unter ziemlichen Schmerzen, rollte sie sich auf die andere Seite.
Immerhin, Underhill war zu genau so einem Paket verschnürt. In der gleichen Lage befand sich auch einer der Minenaufseher, einem Soldaten mit einem blutigen Verband am Bein hatten sie nur die Hände gebunden.
Wo war sie und wie kam sie hierher?
Ach ja, die Rebellen hatten die Stadt erobert, Ira Smythe, dieser riesige Kerl...
"Wo sind wir hier eigentlich?"
"In einem Lagerhaus der Mine." antwortete der Aufseher, "Oh Gott, was werden sie mit uns machen? Wegen euch verdammten Soldaten bin ich hier. Ich bin doch gar nicht für den Kampf ausgebildet, nur zum Aufpassen."
"Ich glaube, sie haben uns gefesselt damit wir Underhill nichts tun." stellte Josie sarkastisch fest.
"He, ich führe doch auch nur Befehle aus." verteidigte sich der Leutnant.
"Wer befielt denn, Leute besoffen zu machen? Vielleicht hätte ich ja eure Niederlage verhindern können." antwortet Josie wütend. 'Vor allem hätte ich mich rechtzeitig aus dem Staub machen können.' dachte sie.


Pancho kannte den Burschen, es war Ralph Morris, der Sohn des Minenvorarbeiters.
"Tut mir leid, daß ist 'militärisches Sperrgebiet'." machte sich der Milizionär wichtig, schließlich war er stolz auf seine Aufgabe. "Wir wollen ja nicht daß einer den Schweinen noch vor dem Prozeß die Kehle durchschneidet."
"Natürlich nicht. Ich soll nur ein paar Grubenlampen holen."
"Den ganzen Krempel haben wir in den anderen Schuppen geräumt." klärte ihn Pancho auf.
"Auch gut. Willst du 'ne Zigarette?"
"Klar." Pancho hatte schon lange keine mehr geraucht, das Geld reichte kaum fürs Essen. Hector Perez hatte versprochen den Milizionären etwas zum Rauchen zu besorgen, doch noch war kein Geld für solche nebensächlichen Dinge da. Dieser Ralph hatte es da besser, er war ja fast schon privilegiert.
"Warum bist du nicht in der Miliz, so ein guter Schütze?"
"Vielleicht trete ich auch ein, mal sehen. Brauchst du Feuer?"
"Ja." Wozu sollte Pancho auch ein Feuerzeug bei sich tragen? Er lehnte das alte Gewehr an die Wand während Ralph in seine Jacke griff.
Daß das metallene Ding welches er aus der Tasche zog ein Messer war sollte das Letzte sein was Pancho in seinem Leben sah.

Ralph Morris betrat den Schuppen. Da lagen die geschlagenen Helden, zu handlichen Paketen verschnürt.
"Hallo Josie, wie geht's?"
"Naja, ich kam mir zwar nicht in der Nase bohren..." 'Blöde Frage!' dachte sie.
"Was wollen Sie?" fragte Leutnant Underhill höflich.
"Was denkt ihr denn? Josie, hast du eine Idee?"
"Mir erzählen, daß das mit der Elitetruppe doch keine gute Idee war? Hab' ich dir ja gleich gesagt."
"Blödsinn. Mit mir in der Truppe wäre die Stadt nie in die Hand dieser Deppen gefallen."
"Angeber!"
"Was sind das überhaupt für Typen?" wollte Underhill wissen.
"Söldner, aus dem Ausland. Gerade mal ein halbes Dutzend, inzwischen gibt's aber zahlreiche Freiwillige, besonders Flüchtlinge aus Omerta. Sie haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, Kommandant!"
"Und was wollen Sie hier bei uns?" fragte Underhill genervt.
"Euer Leben retten. Übrigens, Josie, weißt du wen ich gesehen habe?"
"Gerade wußt' ich's noch, aber dann hat mir einer auf den Kopf gehauen."
"Diese Monika Sundquist oder Söderholm oder wie diese Schwedin auch immer heißen mag..."
"Sonderbar..."
"Genau! Das war's. Monika Sonderbar."
'Blödmann!' dachte Josie. Dieser Verrückte hatte wahrscheinlich schon Halluzinationen.
"Jedenfalls werde ich jetzt der Elitetruppe beitreten, und ihr werdet euch dafür einsetzen. Dafür werde ich euch jetzt befreien. Ihr solltet übrigens ein bißchen mehr Begeisterung zeigen, euch ist doch wohl klar daß euch Deidranna als abschreckendes Beispiel behandeln wird wenn ihr euch bei der Rückeroberung Drassens noch immer brav in der Hand der Rebellen befindet. Das heißt, falls ihr wider Erwarten dann noch lebt, was sehr unwahrscheinlich ist."
"Glauben Sie, daß sie uns töten?" fragte Aufseher Kelly besorgt, "Wir sind doch nur kleine Fische, ein Wachmann, ein Verwundeter, ein Schreibtischsoldat..."
"...und ein böses Mädchen daß eigentlich ganz nett sein kann, jaja. Sorry, aber das wird wohl nichts. Und jetzt" Ralph zeigte ihnen das blutige Messer, "erst recht nichts mehr."

"Was macht denn der Kerl?"
Rodrigo kam um seinen jungen Kameraden abzulösen und bemerkte, daß die Tür zum Schuppen offenstand. Pancho war nirgends zu sehen. Der würde doch nicht etwa die Gefangene... - nein so einer war er nicht, auch wenn der Krieg viele Menschen zu Bestien machte.
"He, was machst du denn da drin?" fragte der Milizionär und trat ein.
Entsetzt blickte er auf Panchos Leiche.
Dann wurde er von hinten ergriffen.

"Keinen Laut, oder ich breche dir das Genick!" flüsterte Josie. Sie hatte den Kopf des Mannes umfaßt und drückte den Handballen gegen sein Kinn. Mit einem Ruck würde sie den viel größeren Mann töten können, das hatte sie von Slater gelernt.
Sie zwang ihn zu Boden, drückte ihr Knie in seinen Nacken und brachte seine Arme auf den Rücken. Sorgfältig band sie Hände und Füße zusammen, genau so wie sie selbst gerade noch gefesselt gewesen war.
"Gib mir mal ein Stück von dem Klebeband da!" befahl sie Kelly. Der Mann mußte geknebelt werden, sonst würden sie hier nie lebend herauskommen.
"Warum töten wir ihn nicht?" fragte Underhill.
'Verdammter Schreibtischsoldat!' dachte Josie, 'Sind nicht schon genug gestorben?' Sie antwortete nicht, hoffentlich würde ihr in Alma keiner diese Frage stellen. Ihr war klar daß die Rebellen im Recht waren, doch hatten sie eine Chance zu siegen?
Kaum, aber andererseits - sechs Leute, darunter diese Ira, hatten die Stadt im Alleingang erobert. Unmöglich war nichts. Doch Josie hatte eine Entscheidung getroffen, nicht heute, sondern vor vier Jahren. Wahrscheinlich war diese Entscheidung falsch, doch da war nichts mehr zu machen.
Josie warf einen Blick auf den Jungen den Ralph Morris ermordet hatte, er hätte ihn problemlos anders überwältigen können, doch es war seine Eintrittskarte in Deidrannas Killertruppe.
"Underhill, Kelly, Sie tragen den Verwundeten!" befahl Josie, ohne sich um den Dienstgrad des Zahlmeisters zu scheren, "Wir schleichen uns aus der Stadt, bevor jemand die beiden hier vermißt, und marschieren so schnell wir können nach Alma!"
Spätestens morgen Abend würden sie dort sein, auch mit dem Verletzten. Underhill würde einige peinliche Fragen zu beantworten haben, Ralph würde seinen Willen bekommen und Josie würde sich bei ihrer Einheit in Meduna zurückmelden und ihren Dienst in Deidrannas Elitetruppe versehen als wäre nichts geschehen.


Von Roughneck0815


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