Kapitel 2
4. Juni 1999, 13:40 Uhr, Drassen
Seit zwei Tagen lag Hauptfeldwebel Tomkins mit seinen Männern vor Drassen
auf der Lauer. Insgesamt bewachten fünf Einheiten die Stadt, für eine
wirkliche Belagerung waren sie zu wenige, neben seiner und Captain Lawrences
Truppe waren es die Drassener Patrouille, die nordöstliche Patrouille sowie
Leutnant Ketchs Nordpatrouille, die mit einigen Männern der geflohenen
Besatzung Drassens aufgefüllt worden war.
Das Kommando über die etwas mehr als fünfzig Soldaten hatte Captain
Lawrence. Mit Verstärkung aus Alma war erst in einigen Tagen zu rechnen,
die neuen Rekruten erhielten noch einen Schnellkurs im Bekämpfen von Feinden
die auch zurückschossen. Auf den Einsatz von Elitesoldaten hatte Oberst
Brennan verzichtet und die Panzer waren ja ohnehin nur sehr begrenzt einsatzfähig.
Lawrence hatte seine Truppführer angewiesen die Stadt zu beobachten und
nur dann einen schnellen Angriff zu wagen wenn sie eine Lücke in der Verteidigung
entdeckten, immerhin liefen dort jetzt Dutzende Einwohner mit Waffen herum.
Jetzt schien sich eine solche Möglichkeit zu ergeben. Victor, ein Berufssoldat
mit fünfzehn Jahren Erfahrung, der sich sehr nahe an die Rebellen herangeschlichen
hatte, hatte gehört daß sich die Rebellen auf dem Flugplatzgelände
sammeln würden um neue Waffen in Empfang zu nehmen. Daraus ergab sich für
Tomkins' Trupp die Chance das ungeschützte Bergwerk zu besetzen.
Tomkins bildete zwei Gruppen zu je 5 Mann.
Aus südwestlicher Richtung würde Sergeant Delgado zuschlagen, er selbst
würde von Süden her kommen.
Gut getarnt hatte Adela die Soldaten beobachtet. Mit viel Glück war die
Milizionärin unbemerkt zurück nach Drassen geschlichen und hatte Alarm
geschlagen.
Sofort rannten zwei Dutzend Rebellen, darunter Ira und ihre vier Kameraden,
zur Mine.
'Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!' dachte sie. Adela hatte sich, obwohl
- oder gerade weil - sie ein Kind zu versorgen hatte, den Rebellen angeschlossen.
Wenn sich nichts änderte würde ihr kleiner Sohn nie ein menschenwürdiges
Leben führen können. Adelas Mann war ja in Omerta von der Armee ermordet
worden.
"Da ist schon der erste Rebell!" stellte Tomkins fest. Direkt nördlich
von den fünf Soldaten befand sich das erste Haus. Von einigen Bäumen
und ein paar Felsbrocken gedeckt stürmten sie vorwärts. Südlich
von ihnen war ein steiler Abhang, also konnten die Rebellen nur im Norden und
Osten sein. Im Westen war Delgado mit seinen Männern.
"Feind voraus!" MD sah den Soldaten zuerst und feuerte sofort beide
Barracudas ab. Ins Bein getroffen ging der Mann in die Knie. Im gleichen Augenblick
tauchten links von ihm bereits zwei weitere Soldaten auf und eröffneten
das Feuer. Michael Dawson sah einen unerfahrenen Milizionär, der die Angreifer
nicht kommen sehen hatte, von mehreren Kugeln getroffen tot zusammenbrechen.
'Zum Glück hat diese Doreen eine Maschinenpistole im Schrank gehabt, sogar
mit Schalldämpfer!' dachte Buns, 'Sie muß verdammt viel Angst vor
den Eltern 'ihrer' Kinder gehabt haben.' Sie jagte drei panzerbrechende 9mm-Geschosse
in Richtung des ganz linken Soldaten, doch sie schienen ihn, wenn überhaupt,
nur zu streifen. Immerhin mußte er erst einmal in Deckung gehen. Den Knieenden
nahmen MD und Grizzly unter Feuer, den dritten konnte sie für einen Moment
nicht sehen.
Direkt hinter seinem verwundeten Kameraden tauchte er wieder auf und schoß,
jetzt mußte MD in Deckung gehen.
Ein Soldat sah, daß sein Kamerad verwundet war, zusammen mit Victor hatte
er es mit etlichen Rebellen zu tun, und stürmte sofort schießend
vorwärts. Zumindest einen Gegner konnte er auch am Arm erwischen.
Und endlich trafen auch Delgado und seine Männer auf dem Schlachtfeld ein,
keine Sekunde zu früh, denn wider Erwarten kamen die Rebellen in großer
Zahl herangestürmt.
"Jetzt geht's euch an den Kragen!" frohlockte ein Soldat - da traf
ihn die Schrotladung aus dem Gewehr eines Milizionärs in den Oberkörper.
Die Wucht des Schusses warf ihn auf den Rücken, einige Kugeln waren oberhalb
der Schutzweste in den Hals eingedrungen.
'Oh Gott!' dachte er noch als das Blut in Strömen aus den Einschußlöchern
floß. Dann verlor er das Bewußtsein und war wenig später tot.
'Hoffentlich passen die Leute auf sich auf.' Der erschossene Milizionär
lag direkt vor Buns' Nase. Nach dem jungen Pancho, den der unbekannte Befreier
der gefangenen Soldaten erstochen hatte, war er das zweite Todesopfer unter
den Milizionären. Ohne besonders auf Deckung zu achten stürmten die
Leute auf die Soldaten zu. Buns gab einen weiteren Schuß auf den knienden
Soldaten ab, der ging in Deckung während sein Hintermann nach rechts auswich.
Aus westlicher Richtung kamen weitere Soldaten, vier oder fünf schienen
es zu sein, und feuerten aus allen Rohren auf die Verteidiger. Sogar der weit
von ihnen entfernte MD bekam noch einen Streifschuß ab.
"Zielt genauer!" rief Delgado seinen Männern zu. Drei bis vier
Rebellen waren getroffen, doch wie es schien nicht einer tödlich. Massiv
erwiderten sie das Feuer, der vorderste Soldat konnte sich gerade noch in Deckung
hechten.
Grizzly fluchte, sein linker Arm war von einem Projektil gestreift worden, es
gab eine blutige Schramme. Immer mehr Kugeln flogen ihm und den anderen um die
Ohren. Er sah die Milizionärin die Alarm geschlagen hatte, Adela hieß
sie hatte er gehört, mit einem Schmerzensschrei hinfallen. Ihr linkes Bein
hatte es erwischt.
Die Soldaten schossen besser als die Milizionäre, doch die Rebellen waren
mehr. Einer der Soldaten wurde getroffen, zwar auch nur am Arm, doch immerhin
- er war erst mal außer Gefecht.
'Verflucht!' dachte Delgado. Gerade hatte einer seiner Männer eine üble
Fleischwunde am Arm erlitten da hob der Bursche, der gerade in Deckung gehechtet
war, seinen Kopf und hatte sofort eine Kugel darin. Der Angriff drohte zum Fiasko
zu werden, immer mehr Rebellen kamen aus der Stadt herbei. Soweit er sehen konnte
steckten auch Tomkins' Leute fest.
Delgado konnte eine noch sehr junge Rebellin in die Schulter schießen,
auch andere Rebellen mußten bluten.
Trotzdem wurde es für seine Männer immer gefährlicher.
"Einer weniger!" Endlich hatte Grizzly den angeschossenen Soldaten
erledigen können, gerade als er sich wieder hinkniete bekam er einen sauberen
Herzschuß.
Gleichzeitig schoß MD seine beiden Revolver leer, leider ohne so einen
Volltreffer.
Die Kugeln der Soldaten im Westen pfiffen über die Köpfe der Rebellen,
doch auch diese Angreifer gerieten zum Glück unter Druck. Langsam schossen
sich die Rebellen auf die Ziele ein.
Im Süden war ein Schmerzensschrei zu hören, eine panzerbrechende Kugel
aus Buns' Waffe hatte dem Soldaten die Kniescheibe zerschmettert.
Hauptfeldwebel Tomkins wurde bewußt daß sich das Blatt gewendet
hatte, falls die Soldaten jemals in diesem Kampf im Vorteil gewesen sein sollten.
Von seinen vier Männern war nur noch Victor unversehrt, zwei waren tot,
ein dritter schwer verwundet. Tomkins befand sich dicht vor dem Abgrund, im
übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Er lag auf dem Bauch, die Füße
direkt am Felsrand, und überlegte ob es noch eine Chance gab.
Da tauchte direkt vor ihm ein kleiner Junge auf und schrie "Mama!"
"Dich schnapp' ich mir!" Tomkins sprang auf, sofort wurde auf ihn
geschossen, und rannte zu dem Kind. Eine Geisel, das war es worauf er gewartet
hatte.
Sergeant Delgado sah noch wie der Soldat mit der Armverletzung auch noch eine
Kugel ins Bein bekam, dann war auch sein Ende gekommen. Ein Querschläger
traf seinen Unterleib. Geschockt sah er das Blut aus der Wunde spritzen, er
wußte daß eine Hauptschlagader getroffen war. Er preßte die
Hände auf die Einschußstelle, doch da war nichts zu halten. In wenigen
Minuten würde Delgado verblutet sein.
"Leo!!!" schrie Adela voller Angst, doch sie konnte ihrem Jungen nicht
zu Hilfe kommen. Verwundet mußte sie mit ansehen wie der Soldat dem Kind
immer näher kam. Die nicht sehr zielsicheren Milizionäre wagten nicht
zu schießen, sie hätten womöglich den kleinen Jungen getroffen.
Auch die beiden Ausländerinnen, die ja hervorragend schießen konnten,
wagten es nicht.
Tomkins sah wie sich Victor davonschlich während alle Augen auf ihn gerichtet
waren. Fast alle, im Westen starb gerade ein weiterer Soldat, ein anderer rannte
davon.
Für einen Moment war er abgelenkt und der Junge riß sich los und
sprang zu Seite. Sofort krachten mehrere Schüsse. Seiner Kevlarweste konnten
die Kugeln nichts anhaben, doch die Wucht ließ ihn rückwärts
taumeln.
Er ruderte noch mit den Armen, dann stürzte er mit einem Schrei in die
Tiefe.
4. Juni 1999, 18:00 Uhr, Alma, Militärgefängnis
Seit mehr als zehn Wochen saß Peter Clarke in diesem Gefängnis,
meist war er der einzige Gefangene. Es war nicht die Hölle von Tixa, es
war nur das Militärgefängnis Alma. Hier brummte man normalerweise
eine oder zwei Wochen wegen Verstößen gegen die Disziplin. Hierher
kamen nur Soldaten.
War Peter Clarke eigentlich noch Soldat? Auf dem Papier sicher, in der Praxis
wohl kaum. Mit dem Herzen war er ja nie so richtig dabei gewesen.
Er stammte aus Grumm, jener dreckigen Industriestadt in der es nicht der Willkür
eines von Deidrannas Schergen bedurfte um jung zu sterben. Dort starben fast
alle Menschen jung. Die giftigen Gase, die über der Stadt lagen, verdankten
die Einwohner allerdings auch Deidranna. Die interessierte nur ihr Gewinn, die
Gesundheit der Menschen war ihr egal. Und von einem funktionierenden Krankenhaus
konnte man in Grumm nur träumen, es gab zwar eins in Cambria, das war nicht
sehr weit, aber auch das hatte nicht die richtigen Medikamente für solche
chronischen Erkrankungen. Wer sowieso nicht wieder voll arbeitsfähig wurde
sollte nach Ansicht der Herrscherin lieber gleich sterben.
Peter Clarke hatte die Schule erfolgreich abgeschlossen, gerade noch rechtzeitig
bevor sie zugemacht wurde. Er wollte studieren, doch die Universität hatte
Deidranna zerstören lassen.
Was konnte er tun? Im Ausland studieren, zurückkehren wenn sich die Verhältnisse
gebessert hatten?
Eines Tages würde jemand Deidranna davonjagen, davon war er überzeugt.
Doch fürs Ausland fehlte ihm natürlich das Geld und mit keiner ehrlichen
Arbeit konnte man in diesem Land auch nur annähernd soviel verdienen. Sich
das nötige Geld in den USA zu verdienen ging auch nicht, die ließen
einen armen Schlucker wie ihn doch gar nicht herein.
In den letzten Jahren hatte er nur von Gelegenheitsarbeiten gelebt, doch damit
sollte Schluß sein. Vor einem halben Jahr hatte er sich zur Armee gemeldet.
Er war ein guter Sportler und auch ein treffsicherer Schütze. Wie erhofft
kam er zur Elitetruppe, dort hoffte er das Geld fürs Studium in zwei Jahren
verdient zu haben.
Nach einer kurzen, harten Grundausbildung bei Leutnant Gillitt in Alma war er
in die Kaserne der Elitesoldaten in Meduna eingerückt.
Warum war er eigentlich nicht Rebell geworden?
Nun, er glaubte nicht an die Möglichkeit eines erfolgreichen Aufstandes,
dafür war Deidrannas Armee viel zu stark. Die Rebellen waren zu wenige,
kaum jemand wagte es, nach Omerta zu gehen. Wer verdächtig war mit den
Rebellen zu sympathisieren wurde in der Regel auf der Stelle erschossen oder
auf andere, grausamere Weise umgebracht.
Nein, der Widerstand konnte nur aus der Armee kommen.
Aus dieser Armee, die doch eher eine Räuber- und Mörderbande war?
Hatte Peter geglaubt, irgendwie mäßigend einwirken zu können?
Wahrscheinlich, auch wenn es ihm im Nachhinein lächerlich vorkam. Diese
Soldaten konnte niemand mäßigen.
Sie prahlten mit ihren 'Heldentaten' die selten im Kampf gegen die Rebellen
stattfanden. Auch das wäre kein Grund stolz zu sein.
Wieviele Frauen mußte man eigentlich vergewaltigen um hier als richtiger
Mann zu gelten?
Was waren das für Typen die er hier kennenlernte?
Es schien als habe sich der gesamte Abschaum Arulcos in dieser Einheit versammelt,
doch tatsächlich sah es in den anderen Truppen auch nicht besser aus. Es
begann ganz oben bei der Obristin Chloe Nazarro, deren Brutalität gegen
die Bevölkerung nur noch von der Rücksichtslosigkeit, mit der sie
ihre Karriere vorantrieb, übertroffen wurde und setzte sich fort über
den brutalen, sadistischen Ausbilder Slater (wer irgendwelche Bedenken äußerte
bekam seine Macht sehr schnell zu spüren), diverse Irre die abgeschnittene
Ohren sammelten, Augen ausstachen, ihre Opfer verstümmelten und entstellten...
Und es setzte sich fort zu allerlei Großmäulern und Feiglingen wie
zum Beispiel...
"Hallo Pete, tut mir leid, aber sie haben mich nicht eher zu dir gelassen."
Genau, Leuten wie der Gefreiten Josephine Lee.
"Und was willst du?" Peter war nicht besonders erbaut von diesem
Besuch. "Hast du nichts zu tun, keine armen Leute zu terrorisieren? Keine
Landarbeiter verprügeln die es nicht wagen sich zu wehren. Niemand da an
dem du deine Nahkampftechniken testen kannst?"
"He, krieg' dich wieder ein! Mach mich nicht schlimmer als ich bin!"
"Bestimmt nicht! Wie war das noch gleich als du den dicken Kerl, diesen
armen Dorftrottel, verprügelt hast und anschließend von seiner Mutter
geohrfeigt wurdest? Du hättest sie doch am liebsten auch noch zusammen
geschlagen, wäre der Kerl nicht mit der Heugabel..."
"Okay, hast ja recht - aber laut Vorschrift hätte ich die beiden erschießen
müssen. Und wenn du es weitergemeldet hättest..."
"...wärst zum Gespött der ganzen Truppe geworden. Aber du hast
mich ja geradezu angebettelt es für mich zu behalten, du Superheldin!"
Natürlich hatte Peter den Mund gehalten, sonst wäre der Hof mit Sicherheit
am nächsten Tag in Flammen aufgegangen.
"Ich habe übrigens gehört, du hast dich bei der Obristin für
meine Begnadigung und Rückkehr in die Truppe eingesetzt. Wie kommst du
denn auf die Idee ich könnte zurück wollen?"
"Ja, glaubst du Traumtänzer vielleicht die da oben vergessen dich?
Lassen dich deine Dienstzeit hier im Knast absitzen und irgendwann wieder gehen?
Kurz nach dem Vorfall hätte man das Ganze als Schockwirkung abtun können,
du hättest zurückkommen können. Aber du hast es ja leider abgelehnt."
Den Vorfall?
Peter Clarke wußte daß er in diesem Sekundenbruchteil die falsche
Entscheidung getroffen hatte. Wen hatte er erschossen? Einen Rebellen, oder
einen Vater der Flucht seiner Familie decken wollte? Vielleicht auch jemanden
der den Tod seiner Angehörigen rächen wollte, es waren ja zahlreiche
Frauen und Kinder unter den Ermordeten. Er vorher nie einen Menschen getötet,
was er irgendwie auch Josie zu verdanken hatte, die wußte wie man sich
um Einsätze drückt und statt dessen Wache im Palast schiebt, schließlich
gab es genügend andere die gern die Drecksarbeit machten. Es passierte
im Kampf, doch was änderte das? Er hätte sich auf die Seite der Rebellen
schlagen müssen, die Waffe auf die Mörder richten. Doch er war selbst
zum Mörder geworden, für eine kleine, feige Elitesoldatin um die es
nicht schade gewesen wäre. Langsam begann er Josie zu hassen.
Er sehnte seine Hinrichtung herbei. 'Wegen Befehlsverweigerung in Omerta' erschossen,
dann bräuchten sich seine Angehörigen wenigstens nicht seiner zu schämen.
Josie blieb Peters ablehnende Haltung nicht verborgen.
"Tut mir leid, eigentlich bist du ja wegen mir hier gelandet. Aber wenn
du gleich zurückgekommen wärst...
Jetzt werden sie sicher irgendwann eine Loyalitätsbeweis von dir verlangen.
Und wenn du dich weigerst bringen sie dich um."
"Was denn für einen Loyalitätsbeweis?"
"Mann, du bist aber schwer von Begriff! Du bist doch aus Grumm?"
"Ja."
"Da warst du doch sicher auch mal in Estoni, auf dem Schrottplatz?"
"Natürlich."
"Der komische alte Kauz den sie Skipper nennen ist dir bestimmt begegnet?"
"Ja, sicher." Komisch ist was anderes, und offenbar war er nur vor
Gram so früh gealtert.
"Eigentlich hatten sie gar nichts weiter gegen ihn und seine Familie, irgendwer
hatte sich über eine Kleinigkeit geärgert, darum kam er auf die Abschußliste..."
"Ich wußte gar nicht daß du damals schon in der Armee warst."
"Ein paar Wochen. Jedenfalls hatte einer, so wie du, einen Befehl verweigert
und mußte diesen Loyalitätsbeweis erbringen. Nachdem er eine Weile
im Knast gesessen hatte tat er es, steckte vor Skippers Augen das Haus mit seiner
Familie drin an."
"Ich werde so etwas bestimmt nicht tun, vorher hänge ich mich auf.
Aber wahrscheinlich brauchen sie mich sowieso nicht mehr in der Truppe, jetzt
wo Deidranna gewonnen hat."
"Oh, du lebst ja hier hinterm Mond! Die Rebellen sind wieder in der Offensive,
haben uns aus Omerta und Drassen vertrieben. Ihre Armee wächst von Tag
zu Tag, während sich die beiden Obersten offenbar gegenseitig behindern
und der alte Theo schon fast in Rente ist. Wenn das so weiter geht..."
"...beißt du noch vor mir ins Gras!"
5. Juni 1999, 19:00 Uhr, Drassen, Herve Santos' Bar
"Es wird Zeit weiterzuziehen. Unsere Verletzten sind wieder fit und die
Miliz ist stark genug." stellte Jane Doherty fest.
"Sechzig Mann." bestätigte Hector. "Das sollte vorerst reichen,
auch wenn einige noch verletzt sind."
Bei dem Gefecht an der Mine waren ein Milizionär getötet und acht
weitere leicht bis mittelschwer verwundet worden. Auf der anderen Seite waren
sechs Soldaten gestorben, zwei Verwundete waren gefangen worden und wurden besser
bewacht als die ersten vier.
"Morgen früh marschieren wir los, zunächst nach Omerta, dann
zu diesem Tony in San Mona. Die Munitionslieferung ist auch angekommen, da steht
ja nichts mehr im Wege."
"Wie sieht's denn mit unseren Verträgen aus?" warf Grizzly ein.
"Du willst doch nicht alleine kämpfen."
"Natürlich nicht." Jane hatte den Laptop schon bereit und Verbindung
zu A.I.M. aufgenommen.
"Was haltet ihr, alle drei, von zunächst einer weiteren Woche?"
"Großartig!" stimmte MD zu.
"Ich glaube schon." bestätigte Buns.
"Es ist immer gut am Ball zu bleiben, stimmt's oder hab' ich recht? Aber
sind auch noch ein paar Mäuse für Verstärkung übrig? Wir
sind ja gerade mal fünf Figuren."
"Irgendwelche Vorschläge?"
"Na, mein alter Kumpel Bull wäre nicht schlecht. Und er arbeitet für
wenig Geld."
"Ist leider immer noch nicht verfügbar. Was hältst du von diesem
Helmut Grunther?"
"Grunty? In Ordnung, denk ich."
"Den werde ich nehmen. Wenn wir Chitzena nachts besuchen müßte
er gerade richtig sein. Damit ist das Geld auch schon so gut wie alle. Sag mal,
kennst du einen Speck T. Kline?"
"Flüchtig, vom Wegsehen."
"War der nicht mal bei A.I.M.?" fragte MD.
"Ja, ein Kumpel von diesem A..."
"...Biff Apscott?" ergänzte Jane.
"Genau. Kennst du den?"
"Die beiden haben eine eigene Agentur, M.E.R.C., im Internet."
"Was für denn eine Agentur?" fragte Buns.
"Söldnervermittlung."
"So, wer läßt sich denn von denen vermitteln?"
"Zunächst mal Biff Apscott."
"Ich krieg' gleich 'nen Lachkrampf."
"Dann einen Kerl namens Bill Lamont, genannt..."
"...Razor. Da sind bestimmt auch 'Cutter' und 'Haywire' nicht weit. Ein
Trio von Schlitzern und Messerstechern, richtige Psychos."
"Haywire gibt es, Cutter nicht." Jane blätterte die einzelnen
Seiten durch.
"Sitzt wohl gerade. Wer ist das? Wie heißt der? Gumpy?"
"Nannte man so nicht den Typen mit dem Gummistiefeln und einem Taschentuch
auf dem Kopf, der sich mit zwei Ziegelsteinen gegen den Kopf haute? Bei Monty
Pythons." fragte Buns.
"Kann sein. Ich hau' mir gleich selber einen Stein an den Kopf." lachte
Grizzly, "Sieh dir mal die hier an! Flo! Der gefürchtete Kampffloh!"
"Aber der ist vielleicht ganz nützlich. Doug Milton. Einen Mechaniker
könnten wir gut gebrauchen."
"Hat diese Organisation eigentlich auch gute Seiten?" mischte sich
Ira ein. Das Insidergeschwätz der Söldner ging ihr auf die Nerven.
"Sie arbeiten auf Pump!"
"Geschenkt wär' noch zu teuer!" stellte Grizzly fest.
"Wie sieht's mit Waffen bei euch aus?" wechselte Hector das Thema.
"Wir haben drei MP5K, Grizzlys Thompson, Ira nimmt die SPAS, jetzt wo wir
wieder Schrot haben. Braucht ihr noch Pistolen für die Miliz?"
"Nein, da haben wir genug." sagte Hector.
"Wir auch, aber Grunty und dieser Gasket brauchen ja auch noch ein paar
Knarren. Gut, dann gehen wir jetzt schlafen. Morgen müssen wir früh
raus."
6. Juni 1999, 8:00 Uhr, Chitzena
"Wann können wir endlich abreisen?" fragte Mary Kulba den Soldaten.
"Wenn der Krieg vorbei ist, das hat Ihnen der Captain doch schon hundertmal
erklärt." Wie üblich schaute Noel bei seiner Streife hier vorbei
um festzustellen ob die beiden Touristen noch da waren. Warum sollten sie eigentlich
nicht dasein, sie konnten ja schlecht allein zum Flugplatz laufen. "Seien
Sie froh daß sie hier in Chitzena sind, weit weg von allen Kampfhandlungen!"
"Kann uns nicht jemand zum Flugplatz eskortieren?" wollte John Kulba
wissen.
Leutnant Johnston, der Verwaltungschef der kleinen Stadt, mischte sich ein:
"Der Flughafen ist von Terroristen besetzt. Sobald er gesäubert ist
können Sie zurück. Bis dahin seien sie unsere Gäste." Was
wollten denn diese Amis? Ihnen würde schon keiner etwas tun, Deidranna
hatte ja schließlich gute Beziehungen zu den USA und Ausländer waren,
soweit sie nicht mit den Rebellen zusammenarbeiteten, für die Soldaten
tabu.
"Vielleicht können Sie uns wenigstens nach San Mona begleiten, weg
von diesen Trümmerhaufen?" schlug John vor.
"Na, lieber nicht!" ging Mary dazwischen, noch bevor der Offizier
antworten konnte, "Ich habe gehört da herrschen die Gangster."
Vor allem machte sie sich Sorgen wegen dem Bordell und der Spielhölle,
John zog es ja mehr zu dieser Art Kultur. "Aber können wir wenigstens
unseren Kindern schreiben? Auch sind meine Herztabletten fast alle und hier
gibt es ja keinen Arzt und keine Apotheke."
"Die Post ins Ausland braucht in ruhigen Zeiten ungefähr einen Monat,"
belehrte sie Johnston, "und jetzt, schätze ich, geht sie wahrscheinlich
ganz verloren. Zum Krankenhaus ist es zu weit und zu gefährlich für
Sie, außerdem haben die vermutlich die richtigen Tabletten auch nicht.
Sollte mal jemand von uns nach Balime kommen kann er Ihnen ja die Medizin mitbringen,
gegen entsprechende Bezahlung natürlich..."
"Aber ohne meine Medizin..."
"Entspannen Sie sich einfach, ruhen Sie sich aus, dann geht das schon.
Außerdem haben wir ja eine Sanitäterin hier." schloß Johnston
das Thema ab und ging.
"Diese Metzgerin wird mir ja wohl kaum helfen können." schimpfte
Mary vor sich hin. Tanya, die Sanitäterin der kleinen Truppe von Chitzena,
hatte offenbar keinerlei medizinische Ausbildung. Mary hatte das in einem kurzen
Gespräch festgestellt. Mary nannte sie eine Grobmotorikerin, sie war gerade
erst achtzehn Jahre alt und sah aus als habe sie fünfzehn davon mit dem
Stemmen von Hanteln zugebracht. Sie hatte auch noch keine große Erfahrung
(darum war sie hier, weit ab vom Schuß, eingesetzt), konnte allenfalls
ein paar einfache Verbände anlegen. Knochen renkte sie sicher eher aus
als ein. Mary Kulba wußte daß sie unter diesen Umständen einen
weiteren Herzanfall wahrscheinlich nicht überleben würde. Und wenn
jemand in so einem Falle noch hilfloser war als diese sogenannte Sanitäterin,
dann war es ihr John.
Captain Irwin, der Kommandant von Chitzena, wäre diese beiden Nervensägen
lieber heute als morgen los. Wer sagte denn daß es hier nicht auch Sympathisanten
der Rebellen gab. Solange diese ausländischen Zeugen da waren konnte man
ja nicht 'angemessen' gegen Verdächtige vorgehen. Am Ende ging sein Name
noch durch die internationale Presse, auch wenn die sich normalerweise nicht
für Arulco interessierte.
William Irwin kam aus Tracona, dem nördlichen Nachbarland Arulcos. Dort
hatte er seinen Militärdienst geleistet, doch kaum Aufstiegschancen. Hier
wurde er ziemlich schnell Stadtkommandant, zwar nur in der Kleinstadt Chitzena
die seit dem 'Umzug' des berühmten goldenen Kelches ihre Bedeutung als
Touristenattraktion verloren hatte, aber dafür nahe seiner Heimat. Besuchen
konnte er seine Familie allerdings trotzdem nur selten.
Er kommandierte immerhin fünfundzwanzig Soldaten, außerdem war noch
eine zehnköpfige Patrouilleneinheit hier stationiert. Während im Nordosten
des Landes gekämpft wurde schob man hier im Nordwesten eine ruhige Kugel.
6. Juni 1999, 22:40 Uhr, Straßenkreuzung südlich von Omerta
"Glaubst du, daß der Hubschrauber heute abend noch weitere ausländische
Agenten gebracht hat, Will?"
"Entweder das, oder Ausrüstung." antwortete Will, ein schwergewichtiger
Soldat von fast vierzig Jahren. "Jedenfalls bedeutet es nichts Gutes. Wir
sollten gut auf uns aufpassen."
"Wann machen die in Drassen endlich dem Spuk ein Ende?"
"Weißt du, Carlo, ich habe gehört es hat schon einen Gegenangriff
gegeben, ist aber schiefgegangen. Gab etliche Tote. Ich denke sie warten auf
die Eliteheinis."
Carlo steckte sich eine Zigarette an.
"Mach sofort den Glimmstengel aus!" Wie aus dem Nichts war Sergeant
Noriega aufgetaucht, die beiden unaufmerksamen Soldaten zuckten zusammen. "Wer
weiß denn ob sie nicht schon ganz in der Nähe sind."
"Schnappen wir uns die Kerle?" fragte Grunty leise.
"Nein, wir wissen ja nicht wie viele da noch im Busch sitzen, sicher aber
mehr als diese drei. Und wenn sie ein Nachtsichtgerät haben kann es schnell
sehr eng für uns werden." antwortete Jane. "Wir müssen erst
mal nach San Mona, zu diesem Tony. Ein paar gute Gewehre wären sehr nützlich."
Grunty hatte MD's MP5K übernommen. Ira hatte Dimitri, der sich ebenfalls
der kleinen Truppe angeschlossen hatte, die Schrotflinte überlassen. So
waren immer noch drei von acht Kämpfern lediglich mit Pistolen bewaffnet.
Außerdem verfügte keine der Waffen über eine höhere Reichweite,
so wurde jeder Kampf im freien Gelände zum unkalkulierbaren Risiko.
"Ein Nachtsichtgerät könnten wir auch gut gebrauchen." bemerkte
Grunty.
"Sicher, aber woher nehmen wenn's nirgends eines zu stehlen gibt."
"Die bösen Buben wissen gar nicht was sie für ein Glück
haben."
"Na, von dir hatten sie wohl kaum etwas zu befürchten, Gasket!"
spottete Buns.
"Wir verdrücken uns langsam und vorsichtig in westliche Richtung,
morgen früh müßten wir in San Mona sein."
7. Juni 1999, 16:00 Uhr, San Mona
"Habt ihr diesen Tony gefunden?" fragte Jane Doherty.
Die Söldner hatten ihr Lager zunächst im 'Watering Hole', der kleinen
Kneipe von Alberto Santos, aufgeschlagen.
Kurz nach Mitternacht hatten sie sich erfolgreich an einer weiteren Streife
vorbeigeschlichen, doch kurz vor San Mona konnten sie den Soldaten nicht mehr
ausweichen. Zwar konnten sie einen Soldaten lautlos töten und einen zweiten
lebend überwältigen, doch als der nächste auftauchte hatte Gasket
blindlings das Feuer eröffnet.
Es kam zu einer wilden Schießerei, unbemerkt nach San Mona und später
Chitzena zu reisen war nicht mehr möglich.
Die Söldner hatten drei weitere Soldaten erschossen und drei verwundet.
Schließlich konnten sie in den Wald fliehen, die wenigen verbliebenen
Gegner wagten nicht ihnen zu folgen. Immerhin hatten sie eine chinesische Maschinenpistole,
Typ 85, und acht Magazine dafür erbeuten können.
Ohne weitere Zwischenfälle kamen sie hier her. Nach Aussage von Dimitri
und Ira war es unwahrscheinlich, daß die Soldaten ihnen in die Stadt folgten,
doch mit Sicherheit lagen sie in der Nähe auf der Lauer.
"Nun, hier in der Nähe haben wir keinen Laden mit Hinterzimmer gefunden."
berichtete Grizzly, der gemeinsam mit Grunty von einer ausgiebigen Erkundungstour
zurückkam.
"Das einzige militärische war eine kevlarverstärkte Jacke, die
uns ein Typ namens Angel in einem Lederwarengeschäft verkaufen wollte."
berichtigte Grunty, "Neunhundertfünfzig Dollar wollte er dafür."
"Die habt ihr doch hoffentlich nicht bezahlt?" fragte Jane besorgt.
Sie hatte den beiden die Kreditkarte mitgegeben, damit sie Waffen und Munition
bei günstiger Gelegenheit gleich kaufen konnten.
"Natürlich nicht. Aber der Bursche erzählte von einem Bordell,
dort wäre seine Schwester Maria gefangen. Er bat und doch tatsächlich,
sie zu befreien."
"Warum sollten wir das tun?"
"Er bot uns alles was er besitzt, wahrscheinlich ist das aber nicht besonders
viel, und er sagte er wüßte wo wir viel Geld finden könnten."
"Das hört sich schon besser an."
"Allerdings gehört das Bordell diesem Kingpin, dem Gangsterboss. Es
dürfte gefährlich werden."
"Jedenfalls," fuhr Grunty fort, "sind wir weiter in die Stadt
hinein gegangen. Die kleinen Läden können wir ausschließen,
nur bei so einem Pornohändler kamen wir nicht bis ins Hinterzimmer. Der
war so sehr damit beschäftigt, sich mit so einer Lesbe zu streiten, daß
er uns gar nicht weiter beachtete..."
"Dafür hätte uns dieser Kyle, der Tätowierer, liebend gern
mit auf sein Hinterzimmer genommen. Den können wir aber ausschließen,
da gibt's keinen Waffenhändler. Der Kerl steht nur auf Leder und auf diesen
Angel..."
"Ich glaube er steht nur auf dem seinen Laden, den würde er wohl gern
besitzen. Aber ich denke, wenn es diesen Tony wirklich hier gibt muß er
bei dem Pornofritzen sein." sagte Grunty.
"Wir haben also zunächst mal das Bordell untersucht und ein paar Dollar
investiert." fuhr Grizzly fort, einen bösen Blick von Buns erntend.
"Wir haben die Alarmanlage ausgeschaltet und den Schlüssel zur Hintertür
besorgt."
"Ich denke, wir sollten dem armen Mädchen wirklich helfen." schlug
Grunty vor.
"Sicher, und wie habt ihr den Tag weiter verbracht, ihr wart ja etliche
Stunden unterwegs?"
"Weiter im Süden gibt's einen Club, dort wird eine Art Kampfturnier
veranstaltet. Grizzly hat teilgenommen, drei Typen auf die Matte geschickt,
und jetzt ist unsere Kriegskasse um fünfzehntausend Dollar reicher."
"Und was das beste ist, dieser Kingpin bot uns noch zwanzigtausend Dollar
mehr, wir müßten im nur einen goldenen Kelch besorgen, aus einem
Museum in Balime." ergänzte Grizzly.
"Balime ist die Stadt der Reichen, ganz im Südosten. Die liegt weit
ab von unserem Weg." warf Ira ein.
"Aber wir werden's im Hinterkopf behalten." sagte Jane. "Wer
weiß schon genau wohin es uns noch verschlägt."
7. Juni 1999, 18:50 Uhr, San Mona
"Warum schickt Alma keine Verstärkung für die Zentralwestpatrouille?"
fragte Danilo.
"Sie brauchen jeden Mann in und um Drassen." antwortete Corporal Vasquez
dem Soldaten, "Kurz vor unserem Abmarsch habe ich gehört daß
schon wieder ein Angriff fehlgeschlagen ist."
Tatsächlich hatte die Drassener Patrouille am Nachmittag einen Angriff
auf die Mine gewagt. Die Soldaten hatten anfangs sogar Erfolg, fünf Milizionäre
wurden getötet. Doch dann wendete sich das Blatt. Ein schwer- und drei
leichtverletzte Soldaten mußten das Schlachtfeld fluchtartig verlassen
als weitere Milizionäre zu Hilfe kamen. Die sechs anderen Mitglieder der
zehnköpfigen Patrouille blieben tot oder sterbend zurück.
"Wenn die neuen Rekruten einsatzbereit sind müssen sie erst mal die
dortigen Trupps auffüllen." ergänzte Sergeant Alvarez, "Und
da hat sich der alte Brennan wohl gedacht 'Die da oben in Chitzena haben doch
sowieso nichts zu tun, sollen sie doch ein paar Männer abstellen'"
"Weiß man denn schon, wer die Zentralwestpatrouille überfallen
hat?" wollte ein dürrer Soldat wissen.
"Kurz zuvor war wieder ein Hubschrauber gesehen worden, möglicherweise
haben sie Verstärkung bekommen."
"Aber dann müßten sie ja noch hier in der Nähe sein."
schlußfolgerte George Watts besorgt. Der dunkelhäutige Söldner
wollte eigentlich schon längst wieder bei seiner Familie in Jamaica sein,
doch die Prämien nach der Zerstörung Omertas waren viel geringer ausgefallen
als erwartet. Und die Rebellen mit denen sie nun zu tun hatten schienen äußerst
gefährlich zu sein, außerdem gab's nur den Standardsold.
"Natürlich." betätigte der Sergeant, "Sie können
ja nicht weg, also sind sie sicher irgendwo da draußen."
"Kriegen wir 'ne Prämie wenn wir die Kerle erwischen?" wollte
der Dürre wissen.
"Damit du dir mal was frischeres als Carla leisten kannst, was? Keine Ahnung,
aber wenn alle Rebellen erledigt sind und ein Vierteljahr Ruhe ist wird endlich
die komplette Belohnung für Omerta fällig."
"Gehen wir noch schnell ans 'Wasserloch'?" fragte Danilo, der gern
mal ein Bier mehr trank und in Chitzena kaum Gelegenheit hatte.
"Ich denk' in San Mona gibt's kein Militär!" Durch die offenstehende
Tür bemerkte Grizzly den Soldaten der sofort die Waffe auf ihn anlegte.
Sofort riß er die Thompson hoch, jagte dem Mann einen Feuerstoß
in die Weste.
"Deckung!" schrie Grunty. In etwa fünfzig Metern Entfernung war
ein dürrer Soldat aufgetaucht. Sofort ließ der deutsche Söldner
sein Werkzeug fallen und griff zur Waffe.
Während Grizzly in Deckung sprang stürmte der zuerst aufgetauchte
Soldat zur Tür des 'Watering Hole', offensichtlich rechnete er nicht mit
so vielen Gegnern. Das war ein Fehler, sofort wurde er von Buns, Jane und Gasket
durchlöchert.
Grunty nahm den Dürren mit gezielten Schüssen unter Feuer, durch seine
'Typ-85' war nicht gerade ein Scharfschützengewehr, so war der Mann praktisch
außer Reichweite.
Sergeant Alvarez war geschockt. Völlig unerwartet hatte jemand seinen Stellvertreter,
Corporal Vasquez, aus der Kneipe heraus erschossen. Waren die Rebellen hier?
Oder hatte irgendein Ganove aus San Mona die Nerven verloren? Wie auch immer,
ohne lange zu überlegen rannte der Sergeant zur Tür der Kneipe, dicht
gefolgt von George Watt. Sofort schlugen Kugeln einer schallgedämpften
Waffe ein, Alvarez sah das Blut unter der Weste hervorrinnen. Weitere Schüsse
fielen, es mußten mindestens fünf Feinde in der Kneipe sein. Auch
Watt schien getroffen, rollte sich zur Seite.
Ein weiterer Soldat kam zu Hilfe, doch für den Sergeanten war es zu spät.
Von mehreren Kugeln getroffen sank er vornüber und starb. Sein Kamerad
erlitt einen Streifschuß und ging neben der Tür in Deckung. Gemeinsam
mit dem ebenfalls nicht nennenswert verletzen Watt überlegte er was zu
tun sei.
Grunty versuchte immer noch den dürren Soldaten zu treffen, dessen Kugeln
schlugen gefährlich nahe in der Kneipe ein. Irgendwann würde er wohl
einen von ihnen oder einen der anderen Gäste, einem Mann und einer Frau,
treffen. Nur der Wirt, Alberto Santos, hatte sich hinter seinen Tresen gehockt
und war einigermaßen sicher.
Ein weiterer Soldat kam um die Ecke, schoß blindlings in den Raum. Zwar
wurden Grunty und MD von Streifschüssen und Glasscherben erwischt, doch
konnte ihn Gasket mit zwei Schrotladungen zunächst zum Rückzug zwingen.
Trotz der Verletzung gelang Grunty ein Sonntagsschuß. Unvorsichtigerweise
war der dürre Soldat, der liegend in die Kneipe hinein schoß, aufgestanden.
Ein 7.62er WP Projektil beendete sein Leben.
"Gehen wir durch die Hintertür!" schlug Danilo vor, der das 'Watering
Hole', genau wie jede andere Kneipe in Arulco, gut kannte.
Die vier verbliebenen Soldaten schlichen zur Rückseite des Hauses, wo gerade
ein Mann, offenbar ein Betrunkener, das Weite suchte.
Er hatte die Tür offengelassen, daher konnte der erste Soldat gleich das
Feuer eröffnen. Er jagte einer dunkelhaarigen Frau eine Kugel in den Rücken,
doch bevor er wieder in Deckung gehen konnte feuerte eine andere Rebellin zwei
Revolver auf ihn ab. Beide Kugeln trafen seinen Unterleib, bevor er starb sah
er noch daß sein Einsatz umsonst gewesen war. Die Dunkelhaarige trug eine
Kevlarweste und war nicht verletzt.
Auch Danilo, der direkt hinter ihm stand, konnte nicht rechtzeitig stoppen und
wurde noch am Arm erwischt.
Unter Einsatz seines eigenen Lebens zog Watt ihn aus der Schußlinie.
"Verdammte Scheiße!" Gerade hatten die Söldner den Angriff
an der Hintertür abgewehrt, da eröffnete so ein Bursche das Feuer
durch ein Fenster an der Vorderseite. Eine Kugel prallte vom Sockel des Tisches
ab und traf Dimitri an der Hüfte.
Bevor er ein zweites Mal schießen konnte nahmen Dimitris Kameraden das
Fenster unter Feuer. Doch der Mann hatte sich rechtzeitig zu Boden geworfen
und tauchte nicht mehr auf.
Nachdem sich nichts mehr rührte und alle Blessuren versorgt waren verließen
die Söldner vorsichtig das Lokal. Die restlichen Soldaten waren geflohen.
Vier Tote waren zurück geblieben, bei ihnen fanden die Rebellen neben diversen
Pistolen auch eine Heckler & Koch MP53, der etwas entfernt liegende Tote
hatte eine Ruger Mini.
"Da hast du dein Scharfschützengewehr, Buns!" stellte Grunty
fest.
Überhaupt war der Tag, trotz der kleinen Verletzungen, recht erfolgreich
gewesen.
Sie hatten die lästige Kundin im Pornoladen, eine gewisse Brenda Drake,
zum Gehen überreden können. Tatsächlich hatte der Waffenhändler
Tony sein Geschäft im Hinterzimmer. So hatten sie eine weitere 'Typ-85'
sowie einen Duckbill für die Schrotflinte erstanden. Er würde auch
die überzähligen Waffen, zum Beispiel die Pistolen dieser Soldaten,
aufkaufen.
Außerdem war es gelungen, diese Maria aus dem Bordell zu befreien. Völlig
unbemerkt hatte sich Grunty durch die Hintertür eingeschlichen und das
Mädchen abgeholt. Wahrscheinlich würden die Puffmutter und dieser
Kingpin sie nicht so schnell verdächtigen.
Angel gab ihnen den Tip, daß Kingpins Geld in der alten Mine lag, darüber
lohnte es sich nachzudenken.
Außerdem konnten sie seinen Laden verkaufen und so hatte Jane Doherty
auf einmal mehr Geld auf dem Spesenkonto als zu Beginn der Operation.
"Wir werden in Frank's Bar umziehen, da ist es sicherer." entschied
die Anführerin. "Wir ruhen uns einen Tag aus, dann geht's nach Chitzena."
10. Juni 1999, 5:30 Uhr, Chitzena
'Ich dachte, ich würde hier mit Profis zusammenarbeiten!' dachte Ira.
Doch diese Truppe? Während in Drassen die Milizionäre ihr Leben für
die Freiheit gaben trieben sich diese Söldner in San Mona herum. Nicht
nur, daß sie sich für ihren Einsatz fürstlich belohnen ließen,
sie verschwendeten auch noch fast zweitausend von den Minenarbeitern hart verdiente
Dollars im Bordell und in Frank's Bar.
Selbst Dimitri hatten sie mit in die 'Shady Lady' geschleppt - und es schien
ihm sogar zu gefallen!
Jedenfalls konnten die Söldner nach der Orgie kaum noch geradeaus laufen
und es war erstaunlich daß sie noch den Weg nach Chitzena gefunden hatten
- und diese Jane Doe meinte noch, das Ganze wäre gut für die Kampfmoral
der Truppe.
Iras Stimmung hatte sich noch verschlechtert als die Truppe am gestrigen Vormittag
eine Begegnung mit drei Bloodcats hatte. Grunty wurde dabei durch einen Prankenschlag
verletzt und auch Ira bekam etwas ab - aber anders als erwartet. Dieser Gasket
traf zwar mit seiner Schrotflinte keinen Heuschober, doch eine direkt vor ihm
stehende Rebellin verfehlte er nicht, selbst wenn er auf eine weit entfernte
Blutkatze zielte.
Und nun lag Ira Smythe mit diesen Leuten, denen sie unvorsichtigerweise ihr
Leben anvertraut hatte, am südlichen Rand von Chitzena und harrte der Dinge
die da kommen würden.
'Ein Nachtsichtgerät wäre wirklich nicht schlecht!' dachte Jane Doherty
während sie sich einen Überblick zu verschaffen suchte. Aus einigen
Gebäuden schien Licht. So weit man es erkennen konnte waren es größtenteils
nur einfache Hütten, sicher wohnten hier die Arbeiter der Mine. Nur im
Südosten gab es zwei feste Häuser, sicher gehörten sie dem Militär
oder der Bergwerksverwaltung.
Langsam kroch Jane in Richtung des ersten festen Hauses. Links von ihr lagen
MD und Buns, rechts waren Grizzly, Dimitri und Grunty. Ira und Gasket bildeten
die Nachhut.
"Es ist Feind!" Dimitri sah den Soldaten zuerst, einen kahlgeschorenen
Mann um die Dreißig. Offenbar rechnete er nicht damit daß während
seiner Wache irgend etwas passierte, sorglos steckte er sich einen Glimmstengel
an.
Doch ihn lebend zu überwältigen war zu riskant, auch auf der westlichen
Seite hatten die Söldner Schritte gehört.
Also gab Jane zwei Schüsse aus ihrer schallgedämpften MP5K ab, auch
Grizzly, der den Schalldämpfer von Buns auf seine Thompson geschraubt hatte,
nahm den Mann aufs Korn.
Doch was nützt die beste Waffe wenn man das Ziel nur ahnen kann. Der Soldat
schrie auf und verschwand in der Dunkelheit. "Alarm! Alarm!" hörten
sie ihn schreien. Das Thema 'Unbemerkt eindringen' hatte sich damit erledigt.
Plötzlich tauchte ein anderer Soldat direkt vor ihnen auf - und verschwand
sofort wieder als ihm die Salven von Dimitris und Gruntys Typ-85s entgegenschlugen.
Aus nördlicher Richtung kam der nächste, als er die Eindringlinge
sah zog er sich schnell zurück, Janes Feuerstoß ging ins Leere.
Instinktiv warf sich Calvin Barkmore zu Boden als die ersten Schüsse zu
hören waren. Die drei Minenaufseher dagegen griffen sofort zu den Waffen.
"Bleibt hier, laßt die Soldaten das erledigen!" rief er, doch
die Männer stürmten schon hinaus, schläfrig, nur halb bekleidet
und im Kampf unerfahren, aber so dumm wie mutig.
"Okeeh, da ist der Nächste." stellte Grizzly fest als er im
Schein der Lampe neben der Tür des Bergwerksgebäudes einen Mann in
Unterhosen entdeckte, der einen Revolver in der Hand hielt.
Er sah die Angreifer offenbar nicht, langsam krochen sie in Schußposition.
Im letzten Augenblick bemerkten sie den Soldaten, einen von denen die ihnen
vorhin entwischt waren, der sich aus nördlicher Richtung anschlich. Mehrere
Söldner schossen, die tödliche Kugel kam wahrscheinlich aus Buns'
Gewehr.
Aufgeschreckt versuchte der 'Unterhosenmann' sich zurückzuziehen, gleichzeitig
erschien ein weiterer Wachmann, ein ziemlich dürrer Bursche. Jetzt eröffneten
die Söldner das Feuer aus allen Rohren auf die beiden, doch die Schußposition
war schlecht, es standen etliche Palmen im Weg. Die Kugeln durchlöcherten
die Hauswand, gingen durch Tür und Fenster ins Gebäude.
'Hoffentlich sind keine Unschuldigen drin!' schoß es Ira durch den Kopf.
Aber vermutlich hatten sich die Leute im Minengebäude, falls welche da
waren, rechtzeitig zu Boden geworfen.
Der Dürre rannte aus dem Licht heraus, direkt auf die Angreifer zu. Das
rettete ihn zunächst, er war für einen Moment nicht sichtbar.
Es schien, als sei ein weiterer Mann aus der Tür gekommen, doch er war
nicht genau zu erkennen.
Doch zumindest traf jetzt den 'Unterhosenmann' eine Kugel in die Schulter. Bewußtlos
blieb er liegen.
Jetzt war der dritte Wächter, ein dicker Schwarzer, neben der Tür
erkennbar.
Statt zu fliehen hatte sich der dürre Aufseher nahe an die Söldner
herangerobbt. Es gelang ihm sogar zwei Schüsse abzufeuern.
'Immer auf mich!' schoß es Jane durch den Kopf als eine Kugel ihre Kevlarweste
weiter beschädigte.
Zu einem dritten Schuß kam der Wachmann nicht mehr, die geballte Feuerkraft
der Söldner bereitete ihm ein schnelles und blutiges Ende.
Danach richtete sich diese geballte Feuerkraft sofort gegen den Schwarzen. Getroffen
ließ er die Waffe fallen und rannte davon.
Wütend sah Hauptfeldwebel Ashby wie sich seine Männer ohne ernstzunehmenden
Widerstand zurückzogen. Da zeigten ja die Minenaufseher mehr Courage. Inzwischen
hatten auch die Offiziere das kleine Wachhaus verlassen. Die einfachen Soldaten
waren ja bei den Bergleuten in den Hütten einquartiert, diese mußten
sie beköstigen und ihnen auch sonst zu Diensten sein, eine Kaserne gab
es hier oben nicht.
Ashby sah wie sich die Rebellen kriechend dem Wachhaus näherten.
'Man hätte es verminen sollen.' dachte er, doch dafür hatten sie weder
Zeit noch Ausrüstung.
Er nahm den ersten Angreifer, einen breitschultrigen Mann, aufs Korn. Eine weitreichende
Waffe wäre gut gewesen, doch er hatte nur eine AKSU. Die arulcanische Armee
kaufte ihre Ausrüstung auf der ganzen Welt, Hauptsache sie war nicht zu
teuer.
Er bemerkte daß immer mehr Rebellen herankamen, jetzt schon sieben oder
acht. Allein hatte er keine Chance, dennoch schoß er auf den Breitschultrigen.
Sofort schoß ihm ein anderer Rebell die Waffe aus der Hand.
Ashby rollte sich zur Seite und verschwand in der Dunkelheit, seinen Soldaten
folgend.
Während Grizzly seinen Streifschuß verpflasterte drangen die anderen
Söldner vorsichtig ins Wachhaus ein. Doch die Gegner hatten es bereits
verlassen und auch die gesamte Ausrüstung mitgenommen.
"Sie müssen alle nach Norden geflohen sein." meinte Jane.
"Folgen wir den Schweinen!" rief Ira. 'Tut gefälligst was für
euer Geld!' hätte sie gern hinzugefügt, doch eigentlich gab es ja
am heutigen Einsatz nicht viel auszusetzen.
Plötzlich bemerkten sie auf der linken Seite noch einen Soldaten. Dieser
schleppte gerade ein großes Funkgerät weg. Sofort nahmen sie den
Mann unter Feuer, wahrscheinlich hätte er sich sogar ergeben, doch dazu
kam er nicht mehr. Von Kugeln durchsiebt sank er zu Boden.
10. Juni 1999, 6:00 Uhr, Chitzena
"Verdammt! Wo kamen die auf einmal her?" Mit einem Angriff auf 'seine'
Stadt hatte Captain Irwin nicht gerechnet. Sicher, die Rebellen waren in San
Mona gewesen, aber was wollten sie hier?
Obwohl sich die Verluste in Grenzen hielten (nur der Corporal, der die Wache
kommandiert hatte und der Funker waren tot), konnte man nicht blindlings einen
Gegenangriff wagen. In Chitzena gab es wenige Anhänger von Deidranna, lediglich
arme Minenarbeiter die nicht viel mehr besaßen als sie am Leibe trugen
und die in einfachen Hütten hausten. Die würden die Rebellen warnen
sobald sich ein Soldat anschlich.
Auf Seiten der Armee waren hier ja nur der Chef der Mine, Calvin Barkmore, und
seine drei Aufseher gewesen. Von diesen dreien war einer mit den Soldaten geflohen,
die anderen beiden waren vermutlich tot oder gefangen. Und der eine war verwundet
und mußte jetzt auch noch unter der Unfähigkeit der Sanitätssoldatin
Tanya leiden.
"Wann schlagen wir zurück?" wollte Ashby wissen.
"Wir warten erst mal ab. Leider haben wir keinen Funkkontakt. Schicken
Sie einen Boten los, er soll unsere Patrouille suchen. Dann nehmen wir die Schweine
in die Zange."
"In Ordnung, aber wir sollten lieber einen kleinen Trupp schicken. Es sind
Bloodcats in der Nähe beobachtet worden." gab Ashby zu bedenken.
"Tun Sie das, aber mehr als drei Mann können wir nicht entbehren."
10. Juni 1999, 8:00 Uhr, Chitzena
Annie hatte das Vorgehen der Rebellen mit Interesse verfolgt. Obwohl sie einen
ziemlich unerfahrenen Eindruck machten arbeiteten sie sehr effektiv, schlugen
aus der Dunkelheit zu und töteten ohne zu zögern. Allerdings waren
diese Soldaten auch kein ernstzunehmender Gegner.
Jetzt hatten die Rebellen offenbar schon die Mine übernommen, die Arbeiter
fuhren gerade ein. Andere trainierten schon mit Waffen, die sie eilig irgendwo
ausgegraben hatten.
Die Rebellen waren damit beschäftigt einige kleine Verletzungen zu versorgen
und ihre Ausrüstung zu warten.
Annie hatte hier Unterschlupf gefunden, in Arulco fragte keiner nach ihrer
Herkunft. Sie lebte billig zur Untermiete, genügend Geld hatte sie ja beiseite
gebracht. Obwohl das Klima völlig anders war als daheim in Schottland war
es doch recht angenehm. Vielleicht würde sie ja länger bleiben.
Ein breitschultriger Rebell kam auf sie zu.
"Hallo, ich bin Steve."
"Mein Name ist Annie. Annie MacDonnell aus Schottland."
"Touristin?"
"Studentin." Sie war zwar schon einige Jahre über Dreißig,
doch das sah man ihr nicht an. Außerdem studiert mancher ja ewig.
"In Arulco? Ich denke die Universität ist zerstört?"
Böse Falle! "Ich ... äh ... arbeite an einer Studie. Für
... äh - Scotland Yard!"
"Naja, Mord und Totschlag gibt's hier genug zu studieren. Schönen
Tag noch!" verabschiedete sich Grizzly, während er überlegte
wo er dieses Gesicht schon mal gesehen hatte.
11. Juni 1999, 6:15 Uhr, Chitzena
Jane Doherty war froh daß Ira, obwohl ihre Verachtung gegenüber
bezahlten Söldnern unübersehbar war, ihre Arbeit sehr gut erledigte.
Schon nach einem Tag hatte sie zehn Einwohner von Chitzena zur Mitarbeit überreden
können. Die Miliz war wichtig, schließlich würde ein Gegenschlag
nicht lange auf sich warten lassen.
Die Nähe zu Tony in San Mona erleichterte die Waffenbeschaffung, Geld war
jetzt genug da, immerhin brachte die Mine von Chitzena einen zusätzlichen
Tausender pro Tag in die Kasse. Dafür konnte man sogar diesen Calvin Barkmore
ertragen.
Jane hatte die Verträge von Buns, Grizzly und MD um je vierzehn Tage verlängert
und auch die Rechnung an Speck T. Kline bezahlt. Daß das ganze fast fünfundzwanzigtausend
Dollar gekostet hatte mußte man Ira ja nicht unbedingt erzählen.
Ira hatte jedenfalls darauf gedrängt so schnell wie möglich weiter
vorzurücken, und das passierte jetzt. Jane hoffte Chitzena noch vor Sonnenaufgang
komplett zu erobern.
Noel patrouillierte zwischen den Hütten der Minenarbeiter. Bald würde
es hell werden und er würde abgelöst. Vermutlich traf im Laufe des
Tages Verstärkung ein, dann ginge es den Rebellen an den Kragen. Doch bis
dahin hieß es wachsam zu sein, vielleicht wollten die Rebellen ja...
"Verdammt!" Als er um die Ecke bog sah er die Rebellen direkt vor
sich, zwischen zwei Hütten lagen sie auf der Lauer. Es war das letzte was
er in seinem Leben sah.
"Buns ist eine exzellente Kriegerin ... und eine ganz erstaunliche Frau!"
Grunty war immer mehr von der dänischen Scharfschützin beeindruckt.
Allerdings war jetzt keine Zeit für Komplimente, schon kam ein weiterer
Soldat heran. Als er seinen toten Kameraden sah stoppte er. Obwohl ihn noch
eine Kugel aus Dimitris Waffe traf zog er sich zurück. Gaskets Schrotladung
ging wie üblich ins Leere.
Sofort tauchte ein weiterer Gegner auf, "Schnappt euch die Kerle!"
brüllend. Offenbar ein Vorgesetzter. Jedenfalls kam er zum Schuß,
Dimitri verspürte einen dumpfen Schlag in seine Schutzweste. Ohne diese
wäre er jetzt tot. So war es der andere der sterben mußte. Dimitri
traf, auch die anderen Rebellen schossen. War es MD's Kugel die ihn tötete?
Egal, er ließ seine MAC-10 fallen, sank zu Boden und stand nie wieder
auf.
MD bemerkte einen Soldaten links von sich, also im Norden. Als er das Feuer
eröffnete zog sich dieser Gegner schnell zurück. Leider war MD immer
noch kein allzu treffsicherer Schütze.
"Alle Mann vorrücken!" befahl der Captain. Wieso waren die Wachposten
schon wieder überrumpelt worden? Die Soldaten verließen ihren Lagerplatz
zwischen den Ruinen und näherten sich den Bergmannshütten.
"Schießt auf alles was sich bewegt! Die stecken ja doch alle unter
einer Decke."
Vorsichtig schlich Leutnant Johnston im Dunkeln vorwärts - und plötzlich
wurde es hell. Die Gegner hatten ein chemisches Knicklicht geworfen und plötzlich
gaben er, der junge Soldat neben ihm und ein weiterer, offenbar bereits verwundeter
Soldat ein hervorragendes Ziel für die Gegner ab.
Die Rebellen schossen sofort aus allen Waffen, dennoch schafften Johnston und
sein junger Kamerad - zwar beide getroffen - den Sprung in die sichere Dunkelheit.
Nur der dritte Soldat war zu langsam und wurde tödlich getroffen.
Grunty bemerkte einen weiteren Soldaten, dieser wollte sich am Lichtschein
des Leuchtstabs vorbei den Angreifern nähern. Er schoß sofort, genau
wie Jane, und der Mann starb noch bevor er einen der Söldner zu Gesicht
bekam.
Doch dann hörte Grunty einen weiteren Schuß und verspürte einen
stechenden Schmerz in der Schulter. Unbemerkt hatte sich ein Gegner im Gestrüpp
genähert.
'Jetzt bist du dran!' dachte Ashby als er den Rebellen aufs Korn nahm. Der erste
Schuß hatte den blonden Mann bereits kampfunfähig gemacht. Obwohl
sofort weitere Rebellen schossen gelang Ashby noch ein zweiter Treffer. Dann
traf ein Schuß seinen rechten Arm, er ließ die Waffe fallen und
kroch zurück zu den Ruinen.
"Komm zurück!" befahl Johnston dem jungen Soldaten. Obwohl er
verwundet war wollte er erneut angreifen. Er gab einen Schuß ab und zog
sich dann mit seinem Vorgesetzten zurück. "Hier ist alles verloren!"
Johnston sah noch Tanya, die ebenfalls die herankommenden Rebellen unter Feuer
nahm. Ein lauter Schrei auf der Gegenseite zeigte daß sie getroffen hatte,
offenbar eine Rebellin.
Gleich darauf war es allerdings Tanya, die aufschrie, nachdem die Rebellen massiv
zurückschossen.
So schnappte sich Johnston auch noch die verwundete Sanitäterin und zog
sich endgültig vom Schlachtfeld zurück.
Aus den Ruinen wurde immer noch geschossen, beinahe hätte es MD erwischt.
Zu einem weiteren Schuß kam der Schütze nicht mehr, ein Volltreffer
von Buns beendete auch sein Leben.
Weitere Schüsse fielen nicht mehr, offenbar war der Rest der Soldaten geflohen.
11. Juni 1999, 8:30 Uhr, Chitzena
Annie machte einen kleinen Morgenspaziergang. Von dem was sie sah war sie beeindruckt,
die Rebellen hatten die Soldaten vollständig umgebracht oder aus Chitzena
vertrieben. Ihr konnte das zwar egal sein, aber es würden sicher nicht
die letzten Kampfhandlungen gewesen sein. Die Armee würde zurückkommen.
Vielleicht war es besser, die Sachen zu packen und zu verschwinden.
Der Rebell von gestern, dieser Steve, kam wieder auf Annie zu.
"Guten Morgen!"
"Morgen auch!"
"Sagen Sie mal, haben Sie nicht Lust in unserer Truppe mitzumachen? Ich
habe den Eindruck, Sie verstehen was davon." Das ihre große Tasche,
die sie immer bei sich trug, ein Gewehr enthielt war für einen Fachmann
natürlich nicht zu übersehen. Mit dem G3A3 konnte sie es mit jedem
aufnehmen.
Irgendwie reizte es Annie schon, doch mit so einer Truppe? Überall sah
man Leute die sich an alten Waffen übten und sich dabei äußerst
ungeschickt anstellten. Nein, sie war hier untergetaucht um zu überleben,
nicht um zu sterben.
"Nein danke!" antwortete sie, "Ich muß mich um meine Studie
kümmern, darum werde ich bald abreisen."
"Na gut, dann nicht. War 'n einmaliges Angebot." Der Rebell wandte
sich zum Gehen, als er einige Meter weg war schien er sich eine Büchse
Bier zu öffnen. Doch nein, die Büchse sah aus wie etwas, das Annie
in ihrer Truhe aufbewahrte.
Hatte der etwa ...?
Als er die Büchse über die Schulter in Annies Richtung warf und schnell
wegrannte wußte sie was die Stunde geschlagen hatte.
Doch da war es zu spät.
Als erstes verlor sie ihr Augenlicht.
Dann verlor sie das Bewußtsein.
Wenig später verlor sie ihr Leben.
Am Ende verlor sie auch noch ihren Kopf.
Annie MacDonnell, auch als Matron of Mayhem bekannt, war durch ihr eigenes
Giftgas gestorben.
"Gut, daß wir diesem Calvin Barkmore die Kühltasche für
seine Bierflaschen abkaufen konnten." bemerkte MD, "Da hält sich
der Kopf frisch bis wir diesen Carmen wiedertreffen."
"Zum Glück hat sie erst spät Verdacht geschöpft. Mit ihren
Senfgasgranaten hätte sie uns alle fertigmachen können."
11. Juni 1999, 23:45 Uhr, Alma, Hauptquartier
"Wer ist denn das schon wieder?" Wie so oft in letzter Zeit wurden
Annette Garners Liebesnächte mit dem Colonel unterbrochen. "Bärchen,
es hat geklopft!"
"Du sollst nicht immer - na, egal! Versteck' dich unter der Decke! ...
Herein!"
Romero kam hereingestürmt.
"Was haben Sie denn für eine wichtige Meldung? Sie wissen doch daß
Sie mich jetzt nicht stören sollen!"
'Das weiß die ganze Stadt, wahrscheinlich weiß es sogar deine Frau.'
dachte sich der Adjutant.
"Ich habe zwei wichtige Meldungen." berichtete er.
"Dann fangen sie mit der schlechteren Nachricht an!"
"Ich habe nur schlechte Nachrichten. Die erste ist: Die Nordostpatrouille
hat den Drassener Flugplatz angegriffen ..."
"Das ist doch gut!"
"... ist zurückgeschlagen worden und hat sieben Männer verloren."
"Verdammt! Den Dilletanten der diesen Einsatz geleitet hat werde ich ..."
"Der Kommandeur ist unter den Toten!"
"Besser für ihn."
"Das war die weniger besorgniserregende Meldung."
"Was?!"
"Die andere ist: Die Rebellen haben Chitzena erobert."
"Das kann nicht sein!"
"Die Meldung kam gerade aus Cambria, die Überlebenden haben sich bis
dorthin durchgeschlagen."
'Wird Zeit daß die Elite eingreift.' dachte sich Annette, 'Mit den regulären
Schlafmützen wird das doch nichts!'
"Was sollen wir tun?" fragte Romero als sein Chef nicht antwortete.
"Legen Sie zunächst mal die Reste der Drassener und der Nordostpatrouille
zu einer Einheit zusammen. Sonst werden die noch von den Bloodcats gefressen.
Wieviel Überlebende gibt es in Chitzena?"
"Drei unverletzte, und etliche liegen im Hospital."
"Die drei sollen zunächst in die Raketenbasis gehen. Dafür stellt
diese jetzt endlich die fehlenden Männer ab um die Zentral-West-Patrouille
aufzufüllen. Den Plan für die Rückeroberung arbeite ich noch
aus, bis dahin wird nur angegriffen wenn sich eine günstige Gelegenheit
ergibt. Und jetzt verschwinden Sie endlich!"
12. Juni 1999, 15:00 Uhr, Chitzena
"Ich hatte Kontakt zu Enrico Chivaldori." berichtete Jane Doherty,
"Er ist zufrieden. Was macht die Milizausbildung?"
"Wir haben vierzig Freiwillige. Sie stellen sich im Großen und Ganzen
recht geschickt an." meldete Ira, "Wie sieht's mit der Bewaffnung
aus, Grunty?"
"Ist alles bestellt und müßte heute noch eintreffen. Nicht mehr
lange, und wir haben auch hier eine schlagkräftige Miliz."
"Übrigens, ich habe über das Telefon der Mine mit Hector gesprochen.
Die Armee hat gestern schon wieder zwei Milizionäre in Drassen getötet,
einen Mann und eine Frau. Er fragt an, was er mit den gefangenen Soldaten machen
soll, inzwischen sitzen wieder vier von den Schweinen in Drassen hinter Schloß
und Riegel. Ich denke, man sollte kurzen Prozeß mit ihnen machen."
sagte Ira.
"Wir sollten nichts überstürzen. Wenn wir wieder in Omerta sind
sprechen wir mit Miguel über das Problem, ich denke, es muß ein ordentliches
Gerichtsverfahren geben ..."
"Blödsinn, die geben auch keinem ein Gerichtsverfahren!"
"... sonst kann das später das Ansehen einer neuen Regierung in der
Welt ruinieren."
'Gut, daß wir hier diese Problem nicht haben.' dachte Jane. In Chitzena
war ja lediglich ein Minenaufseher in Gefangenschaft geraten.
14. Juni 1999, 6:45 Uhr, südlich von Chitzena
"Was ist denn das?"
"Das muß eine von den Raketenstellungen sein, von denen Manuel berichtet
hat."
Während Ira noch gemeinsam mit MD den Milizionären in Chitzena den
letzten Schliff verpaßte hatten die anderen sechs die Küste von Nord
nach Süd abgesucht. Sie waren auf keinerlei Feinde gestoßen - bis
jetzt.
Das Raketengelände lag direkt am Meer, der Strand bildete die westliche
Begrenzung. Auf den anderen Seiten war es mit Stacheldraht eingezäunt,
der Eingang war im Osten.
"Wollen wir es schwimmend versuchen?" schlug Dimitri vor.
"Nein, es liegen bestimmt Minen. Außerdem haben wir im Sand keine
Deckung." lehnte Jane ab. "Das ganze Gelände ist ausgeleuchtet,
da entdecken sie uns auch, wenn wir ein Loch in den Zaun schneiden. Wir nutzen
die Dunkelheit aus und gehen durchs Tor. Macht schnell, es wird bald hell werden."
"Zeigen wir ihnen, wo's langgeht!" Grunty hatte den ersten Posten
entdeckt. Flach auf dem Boden liegend beobachteten die Söldner das Tor.
"Schalldämpfer zuerst, wenn's daneben geht schießen sofort die
anderen. Sobald der erste laute Schuß fällt kommen sie sicher im
Rudel." entschied Jane Doherty, "Grizzly, bist du soweit?"
Grizzly, der als einziger neben Jane einen Schalldämpfer auf seiner Waffe
hatte, visierte den jungen Soldaten an, der offenbar mit keiner Gefahr rechnete.
Sorglos stand er im Lichtschein vor seinem Schilderhäuschen. "Bereit!"
"Feuer!"
Grizzly traf. Jane traf. Doch die Schutzweste hielt die 45er- und 9mm-Geschosse
weitgehend ab, der Soldat hob seine Waffe. Erst Buns schaffte es mit ihrer verhältnismäßig
weit reichenden Ruger Mini, den Mann von den Beinen zu holen. Der Überraschungseffekt
war nun natürlich dahin.
Sofort tauchte der nächste Soldat auf, um einiges älter und auch dicker
als sein junger Kamerad. Grunty zielte auf seinen roten Haarschopf, doch der
Schuß ging daneben.
Ach Dimitri und Grizzly schossen, doch der erfahrene Soldat ging sofort hinter
dem Schilderhaus in Deckung.
Der nächste Soldat hatte weniger Glück, von Grunty, Jane und Buns
getroffen stürzte er tot zu Boden.
Sofort kam ein weiterer Gegner angerannt, ein Rekrut von höchstens zwanzig
Jahren. Ihm folgte ein ziemlich dürrer, mindestens zehn Jahre älterer
Soldat.
Als der ältere die Gefahr erkannte wollte er sich sofort zurückziehen,
doch eine Kugel aus Dimitris AKSU traf ihn in die Schulter und verhinderte seine
schnelle Flucht. Die nächste Kugel traf ihn ins Genick und tötete
ihn.
Der jünger warf sich hin, dummerweise vor dem Schilderhäuschen, und
wurde von den Angreifern in Gemeinschaftsarbeit durchsiebt.
Der zuerst entdeckte Posten versuchte sich zu erheben, eine Kugel von Grizzly
schickte ihn wieder zu Boden.
Captain Irwin und die beiden anderen Soldaten waren von ihren Betten aufgesprungen
als die Schießerei begann. Der vertriebene Kommandant von Chitzena war
zusammen mit den einzigen unverletzten Soldaten seiner Mannschaft hierher versetzt
worden, dafür war die Hälfte der Wachmannschaft zur Unterstützung
der Zentral/West-Patrouille abgezogen worden. Mit einem Angriff auf die Raketen
rechnete ja niemand, und mit ihnen und den fünf Raketentechnikern betrug
die Besatzung ja immer noch dreizehn Mann.
Daß man die Gefahr unterschätzt hatte war jetzt klar.
Die drei Männer griffen ihre Waffen und rannten aus dem Wachgebäude.
Am Eingang zum Gelände lagen mehrere Soldaten, darunter der Anführer
der Wachmannschaft, in ihrem Blut. Ein dicker, rothaariger Soldat zog sich gerade
aufs Gelände zurück.
Und tatsächlich, da kamen die Rebellen. Etwa ein halbes Dutzend näherten
sich kriechend dem Eingang.
Sofort stürmte einer von Irwins Männern vor, schoß auf den ersten
Rebellen, doch traf ihn vermutlich nicht. Der Soldat hätte vorher nachdenken
sollen. Zahlreiche Kugeln der Rebellen trafen ihn, niemand wagte es, ihn zu
bergen und so verblutete er vor den Augen seiner Kameraden.
Dimitri war nicht verletzt, so konnten die Angreifer ohne Verzögerung
weiter vorrücken.
Den ersten Posten, der in beide Beine getroffen war, hatten sie entwaffnet und
gefesselt.
Gleich darauf fielen Schüsse, Janes Kevlarweste wurde dem mittlerweile
schon obligatorischen Härtetest unterzogen. Ein Soldat lag vor dem Wachgebäude
auf dem Bauch und schoß, ein zweiter war offenbar gerade aus dem größeren
Haus, vermutlich der Schaltzentrale für die Raketen, gekommen. Er kniete
vor einem Lichtmast, im Schein der Lampe gut sichtbar.
Grunty, Buns und Gasket nahmen den ersten unter Feuer. Dimitri, Grizzly und
Jane versuchten den zweiten zu treffen, doch keiner der beiden Feinde wurde
erwischt
Zum Glück zog sich der liegend schießende Soldat ins Wachgebäude
zurück als zahlreiche Geschosse um ihn herum einschlugen.
Auch der Mann am Laternenpfahl erkannte wie gefährdet er war und verschwand
aus dem Blickfeld.
Erfreut stellte Captain Irwin fest, daß der Rothaarige ein sehr guter
Schütze war. Wenn die Angreifer durch das Tor wollten mußten sie
in die Lichtkegel der Laternen und der Soldat erkannte die Chance sofort. Gut
gedeckt neben dem Wachgebäude liegend schoß er und sofort sank die
erste Angreiferin zusammen, offenbar schwer getroffen.
Doch dann flog eine Granate heran und schlug einige Meter neben dem Soldaten
auf. Die Explosion richtete nur geringen Schaden an, es war offensichtlich nur
eine Minigranate gewesen.
Der Soldat erkannte, daß er hier zwar vor Schüssen, aber nicht vor
Handgranaten, sicher war. Er holte seinerseits zwei Handgranaten hervor - seine
hatten erheblich mehr Sprengkraft - sprang auf und stürmte vorwärts.
Beide Granaten werfen und hinter der Tür des Wachhauses in Deckung gehen
- das war sein Plan. Eine zweite Minigranate vereitelte ihn, und seine eigenen
Granaten rissen den Soldaten in Stücke.
'Ein Glück, daß Dimitri die Leichen gleich durchsucht hat und die
Granaten fand!' dachte Buns, während sie ihre Wunde versorgte, 'Sonst wäre
ich jetzt tot.'
Gleich darauf bemerkte sie den Soldaten im Wachgebäude. Gerade als sie
ihn ins Visier nehmen wollte fiel ein Schuß und Buns spritzte der Dreck
ins Gesicht als die Kugel direkt vor ihr einschlug.
Den Mann im Haus hatte Jane schon unter Beschuß genommen, doch unbemerkt
war ein weiterer um die Hausecke gekommen. Auf dem Bauch liegend hatte er die
Dänin unter Beschuß genommen. Gleich hinter diesem Soldaten tauchte
noch einer auf. Buns spürte daß es eng würde. Die Verletzung
machte ihr zu schaffen, doch wenn sie überleben wollte mußte sie
sich voll aufs Schießen konzentrieren.
Dem Kerl im Haus konnte Jane eine Kugel in den kahlrasierten Schädel jagen,
doch die anderen beiden waren in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Dafür
erkannten sie die Angreifer durch die Lichter am Eingang um so besser. Buns
ließ ihr Gewehr fallen und kroch mit letzter Kraft zurück.
"Sie sitzen in der Falle!" Captain Irwin freute sich. Die Rebellen
hatten sich in eine ausweglose Situation manövriert - so aussichtslos wie
die ganze Idee sich mit Deidranna anzulegen. Jetzt saßen sie dort im Licht
und Irwin und die beiden Raketentechniker konnten sie wie die Hasen abknallen.
Und auf der anderen Seite, am Haupthaus, wartete der Kommandant der Basis mir
zwei weiteren Assistenten. Sie hatten zwar die komplette Wachmannschaft verloren,
einschließlich Irwins beider Männer, doch sie würden die Basis
halten.
Doch auf einmal hörte er, wie direkt vor ihm etwas zu Boden fiel. Mit einem
Mal wurde es taghell. Einer der Raketentechniker konnte der Werferin des Leuchtstabes
zwar noch eine Kugel verpassen, doch der Schaden war angerichtet. Der Techniker
lag wie auf dem Präsentierteller, sofort wurde er von den Rebellen unter
Feuer genommen. Irwin konnte zwar noch bei einem weiteren Rebellen einen Treffer
landen bevor er sich um die Ecke des Wachhauses verdrückte, doch der Techniker
schaffte es nicht und wurde von mehreren Kugel tödlich getroffen.
Irwin sah, daß sich der Kommandant der Raketenstellung zusammen mit 'seinen'
beiden Technikern in Richtung Meer bewegte.
Der andere Raketenassistent auf Irwins Seite versuchte noch, seine Pflicht zu
tun. Doch als er nochmals um die Hausecke schlich waren die Rebellen bereits
weit vorgerückt. Bevor der Mann überhaupt zum Schuß kam war
er bereits von Kugeln durchlöchert.
Gerade noch war Captain Irwin voller Optimismus gewesen, jetzt tat er es den
anderen drei Männern gleich, rannte zum Wasser und verließ die Basis
schwimmend.
Jane war froh daß in der Schaltzentrale der Basis keine weiteren Soldaten
warteten, offenbar waren alle geflohen. Es grenzte ja schon ein Wunder daß
sie noch alle lebten, so wie sie unter Feuer genommen waren.
Buns hatte viel Blut verloren und Jane selbst hätte den Wurf des Knicklichts
um ein Haar mit dem Leben bezahlt. Die Kevlarweste konnte sie jedenfalls in
den Müll werfen, zum Glück fand sich im Wachgebäude eine neue.
Mit dem Leben bezahlt hatten acht Soldaten ihren Einsatz für Deidranna,
einer war verwundet in Gefangenschaft geraten.
Gelohnt hatte sich die Aktion aber auf jeden Fall, neben fünf guten Gewehren
samt Munition besaßen sie jetzt endlich zwei Nachtsichtgeräte und
ein Lauschmikrofon. Auch andere nützliche Dinge, wie Kevlarhelme und Handgranaten,
hatten sie erbeuten können.
"Hier an der Küste gibt es viele Fischer die durch Deidranna ihre
Arbeit verloren haben." berichtete Dimitri, "Ich denke, es werden
einige bereit sein die Raketen zu verteidigen."
"Dann werden wir auch hier eine kleine Milizeinheit aufbauen. Ich schick
gleich eine Nachricht an Ira nach Chitzena. Aber bis die Leute bereit sind brauchen
wir Verstärkung. Ich schätze, Deidranna wird jetzt ernsthaft böse
werden."
"Hol' doch noch jemanden von A.I.M.! Jetzt, wo wir die Raketen haben kann
doch der Helikopter direkt herkommen." schlug Grunty vor.
"Hast recht - ich schaue gleich mal nach ..., okay was haltet ihr von Steroid
Gontarski?"
"Ist ein guter Mechaniker und kann sich um unsere löchrigen Westen
kümmern. In dieser Situation sicher sehr nützlich." sagte Grunty.
"Wie sieht's mit Bull aus?" wollte Grizzly wissen.
"Der ist immer noch nicht greifbar. Also, ich nehme Steroid, und als Wachposten
dürften Razor und Haywire von M.E.R.C. reichen."
"Bevor wir den nächsten Angriff wagen sollten wir aber um Klassen
bessere Leute holen, nicht diese unterbelichteten Affen!" warf Buns ein.
"Richtig." sagte auch Grunty, "Und wenn du einen von uns verlierst
hast du den Sold ja auch umsonst gezahlt, also arbeite das nächste Mal
etwas vorsichtiger!" Daß Buns beinahe verblutet wäre machte
ihm arg zu schaffen.
"Werd' ich." beruhigte ihn Jane. Daß sie für alle A.I.M.-Söldner
Lebensversicherungen abgeschlossen hatte verschwieg die Anführerin lieber.
14. Juni 1999, 14:00 Uhr, Alma, Hauptquartier
"Wer ist denn das?" Colonel Brennan hörte einen Jeep ankommen.
Das war sehr ungewöhnlich, immerhin mußten seine Truppen wegen Treibstoffmangels
in letzter Zeit zu Fuß gehen.
"Wer zum Teufel ..." Brennan brach ab und stand stramm.
General Humphey persönlich war aus Meduna angekommen, begleitet von vier
Elitesoldaten.
"Nun, Oberst, über welche Fortschritte bei der Rückeroberung
der Städte können Sie berichten?" fragte er sarkastisch.
"Wir haben einen Belagerungsring um Drassen gelegt. Die Ausbildung der
neuen Rekruten ist abgeschlossen, die zwanzig neuen Männer sind heute morgen
unter Führung meines Adjutanten Romero in Richtung Drassen marschiert.
Sie werden unverzüglich mit der Rückeroberung beginnen."
"So so! Und wie sieht es in Chitzena aus?"
"Nun ja, sobald Drassen wieder in unserer Hand ist ..."
"Papperlappap! Brennan, Sie haben genug Zeit verloren. Nicht nur, daß
die Rebellen seit vierzehn Tagen machen was sie wollen, sie bewegen sich auch
ungestört im Lande, Belagerung hin oder her! Und nun haben sie auch noch
die Raketenstellung im Nordwesten erobert. Was kommt als nächstes? Feindliche
Hubschrauber?"
"Das glaube ich nicht ..."
"Es ist mir egal, was sie glauben. Fakt ist jedenfalls, daß Sie auch
bei der Suche nach diesem Helikopterpiloten kläglich versagt haben. Es
ist mir nicht entgangen daß Sie mein Nachfolger werden wollten - Gott
bewahre uns davor. Ich sage ihnen was Sie werden, und ich rate Ihnen, nicht
noch einmal zu versagen. Die Herrin würde Sie sonst ... - na, ich glaube,
das muß ich nicht weiter erklären."
"Nein, Sir!" Brennan hatte von der Bloodcatarena gehört, und
wer bei Deidranna in Ungnade fiel fand sich schnell dort wieder.
"Der Jeep wird Sie unverzüglich nach Grumm bringen." fuhr der
General fort, "Dort werden Sie die Rückeroberung der Raketenstellung
und der Stadt Chitzena organisieren. Um Drassen kümmere ich mich selbst.
Wenn ich damit fertig bin will ich auch bei Ihnen Erfolge sehen. Habe ich mich
klar ausgedrückt, MAJOR Brennan?"
"Ja, Sir!" antwortete der soeben degradierte Offizier. Sein Traum
von der Nachfolge des Generals war erst einmal gestorben.
Von Roughneck0815
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