Teil 2: Die Heimkehr
Dunkle Zeiten erwarten die Menschheit, während ein großes Übel
dazu ausholt, alles zu vernichten. Dekar und Torwyn haben Charkta besiegt, nun
heißt es Morgur zu vernichten. Doch kein Plan kann ohne entsprechende
Vorbereitung gewonnen werden, besonders nicht unter den herrschenden Umständen...
Müde
und erschöpft schritt Jarik über den Innenhof der Feste Nordstern.
Jeder einzelne Körperteil tat ihm weh, sein Magen litt unter Krämpfen,
seine Augen tränten. Die Westlichen Reiche hatten den ersten Einfall der
Orks zurückgeschlagen, allerdings unter schrecklichen Konsequenzen. König
Sef war dem Tode nahe, Nordstern lag fast in Trümmern und die Menschen
in den Reichen waren verstört und verängstigt. Jarik schüttelte
den Kopf und ging auf das Eingangstor des Palastes zu, wo Tybald saß.
Der Jäger blutete aus zahlreichen kleinen Schürfwunden und Kratzern,
doch schwerere Verletzungen hatte er nicht. Tybald erhob sich und schaute in
Jariks Augen. Er fragte: "Wie geht es Euch. Seid Ihr in Ordnung?"
Jarik nickte und antwortete: "Mir geht es gut, danke. Es ist weniger der
Körper, der schmerzt, vielmehr ist es die Seele. Ich habe in meiner Pflicht
versagt, König Sef zu beschützen!" Tybald legte seinem Kameraden
die Hand auf die Schulter und entgegnete: "Euch trifft keine Schuld, mein
Freund. Es war ehrenhaft, nicht in das Duell einzugreifen. Ihr hättet Sefs
Unwillen auf Euch gezogen. Solche Duelle zwischen mächtigen Kriegern müssen
geachtet werden!" Jarik nickte: "Ihr sprecht weise Tybald und ich
bin glücklich, Euch einen Freund nennen zu dürfen." Tybald lachte
und sprach: "Unterlasst diese falsche Bescheidenheit Jarik, auch Ihr seid
ein guter Kamerad und tapfer im Kampf! Doch ich will Euch fragen, was wir hier
noch tun können?". Jarik wandte sich zum Gehen um und sagte: "Ich
will König Sef besuchen. Begleitet mich!" Tybald nickte wieder und
folgte seinem Freund.
Der ganze Palast schien wie ausgestorben. Kein Mensch befand sich auf den Gängen,
niemand war zu sehen oder zu hören. Jariks Schritte klangen tappend auf
dem Marmor des Bodens, als er zum Schlafgemach des Königs ging. Jarik blickte
stur auf den Boden, das Licht, welches durch die großen, grünen Buntglasfenster
einfiel, blendete ihn. Grün, ... wie die Haut der boshaften Orks. Was hatte
die Grünlinge bloß aufgestachelt. Die letzte Schlacht dieser Ausmaße
hatte vor 689 Jahren stattgefunden, als König Jalnar den Orkhäuptling
Eisenbrecher aus dem Reich vertrieben hatte. Die beiden hatten sich zwei Tage
und zwei Nächte duelliert, bis Eisenbrecher den tapferen König niederstrecken
konnte. Doch selbst dem Tode nahe, konnte der edle Jalnar einen gefährlichen
Streich führen, der den Ork tötete. Jarik schreckte aus seinen trübsinnigen
Gedanken hoch, als er das Schlafgemach erreichte und die Hände auf die
Klinke legte. Langsam und unruhig drückte er die Tür auf und trat
ein. Ein Schwall warmer Luft schlug dem Gardisten entgegen. Jarik schritt auf
das Bett des Königs zu, neben dem Prinzessin Sefera kniete und weinte.
Er schenkte der Prinzessin einen traurigen Blick und ließ sich ebenfalls
auf ein Knie nieder. Sef war in edle Gewänder gekleidet, die Krone lag
auf dem Nachttisch und funkelte im Dämmerlicht. "Wie geht es Euch
Majestät?", fragte er niedergeschlagen. Sef öffnete den Mund
und sprach leise: "Ich weiß, dass ich sterben werde. Könige
sind nicht unsterblich, das wusste ich immer. Ich habe mein Heim verteidigt,
die Orks sind besiegt, deshalb kann ich in Ruhe sterben." Neben Jarik begann
Sefera heftig an zu schluchzen. Sef packte Jariks Hand und zog an sich. Jarik
schaute fragend, als der große Krieger ihm etwas ins Ohr flüsterte:
"Bitte Jarik, gib auf meine Tochter Acht und berichte alles Dekar, wenn
er wiederkehrt. Er wird wissen, was zu tun ist. Ich fühle mich so schwach
und das Ende meines Lebens ist nahe!" Jarik nickte und fühlte wie
der Griff um seine Hand schwächer wurde. Panisch schaute er auf Sefs Körper.
Die Brust seines Herrn bewegte sich nicht mehr, die Augen hatte der König
mit seiner letzten Kraft geschlossen. Sef, König der Feste Nordstern war
tot. "Vater!", schluchzte Sefera und lehnte sich über den Körpers
des Königs. Glühender Hass staute sich in Jarik an, als er Sefera
vom Leichnam ihres Vaters zog um sie in ihr Zimmer zu geleiten. In der Ecke
des Gemachs stand Tybald und schaute emotionslos auf die Szene. "Hoffentlich
kommt Dekar bald zurück!", flüsterte er und folgte Jarik.
Keuchend
und hustend wankte Dekar durch den Schnee, vor ihm stand Derion, der Lord der
Elfen. Dekar hatte Charkta in einem gewaltigen, mentalen Duell bezwungen, kurz
darauf war Derion erschienen. "Wie geht es Harek?", fragte Dekar,
während Blut aus seiner Nase und seinem Mund auf den weißen Grund
troff. Derion antwortete ruhig: "Ich sorge mich sehr um Harek. Ihn traf
Charktas unheiliges Licht. Er ist dem Tode nahe. Wir müssen ihn sofort
in mein Schloss bringen, wollen wir ihn retten." Wankend kam Dekar auf
die Füße, taumelte zu seinem Schwert und hob es auf. Der Hauptmann
sprach leise: "Wie können wir es rechtzeitig schaffen? Es ist ein
so weiter Weg von hier!" Derion entgegnete: "Wir werden diese Pegasi
reiten. Ich werde Krieger schicken, welche eure Tiere abholen. Wir lassen die
treuen Rösser nicht hier zurück!" Dekar nickte und schritt an
Derion vorbei zu Torwyn. Der Nordmann lag wieder dort, wo Charkta ihn hingestoßen
hatte. "Wie geht es Euch, alter Freund?", fragte Dekar und ließ
sich unsicher auf die Knie nieder. Torwyn rieb seinen umwickelten Kopf. Derion
hatte einen guten Verband angebracht. Der Nordmann brummte: "Charkta war
sehr stark und ich werde mich hüten, noch einmal so unbedacht zu handeln.
Es ist nicht edel, von einem magischen Stoß zerschmettert zu werden. Ein
wirklich großer Recke sollte in einem epischen Duell fallen!" Dekar
stöhnte und sprach: "Harek wird sicher bald sterben, wenn wir ihn
nicht sofort zu Derions Burg bringen. Charktas Licht traf ihn genau." Torwyn
knurrte: "Verfluchter Dämon, möge er im Reich der Finsternis
schmoren! Lasst uns keine Zeit verlieren, wir müssen unseren Gefährten
retten!" Dekar nickte und half Torwyn beim Aufstehen. Gemeinsam schritten
sie zu Derion, welcher gerade die Pegasi sattelte. Dekar fragte unsicher: "Wie
reitet man eigentlich die berühmten fliegenden Pferde aus den vergangenen
Zeitaltern?" Derion antwortete amüsiert: "Man kann Pegasi nicht
reiten, sie lassen einen reiten. Vertraut den Tieren, sie kennen den Weg. Das
einzige was ihr tun müsst, ist, euch festzuhalten!" Dekar legte die
Stirn in Falten, als er sich mühsam in den Sattel schwang, wobei ihn die
weißen, leuchtenden Schwingen des Tieres behinderten. Torwyn brummte ebenfalls
missmutig, er kämpfte mit den selben Problemen. Nach wenigen Minuten war
man schließlich soweit, die beiden Kämpen saßen mehr oder weniger
fest im Sattel, Harek lag quer vor Derion. Plötzlich hörte Dekar ein
mitleidiges Winseln zu seiner Rechten. Als er nach unten schaute, bemerkte er
Hareks Wolfsfreund Makim, welcher beunruhigt um die Beine der Pegasi streunte.
Dekar legte den Kopf auf die Seite und sprach: "Es ist nicht richtig, einen
Gefährten im Stich zu lassen, auch wenn es nur ein Wolf ist!" Derion
runzelte seine glatte, behelmte Stirn und entgegnete: "Wartet einen Augenblick,
ich kümmere mich um das Problem!" Derion schaute den Wolf wenige Sekunden
lang durchdringend an, seine Augen glänzten bläulich und beruhigend.
Plötzlich wurde Makim ruhig und rollte sich auf dem Boden zusammen. Seine
wölfischen Augen musterten den Elfenlord hoffnungsvoll. "Sagt mir,
edler Elf, was habt ihr mit Makim gemacht?", fragte Dekar. Derion lächelte
geheimnisvoll und antwortete: "Erinnert Ihr Euch daran, was ich Euch über
die Beziehung von Waldbewohnern und Elfen gesagt habe?" Dekar zuckte mit
den Schultern, während Torwyn murrte: "Der Elf spricht in Rätseln,
doch ein Held fragt nicht nach dem Warum, er handelt einfach. Ich werde nun
auch handeln und meinen Gefährten retten." "Weise gesprochen
mein Freund!", rief Dekar und zog an den Zügeln seinen Pegasi, Torwyn
tat es ihm gleich. Derion nickte anerkennend und stieß einen Ruf in seiner
melodischen Sprache aus. Auf dieses Kommando hin, erhoben sich die drei Pegasi
in den Himmel, ihre strahlenden Flügel schwingend.
Dekar klammerte sich verzweifelt an der Mähne des Pferdes fest, als das
Tier mit mächtigen Schlägen durch die Lüfte flog. "Ich muss
zugeben, edler Herr Derion, ich fürchte mich!", rief Dekar. In seiner
Stimme klang Angst. Derion lachte und drehte sich unbeschwert im Sattel herum,
als säße er auf einem gewöhnlichen Pferd. Er entgegnete: "Haltet
aus Dekar, gleich sind wir da. Wir fliegen zu meiner Festung!" Dekar rief
über das Brausen des Windes: "Zu Eurer Festung? Ich kann es nicht
mehr abwarten, erzählt mir von ihr!" Derion lachte und begann: "Es
ist mein persönliches Jagdschloss. Es gehört mir schon über drei
Jahrtausende. Es ist ein prächtiges Schloss. Ich bin mir sicher, es wird
Euch gefallen. Übt Geduld Dekar!" Der Hauptmann lächelte und
drehte sich zu Torwyn um. Der Nordmann fühlte sich sichtlich unwohl.
Tatsächlich spürte Dekar wenige Minuten später einen Stich im
Auge, der seiner Meinung nach von einem grellen Sonnenstrahl herrührte.
Nach genauerem Betrachten entpuppte sich der Sonnenstrahl aber als Turm. Der
Hauptmann löste eine Hand von den Zügeln und rieb sich die Augen.
Der Turm war immer noch da. Dekar stotterte: "Das ist Euer Jagdschloss,
Herr Derion?" Derion lachte auf: "Wohl kaum, dies ist nur der östliche
Wachturm! Doch nun haltet euch beide fest. Wir landen nun!" Dekar führte
seine Hand wieder an den ledernen Riemen und merkte wie der Pegasus aufhörte,
mit seinen Flügeln zu schlagen und einen ruhigen Gleitflug ansetzte. Der
Boden, der aus dem hellsten und reinsten Marmor bestand, näherte sich langsam.
Wenige Sekunden später setzten die Pegasi auf, ihre goldenen Hufeisen klapperten
auf dem Untergrund. Nervös blickte Dekar sich um. Er sah in hunderte schöne
Gesichter, die Mut, Tapferkeit und Beständigkeit ausstrahlten. Elfenkrieger,
in goldene und silberne Kettenhemden gewandt, drehten sich in die Richtung des
Lords und der Neuankömmlinge. Torwyns Kinnlade war heruntergeklappt, Dekar
war gelähmt vor Erstaunen. Sie befanden sich in einem Schloss der Elfen.
"Was
soll das heißen?", fragte Jarik aufgebracht und starrte Tybald mit
aufgerissenen Augen an. Tybald lehnte nach wie vor gelassen an der Wand und
hielt seine Augen geschlossen. Jarik knurrte gereizt und wiederholte seine Frage
in einem lauteren Ton: "Warum wollt Ihr plötzlich nach Hause!"
Der Gardist schrie nun fast. Tybald bequemte sich endlich zu einer Antwort:
"Ich muss meinen König warnen. Er weiß von den Umständen,
aber er weiß sicher nicht, dass die Bedrohung schon so groß ist.
Auch wenn meine Aufgabe gescheitert ist, so bin ich immer noch ein Jäger
und bin meinem Lehnsherren gegenüber verpflichtet. Dies ist ein alter Schwur
und eben solche Schwüre brechen wir nicht gerne!" Jarik zuckte hilflos
die Schultern und entgegnete: "Wir brauchen Euch hier. Die Truppen sind
begeistert von Eurem Mut und Eurem Geschick im Kampf. Dutzende Orks erschlugt
Ihr in der Schlacht. Wir brauchen in diesen dunklen Zeiten einen Mann mit Mut
und Ausdauer." Tybald stöhnte: "Wer sagt denn, dass ich für
immer bleibe. Ich werde wieder nach Nordstern zurückkehren, das verspreche
ich bei meinem Blut!" Jarik nickte, denn er wußte, dass weiteres
Reden zwecklos war. Der Gardist seufzte und fragte schließlich: "Wann
wollt Ihr los und wieso wartet Ihr nicht auf Dekar. Was ist außerdem mit
Eurem Gefährten Grimm, der verwirrt in seinem Gemach liegt!" Tybald
antwortete: "Ich weiß nicht wann Dekar zurückkehrt, deswegen
kann ich nicht warten. Zeit ist im Moment einer unserer wichtigsten Verbündeten.
Und was Grimm angeht, lasst ihn in seinem Gemach liegen und ausruhen. Die Wunde,
die Dekar ihm zufügte, hat sich entzündet. Er fiebert." Jariks
Gesicht erhellte sich und er fragte unverhohlen schnippisch: "Ach, so ist
das. Eurem Tonfall nach zu urteilen, hegt ihr Groll gegen Dekar. Das würde
ich auch tun, hätte er meine Kameraden getötet und verwundet. Doch
geschah dies in Wut und Verwirrung. Vergebt Dekar, sowie er Euch vergeben hat.
Wartet auf ihn!" Tybald schüttelte bestimmend den Kopf: "Nein,
ich werde heute noch abreisen und ich verlange das schnellste Pferd in Nordsterns
Ställen!" Jarik verschränkte die Arme über der Brust. Er
sprach bestimmt: "Wenn das so ist, werde ich Euch zu Fuß gehen lassen,
mein Freund!" Jarik blickte eiskalt in Tybalds Augen und funkelte ihn an.
"Dann lasst mich nun gehen Freund.", bat Tybald mit gespielter Höflichkeit.
Das Wort Freund hörte sich in Tybalds Mund an, als könne es sich durch
Stahl brennen. Jarik blieb standhaft und bewegte sich nicht von der Stelle.
Der Jäger machte einen Schritt auf Jarik zu, packte mit einer unmenschlich
schnellen Bewegung seinen Arm und drehte in ruckartig nach hinten. Mit einem
schmerzerfüllten Wimmern brach Jarik in die Knie. Tybald ließ ihn
direkt wieder los, doch der Gardist war nicht so besonnen. Wütend kam er
auf die Beine und schlug mit seiner Faust nach Tybalds Gesicht. Das Temperament
seiner Jugend verhinderte jeden vernünftigen Gedankengang. Tybald ließ
sich beinahe ohne jede Mühe zur Seite kippen und packte Jarik wieder an
seinem Arm. Plötzlich verlor der Gardist den Boden unter den Füßen,
Tybald hatte ihn über seine Schulter geschleudert. Jarik spürte, wie
sich die Wut in seinem Bauch anstaute. Seine Hand tastete nach dem Dolch in
seinem Gürtel, als plötzlich eine strenge Frauenstimme rief: "Aufhören,
ihr Narren, sofort aufhören!" Jarik mühte sich hoch und blickte
in Seferas schönes Gesicht. Tränen rannen ihr über die Wangen,
als sie das unvernünftige Schauspiel beobachtete. Wütend presste sie
hervor: "Mein Vater ist vor wenigen Minuten gestorben und ihr stellt eure
Freundschaft so kindisch auf die Probe. Ich dachte ihr seid beide Kämpfer.
Ich dachte, jeder Gardist und jeder Jäger schwört einen Eid auf Mut,
Treue, Kameradschaftlichkeit. Wie könnt ihr nur. Was würde Dekar sagen!"
Jarik klopfte sich betrübt den Staub von seinen Klamotten. "Wie Ihr
befehlt Prinzessin!", sprach Jarik und verneigte sich. Sefera schüttelte
traurig den Kopf und sprach: "Wir brauchen Dekar. Hoffentlich ist er bald
wieder zurück!" Tybald verschränkte die Arme vor seiner Brust
und fuhr mit dem Handrücken über seine Nase. Er sagte seufzend: "Na
gut, ich warte bis Dekar zurück ist!"
Alles
in Derions Jagdschloss wirkte befremdlich und neu auf Dekar, jedoch nahm er
all diese wundersamen Dinge mit Freuden und Erstaunen wahr. Er konnte gar nicht
glauben, was die Elfen dort erschaffen hatten. In den Strahlen der Sonne glänzte
Derions Burg in Marmor, Rubin, Opal, anderen Edelsteinen und weißem, geschliffenem
Stein. Trotz dieser Schönheit strahlte das Jagdschloss auch Beständigkeit
und Trotz aus. Dekar und Torwyn fühlten sich geborgen und wohl. Auch die
Elfen selber besaßen unglaublichen Auren der Macht und Kraft. "Freund
aus dem Norden, ich glaube, dass noch kein menschliches Auge derartiges erblickt
hat!", sprach der Hauptmann und lauschte dem Plätschern eines kleinen
Baches, der durch den Innenhof verlief. Derion hatte Harek zu ihrem Heiler und
Meistermagier gebracht und Dekar und Torwyn gestattet, sich frei im Burghof
zu bewegen und sich etwas umzusehen. "Auch ich glaube dies, Kamerad. Nicht
mal die eisige, glänzende Pracht der Burg meines Lehnsherrn und Königs
Erikson kann diesem Meisterstück das Wasser reichen!", sprach der
Nordmann Torwyn langsam. Tappend klangen die Schritte der beiden Streiter auf
dem makellos reinen Boden des Innenhofs, als plötzlich eine dritte, bekannte
Stimme an ihr Ohr drang. Es war die Derions. Er sagte: "Folgt mir. Die
Elfen werden nun einen Rat abhalten und ihr seid die ersten Sterblichen, die
einen solchen Rat verfolgen dürfen. Fühlt euch geehrt!" Dekar
und Torwyn nickten zustimmend, von der Pracht der Umgebung immer noch zutiefst
beeindruckt und folgten Derion in das Innere des Jagdschlosses.
Das Innere von Derions Burg war ebenso erstaunlich wie das Äußere,
denn hier herrschten kunstvoll geschwungene Türbögen, elegante Wendeltreppen
und Fackeln in kristallenen Haltern, die an der Wand befestigt waren. "Wohin
gehen wir, Herr Derion?", fragte Dekar während er seine Umgebung betrachtete.
In ihm breitete sich das Gefühl aus, nie mehr fort zu wollen. In Torwyns
Gesicht erkannte der Hauptmann ähnliche Gedanken. Im Gehen wandte sich
der Lord der Elfen sich um und antwortete in seiner melodischen Sprache: "Wir
gehen in die große Ratshalle. Dort treffen sich unsere Kommandanten, Adligen
und auch die besten Krieger und Weisesten, die momentan zugegen sind! Es wird
wohl die wichtigste Ratsversammlung seit Jahrhunderten!" Torwyn sagte würdevoll:
"Die besten Krieger also. Bin mal gespannt, wie die besten Krieger bei
euch aussehen?" Dekar hatte nun begriffen, dass sein Freund mittlerweile
wieder in die Realität zurückgekehrt war. Doch mit dieser Aussage
war es nicht getan, denn der Nordmann neigte sich glucksend an Dekars Ohr und
flüsterte: "Die besten Krieger, das ich nicht lache. Diese dürren
Elfen sind vielleicht Meister der Baukunst, aber beherrschen sie auch das Kriegshandwerk?"
Derions Gesicht zeigte ein leichtes, wissendes Lächeln und Dekar beeilte
sich flüsternd zu antworten: "Erinnert Euch an den Krieg vor drei
Jahrhunderten Nordmann, die Elfen haben geschickte und flinke Krieger und die
besten Bogenschützen. Und außerdem haben sie ein Gehör wie eine
Katze!" Torwyn zuckte zusammen und richtete seinen Blick auf den Boden,
als sie auch schon die Tür zur Ratshalle erreichten. "Folgt mir!",
befahl Derion und machte eine entsprechende Handbewegung, als er die Tür
öffnete. Ohne das kleinste Geräusch schwang sie nach Innen. Wie schon
so oft an diesem Tag klappte Dekars Unterkiefer herunter, als in er in das Innere
der großen Halle sah. Die Wände waren in Fülle mit Gold bedeckt
und auch die große Tafel und die Stühle waren mit dem edelsten aller
Metalle verziert. Die Becher, die mit dunklem, aromatischem Gewürzwein
gefüllt waren, bestanden aus Bergkristall und funkelten wild im weichen
Licht der Halle. An der Decke befanden sich Malereien, die berühmte Krieger
und Adlige der Elfen darstellte. Dekar erkannte in einer Malerei Maledon I,
wie er einen Orkhäuptling erschlug. Dekar blickte schließlich in
die versammelten Ratsmitglieder, während er sich auf einen Platz zu Derions
Rechten setzte. Torwyn nahm neben Dekar Platz und schaute ebenso verwundert
drein. Die Elfen begannen zu tuscheln, ob der Anwesenheit bloßer sterblicher
Menschen. Dekar wandte sich flüsternd an Derion und fragte: "Wer sind
all diese Elfen?" Derion antwortete, während er mit seinem schlanken
Finger auf die Elfen deutete: "Dieser dort, mit dem Langbogen um die Schulter
ist der berühmte Siriak Feuerpfeil, der beste Bogenschütze unseres
Volkes, links neben ihm steht Hiryar Blitzklinge, Hauptmann in meinem Dienste,
kein Elf kann ihn im Schwertkampf bezwingen. Der, der dort drüben in der
Ecke steht ist Drasi Eglamyr, Fürst des Südens, er bewohnt eine Feste
in der Nähe der Gläsernen Stadt. Wir nennen ihn auch Wachendes Auge!
Diejenige, die gerade mit Siriak spricht ist Frehja, meine Nichte, sie kommt
als Vertretung für den Fürsten Boregon, der seine Burg auf dem Kontinent
des Südlichen Imperiums hat. Die drei Elfen in den blauen Gewändern
sind Ekary, Ariak und Ethylion, unsere drei besten Kommandanten!" Dann
stand Derion von seinem Platz am Kopfe der Tafel auf und fuhr mit lauter Stimme
fort: "Lasset den Rat beginnen, meine Freunde!" Wie auf ein geheimes
Kommando ließen sich alle Elfen direkt nieder und begannen damit, die
Sterblichen, Dekar und Torwyn durchdringend anzusehen. Dekar kam es so vor,
als würden diese Augenpaare bis auf den Grund seiner Seele blicken. Es
war Hiryar, der als erster, an Derion gewandt, sprach: "Mylord, wie könnt
Ihr nur Sterbliche aus dem Geschlecht der Menschen an einem Rat teilnehmen lassen.
So etwas hat es noch nie gegeben und ich spreche mich im Namen aller Elfen gegen
diese Schande aus. Ich werde sofort Euer Schloss verlassen, halten sich diese
Sterblichen noch länger in diesem Saal auf!" Derion breitete die Hände
aus und entgegnete: "Haltet Eure Zunge in Zaum Hiryar, auch wenn Ihr der
begnadetste Fechter unseres Volkes seid, so heißt dies nicht, dass Ihr
meine Gäste beschimpfen dürft. Die Sterblichen haben Charkta besiegt,
ein großer Sieg, den die Alten Mächte uns untersagt haben. Diese
zwei Sterblichen, nicht zu vergessen der, der nun bei unserem Heiler ist, haben
Morgurs Weltendämmerung aufgeschoben und uns, sowie allen freien Völkern
einen großen Vorteil verschafft. Ich gestatte nicht, dass Ihr so über
diese Helden sprecht!" Hiryar sprang auf und knallte die Faust auf die
edle Tischplatte und zischte: "Nein, ich werde nicht akzeptieren, dass
die alten Gesetze gebrochen werden und schon gar nicht von jemandem, der sich
Lord nennt!" Dekar wußte genau, dass er in diesem Streit kein wirkliches
Mitspracherecht hatte, trotzdem erhob er sich und unterbrach die beiden Elfen.
Er sagte mit lauter klarer Stimme, während er seinen Blick durch die Runde
schweifen ließ: "Es tut mir sehr leid, dass ich und mein Gefährte
Unordnung und Streit in euren heiligen Rat gebracht haben. Trotzdem verstehe
ich nicht, dass das Volk der Menschen nicht über die Situation aufgeklärt
wird. Was ist die Weltendämmerung und warum erhebt sich dieser Morgur ausgerechnet
jetzt. Ich verlange Antwort und ich bitte euch alle, verwehrt sie mir nicht!"
Hiryar starrte Dekar fassungslos an und rief: "Wer hat dem Menschen erlaubt
seine unbedeutende Stimme zu erheben und an meinem Wort zu zweifeln. Ich verlange
Genugtuung!" Mit diesen Worten stürmte Hiryar wutentbrannt aus der
Halle des Rats. "Jetzt haben wir ein Problem", sagte Derion und seufzte
tief.
Es dauerte lange bis Derion es geschafft hatte, Ruhe in den Rat gebracht hatte
um sich dem aktuellsten Problem anzunehmen. Hiryars Genugtuung. Derion sprach,
wobei er sich zu Dekar drehte: "Die alten Gesetze besagen, dass ein Rat
nur mit voller Besetzung abgehalten werden darf. Mit Hiryar fehlt ein Elf, somit
ist uns das Fortfahren untersagt. Und ich kenne nur eine Methode, Hiryar zu
besänftigen, vielleicht sogar seinen Respekt zu ergattern. Ein Schwertduell,
gegen Dekar." Dekar starrte Derion an und fragte mit eiskalter Stimme:
"Was rechtfertigt einen solchen Hass gegen die Menschen?" Es war Siriak
Feuerpfeil, der antwortete: "Ich und Hiryar waren die Kommandanten einer
Armee im Krieg gegen Euer Volk. Unser Heer wurde von einem Eurer Heere aufgerieben,
der Menschenanführer hieß Diomanis. Es war sinnloser Krieg und wurde
entschuldigt, doch Hiryar konnte nie vergessen!" Dekar seufzte: "Oh
nein, alte Rechnungen und verletztes Ehrgefühl." Derion entgegnete
ernst: "So ist es Dekar, Ihr sprecht die Wahrheit. Doch Ihr müsst
gegen Hiryar kämpfen, wollen wir den Rat fortsetzen und eine Lösung
finden." Torwyn erhob sich brummend und sprach in seiner kehligen Stimme:
"Stimmt es, was Harek uns über den berühmten Elfengeneral Hiryar
erzählt hat. Ist er tatsächlich der beste Fechter der bekannten Welt."
Derion lachte und antwortete: "Ich habe geahnt, dass ausgerechnet Ihr das
fragt, seid Ihr doch der ehrenhafteste und temperamentvollste Krieger eurer
Gemeinschaft. Es heißt, dass niemand Hiryar schlagen kann, doch dies gilt
für das Volk der Elfen. Noch kein Mensch oder Zwerg hat sein Geschick gegen
Hiryar erprobt!" Dekar sagte laut: "Wann soll der Kampf beginnen,
ich bin bereit. Für den Sieg der Mächte des Lichts!" Derion nickte
und sagte feierlich: "So soll es sein. Wir gehen alle zur Halle der Schwerter.
Hiryar wird mit diesem Ende gerechnet haben und schon dort sein!"
Die Halle der Schwerter war geringfügig größer aber weniger
prachtvoll als die Ratshalle und bestand nur aus einer ringförmigen Bühne
in der Mitte und einigen Waffenregalen, in denen die edelsten Schwerter standen,
die Dekar je gesehen hatte. Und Derion sollte Recht haben, Hiryar stand bereits
auf der Bühne und starrte auf Dekar. Seine Stimme war voller Hass: "Nun
werde ich Genugtuung bekommen Dekar. Mit Eurem Niedergang wird das Leben tausender
Elfen gerächt, die unter Eurem unmündigen Volk gestorben sind!"
Dekar sagte zischend: "Auch mein Volk ließ Leben zu tausenden. Zieht
ihr Andenken nicht durch den Schmutz Elf!" Mit diesen Worten stieg Dekar
auf die Bühne, während sich die anderen Elfen und Torwyn drum herum
stellten. Derion rief laut: "Möge der Bessere gewinnen!" Eine
Sekunde lang herrschte Grabesstille in der Halle der Schwerter, bis die beiden
Kontrahenten ihre Waffen klirrend aus ihren Scheiden zogen. Dekar und Hiryar
umkreisten sich langsam und lauernd, auf den richtigen Moment zum Angriff wartend.
Ihre Blicke trafen sich beinahe knisternd in der Mitte des Ringes. Dekar konzentrierte
sich eisern auf Hiryars Schwertarm, er wußte, dass dies sein bisher schwerster
Kampf sein würde. Plötzlich und schneller als jedes Auge folgen konnte,
stürmte Hiryar vor, die Klinge zum Hieb erhoben. Dekar hob sein eigenes
Schwert und konterte. Das Scheppern der Waffen klang laut in den Ohren der Umstehenden.
Langsam drückte Dekar Hiryars Klinge nach hinten, er war körperlich
tatsächlich stärker, doch das machte der Elf durch seine überlegene
Schnelligkeit zweifellos wieder wett. Der Elfenkrieger sprang elegant nach hinten,
Dekar setzte ihm für Elfenmaßstäbe schwerfällig nach und
führte einen donnernden Hieb, welcher von Hiryar beinahe beiläufig
pariert wurde. Direkt wurden weitere Hiebe ausgetauscht, doch niemand konnte
die Abwehr seines Gegenübers durchdringend. Beiden Kämpfern lief Schweiß
über die Stirn. Hiryar keuchte: "Ihr seid ein guter Fechter, dies
muss ich leider zugeben!" Dekar entgegnete schwer atmend: "Dieses
Kompliment gebe ich gerne zurück." Dann wurde die Stimme des Elfen
lauter: "Doch leider kann ich Euch nicht am Leben lassen!" Mit diesen
Worten stürmte Hiryar wieder vor und holte aus. Doch gänzlich unerwartet
ließ er sich auf die Knie nieder und schlug nach denen Dekars. Dieser
nahm die Bewegung im letzten Augenblick wahr und sprang hoch. Zischend sauste
die weiße, glänzende Schwertklinge an seinen Stiefelabsätzen
vorbei. Leider schaffte der Hauptmann es nicht, darauf zu springen, was sein
sicherer Sieg gewesen wäre. Allerdings befand sich Hiryar nach wie vor
auf dem Boden. Dekar packte sein Schwert mit beiden Händen und ließ
die Klinge senkrecht durch die Luft zischen. Im letzten Moment wich der Elf
zur Seite, klirrend traf Dekars Klinge den Boden. Der Hauptmann fühlte
direkt, wie ein stechender Schmerz durch seine Schulter fuhr. Hiryar nutzte
diese kurze Gelegenheit und stach zu. Dekar hatte dies allerdings geahnt, denn
er hätte genauso gehandelt und tänzelte zur Seite. Trotzdem streifte
die Schneide des Elfenschwertes über Dekars Wange und riss eine lange Wunde.
"Verflucht!", hörte man Torwyn wütend rufen. Dekar drückte
erschrocken eine Hand auf die Verletzung und merkte, wie warmes Blut durch seine
Finger quoll. Verdammt, dachte er wütend und wäre beinahe Hiryars
folgendem Streich zum Opfer gefallen. Ich muss achtsamer sein, dachte Dekar
direkt und hob seine eigene Klinge zur Parade. Wieder ertönte ein lautes
Scheppern. Mit der Kraft des Zorns stieß Dekar Hiryar von sich, welcher
durch die Kraft des Stoßes überrascht taumelte. Der folgende Hieb
Dekars verwandelte das Schwert in eine Sense, die in weit ausholenden Bögen
Gras niedermäht. Der Hieb war auch so heftig, dass Hiryars Schwert weit
nach außen geschmettert wurde, sodass es zur nächsten Parade nicht
mehr bereitstehen würde. Diese Chance nutzte Dekar und stieß vor.
Die Klinge des Menschenkriegers drang wenige Zentimeter in die Schultern des
Elfen, dessen Rückwärtsstolpern verhinderte, dass sie weiter eindrang.
Hiryar unterdrückte sichtlich mühsam einen Schrei und schaute einen
knappen Augenblick lang auf die Wunde, aus der helles, rotes Blut rann. Beide
Kämpfer standen sich nun gegenüber und musterten einander argwöhnisch.
Mit einem Kampfschrei stürmte Hiryar erneut nach vorne, als würde
er die zweifellos schmerzhafte Verwundung ignorieren. Dekar stöhnte, doch
schließlich kam ihm ein Einfall. Blitzschnell drehte er sich zur Seite
weg, die Elfenklinge zog so dicht an Dekars Hals vorbei, dass dieser den Luftzug
spüren konnte. Mit drei kräftigen, weiten Sprüngen begab sich
Dekar ausser Reichweite und hoffte das Hiryar noch einmal auf ihn zu sprinten
würde. Wegen seiner Wut und seinem sicherlich gekränkten Stolz tat
der Elf dies auch. Im letzten Moment machte Dekar erneut einen kleinen Schritt
zu Seite und ließ einen Fuß etwas hervorstehen. Wie erwartet nahm
der flinke Hiryar diese Bewegung wahr und machte ebenfalls einen Schlenker,
um nicht über den Fuß zu stolpern. Den Hieb musste der Elf dafür
abbrechen und lief mit dem Kopf voll in Dekars heransausendes Schwert, allerdings
gegen die flache Seite. Mit einem seltsamen Geräusch schlug die Metallfläche
gegen Hiryars Stirn. Der Elf schrie vor Schmerz und Überraschung und stürzte
auf den Bauch. Blut troff aus einer Platzwunde und bedeckte das makellose Grau
des Ringes. Als sich der Elfenkrieger wieder umgedreht hatte, sah er Dekars
Klinge an seiner Kehle. Hiryar presste keuchend hervor: "Ja, tötet
mich Mensch, dann ist der Kampf entschieden. Es gibt keinen anderen Ausgang.
Dekar spürte, wie das Blut warm über seinen Hals rann. Er sagte schwer
atmend: "Ich werde Euch nicht töten. Das ist nicht nötig!"
Mit diesen Worten drehte sich Dekar um und verließ die Halle der Schwerter.
"Mittlerweile
mache ich mir ernsthaft Sorgen um Dekar!", sprach Jarik und starrte in
Tybalds Augen. Der Jäger nickte und sagte: "Ich mir auch. Er ist schon
lange weg, zu lange, wenn ihr mich fragt!" Die beiden Männer nickten
sich gegenseitig zu und starrten von der Wehrmauer in den Sonnenuntergang. Die
Sonne schien rot über die sanften Hügel der Westlichen Reiche, der
Himmel schien, als wäre er aus flüssigem Feuer. Dieses Licht tauchte
die Burg Nordstern in ein unheimliches Licht. "Außerdem sorge ich
mich um meine eigene Aufgabe, welche durch Dekars Fehlen stark verzögert
wird!", sagte Tybald und nahm das Gespräch wieder auf. Jarik nickte
seufzend und sprach entschuldigend: "Es tut mir leid, Freund. Vielleicht
hätte ich Euch erlauben sollen, zu gehen. Ich glaube es war falsch von
mir, Euch aufzuhalten!" Tybald entgegnete: "Vielleicht war es das,
vielleicht auch nicht. In diesen Zeiten stellen sich uns viele Fragen und vielleicht
ist im Nachhinein die Tat, die schlecht scheint, die beste. Es ist eine verwirrende
Zeit und ich bin gespannt was die Zukunft bringt und selbstverständlich
Dekars Bericht!" Jarik schaute auf und bestätigte: "Oh ja, weise
gesprochen mein Freund!" Wieder blickten die beiden Männer über
die Brüstung in die Ferne als sie plötzlich Schritte hörten.
Es war Prinzessin Sefera. Jarik bemerkte sie und fiel auf die Knie. Er sprach:
"Könnt Ihr nicht schlafen Prinzessin, oder warum wandelt ihr noch
umher?" Sefera machte eine ruhige Bewegung mit der Hand um Jarik zu signalisieren,
dass er sich erheben dürfe. Der Gardist nickte und stand auf und schaute
die Prinzessin an, als erwarte er eine Antwort. Sefera erkannte diesen Blick
und begann: "Ihr habt Recht, ich kann nicht schlafen. Vielleicht macht
mich etwas frische Luft schläfrig!" Jarik nickte und sagte: "Ihr
sprecht die Wahrheit Prinzessin. Erweist Ihr uns die Ehre, Euch zu uns zu gesellen?
Wenn die Luft keinen Schlaf bringt, dann die Geschichten unserer Jugend!"
Sefera lachte ein glockenhelles Lachen. Jarik freute sich, denn Sefera hatte
seit dem Tode ihres Vaters König Sef nicht mehr gelacht. Das Mädchen
sagte: "Ihr seid noch jung Jarik, höchstens der gute Tybald kann von
seiner Jugend erzählen. Ich denke nicht, dass es ermüdend ist."
Mit diesen Worten setzte sich Sefera auf den blanken Stein der Wehrmauer und
lehnte sich mit dem Rücken an den Stein der Brüstung. Jarik setzte
sich daneben, hielt aber einen guten Respektsabstand. Er wunderte sich. Sicher
hatte noch keine Prinzessin der Menschen ihren Abend mit zwei Soldaten verbracht.
Sefera sagte vergnügt: "Tybald, erzählt uns von Euren Abenteuern
mit den Jägern!" Tybald nickte langsam und begann zu erzählen:
"Es war für mich und meine Gefährten immer eine große und
schwere Pflicht, Jäger zu sein. Es ist seltsam, wenn man so selten seine
Heimat sieht und selbst vom eigenen Volk gemieden wird. Ja, es stimmt tatsächlich,
viele Menschen hatten Angst vor unserer Gruppe. Man dichtete uns üble Flüche
an, weil uns die Dämonen, die wir töten angeblich verfluchen. Um es
kurz zu machen. Wir hatten nie wirklich ein Zuhause. Wir waren eben Jäger,
ein Schatten am Rande der Gesellschaft, der mit seinem wachen Blick Dämonen
und Nekromanten jagt und zur Strecke bringt. Dies war unser Ruf, auf den wir
sehr stolz waren. Doch Ihr sagtet, ihr wollt eines meiner größten
Abenteuer hören. Na gut, ich will versuchen, mich an eines zu erinnern!"
Der Jäger überlegte kurz und fuhr dann fort: "Aha, ich kann mich
an ein großes Abenteuer erinnern, vielleicht an das größte
und gefährlichste, das ich je miterleben durfte. In einem kleinen Dorf,
nahe an einem Hügelgrab in der Nähe der Stadt Edelgon entdeckten wir
Spuren von Untoten, auch die Berichte der Einwohner ließen uns zu dem
Schluss kommen, dass der Untod Einzug in ihrem Dorf gehalten hatte. Wir legten
uns also in der Nacht auf die Lauer, verbargen uns im Unterholz und warteten
auf ein Zeichen des Bösen. Die Gruppe bestand damals aus mir und meinen
Freunden und Kameraden, Franx, Grimm, Volkmer, Bastalek, Eolar und Grenfod.
Wir waren die vielleicht besten Jäger von ganz Sturmfels, die wagemutigste
und tollkühnste Bande von allen. Doch zurück zu meiner Geschichte.
An dem besagten Abend warteten wir also auf die Untoten, auf Skelettkrieger,
Zombies, Ghoule, Warge oder Geisterkrieger. Wir sollten nicht lange warten.
Kurz vor Mitternacht sahen wir, wie bleiche Hände aus dem Erdboden griffen,
wie sich die Toten aus ihren Grüften erhoben. Warge stürmten heulend
aus dem Wald, unter ihren Pfoten tote Erde hinterlassend. Furcht machte sich
in unseren Herzen breit, als wir langsam unsere Waffen zogen, immer darauf achtend
Geräusche zu vermeiden. Untote können nämlich hören, auch
wenn ihre Ohren schon seit etlichen Jahren tot sind. Langsam schlichen wir uns
zum Dorf, als wir plötzlich die Schreie der Dorfbewohner hörten. Nun
war ein Anschleichen unnötig geworden und wir begannen zu rennen. Etliche
Untote fielen unter unseren gesegneten Klingen und im Namen von Yric dem Gerechten.
Donnernd bahnten wir uns unseren Weg, alle Feinde in unserer Bahn zerschmetternd.
Ja, niemand konnte uns aufhalten. Wir kämpften wie leibhaftige Todesengel,
so lange bis kein untotes Wesen mehr auf den Beinen stand. Körperteile,
Knochen und jahrhundertealte Rüstungsteile säumten unseren Weg. Dankbar
kam der Älteste zu uns, zusammen mit den Dorfbewohnern. Er bedankte sich
großzügig, wir waren entsprechend stolz auf unsere Leistung. Doch
plötzlich zeigte auch der Älteste sein wahres Gesicht, als seine Haut
verfaulte und von ihm abfiel. Er war ein Dämon, es war der berüchtigte
Udgar, der Verschlinger. Wir kannten Udgar gut, denn auf sein unheiliges Haupt
war eine stattliche Belohnung ausgesetzt, von meinem Herrn, dem König von
Sturmfels persönlich. Udgar selbst wäre kein Problem gewesen, doch
nach und nach ließen auch die Bewohner des Dorfes ihre Masken fallen und
entpuppten sich als Monster und Dämonen. Wir begriffen, dass wir umkreist
waren. Doch wir wollten nicht aufgeben. Mit gerechtem Glauben an Yric begannen
wir zu kämpfen. Wir wußten nicht, wie oft wir trafen oder getroffen
wurden. Wir wußten nur, dass wir leben wollten. Ein Wesen des Bösen
nach dem anderen fiel unter unseren Schwertern, bis uns die Kadaver bis zu dem
Bäuchen reichten und sich der Dorfplatz vor Blut dunkel färbte. Plötzlich
stand Udgar vor mir. Wir begannen uns zu duellieren. Ich kämpfte mit den
Schwert meines Vaters, Udgar mit einem flammenden Dämonenschwert. Wir duellierten
uns lange, auch noch dann, als Udgars Heer von meinen Kameraden aufgerieben
wurde und weitere Jäger durch Zufall oder eine göttliche Fügung
eintrafen. Nach einer Zeit wurde ich jedoch müde, der Dämon, kannte
solche Einschränkungen jedoch nicht. Ich sah meine Zeit gekommen. Endlich
würde ich eingehen in Yrics Reich, so glaubte ich damals. Doch aus plötzlich
fiel Udgar, ja, der Dämon stürzte. Und wollt ihr wissen worüber.
Er stolperte über die Wiege eines kleinen Mädchens, welches als einziges
Wesen im Dorf nicht verflucht war und sich unter dieser versteckt hatte. Der
verfluchte Dämon stürzte direkt in mein Schwert und verging langsam.
Wir hatten gesiegt, die Belohnung bestand aus Gold, sehr viel Gold. Doch sehr
viel wichtig war uns allen das kleine Mädchen. Heute ist es etwas älter,
vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre und lebt auf Sturmfels. Geawyn, so heißt
die Kleine. So, dies war mein persönlich größtes Abenteuer,
soweit ich mich erinnern kann! Ich hoffe ich habe euch nicht gelangweilt!"
Jarik schüttelte den Kopf und stammelte: "Nein!" Seferas Blick
schweifte unruhig über den Burghof, als fürchte sie Udgar zu erblicken,
der nun Rache an Tybald nehmen wolle. Tybald lächelte und Sefera sprach:
"Eigentlich wollte ich hier draußen die Müdigkeit finden, doch
an Schlafen ist für mich nicht mehr zu denken, zumindest nicht mehr diese
Nacht." Jarik grinste und knabberte an einem Stückchen Dörrfleisch,
welches er aus seinem Überwurf zauberte. Tybald lachte ebenso und begann
seine Pfeife zu stopfen. Sefera blickte sich um und sagte mit gespieltem Entsetzen:
"Was soll das denn. In Anwesenheit einer Prinzessin wagt ihr es zu essen
und zu schmauchen! Das sind also Männer!" Jarik lachte auf und sagte
amüsiert: "Ihr geselltet Euch zu uns. Nun haltet uns aus Prinzessin!"
Als Versöhnung riss er ein Stück Dörrfleisch ab und reichte es
Sefera, welche dankbar annahm. Tybald schaute auf diese Szene und sprach bestimmend:
"An meiner Pfeife wird sie nicht rauchen. Rauchen ist eine Sache, die Männern
vorbehalten ist, außerdem stammt dieser Tabak aus Edelgon und die Krieger
dort rauchen den besten!" Die drei lachten und schauten hoffnungsvoll in
den Sonnenuntergang, der schon beinahe abgeschlossen war. Diese Minuten hatten
zweifellos drei Herzen aufgehellt.
Es
dauerte noch Stunden, bis der Rat wieder fortgeführt werden konnte. Dekar
und Hiryar mussten versorgt werden, Derion hatte Mühe die Ordnung wieder
herzustellen. Als dies endlich geschafft war, versammelten sich alle Elfen zum
zweiten Mal an diesem Tag in der Ratshalle. Dekar war ebenfalls gekommen, von
der Wunde an seiner Wange war nicht mehr als eine weiße Narbe geblieben,
denn die Zauberheiler der Elfen beherrschen ihre Kunst wie kein anderer. Es
war Dekars Gefährte Torwyn, der den Hauptmann begrüßte: "Dekar,
seid Ihr wohlauf? Ihr habt Euch mit Hiryar ein beinahe episches Duell geliefert
und bis zum Ende erkannte selbst mein kundiges Auge den Sieger nicht. Ihr wart
euch beide ebenbürtig!" Dekar lächelte und entgegnete: "Ich
habe gegen Ende wirklich geglaubt ich würde es nicht mehr schaffen. Hiryar
ist schnell, ausdauernd und vor allen Dingen sehr aufbrausend. Es war ein harter
Kampf und die Narbe wird mich bis an mein Ende daran erinnern!" Plötzlich
erhob sich Derion von seinem Platz und gebot mit ausgestreckten Armen: "Nehmt
Platz Elfen und Menschen, der Rat möge beginnen!" Die Angesprochenen
ließen sich auf ihre Plätze nieder, als Dekar einen Blick Hiryars
auffing, der am anderen Ende der gewaltigen Tafel saß. Doch der Hauptmann
von Nordstern fand keinen Hass darin. Er sah Verständnis und vielleicht
auch einen Funken Respekt. Dekars Lippen formten ein kaum wahrnehmbares Lächeln,
doch das reichte Hiryar um dies zu erwidern. Derion begann schließlich:
"Freunde, nun ist es wirklich Zeit, den Rat zu beginnen und Lösungen
zu finden, die uns in der folgenden Zeit helfen werden! Als erstes möchte
ich die Chance nutzen, die Menschen aufzuklären, damit sie wissen worum
es geht!" Derion schaute Torwyn und Dekar lange an, bevor er fortfuhr:
"Die Geschichte meines Volkes in der Alten Welt begann vor etwa viertausend
Jahren. Wir erreichten die Küste dieses Kontinents und begannen mit dem
Bau eines Turms, der unseren Königen als Burg und unseren Schiffen als
Leuchtfeuer dienen sollte. Der Turm wurde von hunderten Magiern mit mächtigen
Zaubersprüchen belegt, er war unser ganzer Stolz. Genau tausend Jahre später
trafen wir die Zwerge und verbündeten uns mit ihnen. Es war ein guter Pakt.
Die Elfen lebten in Glück und Zufriedenheit, als schließlich beinahe
achthundert Jahre später, Morgur zum ersten Mal auftrat und unsere Zauberer
verführte. Wir wußten, dass wir nicht ganz Unschuld an Morgurs Auftreten,
ja sogar seinem Entstehen hatten! Wir Elfen hätten unsere Welt nie verlassen
dürfen. Die Alte Welt war nie für uns geschaffen worden, doch als
wir schließlich da waren und sesshaft wurden, besiegelten wir ein mögliches
Schicksal für alle freien Völker. Unsere Zauberer aktivierten mit
ihrer Magie unbewußt einen magiebannenden Orb auf der Rubininsel, welche
heute als Rubinriff bekannt ist. Hätten wir die Magie auf unserem Kontinent
gewirkt, so hätte der Orb geschwiegen, denn die magischen Winde reichen
nicht von unserer alten Heimat bis zur Insel. Doch die Alte Welt liegt zu nahe
an der Rubininsel, sodass die magischen Winde, die jeder Magier auslöst,
bis zum Orb reichten. Kurz gesagt, die Entfernung war einfach zu gering. Ihr
wisst auch sicherlich, wozu der Orb gut war. Er sollte Morgurs Gruft geschlossen
halten, doch magiebannende Orbs verlieren eben ihre Energie, wenn sie magische
Winde spüren!" Derion hielt inne und starrte auf den Boden. Dekar
sagte: "Ja, aber warum regt sich Morgur jetzt erst?" Der Hauptmann
schaute sich in der Halle um. Die Elfen schauten beschämt auf den Boden
und ballten ihre Hände zu Fäusten. Derion antwortete: "In dem
Moment, wo wir den ersten Zauber auf der Alten Welt wirkten, versagte der magiebannende
Orb und Morgur war frei. Doch er brauchte Zeit um seine Kräfte zu sammeln.
Er brauchte achthundert Jahre um unsere Brüder zu korrumpieren und er braucht
viertausend Jahre um seine Kräfte für die Weltendämmerung zu
sammeln. Und diese viertausend Jahre sind Ende diesen Jahres abgeschlossen!"
Dekar erschrak. Torwyn polterte los: "Ihr wollt sagen, dass ihr viertausend
Jahre nichts getan habt. Ihr habt gewartet bis Morgur wieder mächtig wurde.
Und nun wisst ihr nicht was zu tun ist?" Torwyn erhob sich und schlug so
feste mit beiden Fäusten auf den Tisch, dass die Becher und Kelche wackelten
und der Inhalt beinahe überschwappte. Dekar rief schnell: "Haltet
ein Nordmann, wir wissen schließlich noch nicht alles! Derion, was ist
die Weltendämmerung und warum habt ihr die ganze Zeit nichts unternommen?"
Der Lord der Elfen antwortete nach kurzem Zögern: "Die Weltendämmerung
ist das oberste Ziel von Morgur und seinen Heerscharen, den Orks, Untoten, Monstern
und Dämonen! Es ist ein Zustand ewiger Verdammnis in der kein Wesen des
Lichts leben kann. Wenn die Weltendämmerung eintritt, wird alles Leben
vergehen! Und nun zu der zweiten Frage. Wir durften nichts tun. Es gibt Mächte,
die stärker sind, als wir uns alle vorstellen können. Es ist den Elfen
untersagt, direkt etwas gegen Morgur zu unternehmen. Wir dürfen seine Heere
vernichten, seine Scharen zerschlagen und vernichten und das tun wir seit Anbeginn
seiner Existenz, doch wir dürfen Morgur nicht direkt angreifen! Das dürfen
wir erst am letzten Tag dieses Jahres, wenn Morgur kurz vor seiner Vollendung
steht!" Dekar schüttelte seinen Kopf und sprach: "Das leuchtet
mir ein, doch warum batet ihr nicht die Zwerge oder die Menschen zu Hilfe!"
Derion lachte bitter und entgegnete traurig: "Die Zwerge sind ein stolzes
und unnachgiebiges Volk. Ja, ich mag die kleinen, stämmigen Krieger, mit
ihren langen Bärten, doch sie halten sich aus solchen Angelegenheiten heraus.
Sie mögen keine Magie, sie nutzen lieber ihre Zauberrunen und die Magie
des Eisens, denn die Waffen, die sie schmieden, sind die besten. Alles, was
magisch ist, wird von den Zwergen mit Argwohn betrachtet und wir versuchten
tatsächlich sie zu einem Eingreifen zu überreden. Doch sie lehnten
ab, warum wissen wir nicht. Und was euch Menschen angeht, so könnt ihr
kaum helfen. Ihr seid ein junges Volk, stark in seinen Idealen, aber noch nicht
bereit für die Prüfung!" Dekar schüttelte bestimmend den
Kopf und erwiderte: "Das stimmt nicht. Mein König und alle anderen
Menschenherrscher würden euch sofort alle Heere zu Hilfe schicken, wenn
sie nur wüßten, was hier vorgeht! Wir sind ein tapferes Volk, sowie
die Zwerge, nicht mehr und nicht weniger als das Eure, Derion!" Torwyn
beeilte sich hinzuzufügen: "Außerdem wartet das Volk der Menschen
schon lange auf seine Bewährung. Ich komme aus dem hohen Norden, von den
eisigen Inseln und meine Leute wurden von dort vertrieben! Wir sind uns sicher,
dass alle Menschen helfen werden, Morgur zu vernichten!" Derion nickte
und sprach: "Ihr fungiert an diesem Tag als Vertreter der Menschen und
stimme euch nun zu, auch wenn mir dies nicht leicht fällt. Erinnert euch
an den Krieg vor drei Jahrhunderten. Das war ein großer Fehler der Menschen.
Aber na gut. Ich werde Boten zu den Festen Nordstern, Glasturm, Westkapp und
Sturmfels schicken, sowie an die Städte Edelgon, Schippdorf und Kerant!
Ich hoffe, dass deren Einwohner uns erhören werden. Tragen wir den Kampf
zu Morgur!" Dekar nickte und sagte: "Wenn sie von dem große
Orkheer gehört haben, werden sie uns erhören! Weist nur auf die erstarkenden
Orks hin! Doch gestattet mir noch zwei Fragen, Derion. Was sollen mein Gefährte
und ich nun tun und was ist mit Harek?" Derion antwortete: "Harek
wird wohl noch hierbleiben müssen, denn es geht ihm noch immer sehr schlecht.
Charkta verwundete ihn schwer. Und nun die Frage, die schwerer zu beantworten
ist!" Dekar sagte hastig: "Wir wollen unbedingt helfen, soviel steht
fest!" Torwyn brummte zustimmend. Derion nickte und fuhr fort: "So
soll es sein. Ich glaube ich weiß, was ihr tun könntet. Geht zu den
Zwergen und fragt sie nach Rüstungen und Waffen. Wenn wir tatsächlich
gegen Morgur antreten wollen, brauchen wir gute Rüstungen und Klingen.
Und vielleicht reagieren sie anders, wenn Menschen sie um Hilfe bitten!"
Dekar sagte zweifelnd: "Das ist schön und gut, doch es ist ein weiter
Weg bis zu den Zwergen, selbst von meiner Heimat, von der ich Tage entfernt
bin!" Derion entgegnete wissend: "Diese Zweifel sind berechtigt, doch
wir können euch beide mit einem alten Zauber bis zu Eurer Heimat bringen,
Dekar! Es ist ein alter Teleportationszauber." Dekar sagte: "Na gut,
dann soll man sich beeilen. Auf zu unserer zweiten Aufgabe!" Es war Derion,
der als letzter sprach: "Wir werden auf den Meisterzauberer warten. Ihr
seid bald daheim Dekar!" "Gestattet mir noch eine Frage, Derion!",
sagte Dekar, "was tun wir, wenn wir mit dieser Aufgabe fertig sind."
Derion antwortete: "Ich werde euch finden!" Das waren wirklich die
letzten Worte, als plötzlich der Meisterzauberer die Halle betrat und Dekar
und Torwyn von einem warmen Licht umschlossen wurden.
"Ich
denke ernsthaft darüber nach, Dekar von einigen Soldaten suchen zu lassen!",
sagte Jarik zu seinem Kameraden Tybald, der unbedingt zurück nach Sturmfels
wollte. Die beiden Männer standen wie meist auf der Wehrmauer und unterhielten
sich. "Das ist sicher keine schlechte, aber das Gebiet ist sehr groß,
die Männer konnten Wochen brauchen und Yric weiß, dass wir die nicht
haben!", gab Tybald zu bedenken. Er hielt kurz inne und fuhr schließlich
fort: "Wir brauchen einen guten Führer, solange Sefera keinen Mann
hat und Nordstern somit keinen König!" Jarik nickte und gab Tybald
Zeichen ihm zu folgen. "Sehen wir uns etwas in der Feste um!", sagte
der Gardist und machte Anstalten eine Leiter hinunter zu klettern, als er plötzlich
ein seltsames Summen hörte. Er hielt inne und schaute sich um. Plötzlich
erschien etwa drei Meter in der Luft ein grüner Ball aus Licht, aus dem
kleine Blitze zuckten. "Seht Ihr das auch Tybald?", fragte Jarik ungläubig
und rieb seine Augen. Tybald nickte nur und fragte: "Was ist das? Ist das
schwarze Magie!" Plötzlich sahen die beiden Kameraden die Silhouetten
zweier Männer in der Kugel, welche eine immer festere Form annahmen, während
das Licht der Kugel an Intensität abnahm. "Was geht hier vor?",
murmelte Jarik und starrte wie gebannt auf das grüne Licht. Plötzlich
war die Kugel verschwunden und die beiden Männer aus ihrem Inneren fielen
schreiend aus drei Metern Höhe in einen großen Haufen Mist. Jarik
und Tybald kletterten eilig die Leiter hinunter und erkannten Dekar und einen
mit Muskeln bepackten Nordmann.
"Yrics Fluch auf alle Magier der Spitzohren!", schimpfte Torwyn und
stolperte total verdreckt aus dem stinkenden Misthaufen. Dekar folgte ihm und
witzelte: "Wir haben einen langen Weg gespart und außerdem weiß
ich gar nicht, was Ihr habt Torwyn. Euer Gestank vor diesem Sturz war noch schlimmer!"
Die beiden stellten sich nebeneinander und betrachteten ihre zwei Gegenüber,
welche sie ungläubig anblinzelten. Dekar war es, der die Stille durchbrach:
"Ja, ich freue mich auch Euch wiederzusehen Tybald. Und Ihr seid Jarik
nicht wahr!" Dekar kannte die meisten von König Sefs Leibwachen und
wußte, dass Jarik des Öfteren vor dem Thronsaal Wache stand. Schließlich
fuhr der Hauptmann fort ohne die beiden anderen zu Wort kommen zu lassen: "Dies
hier ist Torwyn, Sohn des Togar, er ist mein Gefährte! Los, folgt mir,
wir müssen uns viel erzählen! Wo ist König Sef?" Jarik entgegnete
betrübt: "Ja, wir müssen uns wirklich viel erzählen, mein
Hauptmann!" Mit diesen Worten gingen die vier in die Burg!"
Jarik und Tybald erzählten Dekar alles. Von Tybalds Eintreffen in der Feste
Nordstern, über die Schlacht vor den Toren der Burg, von Sefs Todeskampf
und den anderen Begebenheiten, die sich während der Abwesenheit des Hauptmannes
ertragen hatten. Im Gegenzug berichteten Dekar und Torwyn von ihrer Reise, von
Harek, vom Duell gegen Charkta und sogar von dem Rat der Elfen. Alle vier waren
von den Geschichten ihrer Gegenüber sehr erschüttert und eines wurde
jedem sehr schnell klar; dunkle Zeiten warteten auf alle freien Völker.
Besonders Dekar war erschüttert und jammerte: "Mein Lehnsherr ist
tot. Sefs Tod ist ein wahrlich schwerer Schlag gegen die Westlichen Reiche.
Sefera wird sich einen Gemahl suchen müssen, doch sollte diese Entscheidung
nicht aus Notwendigkeit getroffen werden. Eines steht jedoch fest, wir brauchen
einen König!" Tybald nickte und entgegnete fragend: "Gibt es
so etwas wie einen Lordregenten, der im Falle des Königstodes das Zepter
übernimmt. Zumindest solange, bis ein wirklicher Nachfolger gefunden wird!"
Jarik nickte und kratzte seinem Kopf. Er sprach: "Ich kann mich an so jemanden
erinnern!" Es war Dekar, der die entscheidende Idee hatte: "Ich erinnere
mich an einen Lordregenten. Er lebt so weit ich weiß im Südlichen
Imperium. Ja, genau, es ist Fürst Iolantis, er ist ein guter Freund des
Königs, allerdings ist er argwöhnisch geworden. Es heißt, dass
er sich oft im höchsten Turm seiner Burg einschließt und über
arkanen Geheimnissen brütet. Manchmal ist er für Wochen nicht zu sehen!"
Jarik bestätigte Dekars Aussage mit einem Nicken und fuhr fort: "Wir
müssen ihn trotzdem zu uns bringen. Die alten Gesetze schreiben es vor.
Doch leider wird kein Bote bis in das Südliche Imperium kommen. Straßen
und Wege sind verseucht von widerwärtigem Gelichter. Hauptmann Edrahin,
der Euch während Eurer Abwesenheit vertrat Dekar, erhält stündlich
neue Berichte von Überfällen durch Dämonen und Monster. Ein einzelner
Bote würde sicher überfallen, ein ganzes Heer ebenso!" Torwyn
unterbrach die nun aufkommende Stille: "Wir könnten Iolantis nach
unserem Besuch bei den Zwergen holen!" "Dies ist ein sehr weiter Weg!",
gab Dekar stirnrunzelnd zu Bedenken, "und wir wissen nicht, ob die Zwerge
über Teleportationszauber sprechen können. Ich persönlich zweifle
stark daran und zauberkräftige Runen werden uns kaum helfen!" Torwyn
erwiderte, wobei er seine Arme ausbreitete: "Auf jeden Fall müssen
wir zu den Zwergen, das steht fest. Ich weiß übrigens genau, dass
die Zwerge nicht zaubern können, aber sie sind großartige Baumeister.
Ihre Schmiede und Baumeister erschaffen meisterhafte Maschinen. Vielleicht können
wir sie um Hilfe bitten, wenn wir die große Strecke bis ins Imperium zurücklegen
wollen!" Dekar seufzte tief und willigte ein: "Das Risiko ist groß,
genauso wie die Gefahr, aber gut. Werden wir den Zwergen zwei Bitten stellen!"
Tybald, der noch nichts gesagt hatte, meldete sich leise zu Wort und zwar mit
seinem eigenen Belang: "Dekar, ich muss gegen meinen Kodex verstoßen
und nach Sturmfels zurück. König und Jäger müssen wissen,
was unter den erstarkenden Widernatürlichkeiten wirklich steckt!"
Dekar machte eine Handbewegung und sprach: "Es ist kein großer Umweg.
Begleitet uns, ein Schwert mehr ist von großer Wichtigkeit! Wir reisen
heute noch ab!" Gerade als Dekar geendet hatte, öffnete sich die Tür
und ein junger Soldat trat ein. Er nahm Haltung an und berichtete: "Hauptmann
Dekar, drei Rösser wurden vor den Burgtoren gefunden, grasend und schnaubend.
Eines davon ist Eures! Sollen wir die Tiere zu ihren Ställen führen?"
Dekar nickte und befahl: "Sattelt die Tiere und füllt die Provianttaschen
bis zum Rand!" Der Hauptmann lächelte und dankte dem Elfenlord Derion
stumm! Jarik sagte: "Ich möchte aber hierbleiben. Ich habe in meiner
Pflicht versagt König Sef zu beschützen, doch Prinzessin Sefera werden
ich und meine Leute nicht im Stich lassen." Dekar nickte und sprach verständnisvoll:
"Das sehe ich ein, wacht Ihr über Sefera! Und nun, auf zu den Pferden!
Und Jarik, sagt Edrahin, er solle mich weiter vertreten, wenn König Martin
ihn nicht braucht!" Jarik nickte und schaute noch lange nach draußen,
auch nachdem Tybald, Torwyn und Dekar die Burg schon lange verlassen hatten.
Die
drei Gefährten ritten nun schon den ganzen Tag nach Norden, in Richtung
Sturmfels, um Tybalds Willen. Die Sonne ging unter und tauchte die Landschaft
in ein rötliches Licht. Sanfter Wind wehte den Kriegern um die Ohren und
Torwyn zog sein Bärenfell, welches er sich in Nordstern besorgt hatte,
zurecht. Dekar wandte, der voraus ritt, wandte sich geschickt im Sattel um und
sprach als erster seit Stunden ein Wort: "Sollen wir eine Pause machen?"
Dekar wartete nicht lange auf eine Antwort, den Tybald beeilte sich zu sagen:
"Nein, ich muss schnellstens nach Hause und außerdem reiten wir nicht
sehr schnell. Die Pferde sind noch nicht müde!" Die beiden schauten
sich zu dem schweigenden Dritten um, doch Torwyn zuckte nur mit den Schultern.
"Mir ist es gleich", murmelte er brummend. Dekar seufzte und spürte
sein schmerzendes Hinterteil. "Dann reiten wir also weiter!", sagte
er. Es war ein langweiliger Ritt, denn in der anbrechenden Dunkelheit herrschte
ein tristes Grau. Dekar fragte: "Tybald, wie weit ist es nach Sturmfels!"
Tybald antwortete nach kurzem Überlegen: "Wenn wir so weiterreiten,
kommen wir morgen um diese Zeit an!" Dekar nickte und wandte seinen scharfen
Blick wieder nach vorne.
Weitere Stunden vergingen auf einem ermüdenden Ritt in einer beunruhigenden
Dunkelheit. "Wenn ich mein Schwert nicht hätte", sprach Dekar
leise, "würde ich vielleicht sogar Angst haben, jetzt während
Morgurs Schergen das Land plagen!" Tybald sagte zustimmend: "Ja, Ihr
habt Recht Dekar und schaut, es ist Vollmond!" Torwyn brummte: "Wovor
habt ihr Angst. Sollen sie ruhig kommen, die Monster, Orks und Untoten. Mein
Hammer wartet!" Plötzlich schnaubten die Pferde nervös und scheuten
vor irgendwas zurück. Dekar richtete seinen Blick in die Ferne und versuchte,
in der herrschenden Dunkelheit etwas zu erkennen. Plötzlich erkannte er
am Horizont den Schein von Fackeln und hörte das Ertönen von rauhen,
kratzigen Stimmen. Dekar lenkte sein Pferd in einen nahen, kleinen Wald und
bedeutete seinen Kameraden ihm zu folgen. Alle drei stiegen ab. "Wer kann
das sein? Tybald zuckte mit den Schultern und sagte: "Ich weiß es
nicht, aber es ist das beste, wenn wir hier warten!" Die drei legten sich
auf die Lauer und schauten auf die freie Fläche vor ihnen.
Das, was sich bereits in der Ferne angekündigt hatte, wurde schnell ganz
sichtbar. Dekar und seinen Gefährten stockte vor Schreck der Atem. Es waren
Monster, ohne Zweifel von Morgurs grausamer Willkür erschaffen. Begleitet
wurden sie von einigen Orks und einem Nekromanten, der ein junges Mädchen
vor sich her stieß. "Oh nein", flüsterte Dekar entsetzt,
"ich hörte bereits von solchen Bluttaten. Sie wollen das Mädchen
bestimmt ihrem dunklen Herrn opfern!" Torwyn brummte wütend und sagte
leise: "Wir müssen etwas tun, wir können das junge Ding nicht
sterben lassen!" Tybald nickte zustimmend und zog langsam sein Langschwert.
Dekar tat es ihm gleich, während Torwyn seinen Hammer von der Schulter
nahm. Wie ein Mann traten sie aus dem Dickicht und Dekar rief bestimmend: "Gebt
das Mädchen her, oder vergeht grausam." Der Nekromant hatte die Eindringlinge
bemerkt und sagte zischend und eiskalt: "Dann müssen wir das Ritual
eben hier vollziehen! Tötet die Narren!" Die drei Helden schritten
weiter auf die feindliche, abartige Masse zu, welche sich zu ihnen wandte. Der
Nekromant hob einen gezackten Dolch über sein Haupt und begann arkane Formeln
zu flüstern. Ein Wort wiederholte sich so lange, bis es sich in Dekars
Gehirn gebrannt hatte. Das Wort war Morgur! Plötzlich stürmten die
Gegner auf die drei Gefährten los und der Kampf begann. Dekar parierte
den Hieb eines brüllenden Trolls, der mit einer Stachelkeule um sich hieb.
Direkt danach schlug der Hauptmann selber zu und rammte dem Troll das Schwert
von unten in den Kopf. Leider bekam er die Klinge nicht schnell genug frei und
wandte sich dem nächsten Gegner, einem Tiermenschen, mit gezücktem
Dolch zu. Dieses gräßliche Wesen war eine Mischung aus Mensch und
Wolf, Dekar hasste Morgur für solche abstoßenden Dinge. Außerdem
war das Mischwesen stärker als der Troll und die Streitaxt, die der Wolfsmensch
führte, würde einen Mann in der Mitte durchtrennen. Das war Dekar
klar, als er sich unter einem Axthieb duckte und dem Monster den Dolch in das
Knie rammte. Der Tiermensch ignorierte den Schmerz jedoch vollends und trat
gegen Dekars Kopf. Der Helm bewahrte diesen vor dem schlimmsten Schaden, trotzdem
klingelten Dekars Ohren schmerzhaft. "Passt auf Dekar!", hörte
dieser wie durch Watte und sah einen schwarzen Schemen an sich vorüberziehen.
Es war das Schwert Tybalds. Dekar nickte dankend und zog seine eigene Klinge
wieder aus dem Leib des Trolls. Tybald hatte das Nicken vermutlich gar nicht
gesehen, denn er hatte sich wieder seinen nächsten Opponenten zugedreht.
Dekar kam taumelnd wieder auf die Beine und schüttelte seinen Kopf, welcher
wieder klar wurde. Wo war der Nekromant? Dekar blickte sich gehetzt um und sah
den Schwarzmagier, welcher allen Anscheins nach gerade seine Formeln beendet
hatte und nun mit seiner gezackten Klinge ausholte. Das Mädchen kniete
wimmernd vor ihm. "Das wirst du nicht tun!", brüllte Dekar und
schlug mit der flachen Seite so feste gegen den Schädel eines Orks, das
dieser brach. Die Grünhaut brach auf der Stelle zusammen. Dekar hatte seine
Augen nur noch auf den bösen Zauberer geheftet, die ganze Situation schien
sich in Zeitlupe abzuwickeln. Dekar schlug einen weiteren Gegner mit der Klinge
beiseite, schlug ihn regelrecht in zwei Teile, während er langsam seinen
Dolch aus dem Gürtel zog. Endlich war er nahe genug. Wie schon so oft,
ließ er die Klinge fliegen. Kreiselnd und mit quälender Langsamkeit
zischte der Dolch auf den Nekromanten zu. "Yric leite meine Hand!",
bat Dekar, als die Waffe Bruchteile einer Sekunde später ihr Ziel traf.
Sie traf den Nekromanten genau seitlich in den Hals. Gurgelnd brach der Unhold
zusammen, Blut quoll aus der Wunde. Dekar hatte keine Zeit sich zu freuen, die
Kleine war immer noch in Gefahr. Dekar sah sich kurz um und erspähte Torwyn
und Tybald, die beide gegen furchterregende Gegner kämpften. Der Hauptmann
richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen vor ihm und sah gerade
noch, wie ein gepanzerter Schwarzork durch das Dunkel sprang. Genau auf das
Mädchen zu. Dekar machte einen beherzten Sprung und ließ seine Klinge
über den Kopf des Mädchens schnellen. Dieser Hieb parierte den des
Orks und verhinderte den sicheren Tod der jungen Frau. Dekar schlug nun seinerseits
zu, doch der Ork parierte den Schlag mit seinem zweiten Schwert. Geschickt tänzelte
Dekar aus der Reichweite der schartigen Klingen und hob seine eigene Waffe.
Er sprach: "Du hast das Angesicht der Welt beschmutzt, dafür stirbst
du!" Der Ork machte ein Geräusch, was man als Lachen hätte deuten
können, bevor er angriff. Beide Schwerter donnerten durch die Luft und
krachten so heftig gegen Dekars Klinge, das dieser in die Knie ging und fürchtete
seine Waffe würde brechen. Doch dies war das Schwert seines Vaters, des
Söldnermeisters Arek, es würde nie brechen. Dekar rappelte sich wieder
auf und sprang schnell zurück, als die beiden Orkwaffen nun aus beiden
Seiten herankamen. Er hat mir gegenüber einen Vorteil, dachte Dekar und
stach zu. Der Schwarzork, dessen Unterart aggressiver, boshafter und vor allen
Dingen stärker war, als alle anderen, parierte den Schlag beinahe beiläufig.
Hilfe hatte Dekar keine zu erwarten, denn er hörte, dass seine Kameraden
ebenfalls in Kämpfe verwickelt waren. Brüllend sprang der Ork vorwärts,
beide Klinge nach vorne gestreckt. Dekar ließ sich nach hinten fallen,
führte wieder einen Stich und traf sogar. Es war eine ungepanzerte Stelle
in der rostigen, alten Rüstung des Schwarzorks, oberhalb des Oberschenkels.
Grünes Blut quoll aus der Wunde, der Ork schrie vor Schmerz. Dekar nutzte
die Chance, stand auf und versetzte dem Feind mit dem Griff des Schwertes einen
festen Hieb unters Kinn. Der Ork taumelte nach hinten und schüttelte seinen
grünen, massigen Schädel. Ein Hauer, ähnlich dem eines Wildschweins,
war abgebrochen, doch dies überzeugte die Grünhaut keinesfalls davon,
wegzurennen. Der Ork brüllte wütend und stürmte wieder vor. Was
braucht es denn noch verflucht, dachte Dekar aufgebracht, als er unter dem Hieb
der Klingen hinwegtauchte. Nun wollte der Hauptmann der Sache ein Ende machen
und führte einen Hieb nach den Beinen des Wesens. Das Schwert durchdrang
die Panzerung des rechten Oberschenkels des Wesens und brachte es zu Fall. Triumphierend
hob Dekar sein Schwert und stieß blind vor Wut nach unten. Der Streich
traf genau die ungeschützte Stelle zwischen Kopf und Brust. Sauber wurde
die Grünhaut auf den Boden gespießt. Dekar hielt eine kurze Sekunde
inne, bevor er das Schwert wieder aus dem Kadaver zog und zu dem Mädchen
schritt. Der Kampflärm hinter ihm verebbte langsam. Dekar hörte Torwyns
beinahe fröhliches Kampflied, das hieß, das es sehr gut um sie stand.
Der Hauptmann hatte das Mädchen nun erreicht, ließ sich auf die Knie
nieder und fragte: "Geht es dir gut?" Die Kleine zitterte und sprach:
"Mir geht es gut!" Die Angst in der Stimme der jungen Frau war nicht
zu überhören und Dekar glaubte, sie fürchte sich nach solch grausamen
Ereignissen sogar vor ihm! Dekar horchte wieder auf. Es war totenstill geworden.
Er drehte sich ganz um und sah Torwyn und Tybald, welche durch die Masse toter
Leiber wateten, die sie erschlagen hatten. Als die beiden heran waren, sah Dekar,
dass die Waffen seiner Kameraden rot vom Blut der Erschlagenen waren. Streng
sprach er: "Reinigt am nächsten Fluß eure Waffen, ich werde
dies auch tun. Ich möchte nicht, dass unsere edlen Klingen mit dem Blut
unreiner Wesen beschmutzt sind, wenn wir sie nicht brauchen!" Torwyn grinste
in seinen Bart und sprach: "Mein Hammer hat keine Klinge!" "Reinigt
ihn trotzdem", sagte Dekar stöhnend. Wie konnte der Nordmann nach
einem solchen Kampf nur so gelaunt sein, oder war er gerade deshalb so guter
Laune. Behutsam hob Dekar das Mädchen auf die Schultern und trug sie zu
Goldfunke. "Wie gesagt, beim nächsten Fluß machen wir Rast,
egal wie spät es ist!", sprach Dekar und setzte das Mädchen langsam
vor sich und stieg dann selber auf.
Die Gefährten und ihr mehr oder weniger unfreiwilliger Gast kamen erst
mehrere Stunden später zu einem kleinen Bach, der plätschernd durch
einen ebenfalls kleinen Forst floß. Zufrieden stiegen die Helden ab und
zogen ihre Waffen um sie zu reinigen. Bei dem Klirren der beiden Schwerter zuckte
das Mädchen zusammen. Tybald bemerkte diese Bewegung und wollte sich umdrehen
um den Schützling zu beruhigen als er plötzlich, wie vom Blitz getroffen,
stehen blieb. Dekar fragte irritiert: "Was habt Ihr Kamerad? Mir scheint
Ihr saht Yric persönlich!" "Geawyn!", stammelte Tybald.
"Geawyn, wer ist das, ein Dämon, wo ist er?", fragte Torwyn und
sprang auf. "Ihr seid ein Narr, dummer Nordmann!", sprach Tybald,
"dies hier ist Geawyn!" Er deutete auf das Mädchen. "Ihr
kennt sie?", fragte Dekar überrascht. "Geawyn, erkennst du mich!",
sagte Tybald und starrte die Kleine durchdringend an. "Tybald?", stammelte
das Mädchen, jetzt erkenne ich Euch!" Tybald fragte verwirrt: "Geawyn,
was machst du soweit von Sturmfels entfernt? Weißt du nicht, dass dunkle
Mächte das Land heimsuchen!" Das Mädchen nickte irritiert und
starrte Tybald an. "Endlich habe ich Euch gefunden!", sagte sie, zweifellos
den Tränen nahe. "Ihr habt nach mir gesucht, das verstehe ich nicht",
sagte Tybald, "so gut kennst du mich doch nicht. Ich sah dich kaum, nach
deiner Rettung!" "Man hat mir von Euch erzählt, Ihr seid bekannt
in Sturmfels!" sagte das Mädchen und schaute tief in Tybalds Augen.
Dieser fragte: "Wieso hast du mich gesucht, das war sehr töricht!"
"Man braucht Euch eben. Sturmfels braucht einen großen Krieger!",
sagte die Kleine. Es war Torwyn, der nun entgegnete: "Kleine, du bekommst
nun nicht nur einen großen Krieger, sondern gleich drei! Sagt mir, was
lauert in Sturmfels. Dunkelelfen, Dämonen, Monster oder Orkvolk?"
Die Kleine schüttelte den Kopf und antwortete schüchtern: "Nichts
lauert in Sturmfels, starker Nordmann. Trotzdem brauchen die Menschen jemanden,
der ihnen ein Licht ist. Ich weiß auch, dass es dumm war, die Burg zu
verlassen!" Tybald nickte und sprach: "Wie auch immer, wir sollten
nun weiterreiten, damit wir heute noch meine Heimat erreichen!" Dekar und
Torwyn nickten und gingen zu ihren Pferden.
Die drei Gefährten ritten nicht mehr sehr lange, als sie plötzlich
die mächtigen Türme von Sturmfels sahen und das Rauschen der Sturmsee
hörten. Es war später Nachmittag und Dekar gähnte laut. "Euch
fehlt Schlaf mein Freund!", sprach Torwyn und grinste, wobei er eine Reihe
gelber Zähne zeigte. "Wohl wahr Nordmann!", bestätigte Dekar
und ließ die Zügel kurz los um sich zu strecken. Anschließend
drehte sich der Hauptmann um und schaute zu Tybald. Dieser starrte in Richtung
seiner Heimat. "Wieder daheim", waren die einzigen Worte, die er sprach.
In langsamem Trab trotteten die ebenfalls müden Pferde auf das Tor zu,
vor dem zwei Wachen standen, gekleidet in ein langes, schillerndes Kettenhemd
und einen blauen Überwurf mit einem gelben Drachen auf der Brust. "Ich
bin Hauptmann Dekar von Feste Nordstern. Ich und meine Kameraden sind auf der
Reise und verlangen eine Unterkunft für kurze Zeit!", sprach Dekar
streng und schaute den Wächter an. Dieser antwortete: "Jawohl Hauptmann!"
Wenige Sekunden später öffnete sich das schwere Tor wie von Geisterhand
und die drei Helden ritten hinein. Geawyn war in Dekars Armen eingeschlafen.
Als sie den Burghof erreichten, sahen sie viele Menschen, die ihren täglichen
Aufgaben und Angelegenheiten nachgingen, außerdem war Markttag, denn überall
standen Stände, hinter denen schreiende Händler ihre Waren anboten.
Dekar ließ sich aus dem Sattel sinken und wandte sich an einen Wachsoldaten,
der gelangweilt in seinem Stübchen saß. Dekar fragte müde: "Wo
können ein paar Reisende ihre Pferde unterbringen!" Der Soldat antwortete
genauso lustlos: "Kurz vor dem Burgtor links. Da sind die Ställe!"
Dekar nickte und ging zurück zu den anderen. Mit der Hand bedeutete er
Torwyn und Tybald ihm zu folgen.
Wenige Meter vor dem Haupttor schaute sich Dekar schließlich um und sah
einen schlechten Weg, der zweifellos zu den Ställen führte, wie man
an den Hufspuren im weichen Boden erkennen konnte. Plötzlich stand eine
bewaffnete Patrouille vor den dreien, versperrte ihnen regelrecht den Weg. "Was
soll das", sagte Dekar, "macht den Weg frei!" Stumm blieben die
Soldaten stehen und rührten sich nicht. "Ich kann es nicht fassen",
sprach Dekar ungläubig, "ich möchte euren Hauptmann sprechen!"
"Der ist hier!", sagte ein Soldat und trat aus der Reihe. Er fuhr
fort: "Ich bin Hauptmann Guyborn, Oberster Wachmann der Burg von Sturmfels!"
"Und warum versperrt ihr harmlosen Reisenden den Weg? Hat unter diesen
Zeiten bereits die Gastfreundlichkeit gelitten?", wollte Dekar wütend
wissen. "Ich glaube kaum, dass ihr ungefährlich seid", sprach
Guyborn und deutet auf die Waffen, welche die drei Gefährten bei sich führten.
Dann fuhr er fort: "Ich soll den Eidbrecher festnehmen!" Dekar lachte
auf und sprach: "Eidbrecher. So ein Wort hätte ich den Zwergen zugetraut,
aber keinem Menschen, außerdem werdet Ihr bei uns keinen Eidbrecher finden!
Ihr müsst uns verwechseln!" Nach diesen Worten wollte Dekar einfach
an den Soldaten vorbeigehen, wurde aber grob mit einem Lanzenschaft zurückgestoßen.
Klirrend fuhr Dekars Schwert aus der Scheide, direkt hatte er mindestens drei
Lanzenspitzen unter der Nase. Guyborn lachte und sprach: "Wir reden nicht
von Euch Dekar, auch nicht von Eurem Begleiter aus dem Norden und von dem kleinen
Mädchen schon gar nicht. Wir sind hier um Tybald festnehmen, der geschworen
hat, nach seinem Versagen nie mehr heimzukehren! Nun ist er hier und dies wird
nicht toleriert." Dekar drückte die Lanzen, die beunruhigend dicht
vor seinem Antlitz zitterten, vorsichtig weg und drehte sich zu Tybald, der
bereits von zwei Wachen flankiert wurde, welche ihm die Waffen leicht in den
Rücken drückten. "Was hat das zu bedeuten Tybald?", wollte
Dekar wissen. Tybald starrte beschämt zu Boden. "Führt in ab!",
befahl Guyborn und schritt mit dem Rest der Patrouille an Dekar und Torwyn vorbei.
Torwyn schenkte den Männern noch einen bösen Blick und wandte sich
an seinen verbleibenden Gefährten. Er fragte: "Was nun? Was werden
sie mit Tybald tun?" Dekar zuckte mit den Schultern. "Ich weiß
es nicht", sagte er, "vielleicht sollten wir nun unsere Pferde und
die Kleine versorgen, dann sehen wir weiter. Jetzt dürfen wir unter keinen
Umständen überstürzt handeln! Auf jeden Fall versetzt das unserer
Aufgabe einen schweren Schlag!"
Die Soldaten von Sturmfels haben Tybald festgenommen, Dekar
und Torwyn sind ratlos. Währenddessen sammelt Morgur seine Kräfte
und Armeen um alles Leben auszulöschen. Doch die Geschichte ist noch nicht
um, denn die Zwerge müssen gerufen werden, während die Elfen die Menschheit
alarmieren.
Von Cool Ibo
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