Kapitel 8 – Die Wahrheit
„Der Rest...ist
Schweigen.“
Sowohl Moloch als auch
der Lichtbringer überlebten also, provisorisch, denn die Welle
der Zerstörung hatte neben ihnen innegehalten. Moloch staunte,
aber das hielt nicht lange vor; sein Herr hatte große Macht,
also war so eine Brachiallösung wohl doch im Bereich des
Möglichen gewesen. Das Bild der Zerstörung um sie herum
wirkte wie eine Photographie, die im Zeitraffer vor sich hinbleichte
– was im Angesicht des anscheinenden Stillstands der Zeit
außerhalb ihrer kleinen Raum-Zeit-Nische einer gewissen
poetischen Ironie nicht entbehrte. Vom Lichtbringer ging nun ein
Leuchten aus, und er teilte sich in zwei Entitäten; einerseits
den Strahlenden in seiner menschlichen Gestalt, und andererseits
Mark, der sich bei der gesamten Geschichte immer noch unwohl fühlte.
„Also, was geht
hier ab?“
„Wir haben um eine
Auszeit gebeten.“
„Hey, ich hab
nichts gegen Analogien, aber das Spiel ist zu Ende.“
„Nein. Es ist wohl
soweit fortgeschritten, dass eine Änderung des Ergebnisses die
Grenzen der Unwahrscheinlichkeit sprengen würde, aber beendet
ist es noch nicht.“
„Und wo genau
liegt da jetzt der Unterschied?“
„Jetzt können
wir noch verhandeln.“
Wie aufs
Stichwort materialisierte sich vor ihnen eine weitere Gestalt, die in
weiß gekleidet war und mit goldenen Augen durch die Gegend
starrte.
„Was fällt
euch eigentlich wieder ein! Erst legt ihr den gesamten Planeten in
Schutt und Asche, und dann, kurz bevor eure materiellen und
immateriellen Essenzen wieder Teil des energetischen weißen
Rauschens werden, fällt euch auf einmal ein, dass ihr doch noch
gerne etwas existieren würdet.“
Der Strahlende und
Moloch blieben ruhig, doch Mark sprach.
„Entschuldigen sie
die dumme Frage, aber wer sind sie?“
„Ich bin der Eine!
Der Einzige!“
Moloch beugte sich zu
Mark.
„Das ist Metatron.
Er ist die offizielle Stimme des Herrn. Aus eigener Erfahrung kann
ich sagen, dass er zum Melodrama tendiert.“
„Aha. Also,
Metatron, was spricht der Boss denn?“
Der Engel schraubte
seinen Überlegenheitskomplex auf das notwendige Minimum zurück
und antwortete etwas leiser.
„Nun, er fragt,
was ihr euch dabei gedacht habt.“
Der Strahlende
antwortete.
„Wir wollen das
Ergebnis der Schlacht ändern.“
„Inwiefern?“
Mark führte den
Gedanken zu Ende.
„Der ganze Mist,
von dem Tag an, als ich rekrutiert wurde. Weg damit. Ist mir egal,
wie ihr es anstellt, aber es muss sein.“
„Warum gerade
dort?“
„Ganz einfach.
Später, und ich habe nicht mehr die Zeit, um etwas zu
korrigieren. Früher, und ich habe nicht die nötigen
Fähigkeiten. Außerdem will ich so wenig wie möglich
verändern. Ich will nur dafür sorgen, dass der Job dieses
Mal richtig gemacht wird.“
„Um so etwas zu
tun, müssen wir mit der destruktiven Macht eine Übereinkunft
treffen. Ist der Sprecher der Macht anwesend?“
Etwas fuhr in Moloch,
und er sprach mit veränderter Stimme weiter.
„Ja. Aber ich sehe
nicht ein, warum wir etwas ändern sollten.“
„Ich ebenfalls
nicht, Moloch. Was ist dein Argument, Sterblicher?“
Mark holte tief Luft.
Jetzt kam es wirklich darauf an.
„Also, wer hat die
Schlacht gewonnen?“
Stille füllte den
Raum, bis der Strahlende die Antwort gab.
„Wir haben
gewonnen.“
Das schien die Präsenzen
in Moloch und Metatron zu verwirren; letzterer antwortete auf diese
Aussage.
„Es kann nur die
konstruktive oder die destruktive Macht gewonnen haben.“
Mark sprach weiter.
„Das war aber
nicht der Fall. Am Ende standen nur noch Moloch, und ich.
Beziehungsweise der Lichtbringer, also der Strahlende und ich. Wir
drei gehören keiner Fraktion an. Wir vertreten ein dritte
Partei.“
„Und welche?“
„Die Menschen. Wir
kämpften an ihrer Seite laut gültiger Vereinbarung. Obwohl
unsere Streitkräfte verschwindend klein waren, sind wir die
einzige überlebende Streitmacht. Ergo haben wir gewonnen.“
Metatron schüttelte
den Kopf.
„Das ist
lächerlich. Ihr könnt nicht einfach eine dritte Partei
bilden.“
„Das tun wir auch
nicht. Sie hat schon lange existiert, aber wurde vorher nie
vertreten.“
Moloch –
beziehungsweise die Essenz der destruktiven Macht in ihm nickte. Die
Logik des Sterblichen war seltsam, aber fehlerfrei.
„Und
getreu dem Grundlagenvertrag der Mächte bestimmt der Gewinner
der Apokalypse die Beschaffenheit des nächsten Universums. Und
wir bestimmen, dass anstelle einer Neugestaltung eine Reintegration
unserer selbst mit der Zeitlinie durchgeführt wird.“
„Wir sind an unser
Wort gebunden. Wisse jedoch, Sterblicher, dass es nichts nutzen wird;
du wirst dich nicht an diese Zeitlinie erinnern.“
Der Strahlende mischte
sich ein.
„Ich werde wieder
mit ihm vereint die Rückreise antreten, zumindest teilweise. Er
wird wieder der Lichtbringer, und als solcher wird er sich an einiges
erinnern. Nicht an viel, aber es wird reichen.“
Metatron nickte. Moloch
wendete sich an Mark.
„Was ist mit
deinen Freunden, Sterblicher? Sie werden sich an nichts erinnern. Und
niemand garantiert, dass du sie rechtzeitig finden wirst.“
„Das wäre
meine zweite Bitte. Gebt ihnen neue Leben, meinetwegen auch als
Menschen. Sollte ich sie nicht finden, will ich nicht, dass sie
unerfüllt sterben.“
„Und du?“
„Mich schick
zurück, wo ich war.“
„Gibt es
Einwände?“
Niemand rührte
sich. Metatron seufzte, dann nickte er.
„So sei es, denn.
Haltet euch bereit, während wir die Reise vorbereiten.“
In einem Blitz
verschwand Metatron, und die Präsenz wich aus Moloch. Mark
blickte zu dem Strahlenden und sah ihn fragend an.
„Wirst du dich
erinnern?“
„Nein,
zuerst nicht. Aber wenn wir uns begegnen, werde ich alles wieder
wissen. Ich und deine Freunde ebenfalls, obwohl es bei ihnen etwas
dauern könnte. Mein Geschenk an dich ist die zweite Chance, dies
hier zu verhindern. Es sei mein Dank dafür, dass ich durch dich
eine zweite Chance hatte, wieder meine verbrannte Hülle und
meinen Hass abzustreifen – und wenn es nur für diesen
Augenblick war. Danke, Mark Aaron Simmons. Möge deine Klinge nie
abstumpfen.“
„Danke. Ich geh
jetzt besser, denn vor mir liegt ein Haufen Arbeit.“
„Gehe
in meinem Namen, Mark.“
Der Paladin nickte, dann
hob er seine Klinge in die verbrannte Luft und schrie den letzten
Kampfschrei der Apokalypse in die verbrannte Welt hinaus.
„In nomine –
Lucifer !“
Von Gatac
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