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Irish Autumn
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Deutschland 23 August 2001; 23:35 Uhr
Der wachhabende Offizier quittierte die Lieferung und reichte das Dokument wieder in den Militärjeep. Die 6 Männer trugen die schweren Metallkisten aus der hochgesicherten Lagerhalle und wuchteten sie in den bereitstehenden LKW.
Der Offizier drehte sich um: "Hey seit ein bisschen vorsichtig damit! Das Zeug ist gefährlich."
Er wandte sich wieder an den Offizier im Jeep.
"Wollen sie wirklich keine Eskorte? Ich könnte ihnen 2 Wagen mitgeben."
Die Person, die im Halbdunkeln des Wagens saß, antwortete ohne sichtliche Reaktion: "Das ist nicht nötig Sergeant. Wir kommen auch so zurecht."
Fünf Minuten später verließ der kleine Konvoi den Militärstützpunkt und verschwand für immer.


Frankfurt 30 September 2001
Es war noch ziemlich warm an diesem letzten Septembertag. Die Menschen liefen kurzärmlig durch die Fussgängerzone Frankfurts bepackt mit den Morgeneinkäufen. Einige Kinder mit Rollschuhen ratterten über das Kopfsteinpflaster. Alle genossen die letzten warmen Tage des Jahres. Bald würde es wieder Herbst sein.
Am Rande der Fussgängerzone steuerte ein junger Mann mit Aktentasche zielstrebig auf ein altes, frischrenoviertes Eckhaus zu. Er schlug in die Seitengasse ein und betrat das Haus.
Nur eine schlichte Messingtafel mit der Aufschritt B&HMP wies den Besucher darauf hin, welche der zahlreichen großen und kleinen Firmen Frankfurts hier residierte. Nur wenigen Eingeweihten war dieser Name ein Begriff. Und auch diese waren meistens froh, wenn sie die Dienstleistungen, die diese Firma anbot nicht in Anspruch nehmen mussten. Denn B&HMP bedeutete nichts anderes als "Barlmoro&Hieb Mercenary Pool" und war eine private Militäragentur. Ein Euphemismus für "Söldnerfirma".
Das Gebäude, im 30er Jahre Jugendstil erbaut, war sorgsam renoviert worden. Das schmale Treppenhaus, das sich hinter der Tür befand wies die selben scheußliche Glasmosaike auf wie viele tausend andere alte Häuser auch. Etwas ungewöhnlicher waren jedoch die drei, für jeden Besucher sichtbaren Überwachungskameras im Treppenhaus und die unsichtbaren Drucksensoren und Wärmefühler.
Überhaupt besaß das Gebäude eine der besten Sicherheitsanlagen die man für Geld bekommen konnte. Das war der Name B&HMP schuldig.
Tagsüber waren nur die Kameras aktiv, die jedoch jeder Bewegung der Person folgten, die gerade die Stufen hinauf stieg.
Oben bog er um die Ecke und wartete wieder vor einer verschlossenen Tür. Der Summer ertönte und die Tür sprang einen Spalt auf.
Hieb, einer der beiden Chefs der B&HMP erschien, zwar reichlich spät, aber immerhin, zur Arbeit. Die Sekretärin im Vorzimmer (Die beiden Chefs hatten monatelang gesucht bis sie eine Person gefunden hatten, die ihren Anforderungen entsprach) begrüßte ihn und reicht im eine Liste mit allen zu erledigenden Dingen. Jedoch noch bevor er in seinem Büro verschwinden konnte, ging die Tür des daneben liegenden Büros auf und Barlmoro, der andere Chef, steckte seinen Kopf heraus.
"Kannst du bitte gleich reinkommen? Es ist wichtig."
Hieb schloss die Tür vorsichtig hinter sich und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
"Wir haben einen neuen Auftrag. Ein sehr spezieller Auftrag. Der Auftraggeber will nicht genannt werden. Alle Verhandlungen laufen über einen Mittelsmann ab. Dieser hat mich heute morgen aus München angerufen. Genauer gesagt: Pullach."
Hieb rückte seinen Stuhl zurecht.
"BND? Bisher hat uns doch immer nur der Verfassungsschutz nachspioniert. Um was handelt es sich."
"Ich weiß noch nicht. Er wollte am Telefon nichts sagen. Aber er kommt heute noch vorbei."
"Dann werden wir wohl warten müssen."


Gegen drei Uhr saßen Hieb und Barlmoro dem Gast gegenüber. Bereits beim Eintreten, hatte er ihnen den Ausweis, der ihn als Helmut Schulz, Mitglied des Bundesnachrichtendienstes, auswies, vor die Nase gehalten. "Damit keine Missverständnisse auftreten."

Luise, die Sekretärin, brachte Kaffe und verschwand wieder. Helmut Schulz nippte kurz und begann dann seinen Vortrag.
Hieb und Barlmoro lehnten sich zurück und hörten einfach nur zu.
"Am Telefon haben sie gesagt, sie haben einen Auftrag für uns. Um was handelt es sich?"
"Eine recht delikate Sache. Aber erstmals müssen etwas klarmachen. Auch wenn sie sich nach meinen Erläuterungen nicht im Stande sehen die Aktion durchzuführen, darf nie etwas darüber an die Außenwelt gelangen."
"Geht natürlich in Ordnung."
"Gut, also. Ich beginne von vorne. Vor zwei Tagen haben uns die Amerikaner aufgesucht. Ein Flüchtling, den unsere beiden Regierungen suchen, hält sich zur Zeit in Nordirland auf. Die Auslieferung kann nicht beantragt werden, da gegen ihn kein Haftbefehl vorliegt. Außerdem sollen die Briten am besten gar nichts erfahren. Die Amerikaner halten es nicht für ratsam, eigene Leute für den Job hinzuschicken, weil das diplomatische Konsequenzen nach sich ziehen kann. Außerdem haben sie schon zwei US Marshalls bei dem Versuch verloren ihn in Mexico zu verhaften."
"Ich verstehe, aber wenn wir geschnappt werden, kann man den Amis nichts anhaben."
"So könnte man es auch sagen. Wir können ihn nicht anklagen, da die Sache nicht in die Öffentlichkeit dringen darf. Er hat etwas gestohlen, was nicht in falsche Hände geraten darf. Wir wollen ihn auch gar nicht verhaften. Am liebsten wäre es uns, wenn er für immer verschwinden würde und die Dinge, die er uns entwendet hat an ihren Bestimmungsort gelangen.
Es handelt sich dabei um eine ganze Ladung Kurzstreckenraketen mit denen es möglich ist Flugzeuge, die in geringer Höhe fliegen, abzuschießen oder einen Panzer zu knacken. Neueste Technik und kinderleichte Bedienung. Wird wahrscheinlich die Milanraketen in naher Zukunft ablösen. Gestohlen wurden sie aus einem amerikanischen Truppenübungsplatz in Deutschland. Dummerweise war es anscheinend einer deutscher Offizier, der die Informationen verkauft hat und beim Diebstahl beteiligt war. Nur deshalb haben uns die Amerikaner hinzugezogen. Wir haben den Offizier verhört. Er hat gestanden die Informationen über die Raketen und die Zugangsausweise für den Truppenübungsplatz für hunderttausend Mark an Person X verkauft zu haben. Er sitzt zur Zeit in Haft.
Ihre Aufgabe ist es denn Gesuchten aus Irland herauszuholen und auf ein Boot zu schaffen, dass ihn direkt in die USA bringt. Ebenso wichtig ist es die Raketen auf das Boot zu bringen. Wie sie es machen ist uns egal. Wichtig ist, dass sie es machen. Hier haben die Amerikaner alles wichtige über Person X, zusammengefasst."
Er reichte beiden einen Aktenordner. Barlmoro und Hieb lasen ihn schnell durch.
Bei Person X handelt es sich um Evelyn Trivial. Geboren 1961 in Loisanna, trat mit 18 in die Armee ein. 1984 dann der Wechsel zum CIA. 2 Jahre in Langley und dann als CIA Ressident in der Botschaft von in Nicaragua. Dort heuerte er einen Agenten aus der Sowjetischen Botschaft an und führte ihn bis 1990. Daraufhin brach der Kontakt zu diesem inzwischen in die UdSSR zurückgekehrten Spion ab und Trivial wurde wieder nach Washington zurückgerufen. Trivial verschwand jedoch und tauchte nicht mehr auf. Das CIA stellte Erkundigungen an und erfuhr, dass Trivial in Nicaragua lange Zeit Gelder unterschlagen hatte. Außerdem konnte man endlich das spurlose Verschwinden von 500 Armalite Gewehren klären, die 1986 nie bei den antikommunistischen Contras in Nicaragua angekommen waren. Trivial hatte sie an einen Waffenhändler der IRA verscherbelt.
Trivial tauchte 1993 in Mexiko wieder auf. Inzwischen war er ins Waffengeschäft eingestiegen und hatte so ungefähr jeden Mafiaboss zwischen Chile und Honduras mit Waffen aus Militärdepots ausgerüstet. Das CIA schäumte vor Wut und schickte ein Spezialkommando los um Trivial auszuschalten. Der Versuch schlug fehl und 2 Agenten starben. Im nächsten Jahr verscherzte es sich Trivial jedoch mit einigen Drogenbaronen und musste fliehen. Angeblich reiste er unerkannt in die USA ein und kontrollierte seit 1995 den gesamten illegalen Waffenhandel an der Ostküste. 1998 wurde einer seiner bisher wichtigsten Abnehmer, die Irisch Republikanische Armee, zu seinem größten Feind als er eine Waffenlieferung platzen ließ und statt dessen an paramilitärische Protestanten in Nordirland lieferte. Lange hörte man nichts mehr von ihm, bis ihm im August 2001 sein bisher größter Coup gelang. Aus einem Militärstützpunkt in Deutschland stahl er zehn Prototypen einer neuen deutsch-amerikanischen Rakete. Irgendwie war er in Besitz von Papieren gelangt, die ihn ermächtigten die Rakete mitzunehmen. Am nächsten Morgen fiel der Irrtum auf, aber Trivial war verschwunden. Bei der Fahndung gab es Kompitenzschwierigkeiten zwischen der amerikanischen Militärverwaltung und den deutschen Behörden und Trivial konnte untertauchen. Er und die Raketen mussten das Land unbemerkt verlassen haben.
Man konnte den Weg des Diebes verfolgen. Er verschwand irgendwo in Nordirland. Inzwischen ist klar, das sich Trivial auch dort aufhält. Und zwar unter dem Schutz seiner neuen Freunde. Den Ulster Volunteer Forces, einer paramilitärischen Schlägertruppe, die die Loslösung Nordirlands von Großbritannien verhindern will. Der Secret Intelligence Service, der britische Geheimdienst, wollte nicht mit Informationen rausrücken. Und die ganze Geschichte wollte ihnen keiner erzählen.
Als Schulz merkte, dass sie fertig gelesen hatten, fuhr er fort:
"Die Amerikaner haben inzwischen die Hauptlast auf uns abgewälzt. Wir haben den Auftrag Trivial da rauszuholen. Aber von den höchsten Regierungsstellen aus, wird blockiert. In einem Jahr sind Wahlen, und man will nicht, das deutsche Agenten in Nordirland Revolverhelden spielen. Außerdem fällt sowas nicht in unseren Aufgabenbereich.
Deshalb sollen sie die Sache übernehmen, die Zeit drängt. Wenn Trivial in drei Monaten nicht in einem US Gefängnis hockt und die Raketen sicher an ihren Bestimmungsort zurückkommen, müssen wir die Briten einweihen. Die sind aber nicht direkt betroffen. Die Gefahr, dass die ganze Sache publik wird, ist dann einfach zu groß. Was sagen sie dazu?"
Hieb und Barlmoro sahen sich an. Barlmoro brach das schweigen: "Also, wenns nach mir geht, ich bin dafür, dass wir den Auftrag übernehmen."
Hieb runzelte die Stirn. "Entführung? In Großbritannien? Ohne Deckung durch die dortigen Behörden? Wenn die Sache schiefgeht, sitzen unsere Jungs da oben verdammt lange im Knast und wir können B&HMP dicht machen."
"1 Million! Sie bekommen eine Million Euro, wenn sie die Sache durchführen. Wenn die Aktion fehlschlägt und ihre Söldner gefangen genommen werden ebenfalls. Wenn ihre Männer aber zurückkommen und die Aktion fehlschlug, zahlen wir nur die Unkosten." Schulz wollte alle Zweifel zerschlagen.
Barl beugte sich vor. Schulz sollte anscheinend nicht hören, was er Hieb zuflüsterte. "Das ist ein verdammt gutes Angebot. 1Million! Und wegen der Gefahr. La Isle war auch verdammt gefährlich. Wir operierten da auch auf US Gebiet. Warum nicht auch in Nordirland?"
"Gut, wir sind uns einig. Wir übernehmen den Job. Aber wir müssen noch ein paar Sachen klar machen. Erstens: Wir suchen die Leute, die nach Nordirland fahren, selbst aus. Zweitens: Wir bekommen während der ganzen Operation jede Information, die wir brauchen, und können mit ihnen Kontakt auf nehmen. Drittens: Zweihundertfünfzigtausend Euro werden bereits heute noch auf einem unserer Bankkonten hinterlegt. Wir müssen Unkosten decken. Das restliche Geld, wird bei Gelingen zu gleichen Teilen in Euro, Schweizer Franken, Dollar und Britischen Pfund auf getrennte Konten in der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland eingezahlt. Steuerfrei versteht sich."
"Einverstanden. Bis auf Punkt zwei. Wenn ich dieses Gebäude verlassen habe, hat der BND für die nächsten drei Monate offiziell nichts mehr mit der Sache zu tun. Wenn wir etwas wichtiges erfahren, sind sie natürlich die Ersten, denen wir es mitteilen. Aber versuchen sie nicht von ihrer Seite aus Kontakt mit uns aufzunehmen."

Nachdem Schulz gegangen war, machten sich Barlmoro und Hieb an die Arbeit. Für diesen Auftrag hätte es keine dümmere Zeit gegeben. Die Hälfte der Söldner befand sich im Urlaub, war unerreichbar oder im Einsatz.
Hieb saß am PC und durchforstete die Dateien. Barlmoro tat am zweiten Computer im Raum dasselbe.
"Also, CAT Shannon, Dr. Kill und Scorpion Chris sind erreichbar und haben keinen Auftrag. Wie siehts bei dir aus, Barl?"
"Luke, TSB, Fossi und Kenai haben zur Zeit ebenfalls keinen Auftrag. Sind aber auf Urlaub oder nicht zu erreichen. Ich werd mal sehen, was ich machen kann."
Zuerst nahm sich Hieb CAT Shannon vor, den Spezialisten für Nordirland. Er war für diese Aktion wohl unverzichtbar.
Er versuchte ihn in seiner Wohnung in Frankfurt anzurufen, aber auch nach dem zehnten Klingeln hob niemand ab. Der zweite Ort an dem man ihn erreichen konnte, war das Irisch Pub Shamrock.

CAT Shannon saß an einem Ecktisch und behielt die Eingangstür im Auge. Er wartete auf niemand Bestimmten. Aber es war eine Angewohnheit von ihm. Ab und zu trank er einen Schluck Bier. Vor 8 Tagen war er von Rotterdam nach Frankfurt gekommen. Vorher hatte er einen Auftrag für einen Russen übernommen. Er sollte einen Koffer mit Fabergé Eiern nach Rotterdam bringen. Der Besitzer wurde von der Mafia bedroht und hatte deshalb CAT Shannon für den Job angeheuert. Begleitet hatte ihn ein dunkler Typ mit abgetragener KGB Einheitskleidung und Sonnenbrille. Zusammen waren sie 2 Wochen lang mit Bahn, Auto, Bus und Motorrad quer durch Russland, die Ukraine, Rumänien, Ungarn, Österreich und Deutschland gekurvt, bis sie sicher waren, die Verfolger abgeschüttelt zu haben. Während der ganzen Fahrt hatten sie keine zehn Wörter gewechselt.
Jetzt wartete CAT auf einen neuen Auftrag. Irgendwann würde die Tür aufgehen und jemand hereinkommen, der einen Mann wie ihn suchte.
Doch der Auftrag kam von der genau entgegengesetzten Seite, nämlich dem Bartresen. Der Wirt, Paddy O'Brian, winkte ihn zu sich.
"Telefon."
CAT nahm den Hörer entgegen: "Ja Hallo." Nicken. "Ok, morgen um zehn Uhr. Im Büro." Er legte auf.
CAT hatte einen neuen Auftrag.


Kurz darauf klingelte in einer alten Villa das Telefon. Dr. Kill wollte das Haus gerade verlassen um neue Tapettenrollen zu kaufen. Er überlegte kurz, drehte sich auf der Schwelle um und ging zum Telefon. Was gar nicht so einfach war, da es im Flur und Wohnzimmer mal wieder aussah wie auf einer Baustelle. Schließlich fand er das Telefon unter einem Berg von Abdeckfolien und hörte sorgfältig zu, während er sich etwas auf einen Block kritzelte. Dann verließ er das Haus um seine Vorbereitungen zu treffen.


Scorpion Chris saß in seinem Liegestuhl auf der Terrasse des verwilderten Gartens, als sein Handy klingelte. Er legte seelenruhig die Zeitung weg, in der er gerade gelesen hatte, und nahm den Anruf an. Er hörte zu, bis der Anrufer fertig war und begann wieder die Bundesligatabellen zu studieren. Morgen 10 Uhr. Die Zeit lief ihm nicht davon. Schalke war diese Saison ungewöhnlich stark.


TSB schloss den Stahlschrank im Keller eines heruntergekommen Hauses in einem Berliner Vorort auf. Ein langes schwarzes Stoffbündel, aus dessen Ende ein Schwertgriff ragte, wurde wieder neben den anderen Schachteln, Säcken und Bündeln, die TSBs Waffensammlung enthielten, deponiert.
Der kleine Auftrag, den er zwischendurch angenommen hatte, war ausgeführt worden. Ein Zuhälter, der sich mal in dem gefährlichem Terrain der Schutzgelderpressung ausprobieren wollte, würde in Zukunft lieber wieder bei seinem Prostituierten bleiben. Der Schnitt auf seiner goldkettchenbehängten Brust und die geköpfte Bierflasche in seiner Hand waren ihm Mahnung genug gewesen.
TSBs Handy begann zu piepsen. Jemand hatte zu Hause auf seinem Anrufbeantworter gesprochen. Er machte sich auf den Weg.


Fossi drehte seine fünfzehnte Runde im Schwimmbecken des Hotels. Das war die Hälfte seines täglichen Pensums. Ein Hotelangestellter näherte sich zögerlich.
"Mister Fossi! A telephone call for you!"
"Wait a minute, please."


Kenai trat aus dem Laden eines Friseurs am Flugplatz von Quebec. Seine langen Haare waren einer 5 Millimeter Kurzhaarfrisur gewichen. Er hatte vor wieder nach Deutschland zu fliegen. Als er noch mitten auf der überdachten Kaufpassage des Flughafens stand piepste sein Mobiltelefon. Über mangelnde Privatsphäre beim Telefoniere musste er sich nicht ärgern. Die Leute machten einen Bogen um den großen Mann im Ledermantel, dessen Gesicht von Narben furchtbar entstellt war.
Kenai steckte das Handy wieder ein. Die Sache kam ihm gelegen. Arbeitslos wurde er wohl nie.


Luke stolperte über die hochhakigen Pamps, die vor dem Bett standen, verwickelte sich in der Bettdecke, torkelte in den Flur und erreichte ihm letzten Moment das Telefon. "Yes, Luke." Er hörte zu und nickte. "Und was ist mit meinem Spanischkurs?"

"Den wirst du wohl verschieben müssen. Aber du kannst noch in England bleiben. Das liegt auf dem Weg zum Zielort. Und sag deiner kleinen 'Spanischlehrerin' doch bitte, sie soll ihre Nummer beim Telefondienst anmelden. Es hat ewig gedauert, bis ich sie gefunden habe"
Barlmoro legte auf. Er hatte auch den letzten der verfügbaren Söldner erreicht. Vorerst gab es nichts mehr zu tun. Oder besser gesagt, die Arbeit verlagerte sich. Hieb war schon den ganzen Tag unterwegs, um die Archive aller großen Verlage und Zeitungen abzuklappern. Er würde wohl mal nachsehen, was das eigene Archiv im Erdgeschoss, über diesen Evelyn Trivial, Nordirland und die Ulster Volunteer Force hergab. World Wide Web und EDV hin oder her. Es blieb eine Scheiß Arbeit.


Dr. Kill, CAT Shannon, Scorpion Chris und TSB saßen am nächsten Morgen im Büro des B&HMP. Kenai platzte als letzter gegen 12 Uhr mitten vom Flugplatz rein.
Hieb schloss sorgfältig die Tür zu seinem Büro, die Stapel von Akten, Notizen und Fotos, die seinen Schreibtisch und den Boden füllten, waren kein schöner Anblick. In den Händen hielt er den Lohn einer durchgearbeiteten Nacht. Einen mitteldicken Aktenordner, der alle wichtigen Informationen enthielt.
"Sind also alle da. Wir haben euch hergerufen, weil es einen neuen Auftrag gibt."
Im Folgenden wechselten sich Hieb und Barlmoro ab, das bisher geschehene zu berichten.
"...wir sollen diesen Trivial aus Nordirland rausschaffen. Und zwar auf ein Boot, das ein paar Meilen vor der Küste ankert. Dort übernimmt ihn die CIA."
Die fünf Männer schwiegen andächtig. Schließlich brach Dr. Kill das Schweigen.
"Entführung? In Nordirland? Das ist verdammt gefährlich. Was bekommen wir dafür?"
Barlmoro räusperte sich. "Mehr als sonst. Wir können mit einer größeren Summe rechnen. Ich schätze ihr bekommt das Doppelte vom Üblichen. Risikozuschlag."
Das schweigende Nicken der Söldner konnte als Zustimmung gewertet werden.
Hieb fuhr fort: "Gut, Fossi und Luke werden wohl ebenfalls nichts einzuwenden haben. Sie befinden sich im Ausland und werden direkt nach London oder Dublin fliegen, wenn sie gebraucht werden. Vorerst stehen sie auf Abruf.
CAT, wie siehts in Nordirland aus? Hast du noch Verbindungen?"
Er wandte sich an den schweigenden Söldner, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte.
"Wies aussieht? Nicht so gut. Früher kämpften die IRA gegen die Briten. Mit klaren Fronten. Heute bekämpfen sich die Briten und Iren gegenseitig. In weiten Gegenden Nordirlands gibt es ein halbes Dutzend Gruppen, die sich nicht ausstehen können.
Da wären die klassische IRA, die in letzter Zeit ruhiger geworden ist, katholische Splittergruppen, die britische Polizei und das Militär. Vor allem aber die protestantischen Paramilitärs von den Ulster Volunteer Forces und den Ulster Freedom Fighters machen seit etwa 10 Jahren Randale. Diese beiden mafiaähnlichen Gruppen bekämpfen sich meistens gegenseitig. Alle paar Jahre wird ein Friedensvetrag geschlossen und gemeinsam gegen die IRA ins Feld gezogen. Solange bis sie sich wieder in die Haare kommen, wegen des Drogenhandels oder der Schutzgelderpressung. Ein ziemliches Chaos. Die dritte Gruppe, die Ulster Defence Association kann man praktisch mit der UFF gleichsetzten. Früher waren sie mal getrennt, aber heute nicht mehr. Zusammen bringen alle großen und kleinen Protestantengruppen wohl mindestens 5000 Mitglieder zusammen, die bereit sind zu kämpfen."
"Sowas in der Art hab ich bisher auch rausbekommen. Steht alles in den Ordnern."
Hieb nickte CAT wieder zu. "Wie siehts mit deinen Verbindungen aus? Kannst du was arrangieren? Eine sicher Wohnung, Waffen, Informanten oder ähnliches?"
"Teils, teils, mit Informanten sieht es schlecht aus. Ich kenn zwar ein paar Leute von der IRA, aber die werden wohl nicht mit Informationen rausrücken. Sie sind vorsichtig geworden, zu viele haben die Fronten gewechselt.
Unterschlupf wird uns auch keiner gewähren. Aber ich kenn noch ein paar zuverlässige Zivilisten, die uns zwar nicht bei sich aufnehmen, aber wissen, wo man ein abgelegenes Bauernhaus kurzfristig mieten kann.
Was Waffen angeht. Da lässt sich sicher was auftreiben. Entweder auf dem Schwarzmarkt oder von einem Waffenhändler der IRA. Ich kenn da einen guten Kandidaten.
Gebt mir 3 Tage Zeit und ich besorg uns erst mal ein Versteck."
"OK." stieß Barl hervor. "Das hab ich gehofft. Wenn du hinüberfliegen willst, kannst du dir gleich Geld mitnehmen. Das Versteck sollte in der Nähe von Belfast liegen. Dort hält sich Trivial wohl zur Zeit auf. Die anderen haben nichts zu tun. Am besten begleitet dich aber jemand. Was die Sache mit den Raketen angeht, passt auf euch auf. Da stinkt was gewaltig."


CAT Shannon und Kenai landeten am selben Tag noch in Dublin. Mieteten sich einen Volvo und überquerten in der Abenddämmerung die Grenze nach Ulster, Nordirland. Kurz vor Belfast bogen sie in ein kleines Städtchen ab. Dort hielten sie vor einem Maklerbüro. Um diese Uhrzeit, es war inzwischen fast zwölf Uhr nachts, war es natürlich nicht mehr geöffnet. Aber CAT Shannon bedeutete Kenai im Wagen zu bleiben und klingelte an der Tür. Nach mehrmaligem Läuten ging oben über dem Laden schließlich ein Licht an. Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben und ein verschlafenes Gesicht spähte misstrauisch herunter. CAT trat ein paar Schritte zurück, so dass man ihn sehen konnte. Die Gestalt verschwand vom Fenster und einige Minuten später wurde die Tür geöffnet. CAT begrüßte den Hausbesitzer, einen Mann Anfang vierzig mit schwarzen Haaren auf Gällisch und wurde schließlich widerwillig herein gelassen. CAT winkte Kenai ihm zu Folgen. Sie wurden in ein gemütliches Wohnzimmer geführt wo ihnen der Gastgeber Platz anbot. Er sagte irgendwas auf Gällisch zu CAT, doch dieser unterbrach ihn. "Sprechen wir doch bitte Englisch. Mein Freund versteht uns sonst nicht."
"Also gut. Was wollen sie hier Mr Shannon? Wieso sind sie wieder in Irland? Warum wecken sie mich mitten in der Nacht?"
"Was die beiden ersten Fragen angeht, kann ich ihnen leider nicht antworten. Was die letzte Frage angeht, wir wollen ein Haus mieten. Abgelegen und nicht zu weit von Belfast entfernt. Groß genug für zehn oder mehr Personen."
"Wegen sowas wecken sie mich! Kommen sie doch morgen früh. Wenn ich sie nicht kennen würde, würde ich sie rausschmeißen!"
"Bitte, wir haben nicht sehr viel Zeit. Sehen sie bitte nach, was sie haben. Mein Freund und ich waren den ganzen Tag unterwegs und sind ein bisschen gereizt."
Der Makler warf einen verstohlenen Blick auf CAT Shannons Begleiter dessen Gesicht von einer großen Narbe entstellt war, und der ihn mit seinen braunen Augen anfunkelte. Schnell wandte er den Blick wieder ab.
"Ok, aber das eins klar ist. Ich will keinen Ärger mit der Polizei oder der IRA. Ich bin ein anständiger Geschäftsmann. Das ich ausgerechnet in Nordirland lebe, hab ich mir nicht ausgesucht." Er verließ das Wohnzimmer und verschwand im Erdgeschoss.
CAT Shannon öffnete den Reißverschluß seines schwarzen Anoraks, den er wegen der widrigen Witterung in Irland seinem üblichen Anzug vorgezogen hatte, und schlich zum Fenster.
Er flüsterte Kenai zu: "Wenn er gerade dabei ist die Polizei zu rufen, haben wir ein Problem. Ich weiß nicht wie weit wir ihm vertrauen können. Er ist ein Feigling und das was man einen braven Bürger des Königreichs nennt. Beides keine Eigenschaften, mit denen man in Nordirland weit kommt."
Kenai stand ebenfalls auf und durchschritt den Raum. Er drückte sanft eine Türklinge herunter und spähte hinein. Eine kleine Einbauküche und eine weitere geöffnete Tür, die den Blick auf ein Schlafzimmer freigab. Dort saß, mit dem Rücken zu ihm eine Frau, mit einem kleinen Kind im Arm, auf dem Bett. Ein weiteres etwa vierjähriges Mädchen saß verschlafen daneben. Der Makler stand vor seiner Frau und versuchte sie anscheinend zu beruhigen. Kenai verstand von der auf Gällisch geführten Unterhaltung nichts, aber wusste, dass er sich anstelle diese "braven Bürgers" wohl auch Sorgen um die Frau und die Kinder gemacht hätte. Von diesem verängstigten Mann ging keine Gefahr aus.
Er setzte sich wieder hin und wartete. Nach 5 Minuten kam der Makler wieder die Treppe herauf. Im Haus musste es zwei Treppen geben, denn Kenai hatten ihn nicht wieder nach unten laufen sehen.
"Hier ist, alles, was sie suchen." Er schlug das dicke schwarzgebundene Buch auf, das er mitgebracht hatte. "Was sie suchen, gibt es sehr oft. An was haben sie denn gedacht. Möbliert, unmöbliert, mit Garage oder vielleicht mit großem Garten?"
"Möbliert und mit Garage. Wichtig ist, dass es abgelegen liegt. Wir mögen keinen Lärm." stellte CAT lächelnd fest.
"Gut ich schreib ihnen eine Liste. Sie können sich die Häuser anschauen und dann wieder vorbeikommen um mir zu sagen, welches sie nehmen."
"Nein. Wir kommen nicht mehr vorbei. Sie geben mir die Liste und ich zahle für zwei Monate im Voraus." Er reichte dem Makler einen flachen Stoß Pfundscheine.
"Aber... sie wissen doch noch gar nicht, welches Haus sie nehmen und wie teuer es ist! Ich muss das alles in die Akten eintragen. Alles muss seine Ordnung haben, Mr. Shannon!"
"Nicht Mr. Shannon! Das Haus wir auf den Namen meines Freundes gemietet. Mr. Al Smith. Welches Haus wir genommen haben, schreib ich ihnen in einem Brief. Schicken sie uns dann den Schlüssel an die Adresse des Hauses."
Ohne weitere Worte standen sie auf und verließen die Wohnung des Maklers. Im vorbeigehen nahm CAT die Liste an sich. Kenai blieb kurz stehen und zischte dem Makler ins Ohr. "Wir waren nie hier. Und sagen sie auch ihrer Frau, dass sie kein Wort verlieren soll. Könnte sonst Unannehmlichkeiten nach sich ziehen."

Sie fanden das Haus gegen 3 Uhr morgens. Sie hatten sich schon 4 Häuser angesehen und hatten sich entschlossen dieses zu nehmen. Eine Inspektionsrundgang hatte zum Ergebnis geführt, dass es für ihre Zwecke bestens geeignet war.
Etwa 20 Kilometer von Belfast entfernt und sehr abgelegen. Das nächste Dorf war 5 Kilometer entfernt. Nur ein schmaler Feldweg führte von der weit entfernten Landstraße zu dem ehemaligen Forsthaus. Früher hatte hier ein Jagdaufseher mit seiner Familie gewohnt. Das Haus war groß genug um ganzes Söldnerkommando zu beherbergen.
Leider war es nicht mehr im besten Zustand und der Putz blätterte überall von den Wänden. Einige Fensterscheiben im ersten Stock waren zerbrochen und die leeren Fenster mit Brettern vernagelt. Der Regen und der Wind schafften keine sehr anheimelnde Atmosphäre.
"Ruine. Hoffentlich gibt's da drin wenigstens ne Heizung." Kenai trat zur selbstverständlich verschlossenen Tür und rüttelte daran. CAT suchte in der Tasche des Anoraks nach einem Schlüsselbund und drückte sich an Kenai vorbei, der gerade dabei war die Tür mit Gewalt zu öffnen. CAT fummelte eine Weile mit den Dietrichen am Schloss herum, bis die Tür endlich, von Flüchen begleitet, aufsprang. Abgestandene, kalte Luft schlug ihnen entgegen, als sie eintraten. Ein Gang, 5 Türen und eine Treppe die nach oben führte.
"Sehen wir uns mal um." Sie inspizierten das ganze Haus. Unten gab es ein großes Speisezimmer und daran anschließend eine Küche mit Hintertür zum Garten. Außerdem ein Wohnzimmer und einen leerstehenden Raum. Die fünfte Tür führte in den Keller, der mit allerlei Gerümpel vollgestellt war. Die alte Ölheizung schien aber noch funktionstüchtig zu sein und Kenai befasste sich beim Schein einer funzeligen Glühbirne mit dem antiquierten Mechanismus, der der selbe war wie in vielen Blockhütten Kanadas. Der erste Stock war kaum bewohnbar. Die Hälfte der Scheiben war aus irgendeinem Grund zerbrochen, aber sorgsam mit Folie abgedichtet worden. Die Wärme zog natürlich nach draußen. An einigen Wänden breitete sich hässliche Wasserflecken aus.
"Am besten bringen wir die Betten, die man noch hernehmen kann noch unten in den leeren Raum, bis wir ein paar neue Scheiben eingesetzt haben. Den großen Raum hier oben nehmen wir uns zuerst vor, damit wir Platz für die anderen haben." CAT war mit dem Haus nicht zufrieden. Aber was besseres gabs wohl nicht.

Kenai hatte die Heizung in Betrieb gebracht und wenigstens das Erdgeschoss wurde beheizt. Sie fanden in einem Schrank Bettlaken und ein paar Wolldecken und machten es sich auf den zwei Sofas im Wohnzimmer bequem. Der Morgen hatte schon begonnen und sie hatten die ganze restliche Nacht geackert. Selbst Kenai, zu dem CAT vergleichsweise schmächtig wirkte, spürte das Ziehen in allen Knochen.
Morgen würden sie nach Belfast fahren um eine weitere Wohnung zu mieten und die Ankunft der B&HMP Söldner vorzubereiten.


Eine neue Nachricht war in Frankfurt angekommen. Das Schiff, das Trivial aufnehmen sollte, hatte den Hafen in Boston verlassen und nahm Kurs auf Irland. Außerdem hatte CAT Shannon aus Belfast gefaxt, dass er ein Haus und eine Wohnung gemietet habe.
Alles war für die Ankunft der Söldner vorbereitet. Hieb hatte verschiedene Flugtickets organisiert. Wichtig war es, dass die Söldner nicht alle auf einmal ankamen. Man durfte nicht auffallen.
Luke nahm den unauffälligsten Weg, nämlich eine Autofähre, die ihn direkt nach Belfast brachte.
Fossi flog nach Dublin und fuhr von dort mit dem Zug nach Belfast.
Die drei Söldner, die noch in Deutschland waren, TSB, Dr. Kill und Scorpion Chris, würden getrennt innerhalb der nächsten 2 Tage dort eintreffen.
Barlmoro schickte Dr. Kill, der den Einsatz führen sollte, die E-mail Adresse und den Laptop, der die Verbindung zu Frankfurt darstellen sollte.
Alles war getan. Sobald die Söldner in Nordirland ankamen, würden sie sich daran machen, Trivial ausfindig zu machen. Währenddessen würden Barlmoro und Hieb jedoch auch keinen Moment zur Ruhe kommen. Sie sammelten ständig alle Informationen, die sie kriegen konnten.
Was sie bisher gesammelt hatte, war nicht sehr zuversichtlich. In Nordirland schien eine neue Krise auszubrechen.


CAT und Kenai hatten die Wohnung in Shandon, einem der ruhigeren protestantischen Viertel mit katholischer Minderheit, inspiziert und genommen. Der Makler war überglücklich gewesen sie loszuwerden. In Belfast Wohnungen zu vermieten, schien nicht gerade ein sehr lukratives Geschäft zu sein. Leider konnten sie nicht wieder einfach einen falschen Namen angeben wie bei dem eingeschüchterter Händler vom Land. Aber in der Wohnung würden auch keine Söldner und Waffen versteckt werden. Sie sollte als Vorposten im "Feindgebiet" dienen.
Jetzt war alles vorbereitet. Die Wohnung war gut eingerichtet und sie hatten Lebensmittel, Bettzeug, Geschirr und andere Dinge gekauft, die sich jetzt in der Wohnung stapelten. Ein Teil würde hier bleiben, aber den Größeren würden sie in das Landhaus schaffen. Dort musste inzwischen auch der Brief des Maklers mit den Hausschlüsseln angekommen sein.
Was CAT beunruhigte, war die angespannte Lage in Belfast. Die Polizeipräsenz war stärker als normal und nachts zogen Rowdys grölend durch die Stadt. Irgend etwas schien sich zusammenzubrauen. Kenai merkte von all dem nicht so viel. Er war noch nie in Belfast gewesen und vermochte die Vorzeichen nicht zu deuten. Aber auch er sah die militaristischen Wandbilder und die schon vorbereiteten Straßensperren die nur noch besetzt werden mussten.
"Wie lange dauerts, bis die Männer ankommen? Drei Tage oder so?"
"Ja, wäre vielleicht besser, wenn wir schon mal anfangen, Erkundigungen einzuziehen. Wo würde sich ein Typ wie Trivial verstecken?"
"In dem Aktenordner stand, das er zuletzt Waffen an die Ulster Volunteer Force geliefert hat. Die habe ihre Hauptquartiere im Nordwesten der Stadt. Ich glaub aber nicht, dass sie Trivial in einem ihrer Büros oder Kneipen verstecken. Trivial befindet sich doch schon einige Monate hier und er gibt sich sicherlich nicht mit einer Pritsche, Fast Food und einem Fernseher zu Frieden. Entweder er hockt in irgendeiner Wohnung oder einem Haus in einem der wohlhabenderen Viertel von Belfast oder die UVF hat ihn aufs sichere Land geschafft."
"Wo könnten wir das erfahren?"
"Sagen wir so, wenn sie keinen Fehler machen, bekommen wir es ohne Kontaktmann nie heraus. Aber die UVF befindet sich im Kriegszustand mit den UFF. Den Ulster Freedom Fighters. Auf den Straßen von Belfast wird's in nächster Zeit wieder Krawalle geben. Erinnerst du dich an den Gemüsehändler, bei dem wir heute früh eingekauft haben? Hinter der Theke lagen Bretter und Werkzeug. Auch in den anderen Geschäften, lag alles bereit, die Schaufenster zu vernageln. Außerdem standen kaum Auslagen auf den Gehsteigen. Bisher gabs noch keine Vorfälle, aber das wird noch kommen."
CAT versteckte sich wieder hinter seiner Zeitung. Kenai wollte irgend etwas tun. Er fühlte sich unwohl und ihm war langweilig. CAT war nicht gerade der ideale Gesprächspartner. Gestern Abend, war er weg gewesen um Informationen einzuholen und Kenai war in der Wohnung geblieben.
Rowdys waren auf der Straße vorbeigezogen. Kenai hätte Lust auf eine kleine Schlägerei mit den Kerlen gehabt. Aber das hätte den Auftrag gefährdet, und war folglich nicht drin.
Also sah er fern und wartete, was noch kommen würde. Hoffentlich gings bald los.

Fossi überquerte die Grenze nach Ulster mit dem Zug. Bei der Passkontrolle war er kurz nervös geworden, als der Kontrolleur einen Augenblick zu lang auf den gefälschten Pass geschaut hatte. Aber Fossis Neuerwerbung hatte die Generalprobe bestanden. Der Kontrolleur gab ihm den Pass beanstandungslos zurück.
Kurz nach der Grenze merkte man gleich, dass man jetzt im britischen Königreich war. Wenn der Zug durch Dörfer fuhr, sah man den "Union Jack", der in Schrebergärten und von Balkonen flatterte. Bei zwölf Stück hatte Fossi aufgehört die Flaggen zu zählen.
Jetzt verließ er den Bahnhof von Belfast um sich ein Taxi zu nehmen, das ihn zur Wohnung der Söldner bringen sollte.

Zur gleichen Zeit, landete TSB mit der Britisch Airways Maschine auf dem kleinen Flughafen von Belfast. Als er ausstieg rümpfte er die Nase. Eine gräßliche Stadt. Die grauen Plattenbauten waren kein sehr erbaulicher Anblick. TSB bezweifelte, ob es in dieser Stadt einen Ort gab, wo er ein anständiges Katana, seine Lieblingswaffe, bekommen würde. Sein eigenes hatte er nicht mitnehmen können. Schwerter und Metalldetektoren an Flughäfen vertrugen sich nicht.

Maritinà hatte Luke eine Blumenvase hinterhergeschmissen, als er die Wohnung verließ. In ihrem bezauberten spanischen Akzent rief sie ihm nach: "Du dreckiger Schuft! Wenn du jetzt gehst, brauchst du gar nicht wieder kommen. Du warst übrigens der schlechteste Schüler, den ich je hatte!" Doch alles zetern half nichts. Luke verließ die englische Universitätsstadt, um dem irischen Teil des Britischen Empire einen Pflichtbesuch abzustatten.

Niemand achtete besonders auf den kräftig gebauten Mann, der in Belfast den Flughafen verließ und ebenfalls ein Taxi nahm. Selbst TSB, der im Flugzeug einige Reihen vor ihm gesessen hatte, tat so als kenne er ihn nicht. Es war der 4 Oktober und ein Scheißwetter für Touristen. Aber Dr. Kill hatte sowieso nicht im Sinn, die Sehenswürdigkeiten von Ulster zu besichtigen. Er musste einen Auftrag erledigen.

Gegen 2 Uhr mittags am 4 Oktober waren CAT Shannon, Kenai, Dr. Kill, Fossi, TSB und Luke in der Belfaster Wohnung versammelt. Während im laufenden Fernseher sich die beiden BBC Reporter über die derzeitige Lage in Nordirland unterhielten, beratschlagten die B&HMP Söldner ihr weiteres Vorgehen.
Dr. Kill hatte seinen Laptop ausgepackt und fasste das bisher Geschehene zusammen: "... außer uns sechs, kommt morgen noch Scorpion Chris. Möglicherweise später noch mehr Söldner. Wir müssen erst mal rausbekommen, wo sich Trivial aufhält. Wo er ist, befinden sich wohl auch diese ominösen Raketen. Vorerst sollten wir aber untertauchen. Sechs Männer in einer kleinen Wohnung fallen zu sehr auf. Fossi, TSB und Luke werden in das Landhaus fahren. Wenn sie gebraucht werden, können wir sie holen.
Du Kenai, mietest einen weiteren Wagen. Mit dem Volvo allein kommen wir nicht klar."
Kenai nickte und Dr. Kill nahm einen Schluck aus der Bierflasche. Er war zwar der Anführer der Truppe, hatte aber verstanden, dass es besser, war, sich auf CAT Shannon zu verlassen. Er kannte sich in Nordirland aus und hatte bisher alles bestens organisiert.
CAT räusperte sich: "Also, wenn sich Trivial hier versteckt, dann wird die Ulster Volunteer Force ihn in einem ihrer Viertel untergebracht haben. Wir haben die Möglichkeit, dass wir alle Wohnung abklappern, von denen bekannt ist, dass sie UVF Leuten gehören. Bis wir damit fertig sind - so in einem halben Jahr - wird aber sicherlich jemand was Spitz gekriegt haben und wir landen tot im Hafenbecken. Diese Möglichkeit, scheidet also aus. Die zweite Möglichkeit ist, dass wir einen Kontaktmann bei der UVF suchen, der uns weiterhelfen kann. Vielleicht hilft auch ein Kontaktmann bei der UFF oder der IRA. Es ist durchaus möglich, dass wir so zum Ziel kommen. Aber noch wahrscheinlicher ist, dass wir ebenfalls im Hafenbecken landen. Das Risiko ist groß, und die Erfolgsaussichten in dieser kurzen Zeit, wir habe drei Monate wenn ich mich recht erinnere, sind verdammt gering. Die dritte Möglichkeit ist, dass wir gezielt ein Leck suchen. Und das Leck hab ich hier."
CAT legte das Foto einer jungen Frau mit rotblonden Haaren auf den Tisch.
"Das ist Ruth Mahuud, 22 Jahre und Tochter von Bobby Mahuud. Ich war gestern in Mahuuds Kneipe um mit ihm zu sprechen. Er war ein Freund von mir. Wenn du irgendwas über die Kämpfe der Protestanten in Nordirland wissen wolltest, musstest du mit Bobby reden.
Jetzt redet er aber mit niemanden mehr. Vor 5 Tagen haben sie in beerdigt. Sein Bruder, James, hat mir gesagt, dass sie ihn gerade noch aufbahren konnten. Vom Kinn abwärts war Bobby nur noch ein kurzer schwarzer Sack. Die Mörder haben achtzehn Schüsse in den Range Rover gejagt. Der Mann auf dem Nebensitz, die Nummer drei der Ulster Freedom Fighters, war sofort tot. Bobby, der am Steuer saß, bekam eine Salve in Bauch und Brust, die den kleinen Mann fast auseinander riss. Seine sterblich Hülle war nicht viel mehr als Kopf und Hals." CAT schluckte.
"Er war so etwas wie ein Freund von mir. Das Dilemma von Bobby war seine Adresse. Er wohnte genau an der Grenze zwischen Upper Shankhills, die von der Ulster Volunteer Force beherrscht werden, und den Lower Shankhills, dem Reich der Ulster Freedom Fighters. Bobbys Bar, "The Irish Lounge", gleich neben dem Wohnhaus, ziert auf der einen Außenwand eine Flagge der Volunteer Force, "For God and Ulster", auf der anderen ein Wandbild, auf dem vermummte Kämpfer der Freedom Fighters den Iren schwören, dass Ulster - Nordirland - nie vom Britischen Königreich getrennt wird. Scheiß Lage für einen Gastronomiebetrieb.
Die beiden militantesten Gruppen der Protestanten haben kaum weniger Katholiken zur Strecke gebracht als die Armee der Briten. Jetzt streiten sie sich um die Macht in der Unterwelt. Mit Kalaschnikows und Sprengstoff. Bobby war von den Volunteer Force zu den Freedom Fighters übergelaufen. Deshalb musste er sterben.
Sein Bruder, James, will abhauen, nach Manchester. Er bekommt Morddrohungen von der UVF. Ruth, der die Bar jetzt gehört, will aber nicht mit. Sie ist das einzige Kind von Bobby, der sie alleine großgezogen hat, nachdem seine Frau an einer Infektion bei der Geburt starb. Sie will Rache für ihren Vater und hasst die Paramilitärs wie die Pest. Wir sollten sie besuchen. Wer weiß, was Bobby ihr alles vor seinem Tod erzählt hat."
Es war ruhig geworden. Eine ausgedrückte Zigarette zog kleine Rauchkringel. Im Fernsehen kam jetzt das Wetter. Sonnig und leicht bewölkt in Südengland, Regen und bedeckt in Nordirland.
"Ok. Luke, Du und ich fahren dort hin. Die anderen warten hier. Könnt euch aber nützlich machen und mal ne Mail an Hieb oder Barl schicken ob sie was über den Mord wissen. Außerdem brauchen wir noch einen zweiten Wagen." Dr. Kill stemmte sich mit einem Ruck aus dem Sessel und verließ mit CAT und Luke das Haus.
Sie fuhren durch die halbe Stadt, bis sie zu der Kneipe gelangten. CAT stellte den Wagen ab und sie traten auf den Gehsteig. Die Bar im Eckhaus betraten sie durch die Tür über der das Wandbild der UFF prangte. Die Kneipe war um diese Zeit bis auf einen alten Mann, der in der Ecke saß und ein Milchhörnchen in seinen Kaffee tunkte, leer. Die drei Männer setzten sich an die Theke. Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben und Ruth Mahuud betrat den Schankraum. Sie wischte im vorbeigehen mit einem Lappen über den Tresen und nahm zwei leere Biergläser weg.
"Hallo CAT, schon wieder da?"
"Ruth, das sind zwei Freunde von mir. Wir wollen dir helfen."
"Schön." Sie stellte drei Bier auf den Tresen. Sie wirkte seltsam teilnahmslos und apathisch. Dr. Kill schloss, dass sie den Schock über den gewaltsamen Tod ihres Vaters noch nicht überwunden hatte.
Während die Männer ihr Bier tranken spülte sie Gläser. Sie war ziemlich hübsch. Den roten Pferdeschwanz hatte sie sich hochgesteckt. Der verbittert zusammengepresste Mund und die traurigen Augen passte überhaupt nicht zu ihrem feingeschnittenen Gesicht, dass in normalen Zeiten sicher viel lachte.
Dr. Kill versuchte eine Unterhaltung anzufangen: "Miss, es tut mir sehr Leid, was ihrem Vater passiert ist. Ich verstehe, dass sie sehr betrübt und wütend sind. Aber sie haben eine Chance sich an den Leuten zu rächen, die ihnen das angetan haben. Ihr Vater hat möglicherweise etwas gewusst, was diesen Leuten schaden könnte..."
"Halten sie die Klappe und verhalten sie sich ganz normal! Das Schwein kommt wieder."
Dr. Kill blieb der Mund offen stehen. Es dauerte eine Weile bis er verstand und Ruths besorgtem Blick folgte. Vor der Bar hatte ein blauer Cadillac gehalten. CAT stieß gepresst hervor.
"Das ist Jimmy Adskys Auto. Aber den Kerl, der ausgestiegen ist kenn ich nicht."
"Wenn er reinkommt mischt euch nicht ein. Bitte!" Aus Ruths Stimme drang Panik.
Die Tür wurde geöffnet und das "Schwein" trat ein. Es steckte in schwarzen Markenjeans, Seidensakko und einem billigen Kaufhaushemd, unter dem sich ein Bierbauch hervorzwengte. Blondgetönte Haare, Goldohrring und ein aus der Hosentasche hervorstehender Kamm rundeten das Bild vom Kleinganoven ab. Die rosige Haut verlieh im wirklich etwas von einem Schwein.
"Schöner Tag heute, oder nicht?" Luke wurde zur Seite gestoßen und das "Schwein" nahm seinen Platz ein.
"War die Beerdigung schön? Sicher waren viele Leute da um deinen Alten zu beheulen. Aber jetzt lass uns zum Geschäftlichen kommen, Baby. Das du mich heute Morgen rausgeschmissen hast verzeih ich dir noch mal. Aber jetzt müssen wir uns einigen. Dein Alter hat bevor er abgekratzt ist auf unsere Seite gewechselt. Wir rechnen ihm das hoch an. Aber er ist auch Verpflichtungen eingegangen, die nun auf dich übergehen, Baby. Sagen wir mal 200 Pfund die Woche. Pünktlich am Samstag zu begleichen." er nahm einen großen Schluck aus Dr. Kills Glas.
"Ich zahl keinen Pfennig an euch Säcke. Und das mein Vater zu euch gegangen ist war der größte Fehler den er je gemacht hat. Verpiss dich."
"Aber Baby, was sollen deine Gäste von dir denken?" er schlug Dr. Kill freundschaftlich auf die Schulter und prostete Luke zu. "Du wirst doch wohl ein paar Pfund für uns übrig haben, wenn wir schon dein Lokal bewachen. Sagen wir 150 Pfund. Einmaliger Sonderpreis. Ein Fick pro Woche mitgerechnet."
Er beugte sich vor um Ruth an den Busen zu grapschen. Die ließ vor Schreck ein Glas fallen das am Boden zersprang.
Trotz aller Ermahnungen von Ruth sich rauszuhalten, sprang Luke vor und zog den Grapscher am Kragen zurück. Das "Schwein" grunzte und versuchte Luke mit der flachen Hand eine Ohrfeige zu verpassen. Dieser war aber schneller und schlug mit dem Fuß den Barhocker weg. Das "Schwein" ruderte wild mit den Armen und landete auf dem Hosenboden. Dr. Kill wartete bis er sich wieder aufgerappelt hatte. Jetzt, wo Luke sich bereits eingemischt hatte, brauchte auch er keine Sorgfalt mehr walten lassen. Er packte den sich heftig Wehrenden unter den Armen und zerrte ihn zur Tür, die Luke ihm bereits aufhielt. Das "Schwein" machte einen Purzelbaum auf dem Gehsteig und blieb neben dem Cadillac liegen. Stöhnend richtete sich der Rausgeschmissene wieder auf und sprang in den Wagen. Die geballte Faust, die er aus dem Fenster reckte, während er davonbrauste, sah nur noch der alte Mann in der Ecke, der mit stoischer Ruhe dem Geschehen gefolgt war. Dr. Kill hatte sich wieder zum Tresen gewandt.
Ruth wischte sich eine Träne aus den Augen. Für sie war das alles zuviel.
CAT versuchte sie zu beruhigen: "Der Kerl kommt sicher nicht mehr. Von der UFF, oder? Wir können auf dich aufpassen."
"Gar nichts könnt ihr." Ruth schmiss das Handtuch auf den Boden. "Der Kerl kommt heute Abend sicher mit ein paar Schlägern wieder. Und wenn nicht heute, dann morgen, übermorgen oder in einer Woche. Ihr könnt sie nicht aufhalten. Man kann nur weglaufen."
"Kannst du die Bar nicht für eine Weile zumachen?" Luke mischte sich ins Gespräch ein.
"Du verstehst wohl gar nichts! Das hilft doch nichts. Dann kommen sie eben in meine Wohnung. Am einfachsten wäre gewesen, wenn ich heute morgen mit Onkel James und Tante Jule nach Manchester mitgegangen wär. Hier ist doch alles Kacke. Das Geschäft läuft auch nicht mehr seit Paps tot ist. Die Leute trauen sich nicht mehr her. Seit du hier warst CAT, hat sich viel verändert. Die UVF ist mächtiger geworden und bekriegt sich mit der UFF. In Belfast kann man in manchen Vierteln nachts nicht mehr auf die Straße gehen, ohne von irgendeinem abgewracktem Drogensüchtigen ausgeraubt zu werden."
Dr. Kill zog den Atem ein: "Wenn du willst, kannst du vorerst bei uns unterkommen. Da findet dich keiner von den Kerlen. Bis sich die Lage beruhigt hat, solltest du erst mal aus dem Schussfeld."
"Einverstanden. Aber nur weil CAT ein guter Freund von Dad war und nur solange bis ich die Kneipe verkauft hab und dann will ich nur noch weg von hier. Ich hol noch ein paar Sachen." Aus Ruth Stimme klang Resignation. Sie nahm die Schürze ab und verschwand wieder im hinteren Teil des Hauses.
Als es nichts mehr zu sehen gab, nahm der alte Mann aus der Ecke seinen Stock und schlürfte auf die Straße. Ruth kam zurück und sperrte die Ladentür ab, an der das "Vorübergehend geschlossen" Schild hing. Aus dem kleinen, an die Kneipe, anschließendem Haus holte sie zwei große Koffer, die anscheinend schon gepackt bereit gestanden waren. Luke und CAT halfen ihr sie zum Auto zu tragen.
Sie hätten wohl besser auch noch die Schaufenster vernagelt, aber daran dachte in diesem Moment keiner der Vier.

Auf dem Weg und in der Wohnung erzählte Ruth alles, was vorgefallen war.
Ihr Vater hatte eine Sonderstellung genossen. Führende Mitglieder der Ulster Volunteer Force hatten gerne in seiner Bar gezecht. Für die Betrunkenen durfte er dann auch manchmal den Chauffeur spielen. Sein Geld, immerhin 400 Pfund die Woche, war ebenfalls immer gern genommen worden. Mit der Zeit wusste niemand in Belfast besser Bescheid als Bobby Mahuud.
Vor einer Woche hatte Rusty Hill, legendäre Altchef der UVF, beschlossen, dass alle Schutzgelder um 10 Prozent erhöht werden müssten um mehr Geld in die Parteikasse zu bekommen.
Das an sich war nichts ungewöhnliches. Nur war Bobby Mahuud auf die Idee gekommen, dass für ihn eine Ausnahmegenehmigung gemacht werden sollte. Eines Abends sprach er Tim Falling, der mächtigster Mann und neuer Boss bei der Volunteer Force, in seiner Kneipe darauf an. Falling, in bierseeliger Spendierlaune, versprach ihm, sich darum zu kümmern. Ermutigt wagte Bobby sich zu weit vor. Er wollte mehr rausholen. Beim fünften Bier, das er Falling brachte, wagte er eine völlige Befreiung von den Schutzgeldzahlungen zu fordern. Innerhalb von 2 Minuten verlor er alles. Falling, inzwischen launisch über eine verlorene Wette mit einem Zechkumpanen und total betrunken, bekam einen Wutanfall und schlug Bobby nieder.
Am nächsten Morgen hatte Falling zwar wahrscheinlich schon alles wieder vergessen und alles wäre seinen gewohnten Gang gegangen, wenn Bobby sich ruhig verhalten hätte. Aber Bobby hatte Panik. Er dachte Falling würde ihn töten lassen oder wenigstens die Bar kurz und klein schlagen. In seiner Not wandte er sich an Phil Black, Chef und Sprecher der Ulster Freedom Fighters. In Zukunft sollte die UFF ihn beschützen.
Bobby hatte bald gemerkt, dass er auf die falsche Karte gesetzt hatte. Einen Tag nach seinem Überlaufen wurden er und sein UFF-Begleiter erschossen.
Ruth brach in Tränen aus, als sie an die Stelle kam, wo sie auf die Straße lief und ihren hinter dem Steuer des Jeeps zusammengesackten Vater sah. Ihr Onkel versuchte sie wegzuzerren, aber Ruth blieb bis zum Schluss da, als die Gerichtsmediziner den von acht Kugeln getroffenen Toten behutsam aus dem Wagen hoben, damit er nicht auseinander brach.
Nachdem alle Körperteile im Wagen zusammengesucht und dem Leichenbestatter in einem Plastiksack ausgehändigt worden waren, wurde Bobby im Wohnzimmer aufgebahrt. Sie mussten den Fernseher zur Seite schieben um genug Platz für den Sarg zu machen. Ruth hatte den schönsten ausgesucht, den sie sich leisten konnte, obwohl er für den zerfletterten Leichnam viel zu groß war.
Ruth hatte fast die ganze Nachbarschaft eingeladen, aber nur die engsten Freunde kamen. Alle hatten Angst vor weiteren Anschlägen auf die Mahuud Familie.
Man hatte Ruth keine lange Trauerzeit gelassen. Heute Morgen war Rino, ein Schutzgelderpresser der Ulster Freedom Fighters zu ihr gekommen um die Claims abzustecken. Sie hatte ihn rausgeschmissen, aber wenige Stunden später, als die B&HMP Söldner da waren, war er wieder gekommen.
Jetzt saß Ruth in einem Sessel der Söldnerwohnung und trank einen Kaffee, den Luke ihr gemacht hatte.
Dr. Kill richtete als erster das Wort an sie, nachdem sie fertig ausgeredet hatten.
"Ruth, wir suchen einen Waffenhändler, Evelyn Trivial, der sich höchstwahrscheinlich bei der Volunteer Force versteckt hält. Hast du irgendwas davon gehört? Wir dachten, dein Vater wüsste etwas."
"Trivial? Hab ich noch nie gehört. Mein Vater hat mir nie was erzählt. Zuviel zu wissen kann gefährlich sein."
Dr. Kill und den anderen stand die Erschütterung ins Gesicht geschrieben. Ihre beste Spur hatte sich als Niete erwiesen.
Ruth nahm einen Schluck Kaffee. Ihre Augen funkelten seltsam.
"Aber von einem Waffenhändler hab ich gehört."
Wohl noch nie hatte eine Frau so schnell einen Raum voller Männer in ihren Bann gezogen. Alle hielten die Luft an, und man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Es war vor 2 oder 3 Wochen. Ein Samstag Abend glaub ich. Die ganze UVF Brut war in der Bar und hat gesoffen. Ich hab wie immer bedient. Irgendwer hat mich am Arm gepackt und gefragt ob ich Kyle oder Spock gesehen hätte. Die beiden sind Profischläger von Tim Falling. Sie werden auch die "Zwillinge" genannt, weil sie sich ziemlich ähnlich sehen. Ich sagte dem Kerl, dass ich sie die ganze Woche noch nicht gesehen habe und ging weiter. Aber ich hab noch gehört, wie jemand vom Nachbartisch sagte, Kyle und Spock müssten einen Waffenhändler in den Golden Streets bewachen.
Ich hab zufällig mal aufgepasst, Kyle steht bei uns ziemlich tief in der Kreide, ob die beiden noch mal kommen. Aber die nächsten 2 Wochen ist keiner der beiden mehr aufgetaucht. Dann geschah das mit Paps und ich hab nicht mehr darauf geachtet."
"Das ist doch schon mal was. Du kannst hier bleiben, solange du willst. Vielleicht willst du etwas schlafen?"
Ruth nickte traurig und schlürfte ins Schlafzimmer. Sie drehte sich noch mal um.
"Ich weiß nicht genau, was ihr hier wollt und wer euch geschickt hat. Aber ich möchte euch sagen, dass keiner Falling oder einem seiner Gauner eine Träne nachweinen würde."
Die Worte schwangen noch eine Weile im Raum bis Dr. Kill, tatendurstig, die nächsten Schritte plante.
"CAT, du weißt sicher wo die Golden Streets sind. Du, Fossi und ich fahren dort hin. Luke und Kenai, ihr geht in die Stadt und haltet die Augen offen, kauft alles nötige ein, dass wir brauchen um das Landhaus zu beziehen. Lebensmittel, Werkzeug und so weiter. Nehmt am besten den Wagen, den Fossi gemietet hat.
Und TSB..." der schwarzgekleidete Kämpfer lehnte an einem Einbauschrank und ließ ein scharfes Küchenmesser in der Hand kreisen. "...du passt auf Ruth auf. Lass sie nicht auf die Straße. Ich will nicht, dass sie einem der Schutzgeldeintreiber in die Hände läuft."
"Ok Boss. Soll ich sie fesseln?"
Dr. Kill schlug in gespielter Verzweiflung die Hände über dem Kopf zusammen und eilte den anderen hinterher.
Kenai und Luke fuhren mit dem VW Bus, den Fossi gemietet hatte in die Innenstadt. Sie hielten an verschiedenen Geschäften und erwarben neue Fensterscheiben für das Forsthaus, Lebensmittel für eine Woche, Bettzeug und Werkzeug. Auf ausdrücklichen Wunsch von Luke suchten sie auch noch einen Tabakladen auf um einen großen Vorrat an Gauloises Blondes zu besorgen.
Sie kehrten am frühen Abend wieder in die Wohnung zurück. TSB lehnte an dem Einbauschrank. Kenai fragte sich ob sich der komische Kauz, während ihrer Abwesenheit, auch nur ein einziges Mal weg bewegt hatte.
TSB sah kurz aus dem Telefonbuch auf, indem er gerade las.
"Ich muss dann noch mal kurz weg."
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Wohnung. Luke zuckte nur mit den Achseln und packte eine Zigarette aus.
"Ich schau mal nach, was Ruth macht."
Während Luke ging, zog Kenai die Vorhänge zu. Er nahm sich einen Laib Brot und öffnete den Kühlschrank um sich ein Sandwiche zu machen. Als er die Besteckschublade öffnete, merkte er sofort, dass ein Messer fehlte.


Die Golden Street war gleich im Nachbarviertel Orangefield. CAT hatte den Wagen abgestellt und sie beratschlagten, was sie nun tun sollten. In der Golden Street standen fast ausschließlich alte Villen. Alles Luxusarpartments für die Reichen und, Mächtigen sowie ihre Mätressen. Ein Viertel wohl ganz nach Trivials Geschmack.
Nur wie sollten sie ihn finden? Fossi meldete sich vom Rücksitz.
"Wie wärs, wenn wir einfach auf die Türschilder schauen und überprüfen, welches Haus einem UVF Mitglied gehört?"
Da Dr. Kill und CAT auch nichts besseres einfiel nahmen sie den Vorschlag an. Da nur CAT sich genug auskannte, konnten sie sich nicht aufteilen und gingen gemeinsam die Häuser ab. Es drohte bereits Dunkel zu werden und sie beeilten sich. Etwa 30 Häuser waren abzulaufen. Nach einer Stunde waren sie fertig, aber ohne Erfolg. Sie beratschlagten noch einmal.
"Die meisten der Namen sagen mir nichts. Nur Rusty Hill, der Altchef der Ulster Volunteer Force lebt hier. Das vorletzte Haus rechts. Wo der Wagen mit den zwei Kleiderschränken vor der Tür steht. Aber bei ihm werden sie Trivial sicher nicht verstecken. Hill ist todkrank. Zu hoher Blutzucker und Herzleiden. Seit 5 Jahren warten die Aasgeier, allen voran Tim Falling, dass er endlich abnibbelt. Falling ist bereits der wahre Chef der Organisation. Ihm muss nur noch offiziell das Amt des Oberhaupts übertragen werden. Rusty Hill meldet sich nur noch alle Jubeljahre zu Wort um die Mitglieder zu Besonnenheit und Pflichtgehorsam zu ermahnen. Keiner hört mehr auf ihn.
Wenn Trivial hier ist, steckt er woanders. Am besten beschatten wir die Straße rund um die Uhr."
Dr. Kill seufzte, aber CAT hatte wohl recht.
"Du hast heute einem Jimmy Adsky erwähnt, dem der Cadillac gehört, den dieser Schutzgelderpresser Rino gefahren hat."
"Ach der. Jimmy Adsky gehört eigentlich in den Knast oder noch besser in eine geschlossene Anstalt. Der hat seit seiner frühesten Jugend bei den Freedom Fighters gekämpft und eine unbekannte Anzahl von Katholiken und UVF Leuten getötet. Ist aber auf Grund des 'Karfreitagsabkommens' vor einigen Jahren wieder auf freien Fuß gekommen. Jetzt mordet er munter weiter und befand sich eine Weile sogar im Aufgebot der geduldeten UFF-Partei. Diese konnte aber bei den Wahlen keinen Sitz im nordirischen Parlament erringen. Im Gegensatz zur UVF-Partei PUP. Das hat noch weiter zur Feindschaft der beiden Organisationen beigetragen."
Dr. Kill nickte zufrieden und zog sein Handy hervor um die Söldner in der Wohnung anzurufen.
Kenai hob ab.
"Kenai? Hier bei uns dauert es länger. Wir müssen eine Straße beschatten. In drei Stunden sollen zwei von euch vorbeikommen um uns abzulösen."
"Ok. Äh, da gibt es ein Problem."
"Was ist?"
"Ruth ist weggegangen. Wir konnten sie nicht zurückhalten. Sie sagt, dass sie das Grab ihres Vaters besuchen will. Wir wollten sie davon abhalten. Aber sie ist ein Sturkopf. Einfach raus gerannt. Luke ist hinterher."
"Scheiße! Wie lange ist das her? Versuch sie einzuholen. Allein ist für sie zu gefährlich. TSB soll die Wohnung bewachen!"
"Da gibt es noch ein Problem, Boss. TSB ist schon seit 4 Stunden weg."

Dr. Kill war wütend. Beachtete hier denn keiner mehr seine Anordnungen? Es war bereits fast dunkel. Der Gedanke, Ruth würde einem Haufen Rowdys ihn die Hände laufen, behagte ihm nicht. Luke war unbewaffnet und allein gegen eine Haufen Yobs hatte er keine Chance. Und Kenai war jetzt auch da draußen um sie zu suchen. Und dann auch noch TSB! Um ihn machte er sich weniger Sorgen, er würde wohl selbst auf sich aufpassen können.
"Fossi, geh zurück zur Wohnung und halt dort die Stellung. Ich und CAT warten hier."
Fossi nickte und öffnete die Tür. Im Dauerlauf ging es zurück in den Bezirk Shandon. Die paar Kilometer waren gerade passend für einen Abendlauf.
CAT und Dr. Kill warteten. Dr. Kill am einen Ende der Straße ihm Wagen und CAT stand am anderen. Sie hatten zwar ein Bild von Trivial. Aber es war fraglich, ob er sich auf der Straße blicken ließ.
Die Sonne ging langsam unter. BMW Sportcoupes und die S-Klasse Mercedes Wagen rollten in die baumbepflanzte Straße. Die Anwälte, Bankdirektoren und dynamischen Jungmanager kehrten von der Arbeit zu ihren Familien heim oder besuchten ihre Geliebten. Es dauerte fast bis halb acht, bis Dr. Kill etwas auffiel. Ein Lieferwagen eines Spezialitätenrestaurants namens "Abbeyhouse" hielt vor einem Haus mit der Nummer 28 ganz in seiner Nähe. Der Fahrer stieg aus, öffnete die Hintertür des Wagens und kam bepackt mit einem Berg Schüsseln und Aluminiumbehältern wieder heraus. Mühsam klingelte er an der Gartentür. Er bückte sich um in die Gegensprechanlage zu sprechen, wobei die Flasche Wein, ganz oben auf dem Essensberg, beinahe herunterfiel. Die Tür sprang auf und oben wurde die Haustür geöffnet.
Nichts besonderes. Nur, das der untersetzte Glatzkopf, der die Tür öffnete, einen Pistolenholster trug. Er verschwand und 3 Minuten später begleitete er den Essensboten wieder heraus. Er wartete, bis er die Treppe hinuntergegangen und die eiserne Gartentür geschlossen hatte, bevor er selbst die Haustüre wieder schloss. Noch bevor er dies tat, hatte Dr. Kill einen hübschen Satz Fotos von ihm geschossen.
Er startete den Wagen und fuhr zu CAT, der stand unter einer aus dem Grundstück hängenden Hecke und eilte ihm entgegen, als er ihn kommen sah.
Gleich nachdem er eingestiegen war berichtete Dr. Kill ihm das Beobachtete.
"Wir müssen wohl warten, bis die Fotos entwickelt sind. So Typen wie du sie beschrieb hast, gibt's hier massenweise."
Sie kehrten in die Wohnung zurück, wo Dr. Kill sofort die Digitalkamera an den Laptop anschloss. Fossi und CAT beugten sich darüber. Ein paar Äste hingen zwar ins Bild, störten aber nicht weiter. Der bullige Kerl mit dem Pistolenholster war gut zu erkennen. Ungefähr 1,80 Meter groß, ziemlich breit, Doppelkinn und schiefe Nase, die anscheinend schon mehr als einmal gebrochen war.
CAT kannte ihn nicht.
"Vielleicht weiß Ruth was. Hoffentlich kommt sie bald zurück."
Von den vier Vermissten hatte sich nur Kenai einmal über das Handy gemeldet, er stand mit dem VW Bus in den Shankhills vor dem Friedhof, aber weit und breit nichts von Ruth oder Luke zu sehen. Luke hatte sich nicht gemeldet, war aber auch schwer, denn sein Handy lag auf dem Seitbord im Flur. TSB schien es nicht für nötig zu halten überhaupt noch mal aufzutauchen.


TSB lief durch die Gassen des Stadtzentrums, huschte in der Dämmerung durch die Ruinengebiete der Bezirke Court und New Lodge, bis er das Hafenviertel erreichte. Auf einem Zettel hatte er sich eine Adresse notiert. Er dachte schon, er würde es gar nicht mehr finden, aber plötzlich stand er vor der Eingangstür des japanischen Lokals. Obwohl er wusste, dass er richtig war, verglich er noch einmal die Adresse auf dem Zettel, bevor er eintrat.
Fünfzehn Minuten später verließ er das Lokal wieder, mit einem missmütigen Gesicht. Er hatte kein Katana bekommen.
Er machte sich wieder auf den langen Rückweg zu Fuss durch die nächtliche Stadt. Es war jetzt neun Uhr und bereits Dunkel.


Keine 7 Kilometer weiter starteten die Freedom Fighters ihre Offensive zur Rache für den getöteten UFF-Mann und zur Niederwerfung der Volunteer Force. Fast 1000 Aktivisten versammelten sich zu einem "Kulturfestival" in den Lower Shankills. Zu Limb Bizkit, die aus den Boxen dröhnten, stachelten auf einer provisorischen Bühne Jimmy Adsky, der sich rühmte mehr Katholiken getötet zu haben als jeder andere loyalistische Kämpfer, und Mike Rock, der bei einem Attentat zwar den Sinn-Fein Präsidenten Barry Abels verfehlte, dabei aber drei andere Katholiken umbringen konnte, die Menge an.
Zum Schluss der Show stürmten Männer in Kampfanzügen und Skimasken das Podium und feuerten Salven aus ihren Kalaschnikovs über die Köpfe der Zuschauer.
Bier und Schnaps taten das übrige.
Schließlich formierten sich die zu allem Entschlossenen zum Marsch durch das feindliche Gebiet. Als sie an der "Kings Bar", der traditionellen Volunteer-Force-Kneipe, vorbeikommen, fliegen von dort Biergläser und Pappbecher auf die Kampfuniformen. Der Zug dreht um. Schwer bewaffnet kehren die Freedom Fighters auf Lastwagen zurück. Salve um Salve peitscht in die "Kings Bar", Fenster platzen, Biersäulen bersten, Getroffene brüllen. Drei der Kneipengäste stehen nicht mehr auf.
Ein neuer Feldzug im langen Krieg um Nordirland hatte begonnen.

Luke spähte um die Ecke. In der Ferne verklang das Grölen langsam.
Er und Ruth waren mitten in die Falle gegangen. Sie hatten den letzten Bus verpasst, der vom Friedhof in Ardoyne, wo Bobby geboren und auch begraben war, zurück nach Shandon führte. Zu Fuß hatten sie sich aufgemacht eine Taxi zu ergattern. Doch an diesem Abend fuhren keine Taxis mehr. Sie hatten zu spät gemerkt, was sich zusammen braute. Plötzlich waren sie mitten in den Upper Shankills auf die ersten Randalierer gestoßen. Anstatt umzukehren hatte Luke beschlossen möglichst schnell durch das Viertel zu kommen. Ein großer Fehler, denn die Straßenschlachten hatten sich inzwischen auf die angrenzenden Viertel Court und Cromack ausgeweitet. Dort lebten auch Katholiken die rege an den Kämpfen teilnahmen.
Jetzt drückte er sich eng an eine Mauer, und zerrte Ruth hinter sich her, als er die Straße entlanglief. Er wartete auf einen günstigen Moment und spurtete auf die andere Straßenseite. Dort ging es sofort wieder in eine unbeleuchtete Seitengasse.
"Ruth, weiß du in welche Richtung wir müssen. Ich kenn mich hier nicht aus."
"Du bist schon richtig. Wir sind gerade in Cromack und müssen weiter nach Osten."
Im Dauerlauf ging es durch die Gassen. Dann kreuzten sie wieder eine große Querstraße. Hundert Meter weiter die Straße runter zerschlugen etwa zehn junge Männer die Scheiben eines Elektrogeschäftes. Luke und Ruht steckten vorsichtig die Köpfe aus der Gasse und zuckten sofort wieder zurück. Aus der anderen Richtung kamen ungefähr dreißig Halbwüchsige mit Zaunlatten und Eisenstangen bewaffnet die Straße hinunter gerannt. Die zehn Randalierer ergriffen die Flucht und wurden verfolgt. Als die Schreie des Zuges langsam verklangen pirschten Luke und Ruth weiter. Sie liefen wieder durch das Gassengewirr und Luke glaubte, bald würden sie die Brücke erreichen, die über den Logan River führte. Dort mussten sie drüber, wenn sie zurück nach Shandon wollten.

Es war jetzt 22:10 und die Ausschreitungen begannen ihren Höhepunkt zu erreichen. Während in Cromack nur mit Steinen, Baseballschlägern und Eisenketten gekämpft wurde, hatte sich in den Shankhills und an der "Peace Line", die die Katholikengebiete von den Protestantenvierteln trennte, eine Schlacht entwickelt.
TSB stand irgendwo dazwischen auf der Terrasse eines Straßencafes und beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Die Gäste hatte fluchtartig ihre Plätze verlassen und waren ins Innere des Lokales geflüchtet oder hatten sich aus dem Staub gemacht. TSB zündete sich eine Zigarette an.
Er wusste zwar nicht, was da genau vor sich ging, aber er konnte sehen wie etwa dreihundert Meter entfernt, die eine Partei, es waren die Leute von den Freedom Fighters, Molotovcocktails in einen Laden warfen. Etwas weiter hatten andere Straßenkämpfer einen Wagen umgeschmissen und waren dahinter in Deckung gegangen. Sie lieferten sich einen Schusswechsel mit einer zweiten Partei, den Volunteer Forces, die sich in einem Eckhaus verschanzt hatten. TSB erkannte sofort, das der Kampf nicht sehr professionell geführt wurde. Die Schützen zielten kaum und schossen einfach blind in die Richtung, wo sie den Feind vermuteten.
An den Fenstern des Hauses erschienen ab und zu Männer, die einzelne Schüsse auf die Leute hinter dem Auto abgaben. Die Molotovwerfer zogen weiter, als der Laden lichterloh brannte. Hundert Meter weiter steckten sie mehrere parkende Autos in Brand. Auch die Schützen zogen sich langsam zurück, als plötzlich drei Wagen vorfuhren und mit quietschenden Bremsen hielten. Mindestens zwölf Männer sprangen heraus und feuerte Gewehrsalven auf die Bewaffneten. Die IRA hatten den Schauplatz betreten.
Zwei der UFF-Kämpfer fielen sofort getroffen zu Boden. Die anderen packten die Verwundeten und versuchten sich unter Dauerfeuer zurückzuziehen. Die IRA Soldaten trieben die Flüchtenden noch fünfzig Meter vor sich her ehe sie kehrt machten und mit ihren Wagen wieder davon fuhren. Hier war der Kampf vorbei. Die Schützen aus dem Haus, nur drei Mann, machten sich aus dem Staub.
TSB wickelte einen Kaugummi aus und schlenderte weiter. Keiner schien den Schatten zu bemerken. Alle waren zu sehr mit dem Kampf beschäftigt. Und auch wenn sie achtsamer gewesen wären, hätten sie ihn nicht entdeckt. TSB entschied selbst, wann er gesehen werden wollte und wann nicht.


Der Kerl war aus dem Nichts aufgetaucht. Plötzlich stand er vor Ruth und Luke und urinierte gegen eine Hauswand. Es war einer der Freedom Fighters, auf dem Weg nach Hause. Jetzt erleichterte er sich. Der Baseballschläger, der an der Wand lehnte war schon schwer genug.
Luke gab Ruth ein Zeichen leise zu sein und schlich langsam vorbei. Ruth, deren Hand er seit einer halben Stunde nicht mehr losgelassen hatte folgte ungeschickt. Sie trat auf eine leere Bierdose und der Freedom Fighter drehte sich um.
Ruckartig schloss er seinen Hosenstall und griff zu dem Baseballschläger. Luke sprang vor und verpasste dem Kerl einen Kinnhaken und trat ihm im nächsten Moment in die Eier. Der Schwergetroffene klappte zusammen.
"Komm weiter!"
Sie erreichten endlich den Logan River. Ruth keuchte. Luke hatte in sehr hohes Tempo eingeschlagen.
Plötzlich hörten sie das Donnern, das in einer Stadt, die sich im Bürgerkrieg befand, nur eines bedeuten konnte.
Die Ankunft von Panzern.

Sie sahen zu, wie sich vom Osten die Kolonne der Brücke näherte. ... drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Warriorpanzer, die über die Brücke in Richtung Zentrum rollten. Sie rannten weiter. An der Brücke stand ein Militärposten.
"Halt, Passkontrolle!"
Die drei Soldaten mit den grünen Käppis der Fallschirmjäger und den umgehängten Enfield L85A1 Gewehren kamen vorsichtig näher.
Luke zog seinen Pass hervor und reichte ihn dem Nächststehenden. Der studierte das Dokument.
"Germany? Sind sie Tourist? Haben sie sich eine schlechte Zeit ausgesucht. Aber Belfast ist eigentlich nie schön. Im Sommer natürlich schon, aber jetzt im Herbst einfach scheußlich."
Er gab den Pass zurück. Ruth bekam ihren Pass auch wieder von dem Soldaten zurück, der sie kontrolliert hatte.
"...wenn dein Freund irgendwann mal keine Lust hat, können wir vielleicht mal irgendwo hingehen. Am Sonntag hab ich frei und..."
"Vielleicht ein anderes mal." Ruth nahm Luke wieder bei der Hand und zusammen liefen sie über die Brücke.
Auf der anderen Seite war wieder ein Posten und eine weiterer Konvoi näherte sich. Drei Panzerfahrzeuge und ein gepanzerter Krankentransporter rollten in das Kampfgebiet. Erst jetzt merkte Ruth, dass sie immer noch Lukes Hand festhielt.
Gemeinsam schlenderten sie durch die Straßen Richtung Shandon. Sie fühlten sich in Sicherheit und gaben nicht mehr acht. Plötzlich standen die vier kahlgeschorenen Yobs vor ihnen. Einer der Kerle, der schon ziemlich hin und her schwankte, ging achtlos an ihnen vorbei. Die anderen drei stellten sich aber mitten auf dem Gehsteig auf. Luke beschleunigt seine Schritte und drückte sich und Ruth seitlich vorbei.
"Hey nicht so schnell Kleiner!" Einer der Kerle packte Luke am Arm. Der schüttelte sich los.
Sofort umringten die drei Kerle ihn.
"Männer. Was wollt ihr."
"Ein bisschen Spaß mit der Kleinen!" Er versuchte Ruth am Arm zu packen. Luke schlug die Hand weg.
"Fass mich nicht an Arschloch!" Der Rowdy schubste Luke nach hinten. Der vierte Yob war stehen geblieben und sah sich das Ganze an, während er aus einer Bierflasche trank.
Der Anführer der Gruppe kam auf Luke zu. "Na willst du Ärger, Schwuchtel!" zischte er aus der Nase und schubste Luke vor sich her.
Luke kochte vor Wut. Im nächsten Moment packte er blitzschnell den Arm des Angreifers und drehte ihn ihm auf den Rücken. Bevor dieser wusste, was los war ließ Luke seinen Ellenbogen in dessen Genick sausen. Der Rowdy knickte stöhnend zusammen. Aber jetzt fielen die beiden anderen Kerle über Luke her. Die beiden waren schwerer und stärker als er und begannen wie wild auf ihn einzudreschen. Luke wich zurück.
"Ruth lauf weg!" Einer der Kerle drehte sich um. Luke nützte die Chance und trat ihm mit voller Wucht ins Knie. Das Gesicht des Angreifers wurde käseweiß als die Kniescheibe verrutschte. Aber inzwischen hatte es der Anführer wieder auf die Beine geschafft und rieb sich verblüfft das Genick. Der Betrunkene torkelte, die Bierflasche drohend erhoben, näher.
Luke hatte zwei Meter zwischen sich und den zweiten Angreifer gebracht. Der hatte aber plötzlich ein Messer. Wie wild fuchtelte er damit herum und drängte Luke auf die Straße.
In diesem Moment fiel das Licht von Scheinwerfern auf die Szene und ein Wagen hielt mit quietschenden Reifen. Eine große Gestalt sprang heraus und plötzlich sah der Kampf schon ganz anders aus. Der Betrunkene wurde von hinten gepackt, herum gedreht und bekam dann einen Fausthieb mitten ins Gesicht, bevor er kopfvoran gegen eine Mülltone gestoßen wurde. Der Messerstecher wollte seinem Freund zur Hilfe kommen und hetzte auf den neuen Angreifer zu. Der ließ ihn herankommen und packte im letzten Moment den Arm mit dem Messer und drückte ihn weit weg. Seine freie Rechte knallte einmal gerade auf die Nase des Verdutzten und dann zweimal in den Magen. Der Getroffene übergab sich und sackte zusammen. Während er zu Boden fiel rammte ihm der Angreifer noch einmal mit voller Wucht das Knie unters Kinn.
Luke und Kenai, der Retter in der Not, schritten nun gemeinsam auf den Anführer zu, der sich gerade wieder aufrichtete. Kenai ballte seine Faust in der er einen Schlagring hielt, der sonst die Schnalle seines Gürtels bildete, um ihm den Kiefer zu zetrümmern. Luke warf ihm einen verneinenden Seitenblick zu. Im nächsten Moment wurde der Anführer der Rowdys unter den Achseln gepackt und weggeschleift. Ehe er verstand was los war wurde er kopfüber in einen metallenen Müllcontainer gesteckt. Gemeinsam schoben Kenai und Luke den Container an, damit er auf der abschüssigen Straße Schwung bekam. Dann wurde er von alleine schneller und schneller. Die Straße verlief kerzengerade auf die Brücke zu.
Luke half Ruth beim Einsteigen in den Kleinbus. Der Rowdy mit der kaputten Kniescheibe rutschte ängstlich weg. Der Kerl mit dem Messer lag regungslos auf dem Aspalt und blutete heftig aus einer großen Wunde im Gesicht.
Sie stiegen ein und Kenai startete den Motor und fuhr los.
Unten an der Brücke fragte sich gerade ein junger Fallschirmjäger, was da auf sie zugeschebbert kam.


Von Job


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