Teil 3
Überstürzt erreichten die Söldner eine halbe Stunde nach der missglückten
Aktion das Landhaus. Sie gönnten sich keinen Augenblick Ruhe, bis sie nicht
alle im Haus waren und die beiden Wagen sicher in den Garagen versteckt hatten.
Erst dann legte Dr. Kill die MP auf den Tisch und ließ sich seufzend auf
einem Stuhl nieder. Eine Weile sagte keiner ein Wort.
"Obs Chris noch weg geschafft hat?" TSB betrachtete seine großen
Hände.
"Ja, er ist gleich nachdem wir rauskamen abgehauen. Und auch wenn sie ihn
befragen, er hat einfach Lebensmittel ausgeliefert und weiß von nichts.
Scheiße! Wie konnte das passieren. Warum ausgerechnet jetzt?"
Dr. Kill schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Pech gehabt. Sowas von knapp. Das waren sicher Freedom Fighters. Uns wird
keiner verdächtigen, die herumliegenden Leichen sind sowas wie ein Alibi
für uns."
CAT stand ruckartig auf.
"Wie sollen wir jetzt weitermachen? Wir haben keine Ahnung, wo sich Trivial
jetzt verstecken wird."
"Ich weiß auch nicht. Erstmal ausschlafen und morgen sehen wir weiter."
Dr. Kill gab das Stichwort und alle Söldner zogen niedergeschlagen ab.
Die Ritze bewegte sich vor Timothy Fallings Augen auf und ab. Das bis auf die
roten Lederstiefel nackte Mädchen ging in die Hocke, um einen Geldschein
mit den Zähnen von einem alten Mann entgegenzunehmen. Falling wandte sich
ab. In dem Edelbordell inmitten Belfasts waren die wichtigen UVF Männer
versammelt.
Falling hatte sie zu dieser Party eingeladen. Dies war seine Art die Beerdigung
von Rusty Hill zu feiern.
Eine der russischen Prostituierten setzte sich auf seinen Schoss und drückte
ihm ein Glas Champagner in die Hand. Für eine Weile vergaß er seine
Sorgen und fuhr mit der Zunge über die weichen Brüste, die sich ihm
darboten. Die Hand der Frau suchte sich einen Weg in seine Hose.
Ethan riss ihn von seinem Vergnügen los indem er ihm, wie immer viel zu
fest, auf die Schulter klopfte.
"Ärger Chef. Ihr Haus in der Golden Street wurde überfallen.
Der Waffenhändler konnte entkommen und ist jetzt..."
"Ruhe! Nicht hier. Komm mit nach hinten."
Falling ordnete sein Hemd und zog mit einem Ruck den Reißverschluß
seiner Hose zu. Nirgends hatte man seine Ruhe.
Als er wieder aus dem Büro des Bordellbesitzers kam, hatten sich Sorgenfalten
auf seiner Stirn gebildet. Dieser Trivial hatte sich eigenmächtig abgesetzt.
In ein Schloss, dass der Waffenhändler anscheinend schon früher erworben
hatte. Falling hatte davon keine Ahnung gehabt. Wäre Kyle Trivial und seinem
Leibwächter nicht gefolgt, wüsste er jetzt nicht, wo er ihn suchen
sollte.
Falling beschloss sofort dort hinzufahren und das Geschäft mit Trivial
gleich klar zu machen.
"Ethan, hol den Wagen und ruf meine Leute zusammen."
Jimmy Adsky saß in einer Kneipe der Freedom Fighters und die Frau des
Wirts drückte ihm einen mit Alkohol getränkten Wattebausch auf die
Stirn.
"Aua! Ah, das tut weh! Du dumme Gans, verschwinde!"
Adsky scheuchte die beleidigte Frau aus dem Raum und nahm zur Linderung der
Schmerzen lieber einen tiefen Schluck aus der Wiskeyflasche.
Zum dritten Mal erzählte er Philip Black die Geschichte.
"... wir sind gerade ins Haus gestürmt. Haben sie total überrascht.
Aber es war nicht nur ein Nachtwächter da. Da war so ein Kerl. Braune Haare,
weiße Schläfen, goldene Brille, italienischer Anzug. Wollt dem Typ
gerade die Knarre an den Kopf setzten, als so ein anderer Kerl auftauchte. Graue
Haare und ziemlich groß. Mit zwei Maschinenpistolen. Keine Ahnung, wo
der auf einmal herkam. Der Kerl hät uns beinah alle umgelegt. Dennis hats
erwischt. Dann sind die beiden die Treppe rauf und ham sich dort mit so nem
Dicken, ich glaub das war einer von den beiden Zwillingen, verschanzt.
Bevor ich dann noch geschnallt hab, was eigentlich los war, sind so andere Typen
von der Straße aus reingestürmt und haben ein Blutbad angerichtet.
Ich hab noch gesehen, wie so ein riesiger Typ auf mich zu kam, bevor alles schwarz
wurde. Aber die waren nicht von der Volunteer Force. Sonst hät ich die
ja schon mal gesehen..."
Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche, bevor er weiterredete.
"Ich kann mich nur noch an den Großen erinnern. Schwarzer Anorak,
blaue Jeans und schwarze Straßenschuhe. Ein anderer hatte weiße
Turnschuhe. Das hab ich genau gesehen, wie ich auf dem Boden lag, aber alles
so schräg."
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, legte Jimmy den Kopf zur Seite, woraufhin
die Wunde auf seiner Stirn wieder anfing zu schmerzen.
"Ok, was noch?"
"Ich weiß nicht mehr. Ne Uzi hatte der Kerl, und war ziemlich breitschultrig
und groß. Dunklere Haare glaub ich, weiß aber nicht genau. Ich würde
ihn aber sicherlich wiedererkennen. Und die anderen beiden, den Goldbrillenmann
und den mit den MPs auch."
Black schürzte die Lippen. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Mit seiner
weißen Haaren und der braunen Stirnglatze hätte man ihn auch gut
für einen Landpfarrer oder einen Sozialpsychologen halten können.
"Die Aktion muss weitergehen, dass fünf Männer gestorben sind,
ist traurig, aber nicht mehr rückgängig zu machen. Sie starben für
die Freiheit Ulsters. Du bleibst vorerst hier. Ich schick dir einen Mann vorbei,
der früher Künstler oder sowas war. Der kann Phantombilder zeichnen.
Ab morgen suchen wir gezielt nach den Mördern."
Black verließ die Kneipe und fuhr mit seiner Begleiteskorte zurück
zu seiner bewachten Wohnung in den Shankhills. Er wusste genau, wer da in der
Golden Street war. Der Mann mit der Goldbrille war Evelyn Trivial. Nach Adskys
Beschreibung konnte es kein anderer sein. Trivial hatte mit Black Geschäfte
gemacht, bevor er für Falling arbeitete.
Wenn der Kerl in Belfast war, ging es um irgendein Waffengeschäft.
Während Falling aufs Land zu Trivial fuhr und Black neue Pläne schmiedete,
trafen nach Mitternacht die Kämpfer der UFF und der UVF aufeinander. In
den Ruinenvierteln von Belfast flogen Molotowcocktails und Steine von einer
Seite auf die andere. Das waren jedoch alles nur Scharmützel. An der "Peace
Line" töteten Freedom Fighter einen Kneipenwirt und zwei Gäste,
da das Lokal als Treffpunkt der Volunteer Force bekannt war. Als die zwanzigköpfige
Kampfbrigade den Ort verließ und ein Polizeizug eintraf, explodierte in
einem Kleinbus eine Bombe. Die Kraft der 500 Pfund Explosion zerstörte
den ganzen Straßenkomplex und noch ihn zweihundert Meter Entfernung regnete
es Glassplitter.
Dreizehn Zivilisten und acht Polizisten waren sofort tot. Hundert andere wurden
in die sowieso schon überfüllten Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert.
Noch in der selben Stunde bekannte sich die "Wahre IRA" in einem Telefonanruf
bei einer Zeitung zu dem Anschlag, als man dort noch gar nichts von dem Unglück
wusste. Weitere Aktionen folgten in der selben Nacht.
In Court ging eine Autobombe hoch und verletzte zwei Menschen schwer. Ein Trupp
IRA-Soldaten drang bis ins die Shankhills vor und töteten dort zwei Lokalpolitiker
der loyalistischen PUP-Partei vor dem Parteibüro. Im Hafenviertel feuerten
vermutlich Angehörige der "Wahren IRA" eine Mörsergranate
auf einen Militärposten ab. Dabei wurden fünf Soldaten durch Splitter
verletzt. In einem Außenbezirk mit hohem katholischem Bevölkerungsanteil
wurde ein UFF-Dealer von einem Katholiken niedergestreckt.
Die Spitze bildete in den frühen Morgenstunden ein Anruf bei der Polizei.
Eine Bombe befinde sich vor einem protestantischen Kindergarten.
Die eilig herbeigeeilten Beamten fanden in einer Hecke eine scharfe Splitterbombe
mit auf 8:30 Uhr eingestelltem Zeitzünder. Zu diesem Zeitpunkt hätten
die Eltern gerade ihre Kinder gebracht.
Die Bombe wies die Handschrift von Gabriel Macee auf, obwohl sich später
die Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) dazu bekannte.
Am nächsten Morgen wurden wieder die Leichen gezählt. 26 Tote, oder
das was von ihnen übrig geblieben war, wurden in die Leichenhallen getragen.
8 Oktober 2001
Die Söldner kehrten am nächsten Morgen in die Stadt zurück. Scorpion
Chris und Ruth warteten bereits in der Wohnung. Chris deutete sofort auf den
Laptop. Eine neue Nachricht war angekommen. Dr. Kill las sie zweimal durch,
bevor er den neuen Plan erläuterte.
"Ok, gestern hätten wir diesen Trivial beinah gehabt. Aber das Schicksal
hat uns eine zweite Chance gegeben. Barlmoro und Hieb haben auf dem Kontinent
rausgefunden, dass die Waffen höchstwahrscheinlich in ein Dorf mit dem
Namen Dunrack sind. Sie haben uns sogar die Route aufgeschrieben. Hundertprozentig
sicher ist es aber nicht. Wir müssen die Augen nach einem Schloss oder
Herrensitz offenhalten. Möglicherweise befinden sich die Raketen dort.
Außerdem kommen Dac und Seraph noch heute als Verstärkung."
Ohne lang zu zögern erhoben sich die Söldner, um wieder aufzubrechen.
"Äh Boss, ich hab übrigens heut morgen gekündigt. Der Wirt
vom "Abbeyhouse" hätte mich sowieso rausgeschmissen. Ich hab
mir gestern nämlich gedacht, dass ich wegen dem Schock unmöglich noch
Essen ausliefern kann." grinste Scorpion.
"Ok, passt schon. Aber da fällt mir ein, dass ein dritter Wagen nicht
schlecht wäre. Denn kannst du gleich besorgen."
Gerade als die Söldner die Wohnung verlassen wollten, zog Ruth Luke und
Dr. Kill zurück.
"Ich wollt euch noch sagen, dass ich vorhabe zu meinem Onkel nach Manchester
zu ziehen. Während ihr weg wart, hab ich telefoniert. Ich hab tatsächlich
einen Käufer für die ´Irish Lounge´ gefunden. Irgendein Amerikaner,
der unbedingt ein Pub will. So eine Chance kommt nicht mehr so schnell. Ich
muss zuschlagen, ich treff mich heut nachmittag mit ihm in der ´Irish Lounge´.
Außerdem muss ich noch Sachen aus der Wohnung holen."
"Geht natürlich in Ordnung, du kannst selbst entscheiden was du tust.
Einer oder zwei von uns, sollten dich aber begleiten. Die Straßen sind
alles andere als sicher. So gegen 3 Uhr?
"Ok, Luke kann ja vorbeikommen. Ich werde dann sehen, dass ich möglichst
schnell aus Belfast wegkomme."
Bereits gegen Mittag war die "Besichtigung" beendet. In Dunrack, einem
kleinen Dorf westlich von Belfast, gab es tatsächlich ein Schloss. Ein
oftmals umgebauter ehemals viktorianischer Kasten, der in seiner langen Geschichte
schon als Stammsitz, Kaserne, Gefängnis und Brauerei gedient hatte.
Das Schloss lag einige Kilometer außerhalb des Dorfes mit einem geteerten
Weg mit der Landstraße verbunden. Das nächste Gebäude war eine
verlassene Zementfabrik etwa einen Kilometer entfernt. Dort standen die sieben
B&HMP Söldner auf dem Feldweg und betrachteten die Rückfront des
Schlosses durch ihre Ferngläser.
Zwischen der Fabrik und dem Schloss lag ein riesiger Kartoffelacker. Das Schloss
war von einer Mauer umgeben, die jedoch an den meisten Stellen von Bäumen
verdeckt war.
Als es nichts mehr zu sehen gab, fuhren die Söldner zur Landstraße
zurück und von dort auf den geteerten Weg. Nach wenigen Metern hielten
Dr. Kill, CAT und Fossi im Führungswagen an und stiegen aus. Wieder wurden
Ferngläser auf das Anwesen gerichtet.
"Ich seh zwei Wachen. Eine beim Tor und eine auf dem Dach." Fossi
setzte das Glas ab.
"Warte! Da kommt noch eine." CAT wies die Männer auf einen weiteren
Posten hin, der zum schweren Eisengatter in der Mauer trat. Selbst mit den Ferngläser
war auf diese Entfernung aber nicht mehr zu erkennen.
"Ok, das sieht schlecht aus. Am Tag bereits drei Wachen! Ich möchte
nicht wissen, was nachts hier los ist. Aber wir müssen wohl wieder nachts
angreifen. Ich sage bewusst ´angreifen´, denn so schön leicht wie letztes
Mal wird es nicht."
Dr. Kill drehte sich zu den Söldnern um.
"TSB, Chris. Was sagt ihr zu der Mauer, kommt ihr da drüber?"
"Kein Problem. Sollen wir die Wachen von drinnen aus ausschalten?"
"Die Mauer ist also kein Problem. Wie siehts denn mit dem Dach aus?"
"Häh? Dach? Das Haus ist ja mindestens 20 Meter hoch! Aber rein technisch
wärs wohl möglich."
TSB schnitt Chris das Wort ab.
"Würd ich sofort machen. Kein Problem. Aber was sollen wir da oben.
Den Posten auf dem Dach kann doch auch ein Scharfschütze ausschalten?"
"Ja am Tag schon, aber Nachts wird das problematisch. Vom Tor bis zum Schloss
sind es doch fast fünfzig Meter. Schlechte Sichtverhältnisse, mieses
Schussfeld und vor allem haben wir bisher ja gar keine passenden Waffen."
Der letzte Satz war eine Aufforderung für CAT Shannon. Der brummte in seinen
blauen Anorak.
"Hmm, Paddy O´Brien kann uns da nicht weiterhelfen. Du bringst mich in
Verlegenheit. Für so eine Aktion brauchen wir Maschinenpistolen, Gewehre,
Granaten, Sniperrifles, Nachtsichtgeräte und für das Tor ein oder
zwei Panzerfäuste. Das hat Paddy sicher nicht auf Lager. Großbritannien
hat die strengsten Waffengesetze in Europa. Hier ist sogar der Besitz von Kleinkaliberwaffen
verboten. Auch wenn du einen Waffenschein hast. Hier kann man nicht so einfach
wie in den USA in den Supermarkt gehen und sich ein Sturmgewehr kaufen. Die
einzigen, die das haben, was wir brauchen, ist die IRA. Wir können zwar
versuchen mit einem Waffenhändler Kontakt aufzunehmen. Aber die Chancen
stehen 50:50, dass wir in einem Hafenbecken landen."
"Das ist schlecht. Aber eine andere Möglichkeit bleibt wohl nicht.
Vielleicht lässt sich da doch was machen. Wer würde uns die Waffen
denn besorgen?"
"Barry Abels. Er ist Vorsitzender des ´Felons Club´, dem Club der IRA-Kämpfer,
und Chef der Sinn Fein. Ich bin glaub ich ziemlich gut mit ihm befreundet. Er
ist vernünftig und hat sehr großen Einfluss. Früher hat er aktiv
gegen die Briten gekämpft, hält sich aber zur Zeit strikt an das Friedensabkommen.
Aber wenn wir ihm sagen, dass die Volunteer Force mit Raketen aufrüsten
will, wird er uns die Waffen wohl ´borgen´. Natürlich alles geheim. Die
IRA hat das Kriegsbeil begraben und hat genug damit zu tun, sich von den katholischen
Splittergruppen wie der "Wahren IRA", der Irischen Nationalen Befreiungsarmee
und der "IRA der Kontinuität" abzutrennen. Wir müssten mit
ihm reden. Wenn es klappt, haben wir Glück gehabt, wenn nicht, wird uns
auch keiner einen Strick daraus drehen."
Streng nach dem Motto: Gesagt getan; stiegen die Söldner in die Wagen und
fuhren wieder nach Belfast.
Falling war in den frühen Morgenstunden zurückgekommen. Er hatte in
Dunrack einen scheinbar völlig gelassenen Trivial vorgefunden. Sie hatten
die ganze Nacht verhandelt. Falling war klar geworden, dass er Trivial noch
brauchte, wenn er die Nordirland beherrschen wollte. Sie waren schließlich
zu dem Schluss gekommen, dass Falling für zehn Kurzstreckenraketen und
zehn Abschussvorrichtungen insgesamt zweihunderttausend Pfund zahlen sollte.
Das war weniger als er befürchtet hatte. Das Geld sollte bar in drei Tagen
übergeben werden. Das war ein kleines Problem. Falling hatte soviel nicht
flüssig.
Eine Zeitlang hatte er deshalb überlegte, ob die Waffen im Schloss waren.
Wahrscheinlich. Sie zu stehlen wäre eine Alternative zum Kaufen gewesen.
Aber Trivial hatte seinen eigenen Leibwächter aus Amerika mitgebracht und
das Schloss wurde von weiteren fünf Männern bewacht, die eindeutig
nicht aus Irland kamen. Wahrscheinlich angeheuerte Leute aus London. Nicht sehr
zuverlässig.
Falling hatte vor zehn seiner Leute zum Schloss zu beordern. Ethan hatte er
gleich dort gelassen. Nur für den Fall, dass Trivial sich absetzten wollte,
bevor das Geschäft abgewickelt war. Jetzt saß er wieder in seinem
Appartement und löste ein Aspirin in einem Glas Wasser auf. Er hatte nicht
geschlafen. Heute Nachmittag würde er seine Freundin besuchen und außerdem
musste er den Umzug vorbereiten. Als neuen Chef der UVF stand ihm ein besserer
Wohnsitz zu. Da sein eigenes Haus in der Golden Street immer noch blutverschmiert
war und sowieso zu klein, hatte er sich entschieden in Rusty Hills altes Haus
zu ziehen. Der hatte das Haus der PUP vermacht, und die kontrollierte Falling
praktisch.
Rino fühlte sich unwohl in seinem Polyesterhemd und konnte seine Angst
nicht unterdrücken. Der Oberboss Philipp Black saß ihm gegenüber
und beugte sich erwartungsvoll vor. Irgendwo hinter ihm stand Jimmy Adsky und
spielte mit einem Gameboy. Aber was ihm am meisten Angst machte, war dieser
Ausdruck im Gesicht von Mike Rock, von dem er bisher nur gehört hatte.
Er saß einfach nur da, schon seit einer Stunde und rührte sich nicht.
Er zwinkerte nicht einmal!
"Schau dir die Zeichnung gut an, Rino. Bist du dir sicher, dass es der
Kerl ist?"
Rino nickte und nahm einen Schluck Wasser. Seine Hand zitterte. Die Zeichnung
hatte seit heute morgen jeder UFF-Mann in ganz Nordirland. Rino, als pflichtbewusster
loyalistischer Schutzgelderpresser, hatte sich natürlich sofort gemeldet.
"Ich bin mir fast sicher. Ich bin so vor einer Woche in der ´Irish Lounge´
gewesen, als ich das Geld von dieser kleinen Ruth Mahuud abholen wollte. Sie
wissen schon Mister. Vielleicht kennen sie sie. Die Rothaarige mit dem Knackarsch..."
"Deine Puffgeschichten interessieren mich einen Scheißdreck! Hast
du den Kerl jetzt gesehen oder nicht?"
"Ja... Ja, dazu komm ich noch. In der Kneipe war dieser Kerl und zwei Andere.
Die haben Stunk gemacht. Wollten nicht, dass die Kleine zahlt. Hab den Kerl
natürlich alle gemacht und auf die Straße gesetzt. Aber die kleine
Mahuud ist seitdem verschwunden und die Kneipe geschlossen. Vielleicht ist sie
mit den Kerlen weg."
Rino stellte das Glas wieder ab.
"Gutgemacht. Du fährst jetzt mit Jimmy nach Belfast, damit einer ein
Phantombild von dieser Ruth Mahuud und den anderen beiden Kerlen zeichnen kann.
Du hast einen großen Beitrag für die Befreiung von Ulster geleistet.
Es gäbe schon längst keine Katholiken mehr wenn wir mehr so Leute
wie dich hätten. Ich werde mich erkenntlich zeigen."
Black tätschelte Rinos Schulter. Der zuckte unwillkürlich zusammen,
da ihm die Berührung eher unangenehm war.
Endlich saß er im Wagen mit Jimmy Adsky, der einen weißen Mullverband
um den Kopf trug, den er versuchte unter einer Filzmütze zu verbergen.
Black blickte dem Wagen nach und dachte darüber nach, ob diese Männer
die er jetzt suchte, der Schlüssel zu Evelyn Trivial waren.
"Phil. Ich muss hier raus. Ich fahr ein bisschen durch die Gegend. Ich
halts hier drinnen nicht mehr aus." Mike Rock stand auf.
"In Ordnung Mike, mach das. Die frische Luft wird dir gut tun." log
Black. Er wusste, dass Mike Rock am Ende war. Wenn er morgens aufstand sah er
aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Vor einer Woche wäre
das noch undenkbar gewesen. Rock war einer der kaltblütigsten Killer der
UFF gewesen. Er hatte die zwei bisher spektakulärsten Anschläge der
UFF verübt. Das Attentat auf Barry Abels und schließlich das Handgranatenattentat.
Bei der Beerdigung dreier, von SAS-Männern erschossener, IRA-Kämpfer
hatte er mehrere Handgranaten auf die Trauergesellschaft geworfen. Die Granaten
verfehlten jedoch ihre Wirkung und gingen zu spät hoch. Drei IRA Männer
verfolgten Rock durch die Grabsteine. Aber nicht lange. In einem kurzen Feuergefecht
tötete Rock die drei Männer und entkam unbehelligt. Neben den drei
Toten hinterließ er sechzig zum Teil Schwerverletzte. Seitdem nannten
sie ihn "Graveyard-Killer".
Aber damit war es jetzt wohl vorbei. Der Scharfschütze war fertig.
Mike Rock verließ das Haus und fuhr die Ahornallee entlang, deren Blätter
der Herbst rot gefärbt hatte. Er wollte zum Grab seiner Frau Alice und
seiner Tochter Magarete, die nur drei Jahre alt geworden war.
Ruth fuhr in die Shankhill Road. Der amerikanische Verrückte wartete schon.
In dieser Gegend ein Pub zu kaufen. Verrückt. Selbst die Wandbilder der
Paramilitärs überall in den Straßen, die arbeitslosen Jugendlichen
in den Army-Hosen und die Militärpatroullien schienen ihn nicht abzuschrecken.
Luke begleitete sie. Nach eineinhalb Stunden hatte die "Irish Lounge"
ihren Besitzer gewechselt. Der Amerikaner hatte auch nicht vorgehabt das Lokal
weiterzuführen sondern plante hier eine Supermarkt zu bauen. Sollte er
ruhig, er würde noch sein Wunder erleben. Die Paramilitärs hatten
in den Shankhills bei jedem Bauvorhaben ein Wörtchen mitzureden. Besonders
wenn eine ihrer Stammkneipen einem amerikanischem Supermarkt weichen sollte.
Sie verabschiedeten sich vor der Tür und Ruth stieg wieder mit Luke in
den Volvo. Als sie zur Wohnung zurück fuhren, folgte ihnen unbemerkt ein
verbeulter Pickup mit zwei Freedom Fightern. Am Rückspiegel hingen schlechte
Zeichnungen von Ruth, Luke, CAT Shannon und Dr. Kill.
Seraph und Dactylartha wurden von Kenai und Scorpion vom Flugplatz abgeholt.
Den beiden Söldner wurde sofort die momentane Lager erläutert.
Am Abend machten sich auf den Weg. Keiner ahnte, wie dicht ihnen der Feind schon
auf den Fersen war. Bis auf die Uzi hatten sie alle Waffen mitgenommen. Dummerweise
hatten sie für die nunmehr neun Söldner nur sieben Pistolen.
Heute Abend würden sie das katholische Viertel aufsuchen, in dem der "Felons
Club", der "Club der Verbrecher" wie er im Volksmund heißt,
lag. Kein sehr angenehmer Ausflug. Die Sonne ging langsam unter und die britischen
Soldaten und die Polizisten polierten ihre Panzer und Schlagstöcke. Es
war sicher, dass es heute Nacht wieder besonders schlimm werden würde.
Luke blieb bei Ruth im Haus. Die packte ihre Koffer. Übermorgen würde
sie Nordirland verlassen.
Als die acht Männer im Volvo und dem VW-Bus, der neu gemietete Wagen, ein
geräumiger Ford, blieb zurück, Richtung Westen wegfuhren, folgte ihnen
ein schwarzer Mazda.
Sie kamen unbeschadet in die katholische Falls Road. Dort parkten sie die Wagen.
Die paar Passanten, die nach Sonnenuntergang noch auf den Straßen waren
beachteten sie kaum. Der "Felons Club" war ein anscheinend vor kurzem
renoviertes Pub. Sie blieben auf der gegenüberliegenden Straßenseite
bei einem Fish and Chips Stand stehen.
"Die Männer und Frauen wechseln hier jeden Abend von der Irish Republican
zur Irish Publican Army, zur Armee der Pub-Kampftrinker. Aber sie bleiben die
eiserne Garde der militanten Republikaner. In der Lounge sind an manchen Abenden
mit achtzig, neunzig Klubmitgliedern über 1000 Jahre Gefängnis versammelt.
Denn im ´Felons Club´ kann nur Mitglied werden, wer von den Briten interniert
oder inhaftiert wurde. Nelson Mandela ist übrigens Ehrenmitglied."
"Danke CAT, das beruhigt uns ungemein. Also machen wir, dass wir da rein
kommen. Der Laden scheint heute ja gerammelt voll zu sein. Dac und Seraph bleiben
draußen und behalten den Eingang und die Autos im Auge. Uns kennt man
möglicherweise schon. Auf geht´s."
Neben der Eingangstür standen zwei finstere Gesellen, die die sechs Männer
aber durchließen. Drinnen schlug ihnen rauchige Luft entgegen. Köpfe
drehten sich zu ihnen herum. Forsch schritten die Söldner vorwärts.
Der Raum war erstaunlich groß. Ein großer Schankraum, bis auf den
letzten Platz besetzt und zahlreiche Nischen, in denen weitere Tische, Fernseher
und Vitrinen standen. Über der Theke hing eine irische Flagge. CAT redete
den Mann hinter dem Tresen auf gällisch an.
"Ich möchte gerne zu Barry Abels."
"Oben."
Die Männer gingen zur hölzernen Treppe. Als einige Leute merkten,
was sie vorhatten wurde es für ein Pub unheimlich still. Die Treppe stand
frei im Schankraum. Und an den Geländern standen dichtgedrängt Männer
und Frauen mit Biergläsern in der Hand. Dr. Kill und CAT Shannon gingen
voran. Kenai und Fossi waren die letzten. Sie waren hier Fremde, Eindringlinge
in einem Mikrokosmos, zu dem nur Eingeladene Zutritt hatten. Kenai und Fossi
machten sich darauf gefasst, jeden Moment ein Messer in den Rücken zu bekommen.
Am Absatz der Treppe stellte sich ein pockennarbiger Bursche den Söldner
in den Weg.
"Stop. Hier geht´s nicht weiter. Wer seit ihr? Ihr seit keine von uns.
Kenneth, filz die Burschen mal!"
"Aber das ist doch CAT Shannon!" erwiderte der Angesprochene.
"Ja Bob, das ist CAT Shannon." kam es von weiter hinten. Plötzlich
schien jeder im Pub dem anderen etwas zuzumurmeln. Es dröhnte wie in einem
Bienenstock.
"CAT wer?" der pockennarbige Mann, der anscheinend Bob hieß,
runzelte die Stirn."
Kenneth schob ihn beiseite und streckte CAT die Hand hin.
"Hallo CAT, erinnerst du dich noch an mich? Du hast mich ein paar Tage
bei dir versteckt, als die Briten mich suchten."
"Natürlich Kenneth. Aber weißt du wo Barry ist? Ich müsste
mit ihm sprechen. Meine Freunde sind natürlich sauber."
"Komm mit."
Kenneth führte die Söldner durch zwei großzügig mit roten
und grünen Clubsesseln ausgestattete Räume, in denen nur ein paar
Leute saßen. In einem der Zimmer legte ein Mann Ende Fünfzig eine
Zeitung beiseite, als die Söldner eintraten.
"CAT? Du hier? Was führt dich zu mir? Hast ja eine halbe Armee dabei."
"Ich und meine Freunde brauchen deine Hilfe, Barry. Es geht um etwas Wichtiges.
Können wir wo reden, wo wir ungestört sind?"
Auf Barrys Wink hin, zog Kenneth einen roten Brokatvorhang in die Türöffnung.
Das grenzte sie zwar überhaupt nicht ab, schaffte aber immerhin das Gefühl
von Vier-Wänden.
An den Wänden hingen gerahmte Bilder von den Helden des "800-jährigen
irischen Widerstands" gegen die Briten bis hin zu den "Gibraltar 3".
Die drei IRA-Mitglieder wurden 1988 in Gibraltar von einer britischen Spezialeinheit
erschossen, als sie unbewaffnet und mit erhobenen Händen vor ihrem Auto
standen.
Dr. Kill erzählte Abels die gesamte Geschichte, verschwieg aber den momentanen
Aufenthalt Trivials, das Forsthaus und die Einzelheiten.
"... wie sie wahrscheinlich gemerkt haben, ist es wichtig, dass die Raketen
nicht in die Hände der Ulster Volunteer Force oder einer anderen Gruppe
geraten. Für sie und für uns. Stellen sie sich nur vor, was die UVF
mit den Raketen tun würde. Sie könnte zum Beispiel drohen, ein Flugzeug
abzuschießen und so die Verhandlungen zum kippen bringen. Deshalb sollten
sie uns helfen, die Raketen aus dem Land zu schaffen."
Barry Abels stütze den Kopf auf die Hände.
"Ich soll ihnen also helfen? Ich bin überzeugtes Mitglied der IRA.
Haben sie nicht Angst, dass ich sie nur benütze um selbst an die Raketen
zu kommen?"
"Ich vertraue ihnen. Die IRA hat sich bisher an die Friedensverhandlungen
gehalten."
"Da haben sie recht. Ich und meine Kameraden haben kein Interesse an einem
Neuaufflammen des Krieges. Wir haben einen neuen Kurs eingeschlagen. Wir werden
an den Wahlurnen den Krieg gewinnen. 45 Prozent der nordirischen Bevölkerung
sind Katholiken. Aber die Zahl wird ständig größer. Die Hälfte
der Schulkinder und 68 Prozent der Studenten sind Katholiken. Tendenz steigend.
Die Protestanten haben Angst, dass wir sie behandeln wie sie uns, wenn wir erst
einmal die Regierung und die Mehrheit in der Bevölkerung stellen. Aber
dem ist nicht so. Seit 800 Jahren hat mein Volk gelernt, was es heißt
unterdrückt zu werden. Wir waren der Freiheit nie so nahe wie jetzt. Wir
sind daran interessiert, dass die Unruhen aufhören.
Leider gibt es auch unter uns Leute, die gegen eine friedliche Lösung des
Konflikts sind. Viele mit denen ich früher gekämpft habe, haben sich
von dem neuen Kurs der IRA abgewandt und verfolgen nun eigene Ziele. Für
die Anschläge in letzter Zeit sind wir nicht verantwortlich. Wir waren
seitdem Ausbruch der Gewalt jeden Abend hier und können das gegenseitig
bestätigen. Wir haben zwar unsere Waffen nicht abgegeben, benützen
sie aber nur noch zur Verteidigung."
"Heißt das, dass sie uns helfen?" Dr. Kill unterbrach Abels,
in der Befürchtung, er würde anfangen das ganze Parteiprogramm der
Sinn Fein vorzutragen.
Barry räusperte sich: "Was sie erzählt haben klingt beängstigend.
Sollte die UVF wirklich mit Raketen bewaffnet werden, wäre dass eine erhebliche
Gefahr für uns und alle friedlichen Iren. Ich sehe ein, dass dieser Waffenhändler
und seine ´Ware´ aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Aktiv kann ich
ihnen nicht helfen. Ich halte mich an mein Versprechen, mich nicht in Kämpfe
einzumischen. Aber ich werde dafür sorgen, dass sie es ein ´bisschen leichter´
haben an die Ausrüstung zu kommen, die sie brauchen. Aber seien sie vorsichtig.
Ich oder die Irish Repulican Army wollen nicht mit der Sache in Verbindung gebracht
werden. Ich werde mich darum kümmern. Kommt morgen noch ein mal."
"Vielen Dank, Mister Abels. Hier wäre eine Liste mit den nötigen
Ausrüstungsgegenständen." Dr. Kill reichte ihm die Liste und
erhob sich aus dem weichen Ohrensessel.
"Kenneth wird sie nach draußen begleiten." Barry schob den Vorhang
zur Seite und die Söldner folgten Kenneth wieder nach unten.
Als sie weg waren, winkte Barry Abels einen Mann herbei und flüsterte ihm
etwas ins Ohr.
Seraph trank einen Schluck Cola aus der Dose. Es war doch schon verdammt kalt
und jetzt fing es auch noch an zu regnen. Er nahm die Dose von einer Hand in
die anderen, um abwechselnd seine kalten Finger im Mantelärmel zu wärmen.
Dactylartha stand ein paar Meter weiter und beobachtete mit seinem, in der Wildnis
geschärften Augen, ebenfalls die Straße. Vor dem "Felons Club"
standen jetzt einige Kerle mit ausgebeulten Lederjacken. Ab und zu kamen weitere,
nicht gerade vertrauenseinflössende, Männer vorbei und beäugten
Seraph und Dac argwöhnisch. Die IRA hatte anscheinend Sicherheitsvorkehrungen
getroffen um ihre "Elite" im Club zu schützen. Seraph, ein ausgebildeter
GSG-9 Scharfschütze, glaubte sogar einige Schatten hinter Erkerfenstern
ausmachen zu können, die eindeutig mit Feldstechern die schummrige Falls
Road absuchten.
Er dachte mit Sorge daran, dass ein IRA Scharfschütze vor wenigen Jahren
einen nordirischen Abgeordneten mit einem Barrett M82A2 erschossen hatte. Davon
hatten sie sogar bei der GSG-9 gehört. Er fand es nicht sehr beruhigend,
dass der Lauf eines 50cal Gewehr im Moment auch auf ihn gerichtet sein konnte.
Dac schlenderte bis zur Straßenecke und kehrte wieder um.
"Fehlt bloß noch, dass uns einer von den Kerlen filzen will. Siehst
du den Wagen da? Der ist steht schon da, seit wir gekommen sind."
Seraph reichte Dac die Coladose, um seine schwarze Wollmütze aufzusetzen,
und warf dabei unauffällig einen Blick auf den Wagen. Ein schwarzer Mazda
parkte mit laufendem Motor auf dem Bürgersteig in einiger Entfernung.
"Hat hoffentlich nichts zu bedeuten. Wenn man uns überfallen will,
haben wir sowieso keine Chance. In der Straße hier sind mehr Bewaffnete
als bei einer Militärparade. Da kommen schon wieder welche."
Zwei kräftige junge Männer bogen aus einer Gasse in die Straße
ein und sahen sich nervös um. Beide hatten sich einen Schal um den Hals
gewickelt und die Schirmmützen tief in die Stirn gezogen.
Dac und Seraph sahen wieder in die andere Richtung und wippten auf den Zehenspitzen
hin und her. Wie lange wollten die anderen sie noch im Regen stehen lassen?
Plötzlich spürte Dac den Lauf einer Waffen im Rücken.
"Kein Mucks. Wir steigen jetzt zusammen in den Wagen und fahren aus diesem
Drecksviertel raus. Der Boss will mit euch über was reden was in der Golden
Street passiert ist." zischte ihnen einer der Männer ins Ohr.
"Nur ruhig. Wir tun, was sie sagen, sie haben die besseren Argumente."
Dac warf Seraph einen ratlosen Blick zu.
Langsam setzten sie sich in Bewegung. Seraph ging alles Mögliche durch
den Kopf. Sollten sie sich wehren? Nein. Wenn die Männer von der IRA waren,
war das das Dümmste, was sie tun konnten. Er hatte zwar seine kugelsichere
Weste an, aber er wusste, dass Dac keine hatte und bei einem aufgesetzten Schuss
half so eine Weste auch nicht sehr viel. Sie erreichten den Wagen. Der Mann
am Steuer beugte sich rüber und öffnete die hintere Seitentür.
Dac warf eine Blick auf den "Felons Club" in 50 Metern Entfernung.
Wo blieben die anderen, verdammt noch mal!?
Zwei der Türsteher überquerten die Straße, die Hände in
den Jackentaschen. War das ein Zeichen, dass die Kidnapper nicht von der IRA
waren? Jetzt öffnete sich auch die Clubtür und CAT Shannon trat ins
Freie und hielt nach Dac und Seraph Ausschau.
"Na wird´s bald? Steig schon ein." der Mann mit der Pistole versuchte
ihn in den Wagen zu schubsen.
"Nein danke!" Dac drehte sich blitzschnell um und drückte die
Hand, die die Waffe hielt, weg.
Seraph sah sofort, was Dac vor hatte, wirbelte herum und verbog dem verdutzten
Gegner den Arm. Er versuchte noch seine Waffe freizubekommen, als Seraph seinen
Kopf mit voller Wucht auf das Autodach schlug. Bewusstlos fiel er in sich zusammen.
Dac hatte weniger Glück. Der andere war kräftiger als erwartet. Dac
rammte dem Kerl die Faust mitten ins Gesicht und bekam selbst ein Knie in den
Bauch. Er torkelte zurück - wenn man davon bei einer Kampffläche von
einem Quadratmeter reden kann - und griff zu seinem Schulterholster in dem die
Beretta steckte. Aber der Gegner hatte sich schon umgedreht und suchte schwankend
das Weite.
Die beiden Türsteher hatten beim ersten Anzeichen des Kampfes, genauso
wie CAT und TSB, der ebenfalls auf die Straße getreten war, die Beine
in die Hand genommen und eilten zum Kampfplatz. Der schwarze Mazda startete
mit durchdrehenden Reifen und raste wie ein Rennwagen die Falls Road hinunter.
Seraph griff ebenfalls zu seiner Waffe, der Ruger Automatik, und legte auf den
Flüchtenden an.
"Nur ein Beinschuss für dich Arschloch." raunte er.
Jimmy Adsky hatte bei dem Handgemenge mit Dac seine Mütze verloren. Der
weiße Verband um seinen Kopf bot ein perfektes Ziel für den Scharfschützen
im fünften Stock des Eckhauses.
Noch ehe Seraph oder Dac abdrücken konnten, zerfetzte der Schuss des Fensterschützen
Adskys Schädel in tausend Stücke.
Die beiden Türsteher richteten ihre Waffen auf Seraph und Dac.
"Waffen weg ihr Scheiß Protestanten!"
"Halt! Nicht schießen! Die gehören zu uns. Wir sind auf Einladung
von Barry Abels hier."
Die beiden Männer sahen sich skeptisch an. CAT hatte auf Gällisch
gerufen und der Name des IRA-Offiziers Barry Abels, bewegte die beiden Männer
dazu die Waffen wenigstens für den Moment ein Stück zu senken.
Kenneth kam mit Dr. Kill, Fossi, Kenai und Scorpion Chris herbeigerannt.
"Ist schon in Ordnung! CAT, mach dass du und deine Freunde hier wegkommen.
Kommt auch morgen nicht. Gib mir deine Adresse, damit ich dich erreichen kann!"
Er warf einen Blick auf den Bewusstlosen: "Freedom Fighters. Was zum Teufel
machen die hier? Sind die lebensmüde?"
Während die anderen zu den Wagen eilten, kritzelte Shannon schnell die
Adresse der Belfaster Wohnung und Dr. Kills und seine eigene Handynummer auf
einen Zettel. Fossi bremste den VW-Bus abrupt ab und CAT sprang hastig hinein.
Die anderen waren aber schnell wieder zurück. Er suchte seine Schuhe und
verminderte die Lautstärke des Fernsehers, worauf er einen entpöhrten
Ruf von Ruth erntete, die sich mit ihm gerade die englische Ausgabe von "Wer
wird Millionär?" anschaute. Es klingelte wieder.
Wieso sperrten sie nicht auf? Er ging in den Gang. Hinter ihm wurde der Fernseher
wieder lauter.
"Ich komm ja gleich." fluchte er.
Bevor er noch die Hand auf die Türklinge legen konnte, schmiss sich jemand
gegen die Tür. Luke zuckte zusammen. Das waren nicht die anderen Söldner!
Jemand versuchte in die Wohnung einzudringen. Wieder ein Bumms und die Tür
bog sich in den Angeln.
"Ruth! Zieh dich an!"
Luke sah sich suchend um und schob schließlich eine Kommode für die
Tür. Das würde sie hoffentlich eine Weile aufhalten. Er eilte in die
Küche. Die beste Waffe, die er finden konnte, war ein scharfes Tranchiermesser.
Als er wieder in den Flur trat stand Ruth in Türrahmen und blickte ihn
mit ängstlichen Augen an.
"Los, wir müssen hier raus! Mach schnell."
Die Tür splitterte. Jemand bearbeitete sie jetzt offenbar mit einer Axt
oder einem Vorschlaghammer. Luke eilte durch die Wohnung und versperrte alle
Türen. Feuertreppe oder Ähnliches gab es nicht. Aus dem vierten Stock
zu springen, war auch nicht möglich.
Aber von einer Tür im Flur führte eine Feuerleiter nach unten. Vom
Fenster des Schlafzimmers waren es nur 2 Meter bis zur Leiter. Im Beton befanden
sich quer Spalten, um die verschiedenen Stockwerke optisch zu verdeutlichen.
"Ruth, komm her. Du musst da rüber klettern. Schaffst du das?"
"Mein Gott ist das hoch! Wie soll ich da rüber kommen?"
"Du kannst deine Füße in den Spalt stellen. Mit den Händen
musst du dich erst an dem Rollokasten festhalten und dann an dem Geländer
der Feuerleiter. Uns bleibt keine andere Wahl."
Zögerlich stellte sich Ruth auf das Fensterbrett und suchte mit der Fussspitze
die Spalte im Beton. Luke konnte die Panik in ihren Augen sehen und hielt ihre
Hand. Das Knirschen von Holz wurde lauter. Luke ließ Ruth auch nicht los,
als sie schon auf dem Betonabsatz stand und sich langsam nach rechts schob.
Am gefährlichsten war die Stelle, an der man den Rollokasten loslassen
musste um zum Gitter der Feuertreppe zu greifen. Ruth zögerte und blickte
Luke flehend an.
"Komm schon. Du schaffst es, nur noch ein kleines Stück. Nicht nach
unten sehen."
Die Tür brach. Laute Schreie im Flur. Ruth ließ los und torkelte.
Ihre Hand fasste nach dem Metallgitter und krallte sich fest. Luke erlebte einen
Schockmoment. Aber schließlich setzte Ruth auch beide Füße
auf das Gitter. Jetzt war er dran. Er kam nicht mehr dazu. Jemand trat die Schlafzimmertür
ein und stürmte in den Raum. Luke halb aus dem Fenster gelehnt, sah wie
die Gestalt mit der schwarzen Sturmhaube ihn packte und wieder hineinzerrte.
"Na, hab ich dich. Unser Boss will dir ein paar Fragen bezüglich eines
Waffenhändlers stellhlh." Luke rammte ihm das Messer bis zum Heft
in den Bauch.
Er sah wie ein zweiter Maskierter in der Tür erschien. Er zog das Messer
wieder aus der tiefen Wunde und schleuderte es dem Gegner entgegen. Der sprang
zur Seite und das Messer schlug mit dem Griff voran nutzlos gegen die Wand und
fiel klirrend auf den Boden. Luke hechtete zum Fenster, setzte aufs Fensterbrett
und atmete tief durch. Er sprang.
Er dachte er würde fallen und auf dem Teerboden aufschlagen, aber plötzlich
hing er am Gitter der Feuertreppe und suchte mit seinen Füßen wild
rudernd Halt. Ruth packte seinen linken Arm und versuchte ihn daran hochzuziehen,
ohne Erfolg. Schließlich zog sich Luke mit einem letzten Ruck hoch und
brachte einen Fuß über das Geländer. Ruth zerrte ihn darüber.
Gemeinsam landeten sie auf dem metallenen Bodengitter. Doch es blieb ihnen keine
Zeit zum Durchatmen. Einer der Eindringlinge beugte sich aus dem Fenster und
drückte ab. Die Kugel sauste knapp über Lukes Schulter in die Nacht.
Luke sprang auf und riss Ruth hoch. Er zerrte sie zur Leiter und drückte
sie nach unten.
"Kletter so schnell du kannst!"
Ruth ließ sich nicht zweimal bitten und hangelte sich nach unten. Luke
folgte direkt hinter ihr. Sie waren auf Höhe des ersten Stockes, als oben
eine Tür aufgerissen wurde und wieder Schreie zu ihnen drangen. Schüsse
ratterten durch den Hinterhof. Einer der Verfolger stand breitbeinig oben auf
dem Absatz der Feuerleiter und feuerte mit einer AK-47 durch das Bodengitter
nach unten. Die meisten Kugeln prallten an irgendwelchen Metallstangen ab, aber
Ruth ließ sich in Panik fallen. Dumpf hörte Luke den Aufschlag. Ohne
lang zu überlegen ließ auch er los und kam neben ihr auf. Er stand
sofort wieder auf und sah, dass Ruth sich verletzt hatte. Mit schmerzverzerrtem
Gesicht rieb sie sich den Knöchel.
"Komm schnell!" Er packt sie unter den Achseln und schaffte es, Ruth
halb tragend, halb schleppend, auf die Straße zu kommen. Ihr Verfolger
war ebenfalls die Leiter hinunter geklettert. Luke sah sich nach einem Versteck
um. Auf der anderen Straßenseite war eine Kneipe. Dort waren sie zwar
nicht sicher, aber eine andere Möglichkeit sah er nicht. Er zerrte Ruth
in das Lokal. Gerade als die Tür hinter ihnen zuschlug, rannte der maskierte
Schütze auf die Straße. Er hatte sie in die Kneipe laufen sehen,
zögerte aber ihnen zu folgen. Schließlich rannte er zurück in
den Schatten des Hofes. Luke wusste, dass er wiederkommen würde. Mit einigen
Kumpanen und dann waren sie hier auch nicht mehr sicher.
"Wenn sie nichts bestellen wollen, müssen sie gehen." Der Wirt
schaute sie ärgerlich an. "Was waren das gerade für Schüsse?
Habt ihr was damit zu tun? Dann macht bloß, dass ihr wegkommt." Er
griff unter die Theke.
"Nein, bitte nicht noch ein bewaffneter Irrer." dachte Luke. Doch
der Wirt holte nur ein Telefon hervor. "Ich ruf die Polizei!"
"Nein warten sie. Kann ich schnell telefonieren? Wir gehen dann auch gleich
wieder."
Stirnrunzelnd schob der Wirt Luke das Telefon hin.
Luke rief Dr. Kill an und erklärte ihm möglichst schnell das Vorgefallene.
Dr. Kill zeigte sich besorgt und gab ihm genaue Anweisungen, was jetzt zu tun
sei.
"... bleib auf keinen Fall, wo du jetzt bist. Sie werden sicherlich zurückkommen.
Wir treffen uns im Zentrum im Crown Liquor Saloon. Vor der Wohnung steht der
gemietete Ford. Benutz ihn auf keinen Fall! Vielleicht warten sie nur darauf.
Miet am besten ein Taxi. Und vor allem mach schnell!"
Luke rief ein Taxi und wartete quälend lange fünf Minuten bis es ankam.
Luke stütze Ruth wieder, die immer noch humpelte, und sie verließen
die Kneipe. Zwei Minuten nachdem das Taxi losgefahren war, stürmten vier
Freedom Fighter mit gezückten Waffen die Kneipe, fanden aber nur einen
verängstigten Wirt vor. Zur Sicherheit erschossen sie ihn.
Das Militär rückte erst eine Stunde nach dem Schusswechsel in der
Falls Road an. Inzwischen war auch der bewusstlose UFF-Mann auf unerklärliche
Art und Weise verstorben. Die Soldaten luden die Leichen auf und machten den
Versuch Zeugenaussagen zu sammeln. Jedoch schien in der ganzen Straße
auf einmal kein einziger Mensch mehr zu wohnen. Selbst im "Felons Club"
brannte kein Licht mehr und die Tür war verriegelt. Den Soldaten war dies
nicht geheuer und sie stiegen so schnell wie möglich wieder in ihre gepanzerten
Fahrzeuge, um den gefährlichen Ort zu verlassen.
In der folgenden Nacht musste sie noch dreimal ausrücken. Einmal war ein
Kneipenwirt in Shandon erschossen worden und in den Shankhills lieferten sich
Unbekannte mit einer Streifenwagenbesatzung ein Feuergefecht. Hinzukamen die
üblichen Straßenschlachten in den Ruinenvierteln.
An der "Peace Line" waren 600 Soldaten aufmarschiert und sperrten
alle Straßen mit Stacheldrahtverhauen. Nachdem sie Stellung bezogen hatten,
wurden sie auch schon von der katholischen Seite aus beschossen. Ein Soldat
wurde von einer Kugel in den Kopf getroffen und verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Seine wütenden Kameraden schossen ziellos zurück und trafen eine 70jährige
Rentnerin in ihrem Badezimmer. Der Vorfall wurde unter den Teppich gekehrt.
Der Soldat der geschossen hatte, wurde nach England zurückgeschickt.
Gegen 3 Uhr morgens explodierte eine Bombe in einem Bus. Der Fahrer und der
einzige Fahrgast waren sofort tot. Direkt danach wurde in Londonderry ein ganzer
Straßenzug in Brand gesteckt. Fünf Menschen starben. Gabriel Macee
bekannte sich im Namen der "Wahren IRA" zu dem Anschlag.
Luke und Ruth waren gegen 12 Uhr Nachts im Crown Liquor Saloon aufgetaucht.
Das Pub galt als das berühmteste von ganz Belfast. Es diente sogar schon
als Kulisse für mehrere Hollywoodfilme. Dr. Kill hatte den Treffpunkt nicht
so sehr wegen der prachtvollen Teak-Holzausstattung und des volkstümlichen
Ambiente ausgewählt, sondern weil er mitten in der Innenstadt lag und die
CBD-Sicherheitszone war. Das hieß, an jeder Straßenecke ein Polizist
und Militärpatroullien. Es war einer der wenigen Orte in Belfast, wo man
einigermaßen sicher war. Man konnte hier sehen, wie das Leben in normalerweise
in Belfast ablief. Paare schlenderten durch die Straßen mit den alten
Häusern und Straßenmusikanten spielten für die Touristen. Aber
heute waren Passanten spärlich gesät.
Dr. Kill war allein gekommen und fuhr Ruth und Luke sofort in das Forsthaus.
Dann kehrte er in die Stadt zurück und ließ den Volvo in einem Vorort
stehen. Es dauerte keine Stunde bis er aufgebrochen und geklaut wurde.
9 Oktober 2001
Philip "Cut the throat" Black tobte. Er hatte die Nachricht von Jimmy
Adsky Tod gehört. In einem Wutanfall
schmiss er einen Briefbeschwerer auf den Überbringer der Botschaft.
Dann setzte er sich hin und überlegte. Auf seiner braunen Stirnglatze schwoll
eine blaue Ader über seinem Glasauge an. Ein Zeichen, dass man ihn besser
nicht zusätzlich aufregen sollte.
Jimmy Adskys Tod war eine Katastrophe. Was hatte er sich dabei gedacht? Er war
ein Verrückter gewesen. Ein skrupelloser Killer. Aber die 14 bis 21jährigen
liebten ihn. Adsky war ein Idol für die Jugendlichen gewesen. In einer
Zeit, in der man mit Gewalt Sympathien gewinnen konnte, war er das beste Aushängeschild.
Immer wenn er auf einer Bühne stand und die Leute anstachelte, schissen
sich die Katholiken und die UVF vor Angst in die Hose.
Adsky hatte die gesamte Jugendarbeit übernommen. Er organisierte die Verteilung
des Propagandamaterials wie die verbotenen UFF-Musik CDs, Zeitschriften und
Extacy.
Ein paar zahnspangenbewehrte Mädchen hängten sich sogar Jimmy Adsky
Poster übers Bett. Der gutaussehende Katholikenkiller war die perfekte
Leitfigur gewesen.
Aber warum war er auch so dumm gewesen? Er hätte diese Kerle verfolgen
und bei einer guten Gelegenheit schnappen sollen. Wie konnte man nur so blöd
sein und die Aktion mitten in einem katholischen Viertel durchziehen? Und auch
noch vor den Augen der IRA! Der Kerl musste einen Anfall von Größenwahnsinn
gehabt haben.
Jetzt waren sie soweit wie vorher. Sie wussten immer noch nicht, wer diese Kerle
waren. Sie gehörten nicht zu der Volunteer Force, aber auch nicht zu den
bekannten IRA Kämpfern. Höchstwahrscheinlich katholische Aktivisten
aus Irland. Das war die einzige Erklärung. Aber was hatten sie in der Golden
Street verloren? Warum hatten sie das Haus gleichzeitig mit seinen Männern
angegriffen? Wussten sie von Trivial? Und wenn ja, wieviel? Würden sie
ihn zu ihm führen?
All diese Fragen würden unbeantwortet bleiben, weil Jimmy Adsky es vermasselt
hatte. Dummerweise konnte er ihn nicht einmal mehr dafür bestrafen.
Mike Rock war auch nicht mehr derselbe wie früher. Jetzt war er mal wieder
da. Er war unten im Kraftraum und bearbeitete seit einer Stunde einen Sandsack.
Eigentlich könnte er gleich auf den Friedhof ziehen, dachte sich Black
sarkastisch. Er stand sowieso die Hälfte des Tages am Grab, das sich seine
Frau Alice und seine Tochter - ihr Name fiel ihm im Moment nicht ein - teilten.
Tim Falling hielt eine etwa 1 Meter lange Rakete in der Hand. Er stand in der
Eingangshalle von Trivial´s herrschaftlichem Anwesen in Dunrack.
"Sie wollten eine Vorführung. Hier haben sie sie. Von diesen Raketen
besitze ich noch 9 weitere. Die Sprengkraft reicht aus um einen schweren Panzer
zu zerstören oder einen Jet abzuschießen. Der Sprengkopf und die
Zielerfassung sind vollkommen neu entwickelt. Praktisch 100% Treffsicherheit,
sogar für Anfänger. Die Raketen können von einer speziellen Schulterlafette
abgeschossen werden. Das ganze kostet sie nur 200 000 Pfund. Sie wissen, dass
das ein Spottpreis ist. Haben sie das Geld dabei?"
"Natürlich nicht komplett. Erst einmal bekommen sie 50 000. Um den
Rest aufzutreiben brauche ich noch einige Tage. Ethan, gib Mister Trivial das
Geld."
Der Riese öffnete einen schwarzen Aktenkoffer und zeigte Trivial die Geldbündel.
"Vielen Dank." Trivial nahm den Koffer an sich. "Wir treffen
uns in drei Tagen wieder."
"Einverstanden. Könnte ich die restlichen Waffen vielleicht sehen?
Sie befinden sich doch hier, oder?"
"Das würden sie wohl gerne wissen. Ich sag ihnen was, Falling: Versuchen
sie keine Tricks. Ich und meine Männer passen auf. Mir gefällt es
nicht, dass sie ihre Mörder hierher gebracht haben. Aber versuchen sie
bloß nicht mich zu verarschen!"
"Sie reden ja fast so, als fühlen sie sich bedroht. Aber nein, lieber
Evelyn, meine Männer befinden sich hier um sie zu schützen. Man hat
versucht sie umzubringen. Vergessen sie das nicht.
Falling drehte sich um und verließ gutgelaunt das Schloss. Ethan, Kyle
und 10 Volunteer Männer blieben zurück. Sie sollten zusammen mit den
5 Männern von Trivial, die Raketen bewachen. Und natürlich ein Auge
auf den Waffenhändler haben.
Um halb fünf in der Frühe trieb Dr. Kill alle acht Söldner gnadenlos
aus dem Bett. Es musste unbedingt für den nächsten Tag geplant werden.
Scorpion Chris, CAT Shannon, Seraph, Luke und Fossi saßen am großen
Holztisch in der Küche. Dac, TSB und Kenai hatten sich Stühle geholt.
Dr. Kill saß verkehrt herum auf einem Stuhl und verdeutlichte mit Handbewegungen
seinen Plan.
"Gestern ist wieder mal was schiefgegangen. Ich kann mir nicht genau erklären,
was passiert ist, aber anscheinend haben die Freedom Fighters etwas über
unsere Anwesenheit erfahren und wollen uns an den Kragen. Wahrscheinlich ihre
Leute rächen, die wir in der Golden Street getötet haben.
Das macht die Sache nicht gerade einfacher. Wir können nur hoffen, dass
es sich CATs IRA-Bekanntschaft nicht noch anders überlegt hat und uns jetzt
ohne Waffen sitzten lässt. Sollten wir jedoch heute noch von ihm hören,
ziehen wir die Sache so schnell durch wie möglich. Ich hab keine Lust hier
hocken zu bleiben und zu warten bis uns die Freedom Fighters finden. Entweder
wir starten den Sturm auf das Schloss schon heute Nacht oder morgen oder gar
nicht mehr."
Fossi versuchte die Kaffeemaschine zu hypnotisieren, die monoton brummte.
"Hoffentlich versucht Kenneth nicht, uns in der Wohnung aufzusuchen. Die
wird sicherlich von den Freedom Fightern überwacht."
Shannon hämmerte mit den Knöcheln auf den Tisch, während er sprach:
"Nein, ich glaube nicht. Kenneth ist von Natur aus misstrauisch. Der wird
den Ärger riechen. Ich bin sicher er ruft an."
Und so geschah es auch. Am späten Vormittag piepste Dr. Kills Handy.
"Hier Kenneth, die Firma hat geliefert. Was gab es denn bei euch gestern
Nacht für Schwierigkeiten? Aber das könnt ihr mir ja auch noch später
erzählen. Wir treffen uns um halb zwölf im Frigods Pub. Dann könnt
ihr die Lieferung übernehmen. Ihr sollten genug Geld mitnehmen."
Kenneth legte sofort wieder auf.
Dr. Kill runzelte die Stirn. "CAT, kennst du ein ´Frigods Pub´?"
"War es Kenneth? Frigods Pub? Warte mal. Ja genau! Es gibt gar kein Frigods
Pub. Das ist ein Geheimsprache. Die IRA hat immer Angst davor, dass man die
Leitungen ihrer Leute abhört. Durchaus berechtigt. Mit Frigods Pub kann
nur Friday-God-House gemeint sein. Einfach das ´day´ weg lassen. Ein Häuschen
am Lake Peach. Kenneth weiß, dass ich es kenne. Die IRA unterhält
dort eine sichere Wohnung."
"Gut. Führ uns hin. Wir haben dummerweise nur noch den VW Bus, und
den müssen wir auch möglichst schnell durch ein neues Auto austauschen.
Dac, Seraph. Ihr mietet am besten noch zwei Wagen. Ihr seit erst seit kurzem
in Nordirland und man kennt eure Gesichter wahrscheinlich noch nicht so gut
wie unsere. Und die die sie gestern gesehen haben sind tot. Von dem Fahrer abgesehen,
weiß keiner was von euch. Und der hat euch wohl nicht so genau gesehen.
Vom Dorf fährt alle drei Stunden ein Bus nach Belfast.
Wir anderen fahren jetzt du diesem See. Kenai und Luke bleiben da und passen
auf."
Während Seraph und Dac, nach Osten, die Straße zum Dorf entlang liefen,
fuhren die anderen im Kleinbus nach Westen.
Bob Samuel hatte es geschafft die Tonbandkassette an sich zu bringen. Er hatte
sie einfach aus der Aufnahmekabine geklaut. Keiner würde der Verlust besonders
auffallen. Die Kassetten wurden meistens kein zweites Mal angehört, sondern
einige Zeit gelagert und dann wieder überspielt. Die IRA besaß ganze
Aktenschränke voll mit Tonbändern und Videokassetten, denn sogar die
Toiletten wurden im "Felons Club" überwacht. Die Kassette sollte
gerade wieder überspielt werden. Hoffentlich war noch nichts gelöscht
worden!
Der pockennarbige Bob, stieg in seinen Wagen vor dem Club und fuhr davon. Er
wollte Gabriel Macee die Kassette geben. Bob war schon lange geheimes Mitglied
bei der "Wahren IRA" und belieferte die aus der IRA ausgestoßenen
Extremisten mit internem Material.
Das etwas nicht stimmte, hatte er schon gestern Abend gemerkt, als die Fremden
mit Barry Abels gesprochen hatten. Heute morgen hatte auch noch jemand eine
Bemerkung fallen lassen, dass die IRA an irgendwen Waffen borge, und deshalb
einer der oberen Offiziere einen Schlüssel für ein Kellerdepot bräuchte.
Bob hatte nachgefragt und die Sache mit dem Besuch am Vorabend in Verbindung
gebracht. Dann hatte er den Tonbandmitschnitt vom Gespräch der Fremden
mit Barry Abels gestohlen. Diese "heiße Ware" musste er unbedingt
an Gabriel Macee übergeben.
Gabriel war sehr erfreut über das Material. Er fuhr sich durch die braunen
Locken und hörte sich das Tonband mehrmals an. Dummerweise war es wirklich
schon zur Hälfte gelöscht worden. Die erste Hälfte des Gespräches
war nicht mehr erhalten. Aber anscheinend wollte irgendwer das Anwesen eines
Waffenhändlers überfallen, das von der Volunteer Force bewacht wurde.
Als das Gespräch auf die Raketen kam, wurde Gabriel hellhörig. Abels
erklärte sich doch tatsächlich dazu bereit, den Fremden zu helfen.
Der verdammte Hundesohn!
Dann war das Gespräch zu Ende und die Fremden verabschiedeten sich. Wer
sie waren war nicht aufgezeichnet worden. Aber keine Briten. Bei dem, der immer
gesprochen hatte, war ein leichter Akzent nicht zu überhören gewesen.
Gabriel setzte sich auf das Feldbett in seinem Kellerversteck und grübelte
über das Gehörte. Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht
hörte, wie Bob das Versteck des "Wahren IRA-Führers" verließ.
CAT Shannon stellte den VW-Bus auf dem Kiesweg ab, der zum "Friday-Gods-House"
führte, ein kleines gelbgedünktes Haus am See mit grünen Fenstern
und Türen.
CAT klopfte an die Tür, aber nichts rührte sich.
Mit einem Schulterzucken sagte er zu den anderen: "Gehen wir mal ums Haus,
vielleicht warten sie dort." Das Grundstück lag einsam und verlassen
am Seeufer und war von dichten Wachholderhecken umgeben. Der Garten war ungepflegt
und der Rasen hätte mal wieder geschnitten werden müssen. Auch im
Garten befand sich niemand. CAT rüttelte an der Gartentür des Hauses.
Enttäuscht traten sie einige Schritte in Richtung See auf den Rasen.
"Vielleicht in dem Bootshaus?" Fossi deutete auf das hölzerne
Gebäude, das auf Stelzen im See stand.
"Wir könnten den netten Herrn da hinten fragen."
TSB deutete mit dem Finger unverhohlen auf den untersetzten Lederjackenträger,
der ein M16 in den Händen hielt und aus der Gartentür des Hauses getreten
war.
Alle fünf Köpfe drehten sich zu ihm um. Der Kerl grunzte irgendwas
auf Gällisch und nickte bedrohlich.
"Wir sollen ins Bootshaus gehen." übersetzte CAT. Zögerlich
schritten die Söldner auf das morsche Gebäude zu. Als sie angekommen
waren, drückte CAT die Türklinge hinunter und trat in den dämmrigen
Raum ein.
Einer nach dem anderen gingen sie in die dunkle Hütte. Fossi war der letzte
und warf noch mal einen Blick zum Haus zurück. Der Mann mit der M16 stand
noch immer in der Gartentür und stierte ihn an.
Es dauerte eine Weile, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Der Hütte war etwa 6 Meter breit, aber bereits nach 2 Metern, war der Boden
zu Ende und Wasser schwappte gegen das Holz. Links und rechts führten Holzstege
nach Vorne, wo sich eine große Tür zum See befand, die jetzt geschlossen
war. Im Wasser des Bootshauses ankerte ein Holzboot mit starkem Außenbordmotor.
Auf einer Kiste auf dem Steg saß Kenneth. Er trug ein blaues Kapuzenshirt
mit langen Schnüren am Kragen zum Zuziehen, auf denen er wie ein kleiner
Junge herumkaute.
"Wurde auch Zeit, dass ihr kommt. Ich hab schon gedacht, dass ihr meine
Botschaft nicht verstanden habt. Die Waffen sind im Boot." Er sprang von
der Kiste und kletterte ins Boot.
"Hilft mir mal einer?"
Er öffnete eine Klappe in der Bodenverkleidung und holte aus dem offengelegten
Hohlraum mehrere in blaue Müllsäcke gewickelte Gegenstände. Es
dauerte eine ganze Weile, bis alles, was in dem Versteck war, sich auf dem Holzboden
des Bootshauses stapelte.
Alle rissen gemeinsam die Folie herunter.
"Ich hab geglaubt ihr spinnt als ich die Liste gesehen habe, die Barry
mir gegeben hat. Was glaubt ihr eigentlich wer wir sind? Die Nationale Rifle
Association? Ich hab mich bemüht alles in der kurzen Zeit zu organisieren.
Die meisten Objekte mussten wir aus Irland über die Grenze schmuggeln."
"Habt ihr alles gekriegt?" Dr. Kill öffnete einen weiteren Beutel
und betrachtete skeptisch das bisher Ausgepackte.
"Nein. Vor allem mit den MPs gabs Schwierigkeiten. Fünf MP5 SD! Es
wäre einfacher gewesen, ein Barrett aufzutreiben!"
"Hättet ihr denn ein Barrett?" Chris grinste ihn an.
"Eines hätten wir schon. Aber ihr würdet es nicht bekommen."
Endlich war alles ausgepackt.
"Also. Ich hab alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber ich konnte nur zwei
MP5 SD auftreiben. Hab selbst nicht gewusst, dass wir sowas überhaupt haben.
Ansonsten hab ich fast alles gekriegt. Zwei AK-47, ein AR180 und noch ein G3.
Haben wir alles von unseren Freunden in den USA und Lybien."
Die Sturmgewehre wurden in eine Ecke gelegt.
"Dann hab ich als Ersatz für die MP5 SDs, eine normale MP5 und drei
MAC 10 eingepackt. Von denen haben wir genug. Für die MP5 war aber kein
Schalldämpfer aufzutreiben. Mit den Knarren gabs keine großen Probleme,
zwei P1. Munition ist in rauen Mengen in der großen Kiste da drüben."
Scorpion und Dr. Kill schleppten die Kiste aus dem schwankenden Boot und öffneten
sie. Darin stapelten sich Munitionsschachteln in allen möglichen Kalibergrößen
und Magazine. Ganz oben lag eine Blechdose.
"Seit vorsichtig! Da ist das Semtex drin."
Unbewusst wichen die Beiden etwas zurück. Fossi nahm die Dose an sich,
die erstaunlich schwer war und öffneten den Deckel. Diese enthielt zwei
in Plastikfolie gewickelten Päckchen. Fossi riss etwas von der Hülle
ab und roch daran.
"Mmh, gottseidank nicht das ekelhafte Fischzeugs. Sondern noch Semtex von
der alten Sorte. Der Neue riecht wie ne Fish&Chips Bude. Die Herstellerfirma
hat extra das besondere Fischaroma rein gemacht, weil immer mehr Terroristen
diesen Plastiksprengstoff benutzen und er so leichter von den Spürhunden
zu finden ist."
Er richtete einen vorsichtigen Seitenblick auf Kenneth, der ja auch in gewisser
Weise ein Terrorist war.
"Zwei Kilo. Und 5 Zünder. Damit könnt ihr ein verdammtes Haus
in die Luft jagen. Handgranaten hab ich ebenfalls wie gewünscht. Fünf
Splitter-, zwei Blend- und zwei Tränengasgranaten. Haben wir den Briten
gestohlen." verkündete er nicht ohne Stolz.
"In dem Sack da drüben sind die Uniformen, Kampfmesser, Ferngläser
und das sonstige Zeugs, das ihr haben wolltet."
"Sehr gute Arbeit. Das hätten wir ja eigentlich alles. Was ist mit
dem Scharfschützengewehr?"
"Ja. Da gabs leider auch Probleme. Wir haben gestern Nacht noch ein M24
nach Belfast geschafft, dann aber festgestellt, dass das Zielvisier nicht drauf
passt. Es war einfacher in der kurzen Zeit ein neues Gewehr und nicht ein neues
Visier mit Restlichtverstärker zu besorgen. Wir hatten noch ein SAKO TRG
21 da. Es stört dich doch hoffentlich nicht, ein Gewehr zu benutzen, mit
dem schon mal ein britischer Abgeordneter erschossen wurde?"
"Nein. Hauptsache eine gute Waffe." antworte Dr. Kill nicht ganz wahrheitsgetreu.
Kenneth nahm das letzte noch eingepackte Bündel aus dem Boot und reichte
es Dr. Kill. Er schien zu merken oder zu wissen, dass er der Scharfschütze
im Team war.
Dr. Kill nahm das Scharfschützengewehr und legte es an. Kenneth reichte
ihm das Zielrohr, aus einer Jackentasche. Dr. Kill brachte es auf der dafür
vorgesehenen Schiene an und zog die kleinen Halterungsschrauben zu. Öffnen
konnte er es noch nicht, da selbst das schummrige Licht in der Hütte für
den Restlichverstärker immer noch zu hell war.
"Gut. Wird schon gehen. Ein M24 wär mir um einiges lieber gewesen.
Wir nehmen alles. Was ist mit dem Preis."
"Den könntet ihr nicht zahlen. Barry hat sich deshalb dazu entschlossen
euch die Waffen für eine Leihgebühr zu überlassen. 20 000 Pfund.
Wenn ihr soviel nicht dabei habt, müsst ihr einige Waffen hier lassen."
"20 000 Pfund? Wieviel bekommen wir davon zurück, wenn wir die Waffen
zurückbringen?"
"Nichts."
TSB meldete sich zu Wort. "Was wollt ihr denn tun, wenn wir einfach mit
den Waffen abhauen."
"In diesem Falle werden wir euch suchen, finden und töten."
"Ach, das glaubst du?" TSB sog geräuschvoll die Luft ein. Bevor
er noch etwas Unbedachtes sagen konnte brach Dr. Kill das Gespräch ab.
"Gut, wir zahlen. Ich hab schon so etwas erwartet und deshalb in der Zentrale
um mehr Bargeld gebeten. Also Jungs, packt mal aus."
Jeder der vier Söldner zog seinen Anorak oder seinen Mantel aus und brachte,
unter mehreren Kleidungsschichten, einen Geldgürtel zum Vorschein, wie
ihn manche Banken auf Wunsch an spezielle Kunden austeilen.
Jeder packte dünne Bündel von Pfundscheinen aus. Nach und nach wurde
der Geldstapel größer, alles 50 und 100 Pfundnoten. CAT übernahm
es alles durchzuzählen und schob schließlich den größeren
Teil des Stapels zu Kenneth. Der zählte noch einmal nach und packte dann
alles in einen der leeren Müllbeutel.
"Quittung oder so gibt es wohl nicht? Da hat die IRA mal wieder ein gutes
Geschäft gemacht." CAT grinste und half den anderen die restlichen
Scheine wieder einzupacken.
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Schön, dass ihr alles schon
in kleine Scheine gewechselt habt. Ich wünsch euch viel Erfolg bei eurem
Vorhaben. Ich schätze ihr wollt mir genauso wenig wie Barry sagen, um was
es geht?
"Richtig geschätzt. Es könnte sein, dass wir Irland nach der
Aktion schnell verlassen müssen. Kannst du mir eine Nummer geben, wo ich
eine Nachricht hinterlassen kann, wo wir die Waffen übergeben? Wir werden
wohl nicht mehr in der Lage sein, noch mal im ´Felons Club´ aufzutauchen."
"Meinetwegen." Kenneth kritzelte etwas auf die Rückseite eines
Flugblattes. "Hier. Aber pass drauf auf, CAT. Das ist meine Privatnummer.
Ich möchte nicht, dass du sie irgendwo öffentlich aushängst."
"In Ordnung. Wir machen uns jetzt lieber vom Acker."
Sie verpackten wieder alles in den Plastiktüten, eine mühselige Arbeit,
und brachten die Waffen in mehreren Gängen zum VW Bus. Der Kerl in der
Lederjacke hielt währenddessen Wache. Über die ganzen Säcke im
Kofferraum, warfen sie noch ein paar Decken. Das musste als Tarnung genügen.
Wären sie bei dieser Fahrt von einem der zufällig verteilten Straßenposten
angehalten worden, hätten sie einiges zu erklären gehabt. Aber sie
kamen unbemerkt und sogar noch pünktlich im Forsthaus an, um ein Stück
von dem Kuchen zu ergattern, den Ruth gebacken hatte.
Ruth war von Fossi, dem besten Arzt im Team, versorgt worden. Ihr Fuß
war nur leicht verstaucht. In wenigen Tagen würde sie wieder vollkommen
gesund sein. Dactylartha hatte ihr zwar ein Gesundheitsamulett angeboten, aber
sie entschied sich doch für die Salbe die Fossi ihr empfahl. Als Ruth zurück
in die Küche ging, beugte sich Dr. Kill vor. Die Söldner steckten
die Köpfe zusammen.
"Heute Nacht. Wir dürfen nicht länger warten. Die Sache spitzt
sich gefährlich zu. Die UFF ist uns auf den Fersen und die UVF gewarnt.
Wenn wir noch länger warten, wird das Risiko zu groß. Habt ihr die
Wagen gemietet?"
"Ja. Wieder einen großen Ford und einen Seat." flüsterte
Dac. "Sollten wir nicht vielleicht noch etwas größeres wie den
VW Bus mieten? Ich weiß ja nicht, wieviel Platz die Raketen einnehmen.
Ich hab auf dem Rückweg eine Spedition gesehen, wo man Kleinlaster leasen
kann."
"Keine schlechte Idee. Fahr später mal hin und hol einen. Also zurück.
Die beste Zeit für einen ´Angriff´, anders kann man es wohl nicht nennen,
ist der frühe Morgen. 1 oder 2 Uhr. Wir hatten leider keine Zeit, uns anzuschauen
wie die Bewachung aussieht. Das müssen wir heute alles vor Ort machen.
Ich hab schon mal eine Plan gezeichnet."
Barlmoro und Hieb hatten am Morgen ein Luftbild vom Schloss geschickt, das sie
irgendwo in einem Archiv ausgegraben hatten. Dieses Foto hing jetzt ausgedruckt
am Kühlschrank und eine Kopie lag auf dem Tisch.
"Das Schloss sieht von oben wie ein U aus. Der untere Querbalken ist das
Haupthaus mit dem Eingangstor in der Mitte. Die beiden gerade Balken sind die
Seitenflügel. Wobei der östliche etwas länger ist als der westliche.
Das Haupthaus steht auf der Nordseite. Nach Süden hin ist das Schloss,
wie das U oben offen. Das ganze ist umgeben von einer Steinmauer. Im Osten ist
sie fast 5 Meter hoch. Im Westen und auf der Vorderseite durchschnittlich 2,5
bis 3 Meter. Auf der Rückseite 4 Meter. Tore konnte ich bei unserem kurzen
Besuch nur zwei sehen. Das vordere Tor. Eine zweiflügelige Eisengittertür,
die wahrscheinlich geschlossen sein wird. Und auf der Rückseite eine kleine
Gartenpforte.
Von dem vorderen Tor bis zur Eingang ins Schloss sind es knapp fünfzig
Meter. Von der Gartenpforte bis zur Rückfront des Schlosses etwa 100 Meter.
Dazwischen befindet sich wohl ein Garten. Wir haben ja von außen Bäume
sehen können.
Nun zu den Wachen. Unser größtes Problem ist, dass wir nicht wissen,
wie viele es sind. Wir haben am Tag drei Stück gesehen. Nachts sind es
sicher mehr. Ich schätze mindestens fünf oder vielleicht sogar acht.
Einer oder zwei werden wohl außen herum patrouillieren. Die restlichen
werden wir schon finden. Am schwierigsten ist der Posten auf dem Dach. Jetzt
wo wir das SAKO Gewehr haben, könnte ich ihn runter holen. Aber das ist
nicht ganz einfach. Wegen der Mauer, die das Schloss umgibt, muss ich mich ein
ganzes Stück weit von der Mauer wegstellen, um den richtigen Winkel zu
bekommen. Und da es dunkel sein wird, wäre ein Schuss auf eine so große
Entfernung Glückssache. Außerdem weiß ich nicht, wie gut der
Restlichtverstärker ist.
Nein. Sicher kann ich nur sein, wenn ich mich vors Eingangstor stelle und der
Posten nur 50 Meter Luftlinie entfernt ist. Das wird aber nicht klappen. Deshalb
hab ich einen anderen Plan."
Sie steckten die Köpfe noch enger zusammen.
"Ihr, Chris und TSB, klettert im Westen über die Mauer. Dort ist sie
ja nur etwas mehr als 2 Meter hoch. Ihr müsst natürlich auf Wachen
acht geben. Dann klettert ihr auf das Hausdach. Ich denke, dass dürfte
für euch beide nicht zu schwierig sein. Wenn ihr oben seit, geht einer
von euch beiden zu diesem Oberlicht." Dr. Kill deutete auf einen Punkt
auf dem Luftbild. "Ich hoffe das ist ein Oberlicht. Aber das sieht auf
jedenfall noch einer Glasscheibe aus. Dort bereitet er alles vor, sich abzuseilen.
Das Oberlicht liegt direkt über dem Treppenhaus der Eingangshalle. Der
andere schleicht sich an den Dachposten ran und beseitigt ihn lautlos. Dann
geht auch er zum Oberlicht und seilt sich mit dem anderen ab. Ich weiß
nicht ob das möglich ist, was meint ihr?"
Scorpion Chris stützte das Kinn auf seine Hände. "Dürfte
schon gehen. Ist natürlich riskant. Kann leicht was schief gehen. Ihr müsstet
dann sofort mit allem was ihr habt angreifen, bevor wir zersiebt werden."
"Wenn wir entdeckt werden und wir sind schon auf dem Dach, ist das kein
Problem. Da können wir uns ewig verteidigen. Nur wenn wir schon vorher
bemerkt werden, siehts schlecht für uns aus. Aber ich würde sagen,
dass der Plan nicht schlecht ist. Ich bin dabei." kommentierte TSB.
"Gut. Dann weiter. Ein zweiter Trupp fährt mit einem Wagen die Straße
zum Eingangstor des Schlosses. Sie müssen die Posten vor dem Schloss, dazu
bringen zum Tor zu laufen. Wenn sie beisammen stehen, werden sie ausgeschaltet.
Zu diesem Zeitpunkt muss der Posten auf dem Dach natürlich schon tot sein.
Dann wird das Tor gesprengt und der Trupp dringt in das Schloss ein.
Ein dritter Trupp fährt mit dem Kleinlaster, den wir hoffentlich bekommen,
zu der verlassenen Zementfabrik und versteckt ihn dort. Ist das erledigt, gehen
sie über das Feld auf das Schloss zu. Sobald der Kampf anfängt, brechen
sie die Gartenpforte auf, verteilen sich im Garten und kommen dem zweiten Trupp
im Schloss entgegen.
Der erste Trupp, Chris und TSB, seilen sich bei Beginn des Kampfes durch das
Oberlicht in die Eingangshalle ab und öffnen die Tür für Trupp
Zwei. Dann schnappen wir uns Trivial und kämpfen uns in den Keller vor.
Das Schloss war früher eine Brauerei. Ich schätze, dass die Raketen
sich mit ziemlicher Sicherheit dort befinden. Es gibt nach dem Plan auch eine
Rampe, die von dort auf der Ostseite ins Freie führt. Mit etwas Glück
sind sie schon auf einem LKW, wenn wir Pech haben, müssen wir unseren Laster
aus der Zementfabrik holen. Gibt es irgendwelche Einwände?"
Die Runde schwieg.
"Gut, dann stellen wir jetzt die Trupps zusammen. Vorschläge werden
gerne angenommen."
Nach einigem hin und her standen die Trupps schließlich fest.
Trupp Eins (unbemerktes Eindringen; Ausschalten des Dachposten, Eindringen
durch das Oberlicht)
Scorpion Chris und TSB
Trupp Zwei (Direkter Angriff von Norden, durch das Haupttor)
Dr. Kill, CAT Shannon, Fossi und Kenai
Trupp Drei (Direkter Angriff von Süden, durch die Gartenpforte)
Seraph, Dactylartha und Luke
Das Verteilen der Waffen erwies sich als wesentlich schwieriger. Die beiden
MP5 SD bekamen TSB und Scorpion Chris. CAT Shannon entschied sich für eine
AK-47 und Seraph nahm das G3. Fossi wollte zuerst die MP5 nehmen, entschied
sich dann aber doch für die AK-47, wegen der größeren Feuerkraft.
Dactylartha, der im dritten Trupp war, entschied sich auch auf Grund der besseren
Feuerkraft gegen die MAC 10, und nahm das AR180.
Kenai nahm schließlich die MP5 und Luke entschied sich für zwei MAC
10. Dr. Kill blieb bei seiner IMI Uzi.
Die Pistolen wurden ebenfalls verteilt. Zum Schluss blieb nur noch eine MAC
10 übrig. Dr. Kill packte die Waffe zum SAKO TRG 21.
Die Tränen- und Blendgranaten bekamen Scorpion Chris und TSB. Die Splittergranaten
wurden verteilt.
Als sie fertig waren, stand Fossi auf: "Ich geh jetzt nach oben und bastle
einen Sprengsatz zusammen. Stört mich bitte nicht."
Er ging die Treppe hinauf und setzte sich an einen schweren Eichentisch. Er
nahm eines der zwei Pfundpäckchen Semtex aus der Metallbox und entfernte
die Verpackung. Viele, die nichts von Sprengstoff verstehen, meinen der Umgang
damit sei gefährlich. Die meisten Unbedarften stellen sich bei Sprengstoff
nämlich entweder Dynamitstangen, wie in den Western, oder Nitroglyzerin
vor. Aber Semtex war mit der stabilste Sprengstoff den es gibt, man könnte
ihn auch ins Feuer legen und er würde erst explodieren wenn man den Zünder
aktivierte. Er könnte ebenso gut in einem Kindergarten als Knetmasse verwendet
werden.
Fossi nahm die Hälfte des Sprengstoffes weg und formte aus dem Rest vier
gleich große Batzen mit denen man das Eisengatters aus den Angeln sprengen
konnte. Dann stellte er sich das Szenario vor. Nein, unmöglich. Die Söldner
hätten nicht genug Zeit vier Sprengladungen korrekt anzubringen.
Er pappte das Semtex wieder zusammen. Eine einziger, riesige Sprengladung sollte
das Schloss und das gesamte Tor zerstören. Als nächstes war der Zünder
dran. In der Schachtel befanden sich einige chemische Zünder bei denen
nach dem Auslösen zwei Säuren eine dünne Metallwand durchfraßen.
Kamen sie dann zusammen, machte es Bumm. Diese Zünder ließen dem
Bombenleger zwischen 10 und 30 Minuten Zeit. Die genaue Zeit war auf das Metallgehäuße
gestanzt. Das war nichts für diesen Zweck.
Schließlich gab es noch zwei Zünder, bei denen einfach eine kleine
Explosion erzeugt wurde. Diese Detonation war über eine Zeitschalter um
zehn Sekunden verzögert. Fossi nahm einen davon und klebte ihn mit Klebeband
auf das Semtex. Dass ganze wickelte er fest in Tonpapier ein und schnitt ein
Loch an die Stelle, wo sich die Zündkapsel befand. Das Paket war gerade
mal 20 Zentimeter lang, 10 Zentimeter breit und 5 Zentimeter hoch.
Der nächste Gedanke, den Fossi sich machte, war wie der Sprengstoff an
dem Tor befestigt werden sollte. Es war schon oft passiert, dass ausgeklügelte
Pläne und perfekte Bomben an so einfachen Problemen gescheitert waren.
Er klebte auf eine Seite mehrere breite Streifen Doppelklebeband. Das Abdeckpapier,
dass über der zweiten Klebefläche befestigt war, riss er an den Ecken
bereits ein bisschen weg, so dass kleine Lappen vorstanden. Es gab nämlich
keinen dümmeren Zeitpunkt sich mit einem widerspenstigen Doppelklebeband
abzuquälen als mitten in einem Feuergefecht.
Er nahm das brisante Päckchen und ging wieder nach unten. Die anderen saßen
noch am Küchentisch und aßen oder sahen fern.
"Hier," er legte die Sprengladung auf den Tisch "das sind jetzt
500 Gramm Semtex, dürfte reichen. Ist ganz einfach, man muss nur den kleinen
Stift hier mit einer Kugelschreibermine, wie der hier, so reindrücken."
Fossi führte das Scharfmachen der Sprengladung vor.
Dac verließ den Raum. Er mochte keine Bomben und ihm wurde fast übel,
wenn er zusah wie Fossi mit dem Sprengkörper herumhantierte als wäre
es ein Spielzeug.
"Dann hat man genau 10 Sekunden Zeit in Deckung zu gehen, bevor einem die
Fetzten um die Ohren fliegen." fuhr Fossi begeistert fort.
Dr. Kill drehte das unauffällige Päckchen vorsichtig mit einer Gabel
herum. "Wie stark wird die Explosion sein? Können wir sicher gehen,
dass das Tor auch aufgesprengt wird?"
"´Aufgesprengt´ ist das falsche Wort. Die Sprengladung verfährt nach
dem Prinzip ´Lieber zu viel als zu wenig´. Das Tor wird bei der Explosion entweder
aus den Angeln kippen oder fünf Meter durch die Luft fliegen. Die zweite
Möglichkeit ist wahrscheinlicher. Um nur das Türschloss zu zerstören
muss man die Sprengladung genau anpassen. Dafür muss ich mir die Art des
Schlosses genau ansehen. Wenn mir dabei die Kugeln um die Ohren fliegen kann
ich mich nicht konzentrieren und die Bombe wird vielleicht ein bisschen zu klein.
Oder schlechter, ein bisschen zu groß."
"Nett. Wie weit weg müssen wir in Deckung gehen?"
"40 gute Schritte wären wohl ideal. Aber ich hab mir schon meine Gedanken
darüber gemacht. Es wird wohl auch reichen, wenn wir uns ganz eng an die
Mauer pressen. Die Wucht der Explosion wird nach vorne und hinten losgehen.
Seitlich schützt uns die massive Mauer. Vom Straßenverlauf her, dürfte
das auch klappen."
"Gute Arbeit Fossi. Dann haben wir jetzt wohl alles, was wir brauchen.
Hoffen wir, dass jetzt nichts mehr dazwischen kommt." Dr. Kill ließ
eine seiner speziellen 7,62 mm Patronen mit eingraviertem Namen über den
Tisch kreiseln.
Von Job
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