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Nigeria Connection
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III: Nacht in Lagos

Courtland und seine Mannen landeten am Strand von Lagos. Strand war ein bisschen übertrieben, denn darunter stellte man sich wohl Sonnenschein, viel weißer Sand, azurblaues Meer und schöne junge Menschen aus der Langnese oder Bacardi Werbung vor. Aber erstens war es Nacht, der Sand des Strandes an den meisten Stellen Beton gewichen, zweitens stach die Farbe das Meeres mehr ins Braune als ins Blaue und schön waren die gedungenen Mörder der Sierra Mining Cooperation auch nicht wirklich.

Die beiden Hubschrauber mit den nervösen Piloten standen auf dem Teer des alten Containerhafens herum, während die acht Söldner außen herumstanden.

Courtland war in Gedanken versunken. Er musste Renard ausschalten, dass war sein Auftrag und seine Pflicht. Er wollte Barringer nicht noch einmal gegenübertreten und ihm sagen müssen, dass er eine Aufgabe versaut hatte.

Renard war von zwei weißen Männern gerettet worden. Beides noch ziemlich junge Burschen, aber geschickt im Umgang mit Waffen. Was hatte er von ihnen erkannt? Einer der beiden hatte ein Hemd mit ziemlich viel blauer und grüner Farbe getragen. Ungewöhnliche Erscheinung. Sie hatten Renard und Smith mitgenommen. Wohin? In Lagos gab es zwar etwa 10 Millionen Menschen, aber nur ein paar Tausend davon waren weiß.

Wo lebten sie? Fast alle auf Victoria Island und Ikoyi Island. Renard würde sich nicht in seine alte Wohnung auf dem Festland trauen, dazu war er zu klug. Wo wohnte seine Familie? Courtland wusste es nicht. Er wünschte er könnte sich mit Highfield beratschlagen.

Da kam ihm eine Idee. Smith war verletzt. Er hatte ihm schwere Kopfwunden zugefügt. Sie hatten ihn sicherlich in ein Krankenhaus gebracht. Wie viele Krankenhäuser gab es in Lagos? Courtland hatte wieder keine Ahnung. Er kletterte zurück ins Cockpit um einen Funkspruch mit der Mine zu führen. Vielleicht wusste ja dort einer was. Der inkompetente Idiot in der Relaisstation versprach ihm, sich darum zu kümmern.

Die Antwort kam wenig später. St. Nicholas Hospital, 57 Campbell Street, Lagos University Teaching Hospital, Ishaga Road Idi-Araba und das Atlantik Medical Centre Limited, 7 Oju Olobun Close.

Das waren die besseren Krankenhäuser. Aber nur das Atlantik Medical Centre lag auf Victoria Island. .

Decker lauerte in Hörweite und polierte sein Springmesser.

„Komm her Decker! Ich fliege jetzt mit dem Sikorsky rüber nach Victoria Island. Fahami, sag einem der Piloten, er soll mir Hose und Jacke geben. Decker, du passt jetzt gut auf. Schreibs dir auf, wenn du dir nicht alles merken kannst. Du steigst mit den anderen in den MI-17 und gibst dem Piloten Anweisung nach Westen zur Bohrinsel Ex-O 8 – 15 zu fliegen. Ihr könnt dort landen. Sagt den Leuten dort, dass ihr Schlauchboote mit Außenbordern braucht. Zwei Stück würde ich sagen. Dann kommt ihr hierher zurück und wartet. Ich hoffe wir haben bis dahin rausgefunden, wo sich Renard aufhält. Hast du alles verstanden?“
Decker nickte nur, ohne zu antworten.

„Gut, dann mal los.“



Deutschland; 15. Mai 2002; Abend

Innerhalb weniger Minuten war es stockdunkel geworden. Eine schwere Regenfront ging über weiten Teilen Westeuropas nieder und überzog die Länder mit feuchtem Nass. Direkt über dem Büro des B&HMP schien sich das Zentrum des Wolkenbruchs zu befinden, denn die schweren Tropfen hämmerten so stark gegen die Scheiben, dass man hätte meinen können, sie würden jeden Augenblick durchbrechen.

Hieb stand im dunklen Raum und starrte auf die Stadt hinaus. Die Scheinwerfer der wenigen Autos wurden hundertfach auf der nassen Fahrbahn reflektiert. Die grüne Leuchtreklame der Dönerbude am Ende der Straße warf ihr schwaches Licht tapfer in die Dunkelheit. Aber bei diesem Regen wollte sich niemand einen Döner kaufen. Ein junger Mann rannte über den Gehsteig und in einen Hauseingang, wo er sich klitschnass unterstellte und ziemlich mitleiderregend in seinen nassen Kleidern vor sich hin schmollte.

Ausgenommen des Dönerbudenbesitzers war er der einzige Mensch, den Hieb noch auf der Straße sah. Er dachte darüber nach, wie wohl gerade das Wetter in Nigeria war. Sicherlich wärmer als hier. Der Frühling ließ dieses Jahr auf sich warten.

Die Beleuchtung der Hochhäuser schaltete sich automatisch ein.

Er hätte seine Männer besser informieren müssen. Als Hieb in der Mappe mit Renards Dokumenten den Artikel über die Sierra Mining Cooperation gelesen hatte, hatte in seinem Kopf eine Alarmsirene geschellt. Dieser Name war ihm ein Begriff. Er verband ihn mit einem gefälschten Pass in seiner Schreibtischschublade, der seit etwa einem Jahr, darauf wartete seinem neuen Besitzer Wintrop Kelso zugeschickt zu werden. Kelso war ein Auftraggeber des B&HMP gewesen. Sie hatten ihm geholfen unterzutauchen, da die Sierra Mining Cooperation seinen Körper am liebsten tot gesehen hätten. Er hatte, seit er abgetaucht war, nichts mehr von sich hören lassen, auch nicht die Adresse an die sein neuer Pass geschickt werden sollte. Die Verbindung war abrupt unterbrochen worden.

Hieb schenkte sich ein Glas ein und stieß mit einem Unsichtbaren an. „Cheers Kelso, altes Haus, wo immer du auch gerade bist.“ Niemand antwortete ihm.

Hieb schaltete die Schreibtischlampe an und sah auf die Kopie einer Zeitschriftdoppelseite. Die Sierra Mining Cooperation und ihr Patriarch Jason Barringer waren gefürchtet. Mehr als eine Mutter hatte ihren Mann oder Sohn wegen dieser Firma verloren. Barringer war bereit ein ganzes Land in den blutigen Bürgerkrieg zu stürzen, wenn er den bloßen Verdacht hegte dabei einen einzigen Klumpen Gold zu finden.

Hieb wurde schlecht bei dem Gedanken, dass seine Männer in das Visier dieses Mannes geraten waren und noch nicht einmal wussten, in welcher Gefahr sie schwebten. Er könnte sich ohrfeigen, wenn er daran dachte, dass er sich gedacht hatte, es sei nicht so wichtig seine Leute über die Hintergründe aufzuklären. Jetzt wünschte er, er hätte es getan, als er Zeit dazu hatte.

Er musste sie irgendwie warnen. Aber seit drei Stunden bekam er keine Verbindung mit Lagos. Dafür hatte er schon mit einem Haufen Leuten gesprochen, deren Sprache er nicht verstand. Er konnte nur vermuten, dass es Mitarbeiter der nigerianischen Telekom light waren.

Ein tiefer Seufzer kam aus seiner Brust.


Lagos; 16. Mai 2002; 01:55 Ortszeit

Die Nachtschwester schien gelangweilt, war aber misstrauisch. Courtland hatte seine Kampfmontur gegen die Hose und die Fliegerjacke eines der Piloten getauscht und sah jetzt einigermaßen zivil aus.

„Wie hieß ihr Bruder noch einmal?“
“Alexander Smith. Aber er ist mein Stiefbruder. Wir haben heute einen Ausflug gemacht und hatten einen Autounfall. Sie sehen ja.“ Er deutete auf sein Gesicht. „Ich wurde ambulant behandelt, hatte aber einen leichten Schock und gar nicht mitbekommen, was mit Alex passiert ist. Man sagte mir, er sei hier eingeliefert worden?“

Die Nachtschwester starrte wieder auf den Bildschirm ihres PCs. Courtland verdrehte den Hals um einen Blick darauf zu werfen, aber die Schwester sah ihn missbilligend an, bevor sie demonstrativ den Bildschirm ein Stück drehte, um ihn daran zu hindern die vertraulichen Daten ihrer Patienten zu lesen.

„Wie war gleich noch einmal ihr Name?“

„Lawrence Courtland. Wie schon gesagt. Ich bin nur sein Stiefbruder. Meine Mutter hat nach ihrer Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen. Vorher hieß ich auch Smith. Aber ehrlich gesagt gefällt mir mein jetziger Name besser. Smith gibt es ja Millionen.“ Courtland log munter weiter. „Obwohl mein Vater wieder geheiratet hat, blieben meine Mutter und er Freunde. Als meine Mutter dann starb, ich war glaub ich fünfzehn oder so, kam ich wieder zu meinem Vater. Alex war damals höchstens vier Jahre alt. Ein richtig netter kleiner Racker. Ich kann gar nicht daran denken, dass ihm was Schlimmes passiert ist.“

Courtland sah die Schwester auffordernd an. Warum rückte die dumme Kuh nicht endlich mit der Zimmernummer raus? Mit der spontan improvisierten Nummer eben, könnte er in jeder Seifenoper mitspielen, aber das wachsame Weib sah ihn nur mit Argusaugen an. Dann öffnete sich ihr Mund.
“Zimmer 186. Im zweiten Stock. Eigentlich ist Besuch um diese Uhrzeit nicht mehr erlaubt. Aber ich mache einmal eine Ausnahme. Melden sie sich bei der Schwester in diesem Trakt. Ich weiß nicht, ob ihr Bruder überhaupt in der Verfassung ist, Besuch zu empfangen. Sie sollten sich die Wunden in ihrem Gesicht übrigens auch noch einmal von einem hiesigen Arzt ansehen lassen. Doktor Suorto hat gerade Dienst. Kommen sie nachher einfach wieder hier her und dann lass ich ihn holen.“

„Vielen Dank. Ich komme darauf zurück.“ Würde er natürlich nicht. Aber jetzt musste er weiterhin nett sein, denn nun kam der schwierigste Teil.

„Ich hätte da noch eine Frage. Wie wird die Behandlung bezahlt? Wir sind natürlich krankenversichert. Aber akzeptieren Sie das hier?“
Jetzt gings ums Geschäftliche. Die Schwester nahm sofort ihre Lesebrille aus einem Etui in ihrer makellos weißen Schwesternkluft und klickte auf den Bildschirm.

„Bei längeren Behandlungen wie sie ihr Bruder benötigt, zahlt meist die Krankenversicherung. Bei Behandlungen in der Notaufnahme oder ambulanten Behandlungen müssen sie aber bar zahlen.“

„Gut. Ich denke doch, dass es etwas dauert bis die Versicherung zahlt. Ich bleibe natürlich solange in Lagos. Sie können mich erreichen unter…“ er klopfte sich die Taschen ab und sah in seinen Geldbeutel. „Mist, ich muss die Adresse verloren haben. Ich kann mir die einfach nicht einprägen. Deswegen hab ich sie aufgeschrieben.“

Er machte einen verwirrten Eindruck und wendete das Futter seiner Jacke nach außen. Er spielte die Rolle des verwirrten und besorgten Bruders immer besser, dachte er sich. Er hatte eindeutig den Beruf verfehlt, er hätte Schauspieler werden sollen. Die Schwester sah ihn mitfühlend an. Courtland gab die Suche auf. „Mein Gott was mach ich denn jetzt? Ach, mein Bruder wurde von unseren Freunden hierher gebracht. Wir wollten nicht auf einen Krankenwagen warten. Sie müssen doch die Adresse angegeben haben, unter der man uns erreichen kann? Sie müssen wissen, wir wohnen alle zusammen in einem Ferienhaus.“
Das Misstrauen der Schwester war inzwischen ganz gewichen. Freimütig las sie von ihrem PC ab. „Ganzila Road 42, Victoria Island.“ Sie lächelte ihn mit ihren elfenbeinfarbigen Zähnen an.
Courtland lächelte zurück.

”Danke. Das wollte ich nur wissen.”


Der Hubschrauberpilot war gerade auf dem Rückweg von der Bohrinsel. Sie hatten die Boote bekommen. Der Förderturm gehörte auch zur Cooperation, oder besser gesagt zur MMEA unter deren Namen er jetzt betrieben wurde. Tadeusz saß am Funkgerät und drückte den Kopfhörer fest an sein Ohr um die Nebengeräusche, die der MI-17 produzierte, zu mindern. Schließlich schob er den Kopfhörer wieder bequem zu Recht und gab die neuen Anweisungen über Mikrofon an Juri.

„Ganzila Road 42. Wir sollen gegenüber landen.“

Der Pilot nickte und schaltete die Landelichter ein.


Courtland erreichte den zweiten Stock. Wenn sein Job erledigt war, würde er sofort aus Lagos verschwinden und es konnte ihm egal sein, ob man ihn identifizieren konnte. Dann würde er Barringer aufsuchen und ihm in den Arsch treten. Zu lange machte er jetzt schon den Kettenhund für den alten Sack. Es wurde Zeit, dass sich Major Lawrence Courtland Gedanken um seinen Ruhestand machte. Er hatte ja nicht vor, diesen Job zu machen, bis er siebzig war.

Diesen Smith würde er noch erledigen, dann war Schluss. Sollte sich Barringer doch einen neuen Chefvollstrecker suchen oder Decker zu seinem Nachfolger machen. Courtland musste bei diesem Gedanken grinsen. Der verrückte Decker drehte schon vollkommen durch, wenn ihn irgendwer kritisierte. Wie würde er wohl reagieren, wenn der alte Patriarch Barringer ihn so richtig zur Schnecke machen will, wie er es so oft mit Courtland getan hatte?

Dies war sein letzter Auftrag für die Sierra Mining Cooperation und er würde ihn perfekt ausführen. In letzter Zeit war zu viel schiefgelaufen. Er brauchte einen Erfolg für seine Reputation.

Eine Schwester in weißem Anzug und Haube kam ihm entgegen und starrte ihn an. Courtland lächelte zurück. Sein Gesicht sah wirklich schrecklich aus. Schwarzer Operationszwirn hielten seine Lippe und Nase zusammen. Trotzdem drang noch immer kontinuierlich Blut aus den Wunden, das Courtland mit einem Taschentuch abtupfte. Er hätte selbst in eins der Krankenhausbetten gehört, anstatt hier durch die Gänge zu wandeln.

„Suchen Sie irgendetwas?“

Die Krankenschwester war ihm gefolgt.

Courtland lächelte sie an: „Nein, ich kann nur nicht schlafen. Sie verstehen die Wunden.“ Er zeigte auf sein entstelltes Gesicht.

„Sie Armer. Ich kann ihnen ein Schlafmittel geben. Wer ist ihr behandelnder Arzt?“

„Doktor Suorto. Aber es geht schon. Machen sie sich um mich keine Sorgen.“ Courtland drehte sich um und schlenderte weiter. Betont den nächtlichen Wanderer mimend, der nicht einschlafen konnte. Die Schwester schien es ihm abzukaufen und verschwand in einem der Räume. Courtland atmete auf. Hoffentlich fragte sie nicht bei diesem Suorto nach.

Im Gang mit den Zimmern 151 – 200 war immer noch Betrieb. Zwei Schwestern schoben ein Bett mit einem Kranken heraus. Zwei ältere Frauen unterhielten sich an einem Tisch, wo man sich Tee einschenken konnte.

Courtland lächelte ihnen allen zu und kam bei Zimmer 186 an. Er klopfte nicht an, sondern drückte die Türklinge sanft nach unten. Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen. Im Zimmer war es dunkel. Das Licht vom Gang, das durch den Türspalt in das Zimmer drang, fiel über zwei Meter Linoleumboden und das Bett. Courtland konnte eine Hand sehen, in der eine Injektionsnadel steckte. Vorsichtig schlüpfte er durch die Tür und schloss sie wieder. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit im Raum. Er konnte die Gestalt im Bett erkennen. Ein Piepser hing von oben herab. Man befand sich eindeutig im besten Krankenhaus der Stadt. Nicht nur, dass man sich das Zimmer nicht mit 19 anderen Kranken teilen musste, es war auch schön sauber und verfügte über einen Fernseher.

Als er näher trat erkannte er Smiths Gesicht. Mit einem schnellen Blick durch den Raum kontrollierte Courtland, ob er an irgendwelche Geräte angeschlossen war, die seinen Puls oder Herzschlag maßen und eine Horde Schwestern in Aufruhr versetzen würden, wenn sie plötzlich nur noch die beginnende Leichenstarre aufzeichneten. Aber bis auf den Tropf in dem sich irgendeine helle Flüssigkeit befand schien Smith relativ fit zu sein. Sein Kopf war dick mit Verbänden umwickelt. Courtland hatte ihm also nicht den Schädel zerschmettert wie er gehofft hatte.

Er sah auf das Gesicht. Smith schlief tief und fest. Sie hatten ihn mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Er träumte wohl gerade von seiner hübschen Frau und seinem kleinen Sohn in Amerika. Ging mit ihnen zu McDonalds zum Essen und danach in den Park, wo der Kleine ein großes Eis bekam und seine Frau einen Kuss. Courtland zog den Reißverschluss seiner Jacke auf um diesen Gedanken zu verscheuchen, denn ihm wurde klar, dass er Smith in einer gewisser Weise beneidete. In seinem Hosenbund steckte die Z88 Automatik. Courtland konnte sie nicht benützen, der Schuss wäre zu laut gewesen. Er nahm eines der Kissen vom Bett und hielt es in beiden Händen. Der Mann war schwer verletzt und schwach, was sollte schon passieren?

Courtland senkte das Kissen langsam über das Gesicht des Buchhalters, bereit ihn zu ersticken.

„Das wollen Sie doch nicht wirklich tun?“

Courtand fuhr zusammen und ließ das Kissen augenblicklich fallen.

„Irgendwie habe ich so etwas in der Art erwartet.“ Ypsilon stand langsam vom Sessel in der Ecke auf, in dem er die letzten drei Stunden regungslos gesessen hatte. „Machen Sie keine Dummheiten. Ich habe eine Waffe auf Sie gerichtet. Nehmen sie die Hände hoch und drehen Sie sich langsam um.“

Courtland tat wie ihm befohlen und sah mit zusammengekniffenen Augen auf die undeutliche Gestalt eines sehr großen Mannes, der im Dunkeln stand. Als er den Kopf senkte, sah er den roten Punkt eines Laserpointers auf seiner Brust. Er fragte sich, ob er etwas sagen sollte. Aber was gab es schon zu sagen?

„Wer sind Sie?“

„Kann Ihnen egal sein. Sagen wir, ich bin ein Freund von Maurice Renard.“ Antwortete ihm der Schatten.

Courtland machte einen kleinen Schritt nach vorne. Sofort zuckte die Hand seines Gegenübers.

„Guter Mann. Lassen Sie uns die Sache wie unter Profis lösen. Meine Hintermänner sind sehr reich. Egal was Ihnen Renard zahlt, sie werden das Doppelte zahlen. Und hier geht es nur um Geld, um nichts anderes. Wir hegen keinen persönlichen Groll gegeneinander und Sie verbinden nichts mit diesem Mann da im Bett. Ich kann ihnen 2000 Dollar hier bar auf die Hand geben. Sie müssen nur das Zimmer verlassen. Wenn Sie es geschickt anstellen, können Sie sogar doppelt absahnen.“

Courtland lächelte ihn an, aber Scheißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

„Mal ein ehrliche Frage. Würden Sie ihren Auftraggeber betrügen?“ Ypsilon trat aus dem Schatten. Courtland konnte zum ersten Mal die schallgedämpfte Glock in dessen Hand sehen. „Ich muss Sie erschießen. Gehen Sie rüber zum Fenster.“ Er spannte den Hahn der Waffe.

Menschen reagieren verschieden, wenn sie dem sicheren Tod ins Auge sehen. Die einen finden sich damit ab, die anderen winseln und betteln um ihr Leben. Courtland gehörte zu keiner dieser beiden Gruppen. Er war ein Kämpfer und er hatte absolut nichts zu verlieren. Er trat einen Schritt nach vorne und ließ sein rechtes Bein mit Schwung nach oben sausen um seinem Gegenüber von unten gegen das Kinn zu treten. Dieser Tritt hatte schon oft funktioniert und nicht selten dem Gegner sofort den Kiefer oder gar das Genick gebrochen. Diesmal gelang es nicht. Zum einen lag es daran, dass Ypsilon wesentlich größer als alle bisherigen Gegner Courtlands war und zum anderen daran, dass er so einen Trick erwartete. Wider besserer Einsicht drückte er nicht sofort ab, sondern fing den Fuß auf halbem Wege mit der linken Hand ab. Courtland griff zur 88er in seinem Hosenbund. Ypsilon stieß den Fuß in seiner Hand kraftvoll nach vorne und Courtland fiel rückwärts auf das Bett. Courtland hatte die Waffe halb herausgezogen, als ihm die Mündung des Schalldämpfers gegen das rechte Auge gedrückt wurde. Courtland verharrte mitten in der Bewegung. Ypsilon griff nach der Z88 und warf sie auf den Boden. Dann packte er Courtland am Kragen und stieß ihn zum Fenster.

„Du Drecksau. Sei dir sicher. Irgendwann werden sie dich finden. Und dann werden sie dich töten, du kannst dich gar nicht tief genug verkriechen. Sie werden dich umbringen.“ Spuckte Courtland mit hasserfüllter Stimme in Richtung Ypsilon.

„Sterben müssen wir alle einmal. Die einen früher, die anderen später. Aber du hast noch genau drei Sekunden.“ kommentierte der Russe gefühllos und visierte die Brust des anderen Söldners an.

Courtland verzog sein Gesicht zu einer grässlichen Grimasse, aber er konnte die Kugeln nicht aufhalten. Ypsilon drückte zweimal ab. Die Geschosse ließen Courtlands Gesichtsausdruck zu Stein werden. Langsam sank er gegen die Wand und rutschte nach unten.

Ypsilon hielt die Waffe weiter auf ihn gerichtet. Vielleicht hatte er eine kugelsichere Weste an. Aber jeder Medizinstudent im ersten Semester konnte sehen, dass er tot war.

Ypsilon öffnete das Fenster, packte den Leichnam und hievte ihn auf das Fensterbrett. Der Brite war zu Lebzeiten nie sehr schwer gewesen. Ypsilon hing ihn mit beiden Händen aus dem Fenster und begann den Corpus hin und her zu schwingen. Irgendwann ließ er los und der Tote fiel ein gutes Stück links vom Fenster auf den Boden. Ypsilon schloss das Fenster wieder und packte die Pistole des Mannes ein, den er eben getötet hatte. Er schaltete das Licht ein und suchte den Boden nach Blut ab. Aber da war keines. Das war der Vorteil, wenn man auf die Brust schoss. Die Kleidungsschichten, die das Opfer trug, saugten das meiste Blut auf. Ypsilon vergewisserte sich, dass er im Zimmer nichts veränderte hatte, richtete das Kissen wieder zu recht und schaltete das Licht aus. Dann hockte er sich wieder in seinen Sessel. Die Nacht war nicht mehr lang, aber vielleicht versuchte noch ein Mörder sein Glück.



Hawkins und De Valera hatten sich die ON-1 Nachtsichtbrillen der Piloten ausgeliehen. Im Boot das von De Valera gesteuert wurde, saßen Jacques Toruffe, Jim Stanton und Brian Rush. In Hawkins Boot Pierre Rohbach, Fahami und der Truppenführer Decker.

Die Außenborder der Boote waren höllisch laut. Deshalb fuhren sie nur langsam. Oder besser gesagt De Valeras Boot fuhr langsam. Decker trieb seinen Steuermann zur Eile an und lag nach kurzer Zeit 50 Fuß vor seinem Kameraden. Victoria Island war hell beleuchtet. Aber sie hatten einige Schwierigkeit das richtige Haus auszumachen. Aber sie würden einfach am Strand landen und dann zu Fuß suchen. Bei dieser Dunkelheit würden sie keinem Auffallen.

De Valera fluchte auf Decker und drehte ebenfalls hoch. Deckers Boot fuhr knirschend auf den Strand. Die Männer packten ihre Gewehre und sprangen heraus. Keine zehn Meter entfernt bellte ein Hund hinter einer Gartenmauer. Decker fluchte. Der Scheißköter weckte noch die ganze Umgebung auf.

Der Rumpf des zweiten Bootes kratzte über Grund. Vier weitere Söldner gingen an Land. Der Scheiß Köter kläffte immer noch. Decker rannte voraus und die anderen folgten ihm in einer lockeren Reihe. Bis auf Fahami, der noch immer sein FAL Sturmgewehr trug, hatten sie alle russische AK-74 Sturmgewehre. Ausgenommen Brian Rush. Er war ein ehemaliger Scharfschütze der US-Army Ranger und trug ein Remington 700 Repetiergewehr. Jeder hatte sechs Bananenmagazine mit vierzig Schuss Munition, was 240 Schuss pro Mann bedeutete. Zusammen hatten die sieben Angreifer über 1500 Kugeln. Mehr als genug. Decker wusste, dass sie ihren Beruf verfehlt hätten, wenn dieser Munitionsvorrat nicht reichte, um Renard und seine Leibwächter zu töten.

Jetzt mussten sie nur noch das beschissene Haus finden. Aber an den Rückseiten, die zum Strand hinausführten, waren verständlicherweise keine Hausnummern angebracht. Normale Menschen betraten das Gründstück ja auch durch die Eingangstür und nicht über die Gartenmauer.

Decker fand einen kleinen Trampelpfad zwischen den Häusern. Er winkte Hawkins und Toruffe herbei. „Geht auf die Straße und sucht das Haus mit der Nummer 42. Kommt dann wieder her und lasst euch ja nicht erwischen.

Die beiden verschwanden im dunklen Pfad. Jetzt war warten angesagt. Es sah ein klein bisschen seltsam aus, wie sechs Männer in gefleckten Buschtarnanzügen, viele mit SEAL-Schlapphüten auf den Köpfen und mit gezückten Waffen im Sand hockten und sich einer nach dem anderen eine Kippe ansteckten. Einem zufällig vorbeischlendernden Spaziergänger hätten sie wohl schwerlich weismachen können, sie wären nur die örtliche Pfadfindergruppe, die hier am Strand übernachten will. Aber Decker war, wenn es um mögliche Zeugen ging, sowieso ein Verfechter der „Wenig-Reden-Lieber-Töten“– Methode.

Hawkins und Toruffe fanden das Haus ohne Schwierigkeiten. Die Hausnummer 42 über dem Schmiedeisernen Tor wurde von zwei Strahlern beleuchtet. Die Straße war eine einzige Front von hohen Gartenmauern, schweren Automatischen Garagentoren und Eisengattern, hintern denen sich die reichen Bewohner Lagos von der Gefahr da draußen abschotten wollten. Hawkins und Toruffe konnten gerade noch in dem Trampelpfad verschwinden, bevor die Scheinwerfer des Vans einer privaten Wachschutzgesellschaft sie erfasste. Die Wagen patrouillierten hier jede Stunde. Zurück bei Decker rückten sie zur Rückfront des Hauses vor.

Die Mauer war vielleicht vier Meter hoch und oben mit Glasscherben gespickt. Eine massive, niedrige Holztür war in die Mauer eingelassen. Kein Hindernis, das man schnell überwand, aber Decker hätte es auch nicht gefallen, wenn die Aktion zu leicht gewesen wäre. Er winkte Rush heran.

„Geh runter zum Wasser und schau, ob du von dort die Fenster von dem Gebäude einsehen kannst.“

Rush nickte und schlich zu der Stelle wo die kleinen Wellen der Lagune an den Strand plätscherten.

Decker überlegte. Das Planen eines Angriffs war eine neue Erfahrung für ihn. Das hatte immer Courtland gemacht.

„In Ordnung. Hawkins und Toruffe ihr geht wieder um das Haus herum und knallt jeden ab, der durch den Vordereingang verschwinden will.“

Die beiden Söldner verschwanden wortlos und versuchten die Villa zu umrunden. Brian Rush kehrte zurück. „Nichts zu machen. Zu hohe Bäume. Vielleicht kann ich was sehen, wenn im Haus Licht angeht.“

„Gut. Such dir eine gute Position. Wir brechen jetzt die Tür auf. Roy, hast du das Brecheisen?“

Der große Südafrikaner zog das kurze Werkzeug aus seiner Umhängetasche und machte sich damit an der Tür zu schaffen. Rohbach räusperte sich. „Wäre es nicht besser durch den Vordereingang zu gehen? Die Tür sieht mir sehr stabil aus. Wir machen doch einen heiden Lärm.“

„Klappe! Wir machen es, wie ich gesagt habe.“ Davor hatte sich Decker gefürchtet. Jemand der mehr Kampferfahrung hatte war nicht mit seiner Vorgehensweise einverstanden und meldete Zweifel an. Decker beschloss den Veteranen zu spielen. Die Tür gab mit lautem Bersten nach. De Valera schlug kräftig zu. Das Schloss verbog sich. Ein Spalt entstand in dem er sein Brecheisen ansetzte. Ein paar Sekunden und Muskelanstrengungen später hatte er das Schloss herausgehebelt. Die Tür sprang weit auf.

„Rein da.“ Die fünf Söldner hechteten in den Garten.

Im ersten Kugelhagel starben Rohbach und Stanton.


Fünf Minuten zuvor

Sieben Personen befanden sich auf dem Grundstück. Astou war früh zu Bett gegangen. Ihr Zimmer ragte im ersten Stock zur Straße hinaus. Alf hatte sich nach dem Abendessen verabschiedet und war in sein kleines Zimmer neben der Garage gegangen. Dazu musste er ein paar Meter über einen gepflasterten Weg durchs Freie gehen. Renard, Amalia und das blonde Gift Francis saßen im Wohnzimmer bei einem Glas Wein zusammen und wären die letzten gewesen, die ahnten, dass ihnen Gefahr drohte. Der schweigsame Leibwächter, dessen Namen die Söldner noch immer nicht kannten, überwachte die zwei Monitore der beiden Kameras, die die Straße und die Einfahrt überblickten. Phoenix leistete ihm Gesellschaft. Die beiden verstanden sich gut, obwohl sie nicht miteinander redeten. Es gab nichts zu sagen, deshalb sah Phoenix auch keinen Grund seinen Mund aufzumachen.

Auf Phoenix Schoß lag sein M16A4. Er hatte den Griff, der dem amerikanischen Gewehr seine markante Silhouette verlieh, abmontiert und an seine Stelle ein Litton Aquila X4 NVD Visier gesetzt. Der Restlichtverstärker machte nachts aus dem Sturmgewehr auf mittlere Entfernungen eine akkurate Sniperwaffe. Die Israelis benützten dieses Kombisystem seit Jahren um ihren Soldaten eine höhere Trefferquote zu geben und waren damit sehr erfolgreich, also würde es auch hier seine Pflicht tun. Für Phoenix war es natürlich eine Notlösung. Ein richtiges Scharfschützengewehr mit einem starken Zielfernrohr und nicht nur einer 4-fachen Vergrößerung wäre ihm lieber gewesen.

Phoenix kaute auf den Bügeln seiner Sonnenbrille herum. Auf den Monitoren tat sich absolut nichts. Vor einer halben Stunde war einmal ein Hund vorbeigelaufen und hatte gegen die Eingangstür uriniert, aber ansonsten herrschte gespenstische Ruhe. Ruhe die nur von den gelegentlichen Stimmen aus dem Wohnzimmer unterbrochen wurden. Ein Van, der nicht abblendete fuhr vorüber.

Ibo hatte es sich in einem kleinen Abstellraum im Dachgeschoss gemütlich gemacht. Er hörte leise Radio, während er den Garten und das Meer beobachtete. Es war stockdunkel und ohne den Restlichtverstärker auf Ypsilons AK-74 hätte in der Dunkelheit die alliierte Invasionsarmee am Strand landen können, ohne dass er es bemerkt hätte.

Sie spielten afrikanischen Pop. In den Kneipen von Abjidan hatte Cool Ibo das Gedudel zum ersten Mal gehört. Jetzt erinnerte es ihn an die alten Zeiten, als er noch mit seinem Kumpel in der Elfenbeinküste gelebt hatte. War eine schöne Zeit gewesen. Die Elfenbeinküste hatte ihm immer am besten von allen afrikanischen Ländern gefallen. Dort war es friedlich, die Menschen glücklich und es gab keine Kriege. Hoffentlich blieb das auch so.

Er hockte auf einem Stuhl mit Polsterbezug, etwa einen halben Meter vom Fenster entfernt. Der Lauf der Kalaschnikow lag auf dem Fensterbrett, so dass er bequem durch das Visier sehen konnte. Neben ihm lehnte griffbereit sein M4 Karabiner an der Wand.

Es war nachts empfindlich kalt draußen und leichter Wind wehte vom Meer her durch das Fenster ins Zimmer. Ibo fröstelte in seinem Hawai-Hemd, deshalb beschloss er aufzustehen, um sich eine Jacke aus seinem Zimmer holen. Vorsichtig und mit ausgestreckten Händen schlürfte er durchs dunkle Zimmer auf der Suche nach der Tür. Irgendjemand brach Essstäbchen in der Mitte durch. Ibo zuckte zusammen und brauchte einen Moment um die neuen Informationen zu verarbeiten. Er hastete zum Fenster zurück. Wieder das Geräusch, als würde jemand Essstäbchen zerbrechen. Ibo packte die AK und drückte sich links vom Fenster gegen die Wand. Vorsichtig lugte er nach draußen und drückte den gummierten Rand des Restlichtverstärkers an sein rechtes Auge. Er sah das Gartentor. Ein drittes Krachen erfüllte die Luft und diesmal glaubte Ibo zu sehen, wie sich das Holz der Tür bewegte. Scheiße, seine Augen mussten sich erst wieder an das grüne Bild des NSG gewöhnen. Er hätte wirklich noch eine halbe Minute warten können die Jacke zu holen. Ein komplexes Kommunikationssystem zwischen ihm und Phoenix gab es nicht. Bemerkte jemand etwas, sollte er schreien oder sich sonst irgendwie bemerkbar machen. Ein Ruf bedeutete, dass man etwas Verdächtiges bemerkt hatte, ein Schuss, dass sich der Verdacht konkretisiert hatte. Ein nicht gerade ausgeklügeltes System, aber sie wollten ja auch nicht den Dritten Weltkrieg führen.

Als die Tür nun nur noch halb in den Angeln hing, beschloss Ibo, dass bereits ein konkreter Verdacht vorlag und ein „Phoenix ich glaube da stimmt was nicht“– Ruf reichlich überflüssig war. Er entsicherte mit der rechten Hand die Waffe und wartete auf den alles entscheidenden Moment. Der kam schneller als erwartet. Die Tür gab entgültig nach und gab den Weg für die späten Besucher frei. Ibo atmete ein letztes Mal tief durch. Eine hellgrüne Gestalt stürmte in den Garten. Das schwarze Fadenkreuz lag auf seiner Brust, ohne dass Ibo etwas machen musste. Er drückte ab. Der Rückstoß schlug gegen seine Schulter und Wange.

Er verschwendete keinen Gedanken daran ob er getroffen hatte, sondern visierte die zweite Gestalt an, die etwa 60 Meter Luftlinie von seinem Standpunkt entfernt, in den Garten stürmte. Er verfehlte ihn um eine Armlänge. Er verfolgte die rennende Gestalt, drückte ein, zwei, dreimal ab. Es war zum verrückt werden, solange der Kerl nicht stehen blieb, wollte er ihn einfach nicht treffen. Etwas anderes lenkte seine Aufmerksamkeit ab, weitere hellgrüne Körper schoben sich den Garten. Das war ein verdammter Sturmangriff. Ibo zielte in die Menge und in immer schnellerer Folge zischten die Kugeln nach unten. Dann kam das, was er eigentlich tunlichst hätte vermeiden wollen. Mündungsfeuer blitzte auf. Durch das Nachtsichtgerät sah er alles gleißend hell. Sie schossen zum ersten Mal zurück.

Ibo zielte auf die Lichtblitze und ließ den Zeigefinger in schneller Folge den Abzug betätigen. Die Waffe begann nach oben zu wandern, was Ibo mit noch mehr Druck gegen seine Schulter zu verhindern suchte.

Es war ihm dabei scheißegal ob er etwas traf. Die Sache entwickelte sich nicht zu seinen Gunsten. Dann signalisierte ihm ein metallisches Klicken, dass es an der Zeit war für neue Munitionszufuhr zu sorgen. Ibo drehte sich vom Fenster weg und trat einen halben Schritt zur Seite, während er das Magazin auswarf und mit schwitzenden Fingern nach einem Neuen fingerte. Automatisch griff er zu der Brusttasche seines Hawai-Hemdes, wo sich eines der gebogen Metallbehältnisse befand. Aber da waren nur M4 Magazine. Er verlor wertvolle Sekunden, als er nach einem der 5,45-mm Magazine auf dem Fensterbrett griff und es mit hektischen Handbewegungen in den Magazinschacht steckte. Er schlug mit der Handfläche gegen das Magazin um zu prüfen ob es fest saß und lud eine neue Kugel in den Lauf.

Decker schmiss sich sofort auf den Boden, als das Feuer auf ihn und seinen Trupp eröffnet wurde. Er war verstört. Sie hatten nicht mit so plötzlicher und heftiger Gegenwehr gerechnet. Die Kugeln flogen nur so um sie herum. Decker hielt den Kopf unten. Dann explodierte sein Trommelfell. Stanton begann keine zwei Fuß von seinem Ohr entfernt mit einem Dauerfeuer aus seiner AK. Blitze erfüllten die Dunkelheit. Decker robbte los und zog sein Gewehr am Gurt hinterher. Fahami brüllte etwas, was Decker nicht verstand. Er robbte weiter ohne auf die Schüsse vom Haus her zu achten. Er kam zu einem Körper, der reglos auf dem Boden lag, und kroch über ihn hinweg. Erst nach etlichen Metern blieb er hinter einer kleinen Zierpalme liegen und drückte sein Gewehr wieder an die Schulter.

Wurden sie noch beschossen? Wenn ja von wo? Die Gedanken überschlugen sich in Deckers Kopf. Da er nichts anderes zu tun wusste, drückte er einfach ab und zerschoss die Scheiben des Hauses.

„Decker! Decker! Was sollen wir machen?“ brüllte eindeutig de Valeras Stimme.

„Vorrücken! Rückt vor. Ich geb euch Deckung!“ kreischte Decker zurück und feuerte Salven auf das Haus, ohne zu wissen, auf was er eigentlich schoss.

De Valera war aufgestanden und stürmte vor, während er aus der Hüfte schoss. Fahami folgte ihm in gebückter Körperhaltung, sie kamen zur Hauswand, gegen die sie sich eng pressten. Decker ging die Munition aus. In der so plötzlich entstanden Stille merkte er, dass er der einzige war, der noch schoss. In dieser kurzen Ruhepause sah er sich um. Es war dunkel aber direkt neben ihm lag ein Körper. Decker fasste in die blutverschmierten Haare und drehte den Kopf herum. Es war Rohbach. Vor nicht mal zwei Minuten hatte er Decker noch auf das Risiko eines Angriffes durch die Gartenpforte aufmerksam gemacht. Jetzt war er tot.

Decker blickte zum Haus. Er konnte eigentlich nicht viel erkennen. Es war einfach zu dunkel. Er stand auf und rannte zu den anderen. Sofort wurde wieder geschossen. Aber die vier oder fünf Kugeln verfehlten ihn. Er erreichte die Schützende Hausmauer.

Phoenix hatte die Schüsse gehört. Er hätte schon taub sein müssen um sie zu überhören. Sein M-16 wanderte wie von selbst in seine Hände, noch bevor er sich eigentlich klar machen konnte, was passiert war. Der Leibwächter war aufgesprungen und rannte in den Gang. Phoenix folgte ihm so schnell er konnte. Links ging es zur Eingangstür, aber Phoenix rannte die Treppe hinauf zu Ibo, denn von dort wurde geschossen. Man schoss immer noch aus allen Rohren. Phoenix stürzte in das Zimmer, in dem sich Ibo befinden sollte und stieß mit dem eben herausstürmenden Söldner zusammen. Sie prallten aneinander ab und Ibo ließ seinen M-4 Karabiner fallen.

„Scheiße. Pass doch auf.“ Er bückte sich und hob panisch die Waffe wieder auf. Die AK-74 hatte er um die Schultern gehängt. „Runter. Wir müssen runter!“ brüllte er Phoenix an und rannte los. Der wusste immer noch nicht, was los war, sondern folgte einfach seinem Kameraden, die Treppe nach unten.

Roy de Valera wurde von Decker und Fahami gedeckt, als er um die Hausecke hechtete. Die Fenster im Erdgeschoss waren teilweise vergittert. Doch die Fenster und Terrassentüren des großen Wohnzimmers hatten keine Gitter, denn das hätte ziemlich Scheiße ausgesehen.

„Was ist denn das?“ war Francis einzige Äußerung gewesen, als die ersten, von Schallschutzfenstern gedämpften, Schüsse ertönten, und die daraufhin einkehrende Ruhe das erste Mal seit 2 Stunden, dass sie ihr Plappermaul hielt. Aber der Schreck dauerte nicht lange. „Und wie sind Sie noch mal entkommen? Dieser Smith hat sie in einem Geländewagen rausgeschmuggelt, ist ja spannend. Wie in einem James Bond Film, wissen Sie, ich hätte bei „Die Welt ist nicht genug“ beinahe eine Hauptrolle bekommen, bevor die Produzenten meinten sie bräuchten eine Dunkelhaarige und diese Sophie Marceau…“

„Francis, ich glaube das waren Schüsse.“ Stellte Amalia erstaunt fest.

„Kann schon sein, hier wird manchmal geschossen, also damals, der Regisseur…“

„Francis, ich glaube das war ziemlich in der Nähe.“ Stieß Amalia nervös hervor.

„Hast du etwa Angst? Aber Amy, du kleiner Angsthase, wir sind hier doch sicher. Wir haben mehrere Überwachungskameras und keiner traut sich in das Viertel. Die Schüsse kommen sicher von weit her.“

Renard war eingeschlummert und jetzt wieder aufgewacht. „Ich glaube Amalia hat Recht. Wir sollten vielleicht mal nachschauen.“ Er öffnete die Wohnzimmertür zum Flur. Die Schüsse waren jetzt viel lauter, plötzlich hörten sie auf. Renard blieb ein paar Sekunden in der offenen Tür stehen.

„Seht ihr, alles in Ordnung. Vielleicht war es nur ein lauter Fernseher.“ Francis schien wirklich nicht zu begreifen, was selbst dem einfältigsten Schimpansen klar sein musste, nämlich das eben gerade ganz in der Nähe geschossen worden war und sie nur durch die wirklich gute Isolierung des Raumes noch nicht das Gefühl hatten, dass die 101th Airborne Division angriff.

„Mach bitte wieder die Tür zu, es zieht und setz dich wieder zu uns. Du musst mir noch erzählen, wie diese Männer dich vom Markt weggebracht…“

Weiter kam sie nicht, denn Amalia brach in ein lautes Kreischen aus. Genauer gesagt brach sie genau eine Sekunde nachdem sie die Gestalt auf der Terrasse gesehen hatte in lautes Kreischen aus. Solange brauchte ihr Gehirn um zu verarbeiten, was die Augen gesehen hatten. Eine Mann, blutverschmiert und in voller Kampfmontur, stand auf der beleuchteten Veranda und starrte in das Wohnzimmer, den Kopf leicht zur Seite geneigt, als verstehe er nicht ganz, was er da sah. Im nächsten Moment verschwand er hinter einer Wand aus Blitzen, Bersten und kristallfarbener Explosionen, als die Glastür von seinem Gewehrkolben zerschmettert wurde. Renard wurde zur Seite gestoßen, als der schweigsame Leibwächter in den Raum stürmte. Er riss die verdutzte Francis mit seinem Schwung vom Sofa auf den Boden, wo er sich schützend über sie rollte. Decker war mit zwei Schritten im Raum und legte seine Waffe auf den am Boden liegenden Leibwächter an.

Der Bodyguard war gut, sein Auftrag war es, Francis mit seinem Leben zu schützen, und das tat er, als er seinen Körper als Schutzschild für sie benützte und gleichzeitig versuchte seine Beretta auf den Eindringling anzulegen.

Aber er hatte keine Chance gegen Decker. Der Feuerstoß riss seinen Brustkorb auf und sein Gehirn hatte augenblicklich dringendere Probleme als dem Zeigefinger den Befehl zu geben sich zu krümmen. Er trug eine Kevlarweste unter dem T-Shirt, was die großkalibrigen Kugeln aber nicht im Geringsten davon abhielt aus seiner Brust etwas zu machen, was im Entferntesten mit 20 Kilogramm Wurstaufschnitt zu vergleichen war. Francis rettete es wahrscheinlich das Leben, denn die Weste hatte den Kugeln immerhin so viel Energie genommen, dass sie nicht austraten, sondern in der Sauerei stecken blieben, die sie verursacht hatten.

Schwer atmend, mit sich hebender und senkender Brust, stand Decker im Raum und ließ das Magazin aus seiner Waffe plumpsen um ein neues einzulegen. Dabei stellte er sich nicht viel geschickter an als Ibo und brauchte seine Zeit. Zeit, die ein wirklich wütender und zu allem entschlossener Söldner in Hawaiihemd nützte um Renard kräftig am Kragen zu packen und in den Flur zu zerren. Decker bekam davon gar nichts mit, aber Fahami, der einen Warnschrei losließ. Zu spät für Decker, der nicht mehr rechtzeitig reagierte, als sich ein schwarzlackierter Gewehrlauf und ein Haarschopf um die Ecke schob. Decker konnte nicht verhindern, dass er Angst bekam, als er in die schwarze gähnende Mündung starrte. Er glaubte Augenkontakt mit dem Schützen zu haben, einen kurzen Wimpernschlag lang sahen sie sich an, dann passierte alles gleichzeitig. Decker ließ die AK fallen, Fahami hob sein Gewehr in den Anschlag und Amalia Renard schnellte wie von einer Tarantel gestochen vom Sofa hoch. Das alles geschah in derselben halben Sekunde und Phoenix reagierte wie er es gewohnt war. Als die Waffe aus den Händen seines Gegenübers fiel begann der Zeigefinger eben Druck auf den Abzug auszuüben. Als Fahami die Waffe auf ihn richtete, schwenkte er automatisch zu ihm hinüber und der Zeigefinger fühlte den Wiederstand des Abzugs. Als Amalias Kopf in die Schusslinie kam, war er kurz davor den Wiederstand zu überwinden. Wie gesagt, das alles geschah in weniger als einer Sekunde. Es war zu spät den Schuss zu verhindern. Für das Hirn sowieso, in so einem Fall konnten nur noch Reflexe etwas helfen – oder Beten. Was nun letztendlich Amalia rettete dürfte wohl nie geklärt werden. Phoenix zuckte kurz zusammen, als die Kugeln den Lauf verließ und um dreifingerbreit an Amalias Kopf vorbeischoss und auch noch Fahami um Nuancen verfehlte. Ein kurzer Schauder durchfuhr Phoenix, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.

„Runter, Runter!“ brüllte er und bei der letzten Silbe dieser beiden Worte feuerte er drei Schüsse auf den schwarzen Soldaten in der Verandatür ab. Alle drei Kugeln trafen Fahami in den Kopf. Bereits die erste war tödlich, die beiden weitern sorgten nur für mehr Arbeit bei der Autopsie.

„Runter, Runter!“ brüllte er weiter als er nun mit dem ganzen Körper in die Türöffnung trat um den zweiten Gegner im Raum zu erschießen.

Aber Decker war seinem Gewehr gefolgt und hatte Bodenkontakt gesucht. Er war in Panik, seine Lunge staubtrocken. Sein Colt steckte im Halfter am Oberschenkel. Er verfing sich, als Decker versuchte ihn rauszuziehen. Als er es endlich schaffte war sein Kopf keine dreißig Zentimeter von Francis Gesicht entfernt, die hinter ihrem toten Bodyguard hervorlugte. Sie hatte noch immer nicht kapiert, was abging, aber als sie nun in das verzerrte Gesicht mit den blutunterlaufenden Augen und den verschmierten blonden Haarsträhnen blickte, stockte ihr Atem. Decker wollte ihr diesen blöden Gesichtsaudruck vom Gesicht schlagen. Er wusste nicht warum er gerade jetzt auf diese Idee kam, wo er doch wirklich andere Probleme hatte. Aber die Gedankengänge eines Psychopathen sind schließlich nicht immer logisch nachvollziehbar.

„Runter, runter!“ brüllte Phoenix zum dritten Mal, als er alle Vorsichtsmaßnahmen außer Acht ließ und in den Raum stürmte. „Runter!“ brüllte er noch einmal, als er die begriffsstutzige Amalia packte und sie gewaltsam auf den Boden drückte. Erst einige Stunden später sollte ihm klar werden, dass die Südafrikanerin mit dem deutschen Wort „Runter“ wohl einfach nicht allzu viel anzufangen gewusst hatte. In der Hektik machte selbst ein Profi Fehler.

Aber von solchen Erkenntnissen war Phoenix noch weit entfernt. Jetzt lag er erst mal auf dem Parkettboden eines Wohnzimmers, in dem sich außer ihm noch zwei Leichen, zwei Models und ein bewaffneter Killer befanden. Trotz der ernsten Situation war sich Phoenix der Komik der Situation bewusst. Er lag gerade mit seinem vollem Gewicht auf dem vibrierenden Körper eines der begehrenswertesten und bekanntesten Supermodels der Welt und blies ihr seinen keuchenden Atem ins Gesicht. Diese Geschichte würde ihm keiner glauben.

Ein plötzlich einsetzendes Gekreische und die Tatsache, dass er nur durch eine Ledercouch von einem gefährlichen Mörder getrennt war, holten ihn in die Realität zurück. Was war los? Ganz einfach. Francis hatte sich aus ihrer Starre gelöst und ein Geschrei angestimmt, das jeden Brüllaffen vor Scham und Neid Suizid begehen lassen würde. Dem Freitod zugeneigt war auch Decker, als er (sowieso schon mitgenommen von den vielen Schüssen, die knapp neben seinen Ohren abgefeuert worden waren) das blonde Miststück an den Haaren packte und hoch zerrte. Phoenix federte sich von Amalia ab und sprang ebenfalls auf.

„Ich knall sie ab! Ich knall sie ab!“ brüllte ihm, der im Durchdrehen begriffene, Decker zu.

„Ich knall dich ab! Ich knall dich ab! Mach keinen Scheiß!“ brüllte Phoenix in etwa der selben Stimmlage zurück.

Sie standen sich gegenüber. Keine drei Meter auseinander. Nur durch das Sofa getrennt. Decker hatte Francis mit dem linken Arm umschlungen und die Waffe auf ihre Schläfe gedrückt. Phoenix hatte sein Sturmgewehr fest auf Deckers Stirn gerichtet. Beide Waffen waren entsichert und feuerbereit, beide Söldner aufs Äußerste angespannt.

„Mach keinen Scheiß, Mann. Mach jetzt bloß keinen Scheiß oder du bist tot.“ mahnte Phoenix in aggressivem Tonfall. Hatte er vor zehn Minuten wegen des tropischen Klimas leicht geschwitzt, strömte jetzt genug Schweiß seinen Rücken hinunter, um ein Drittes Welt Land zu bewässern.

„Ich soll keinen Scheiß machen?! Ich soll keinen Scheiß machen?! Du machst gefälligst keinen Scheiß oder ich blas ihr den Schädel weg!“ Decker zitterte am ganzen Körper vor Anspannung. Es war ein Wunder, dass die Waffe nicht einfach von selbst losging.

Mit gegenseitigem Anbrüllen kamen sie nicht wirklich weiter. Phoenix überlegte fieberhaft, während er versuchte gleichzeitig Deckers Waffe und die Stelle zwischen den Augenbrauen im Blick zu behalten, wo er den tödlichen Schuss setzen wollte.

„Wo ist Renard? Wo ist Renard?!“ brüllte Decker hysterisch.

„Nicht hier! In Sicherheit. Komm, nimm die Waffe runter und dann nehm ich meine auch runter.“ Antwortete Phoenix.

„Halts Maul! Wo ist Renard?“

In diesem Moment kam ein weiterer Uniformierter auf die Veranda. Die Situation entwickelte sich für Phoenix von beschissen zu ausweglos. Wenn jetzt nicht schnell was passierte, würde er nicht mehr in der Lage sein die Kerzen auf seinem nächsten Geburtstagskuchen auszublasen.

Renard, das Ziel von Deckers Wünschen, befand sich auf dem Weg in den Überwachungsraum. Eigentlich befand sich Ibo auf dem Weg in den Überwachungsraum und Renard wurde von ihm mitgezerrt. Telefon, Telefon, Telefon… Ibo suchte nach einem Exemplar dieser wunderbaren Erfindung von Mister Bell. Er fand eines davon auf dem Tisch neben den Überwachungsmonitoren. Er schleuderte Renard in einen Stuhl und wählte die Notrufnummer. Es piepste zweimal, was Ibo wie eine Ewigkeit vorkam. Dann kam die Stimme in bestem Englisch.

„Sie haben die Notrufnummer der Polizei gewählt. Wir müssen Sie darüber in Kenntnis setzen, dass es strafbar ist ohne Grund die Notrufnummer der Polizei zu wählen. Legen Sie in diesem Fall jetzt auf. Sollte es sich um einen wirklichen Notfall handeln wählen Sie die 1.“

Ein verdammtes Tonband. Ein gottverdammtes Tonband!

Ibo wählte die 1. Wieder zweimal piepsen.

„Sie haben die Notrufnummer der Polizei gewählt. Wenn es sich um einen dringenden Notfall handelt, wählen Sie die 1. Bei einem medizinischen Notfall die 2, bei einem Brand die 3 und bei einem Notfall mit geringer Priorität die 4.“

Schon während der ganzen Ansage drückte Ibo auf die 1. Neben Nervosität mischte sich jetzt auch Wut.

Wieder zweimal piepsen.

„Sie haben einen dringenden Notfall. Wir verbinden Sie jetzt mit einem Police-Officer. Bitte bleiben Sie am Apparat.“

Wieder piepsen. Diesmal nicht zweimal, sondern gleich ein halbes Dutzend Mal. Ibo wurde die Sache zu blöd. Er drückte Renard den Hörer in die Hand.

„Wenn da wer ran geht, sagen Sie was hier los ist. Sagen Sie ihm, dass wir von mehreren bewaffneten Männern attackiert werden und dass es bereits Tote gegeben hat. Sie sollen so schnell wie möglich Polizei hier herschicken. Und bitte nicht einen Streifenwagen mit zwei kurz vor der Pension stehenden Verkehrspolizisten, sondern die schwere Truppe. Verstanden? Machen Sie ihnen klar, dass die Situation ernst ist. Und sagen Sie am besten das Europäer in Gefahr sind, vielleicht treibt sie das an.“

Ibo konnte nicht schwören, dass Renard wirklich verstanden hatte. „Wo ist Amalia! Wir müssen sie holen.“ Er wollte aufspringen. Ibo drückte ihn in den Sessel.
“Nein! Sie bleiben hier am Telefon. Ich hol Amalia.“ bläute er ihm mit bestimmter Stimme ein. Dann hörte er am Telefonhörer. Noch immer Piepsen. Plötzlich sah er Phoenix Handy auf dem Boden. Musste vom Stuhl gefallen sein. Er hob es auf und drückte auf die erste eingespeicherte Nummer. Ypsilon. Er konnte nicht länger warten. „Reden Sie mit ihm. Oder mit der Polizei. Wer eben zuerst ran geht.“

Viel länger konnte er nicht warten. Er rannte los.

De Valera brüllte, Decker brüllte, Phoenix brüllte. Nur Francis war zum ersten Mal ruhig. Sie standen sich im Dreieck gegenüber. Decker die Waffe auf Francis gerichtet, Phoenix die Waffe auf Decker und De Valera die Waffe auf Phoenix. Die Situation hätte aus einem Tarantinofilm stammen können, nur fand keiner der Anwesenden die Situation unterhaltsam.

„Halts Maul!“ „Leg die Waffe weg!“ „Mach keinen Scheiß!“ „Ich knall dich ab!“ „Ruhe, Ruhe, Ruuhee!“ „Versuch keine Tricks!“ „Ich hab dich im Visier!“

Die geschrienen Worte wechselten den Besitzer ohne dass jemand eigentlich etwas verstand. Phoenix konnte seinen Kopf förmlich explodieren sehen. Durfte ein Scharfschütze in Panik geraten? Verdammt, egal. Die Panik fragte nicht nach Berufszugehörigkeit.

Phoenix konnte sich in den Arsch beißen, dass er nicht abgedrückt hatte, als er noch mit Decker alleine gewesen war. Jetzt war er auf jeden Fall tot.

Im Film würde jetzt Francis ausholen und ihrem Geiselnehmer mit den Stöckelschuhen auf den Fuß treten, worauf dieser sie loslassen und auf einem Bein durch die Gegend springen würde. Aber das Leben war leider kein Film. Trotzdem passierte jetzt was. Ibo griff in das Geschehen ein. Sie alle waren zu aufgebracht gewesen um zu sehen, wie der junge Kämpfer den Raum betrat und sein M4A1 auf De Valera anlegte und abdrückte. Das gab der Situation eine völlig neue Wendung, die nicht uninteressant war. Die ganze Zeit hatten sie sich gegenübergestanden und sich gegenseitig gedroht sich umzubringen. Als jetzt wirklich ein Schuss fiel und De Valera mit blutendem Schädel zusammenbrach standen sie aber nur da und sahen verdutzt auf den toten Körper. Das Gehirn nahm in einer solchen Extremsituation, wie der in der sich die beiden gerade befanden nicht mehr alles wahr. Das plötzliche Zusammenbrechen De Valeras gehörte dazu. Keiner von beiden drückte ab. Nur kurz dauerte diese perplexe Situation an. Dann brüllte Decker los. „Du Sack, du Sau! Ich bring dich um. Ich bring dich um!“ er stolperte nach hinten. Phoenix Gewehrlauf folgte ihm. Der Hahn des Colts war gespannt, der Finger durch den Abzugsbügel geschoben, nein er konnte jetzt nicht schießen. Die Gefahr für Francis war zu groß.

„Okay Mann, okay Mann. Geh raus. Geh einfach raus und lass sie dann laufen.“ Phoenix riss sich zusammen um eine möglichst beruhigende Stimme zu haben. Aus den Augenwinkeln konnte er endlich Ibo sehen, der langsam mit der Waffe im Anschlag in den Raum kam. Decker kam an De Valeras Leiche vorbei, die über Fahamis Leiche gefallen war. Er warf keinen Blick darauf sondern wanderte langsam rückwärts in die Nacht hinaus.

Phoenix und Ibo folgten ihm im selben Tempo. Sie hatten die Türschwelle erreicht. Hinter sich konnten sie hören, dass Amalia sich bewegte. Decker war nun beängstigend ruhig. Seine Miene war wie versteinert. Eine blonde Strähne fiel ihm ins Gesicht, wie bei Francis, die mit weit aufgerissenen Augen auf die beiden Söldner starrte. Sie redeten nichts mehr. Jeder war nur noch darauf bedacht keinen Fehlschritt zu machen oder zu stolpern. Decker näherte sich der Gartenmauer. Je weiter sie von der Veranda wegkamen desto düsterer wurde es und Decker konnte nicht sehen, wo das Tor war, würde es aber schon finden. Gleichzeitig wurde es auch immer schwieriger für die beiden Söldner, ihn im Dunkeln zu erkennen. Decker stieß mit dem Rücken gegen die Mauer. Langsam schob er sich nach links. Schleppte Francis mit. Die beiden Söldner kamen wieder näher. Er musste sich zusammenreißen, nicht die Pistole auf sie zu richten. Plötzlich fühlte er, wie die Wand hinter seinem Rücken aufhörte. Er war bei der Tür.

„Bleib stehen.“ Ibo sprach langsam. „Du gehst nicht mit ihr durch die Tür. Wenn du mit ihr durch die Tür gehen willst knallen wir dich ab.“

Decker überlegte. Sie hatten Recht. Wenn er mit ihr durch die Tür ging und einen Schritt zu Seite trat hatten sie ihn nicht mehr im Schussfeld. Dann waren sie im Nachteil und er hatte immer noch die Geisel. Sie würden ihn nicht mit ihr gehen lassen. Allein schon aus Angst, er könnte sie einfach umbringen, sobald er sie nicht mehr brauchte. Was er auch sicher tun würde. Decker war nicht zögerlich, wenn es ums Töten ging.

„Okay.“ Er machte sich klein und nützte den Körper Francis voll als Deckung aus, was schwierig war, denn sie war zwar 1,75 groß aber nur 50 Kilogramm schwer. Decker atmete tief ein und trat dann plötzlich einen Schritt nach hinten, die Waffe weiterhin auf ihren Kopf gerichtet. Dann verschwand er im Dunkeln. Francis stand alleine in der Türöffnung. Starr und mit apathischem Blick. Sie war nicht mehr in der Lage selbst einen Schritt zur Seite und weg von der Türöffnung zu machen. Ibo rannte auf sie zu, während Phoenix ihn sicherte, und zerrte sie an die Wand. Es war vorbei. Sie waren in Sicherheit.

Decker rannte über den Strand und drehte sich immer wieder um, ob ihm jemand folgte. Der Mann der plötzlich vor ihm auftauchte, hob beide Hände mit dem Gewehr, um zu zeigen, dass er keine Gefahr war.

„Rush, du Arsch, wo warst du?“ zischte Decker ihm ins Ohr.

„Ich bin am Strand in Stellung gegangen, wie du befohlen hast.“ Antwortete der Scharfschütze.

„Leise! Sie hören uns sonst.“ Er drückte ihm die Pistole von unten an die Backe. „Du feiger Hurensohn hast dich gedrückt. Alle sind tot!“

„Was sollte ich tun, Mann! Ich bin Sniper, kein…“

Decker ließ ihn nicht ausreden. Er hasste Feiglinge. Deshalb drückte er ab. Rush klammerte sich an Decker und rutschte langsam an ihm herunter. Decker konnte von oben in seinen Kopf hineinsehen. Er trat zur Seite und Rush kippte zu Boden.

Decker lief weiter. Er kam zu den Booten. Er schaffte es, eines der schweren Gefährte zurück ins Wasser zu schieben und setzte sich mit nassen Hosen hinter den Außenbordmotor. Ohne etwas zu sehen fuhr er in die Nacht hinein.


Phoenix und Ibo schleppten Francis ins Haus. Ibo legte sie auf das Sofa. Dann sah er die drei Leichen auf dem Boden. „Ich trag sie besser nach oben.“ Phoenix nickte. Ibo trug sie in den Gang. Die AK-74 lag noch da, wo er sie fallen gelassen hatte. Ibo war selbst nicht gerade der muskulöse Typ sondern eher schlaksig, aber Francis war Gott sei dank wirklich nicht schwer. Alf war im Flur, sah ihn fragend an. Aber Ibo hatte jetzt keine Lust etwas zu erklären.

Phoenix sah zu Amalia Renard. Sie stand in der Ecke an die Wand gelehnt. Eine Träne rollte über ihre Wange. „Alles in Ordnung?“

„Ja. Das ist alles meine Schuld. Wegen mir musste meine Freundin das durchmachen. Wegen mir.“

„Das konnte keiner vorhersehen. Es ist nicht Ihre Schuld.“ Phoenix fühlte sich unwohl. Er war kein Psychologe. Er war Söldner, Scharfschütze. Sein Beruf war Töten. Er brauchte eher selbst einen Psychologen.

„Sie sollten jetzt vielleicht zu Ihrem Bruder gehen.“ Alf kam in den Raum und sah geschockt auf die Leiche des toten Bodyguards. Phoenix richtete das Wort an ihn, bevor er Fragen stellen konnte. „Alf, bring Miss Amalia zu Mister Renard. Er ist, glaub ich, im Überwachungsraum.“ Alf nickte und führte Amalia hinaus.

Phoenix hob sein Gewehr und sicherte es. Die Luft roch nach Blut. Überall Blut. Er ging zur Veranda von der frische Luft herbei wehte. Die Leichen störten ihn plötzlich. Er schaltete das Licht aus, um sie nicht mehr sehen zu müssen.


Hawkins und Toruffe hatten irgendwie das Glückslos gezogen. Während im Haus und auf dem Grundstück ihre Kameraden starben, warteten die beiden auf der Straße, dass jemand das Haus verließ. Hawkins hockte hinter einem Müllcontainer in der Nähe des Trampelpfades, der zum Strand führte, und hatte die Einfahrt des Hauses zwar nicht wirklich im Blickfeld, war dafür aber sehr gut von Blicken von dort geschützt. Toruffe kauerte dreißig Meter weiter vorne am Straßenrand. Hier gab es keine parkenden Autos und deshalb keine Deckung. Niemand, der eine Garage hatte, parkte in Lagos sein Auto auf der Straße. In Europa hätte Toruffe sich in einem Vorgarten unter Büschen wunderbar verstecken können. Aber nicht hier, wo jedes Haus von einer drei Meter hohen Mauer umgeben war. Sie hörten Schüsse. Mindestens fünf Minuten lang. Dann war es still. Dann ein einzelner Schuss. Und wieder Todesruhe. Keiner kam auf die Straße. Der Plan die Bewohner auf die Straße zu treiben, hatte also nicht funktioniert. Sie mussten ins Haus. Toruffe gab Hawkins ein Zeichen ihm zu folgen.

Hawkins lief geduckt los. Toruffe war schon bei der Einfahrt. Das Tor war offen. Er konnte das Haus sehen in dem Licht brannte. Die Konturen eines Menschen hoben sich gegen den hellerleuchteten Zimmerhintergrund ab. Toruffe legte an. Der Schatten tauchte wieder auf. Toruffe atmete tief ein.

Ein Auto bog in die Straße ein. Um halb fünf Uhr morgens. Der Scheinwerfer erfasste Toruffe, der sich flach auf den Boden warf. Das Auto kam näher und hielt an. Hatte man ihn gesehen?“ Der Wagen blieb mit laufendem Motor stehen. Es war ziemlich laut. Oder waren das weitere Motoren? War da ein zweites Auto ohne Licht?

Plötzlich ging ein zweites Paar Scheinwerfer an, und ein drittes. Blaulicht blitzte auf, Türen wurden aufgerissen, Stimmen ertönten. Ja, sie hatten Toruffe gesehen. Das unangenehme Quietschen eines eben eingeschalteten Lautsprechers ertönte.

„Hier spricht die Polizei. Leisten Sie keinen Widerstand. Heben Sie die Hände gut sichtbar über den Kopf.“

Scheiße. Polizei. Toruffe dachte nicht daran sich zu ergeben. Er schoss auf die Lichter. Schoss das halbe Magazin leer. Die Polizisten gingen in Deckung. Toruffe sprang auf und rannte zurück. Weitere Scheinwerfer leuchteten am anderen Ende der Straße auf. Hawkins feuerte. Auch auf der anderen Seite gingen die Polizisten hinter ihren Wagen in Deckung.

Ypsilon schlug dem Major der Miliz auf die Schulter. „Mann! Lassen Sie ihre Leute schießen! Sie entkommen sonst!“
“Geht nicht Mister. Wir könnten unsere eigenen Leute treffen.“

дубина Die Straße macht doch einen Knick. Wenn ihre Leute einigermaßen schießen können, passiert nichts!“
Der Major griff wieder zum Megafon. „Hier spricht die Polizei. Bleiben sie stehen.“ Als Antwort kam eine Salve, die dem neben dem Major stehenden Milizionär ein Ohr abriss.

Ypsilon überlegte nicht lange sondern packte die AK-47 des Mannes und stützte seine Ellenbogen auf dem Dach des vor ihm stehenden Nissan Streifenwagens auf.

Der Major sah, was er vor hatte und brüllte: „Fire, all units, fire!“ Wenn schon geschossen wurde, dann nur auf seinen Befehl.

Hawkins wurde von Ypsilon in Oberschenkel, Schulter, Arm und Brust getroffen. Der Brustschuss erwies sich als tödlich. Toruffe kam glimpflicher davon. Obwohl etwa 20 Polizisten an beiden Enden der Straße begannen auf ihn zu feuern, schien er einen guten Schutzengel zu haben. Drei Kugeln aus AKs gingen in seine Beine. Zwei Pistolenkugeln in seinen Oberkörper. Wo die anderen 150 von den Ordnungskräften abgefeuerten Kugeln hingingen konnte keiner so genau sagen. Am nächsten Morgen beschwerten sich aber mehrere Anwohner über zerschossen Garagentore und darin beschädigte Fahrzeuge. Außerdem war eine Katze zersiebt worden. Sie hatte nicht soviel Glück wie Toruffe, der tatsächlich lebend verhaftet wurde. Oder besser gesagt, man schmiss seinen noch lebenden Körper in einen der Nissans und fuhr ihn mit Blaulicht zum Polizeirevier. Ypsilon hatte keine Ahnung ob er es überlebt hatte. Es war ihm aber eigentlich auch so egal, wie der Ausgang der Frauenweltmeisterschaft im Synchronschwimmen.

Ein paar Meter weiter hoben sie den armen Kerl mit dem zerfetzten Ohr auf und schleppten ihn zu einem weiteren Wagen. Er war das einzige Opfer unter den Polizisten, von denen sich jetzt vier Mann mit kugelsicheren Westen bereit machten, das Haus zu stürmen. Ypsilon hoffte, dass sie noch rechtzeitig kamen. Vor etwa fünfzehn Minuten hatte er mit einem völlig aufgelösten Renard telefoniert, der ihm mitgeteilt hatte sie würden angegriffen. Er hatte das Krankenhaus sofort verlassen und das nächste Polizeirevier gesucht. Gefunden hatte er keines, war aber mit etwa dreißig Meilen in eine Streife gerast. Nicht seine Schuld, er hatte Vorfahrt gehabt. Die Polizisten wollten ihn erst verhaften (oder erschießen, so sah es nämlich aus) aber Ypsilon hatte sie mit 500 US-Dollars dazu gebracht, lieber ihren Vorgesetzten anzufunken und dem die Situation erklärt. Der Major hatte es tatsächlich geschafft innerhalb von fünf Minuten diesen Aufmarsch von regulärer Miliz auf die Beine zu stellen. Ypsilon war echt froh, dass es sich anscheinend um richtige Polizisten in anständigen Uniformen und nicht um ein paar dieser dreckigen und undisziplinierten Ordnungshüter handelte, von denen sie heute schon genug gesehen hatten.

Ypsilon lief an dem getöteten Söldner vorbei die Treppe zum Haus hinauf. Die Tür stand offen. Ein Polizist versuchte ihn zurückzuhalten, aber er drängte ihn einfach zur Seite. Zwei Beamte bedrohten Alf im Flur mit ihren Waffen. Ypsilon hetzte weiter. Endlich sah er Phoenix, auch ihm wurde ein Gewehrlauf unter die Nase gehalten. Was vom Standpunkt des Polizisten auch verständlich war, trug der junge Scharfschütze doch ein M-16 Gewehr in den Händen.

„Nehmt die Waffen runter. Hier ist alles in Ordnung.“ Versuchte Ypsilon sie zur beruhigen. Aber es klappte nicht so ganz. Phoenix ließ die Waffe zu Boden sinken und hob die Hände. Ypsilon wandte den Kopf um und sah, wie sie Alf gerade Handschellen anlegen wollten.

„Stop, das geht jetzt aber zu weit. Die Leute hier gehören zum Haus. Sie haben kein Recht…“

Der Major kam durch die Tür zum Wohnzimmer und sah ziemlich böse aus. „Da liegen drei Tote. Nehmen sie alle fest Sergeant.“ Befahl er einem der Polizisten.

Scheiße jetzt wurde es teuer.

„Phoenix, wo ist Ibo?“

Phoenix, noch immer die Hände hochhaltend, nickte mit dem Kopf zur Treppe. Man konnte nicht genau erkennen, ob er genervt oder gelangweilt war. Ypsilon stürmte die Treppe hinauf.

„Halt, bleiben Sie hier!“ brüllte der Major ihm nach. Kurz schien es so, als wollte er hinterher, besann sich dann aber der Würde, die ihm sein Rang verlieh und blieb stehen. Er hob das M-16 hoch.

„Ist das Ihre Waffe?“ Er hielt sie Phoenix vor die Nase.

„Nein.“

„Ich hab Sie aber vorher damit gesehen.“

„Müssen Sie sich getäuscht haben.“

„Reden Sie keinen Müll.“ Er schnaubte ärgerlich. „Waffenbesitz ist verboten. Sie kommen dafür ins Gefängnis.“

Phoenix wollte schon fast etwas von den ungefähr 100 Leuten sagen, die er an seinem ersten Tag in Lagos mit Knarren gesehen hatte, und die alle ganz bestimmt keine Genehmigung dafür hatten, entschied sich aber dagegen.

„Ich bin Luxemburger Staatsbürger. Ich will mit meiner Botschaft sprechen.“ Das war zwar eigentlich das letzte was er wollte, aber es hörte sich nicht schlecht an und diente sowieso nur dem Zweck, Zeit zu schinden bis Ypsilon und Ibo mit dem Cash da waren.

Die kamen auch schon die Treppe runter. Ibo hatte sich seiner Waffe schon entledigt. Phoenix beschloss jetzt in die Offensive zu gehen.

„Major, Sir. Wir können das doch alles sicher klären. Die Waffen gehören nicht uns, sondern wir haben sie den Angreifern abgenommen. Wir haben sie nur zur Selbstverteidigung benutzt, die wir auch wirklich nötig hatten. Sie sehen ja, man ist hier seines Lebens nicht sicher. Ohne Ihr rasches Eingreifen wären wir jetzt sicher tot. Ich werde das meinem Chef erzählen. Er wird erfreut sein zu hören, dass Lagos über eine so tüchtige Polizei verfügt, jetzt wo wir kurz davor stehen uns mit unserer Baufirma hier niederzulassen. Um unsere Dankbarkeit auszudrücken sind wir auch gerne bereit uns finanziell erkenntlich zu zeigen.“ Phoenix sah Ypsilon aufmunternd an. Der holte den Umschlag heraus und reichte ihm den Major.

„Nein, nein, das ist nicht erlaubt. Ich darf keine Geschenke annehmen.“ Er schob das Geld zurück. „Ich kann leider nicht darüber hinwegsehen, dass dort drüben im Zimmer drei Leichen liegen. Können Sie mir das erklären?“
Phoenix antwortete blitzschnell ohne zu überlegen. „Bei einem der Männer handelt es sich um den Leibwächter der Hausherrin. Er hat blitzschnell auf den Überfall reagiert und die Angreifer erschossen. Leider wurde er dabei auch selbst getötet. Sie werden übrigens zwei weitere Tote im Garten finden, sie gehören auch zu den Banditen und wurden vom Leibwächter getötet. Wirklich ein tapferer Mann.“

Der Major sah Phoenix an und glaubte ihm kein Wort, aber er war ein kluger Mann und wog die Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Er hatte das Recht alle Leute hier zu verhaften und mit ins Polizeiquartier zu nehmen und bis zum nächsten Morgen festhalten. Aber sie waren keine gemeinen Nigerianer, die man einfach für immer in irgendein Loch stecken konnte. Morgen früh, also eigentlich schon in wenigen Stunden, würden sie Besuch von Mitarbeitern ihrer Botschaften erhalten und wenn sie wirklich für eine reiche westliche Firma arbeiteten (und danach sah die Villa aus) würden sie sogar schon vorher einen oder mehrere gewitzte, einheimische Anwälte von der Lagos University haben. Bis zum Mittag würden die mit dem Innenminister, dem Polizeipräsidenten oder dem Justizminister telefoniert haben und sie davon überzeugt, dass es schwere internationale Schäden geben könnte, wenn die Verdächtigen weiter festgehalten würden. Wahrscheinlich würden auch Bestechungsgelder fließen. Bis zum frühen Nachmittag waren sie dann wieder alle auf freiem Fuß und er konnte sich auf einen Haufen Ärger gefasst machen.

Nein, das war es nicht wert. Er würde es wie immer machen, wenn reiche Ärsche aus Victoria Island in Verbrechen verstrickt waren.

„Wir werden Untersuchungen anstellen. Wir müssen Ihre Personalien aufnehmen. Halten Sie sich bitte jederzeit bereit zu einem Verhör vorgeladen zu werden. Es ist Ihnen untersagt die Stadtgrenzen innerhalb der nächsten sieben Tage zu verlassen.“ Er drehte sich um und verließ das Haus. Alf wurden die Handschellen wieder abgenommen. Dann drängten sich die Polizisten um einen Blick in das Wohnzimmer zu erhaschen und die Papiere der Söldner zu kontrollieren. Nachdem das erledigt war gingen die drei Söldner nach oben, dort saßen Renard und Amalia auf einem Bett. Sie hatte sich die Tränen abgewischt und wirkte gefasster als ihr Bruder.

„Mister Renard. Wir haben das mit der Polizei in Ordnung gebracht. Ich glaube nicht, dass sie noch mal was von ihnen hören werden.“

Renard nickte langsam. Ypsilon kratzte sich am Kopf.

„Ich glaube damit wäre unser Engagement so gut wie beendet. Sie sollten Lagos, am besten ganz Nigeria verlassen. Kennen Sie einen sicheren Ort?“

Renard sah auf. „Ich gehe wieder nach Südafrika.“

„Und Sie Miss Renard? Wir wissen nicht, ob man auch nach Ihnen sucht.“

Sie sah Ypsilon an. Der Russe wich dem Blick aus. „Ich weiß nicht. Wie geht es Francis? Mein Gott, wie konnte ich sie da nur mit reinziehen.“

Sie stand auf und machte Anstalten den Raum zu verlassen. Die Söldner gingen zur Seite und machten Platz. Sie ging zu Francis, die Ibo in ein angrenzendes Zimmer gebracht hatte.

„Smith geht es übrigens gut. Ich hab in seinen Papieren geblättert und gesehen dass er Amerikaner ist. Ich hab die Botschaft verständigt. Die kümmern sich darum, dass seine Angehörigen verständigt werden.“

Renard nickte. Es war eine seltsame Situation. Die Söldner konnten jetzt eigentlich gehen. Aber konnten sie es wirklich? War die Gefahr wirklich vorüber?

Peinliches Schweigen trat ein. Nacheinander verließen sie das Zimmer und zogen sich in den Dachboden zurück, da unten immer noch Polizei umherwuselte.

„Und Leute, was ist hier eigentlich passiert?“ fragte Ypsilon auf dem Weg nach oben. Ibo holte weit aus um zu erklären.


Am nächsten Morgen verließ Francis Lagos. Sie war nervlich kaputt und flog zu einem weltbekannten Psychotherapeuten nach Los Angeles, der den Söldnern jetzt schon Leid tat. Smith wurde im Krankenhaus gut von den Schwestern bewacht. Ibo hatte sie großzügig bestochen. Außerdem sah jeden Tag ein Angehöriger der amerikanischen Botschaft vorbei. Das war Renard wichtig gewesen. Er selbst hatte ein Ticket für Johannesburg und flog noch am selben Tag. Amalia flog am Abend nach Paris. Sie hatte alles anscheinend am besten überstanden. Keine drei Tage später war sie wieder auf Modefotos zu sehen. Sie hatte sofort wieder mit der Arbeit begonnen. Die Party löste sich schneller auf, als die ehemalige Sowjetunion. Die Söldner kehrten am Abend in die Villa zurück, wo ein verloren und vergessen scheinender Alf die Stellung hielt. Er war am meisten zu bedauern. Das Haus gehörte Francis Freund, der noch immer keinen blassen Schimmer hatte, was passiert war. Alf wünschte er würde es auch nie herausbekommen, da er sonst wahrscheinlich seinen Job als Chauffeur und Hausmeister los war. Die Söldner konnten ihren neuen Freund nur bedingt trösten. Zusammen leerten sie mehrere Flaschen Wein und Wodka, lachten viel und scherten sich einen Scheißdreck um das Blut, das noch immer in der Couchgarnitur war. Als sie am nächsten Morgen Nigeria mit Ziel Norden verließen, gaben sie Alf den Rest ihrer Reisekasse. Er konnte es sicherlich besser brauchen als Hieb und Barlmoro. Die Verabschiedung verlief kurz und schmerzlos. Alf (alles andere als nüchtern) brachte sie zum Flieger und neun Stunden später landeten sie in Frankfurt am Main.

Von der nigerianischen Polizei hörten sie übrigens nie wieder etwas.



Freetown, Sierra Leone; 18. Mai 2002

Frederick Jason Barringer stand am Panorama Fenster seines Büros und sah zu, wie der Sikorsky auf dem Landeplatz mehrere Stockwerke unter ihm landete. Noch während die Rotoren sich drehten, sprang die Seitenklappe auf und der einzige Überlebende des missglückten Unternehmens „Renard“ sprang in die schwüle Morgenluft Sierra Leones. 48 Stunden hatte es gedauerte diesen Paul Decker hier herzuschaffen. Viel zu lange für den ungeduldigen Patriarchen. Er griff nach der Handglocke auf seinem Tisch und schellte nach seinem Sekretär. Keine fünf Sekunden später trat er ein.

„Seyton, bringen Sie mir sofort den Neuangekommen hierher.“

„Sofort, Sir Barringer.“ Mit einer Verbeugung verließ er rückwärts das Büro.

Barringer schenkte sich ein Glas Kognak ein und wartete. Immer musste er warten. Nach einer schier endlosen Ewigkeit kam der Sekretär Seyton mit dem Gast zurück.

„Sir, Mister Paul Decker.“ Er schloss die Tür, als er das Büro wieder verließ.

Decker stand einen halben Steinwurf von Barringers Schreibtisch entfernt.

„Kommen Sie her, Mann!“ schrie der ihm zu. Er schrie, was schon mal nicht auf einen gemütlichen Plausch hindeutete. Ebenfalls dagegen sprach die Tatsache, dass für Decker kein Stuhl bereitstand. Es war anscheinend vorgesehen, dass er vor dem Schreibtisch stand. Entweder war Decker blind für solche Kleinigkeiten oder einfach ungeheuer unverschämt. Er lief zur Sesselgruppe an der Wand und ließ sich auf einen Diwan fallen. Man musste Barringer nicht gut kennen, um zu sehen, dass Decker bei ihm damit auf der Abschussliste stand.

„Also. Was haben sie mir zu berichten. Was ist da unten passiert?“

Decker erzählte ihm die ganze Geschichte haargenau von dem Zeitpunkt an, als er in die Mine nach Oyo kam. Der Bericht war wirklich sehr genau und authentisch, was Courtlands Versagen anbelangte, jedoch ein kleinwenig subjektiv, was die eigenen Leistungen Deckers betraf. So wurde etwas an den Tatsachen herumgedreht und schließlich hatte Courtland nicht nur die Unverfrorenheit besessen sich im Krankenhaus erschießen zu lassen, sondern auch den verpatzten Angriff auf das Haus in Victoria Island persönlich geleitet. Decker hatte ihn sogar noch gewarnt und auf seine Planungsfehler hingewiesen. Aber Courtland habe nicht auf ihn gehört und deshalb sei alles schiefgelaufen. Barringer schien ihm sogar zu glauben.

„Wissen Sie, wo Renard sich jetzt aufhält?“
“Nein.“

„Wissen Sie, wo die Ratte Smith sich aufhält?“

„Nein.“

„Wissen Sie, wer diese Männer waren, die den Auftrag in die Hose gehen ließen?“

„Nein.“
“Was wissen Sie überhaupt? Sie sind genauso unfähig wie alle anderen! Man muss alles selbst machen, wenn es funktionieren soll! Nichts funktioniert hier, absolut gar nichts! Ich bin umgeben von inkompetenten Arschlöchern, die sich selbst nicht einmal die Schuhe binden können. Ich hatte eine ganz leichte Aufgabe für Smith. Er sollte planen Renard aus dem Weg zuschaffen. Was tut er? Er verbündet sich mit dem Kerl. Ich habe Courtland gesagt er sollte Smith und Renard töten. Was tut er? Vermasselt die ganze Aktion. Das ist eine Verschwörung! Alle sind gegen mich. Man will mir schaden, man will mich vernichten! Hören Sie mir zu!“ brüllte Barringer und zitterte dabei, dass der Kognak überschwappte. „Heh! Hören Sie mir zu?“
Nein, das tat Decker nicht. Er war in seiner eigenen kleinen Traumwelt, in der Barringer jetzt gerade an einem Fleischerhaken an der Wand hing und von dem kleinen Paul mit einer Kettensäge in winzige Stücke zerteilt wurde. „Ja, ich höre Sie. Was soll ich tun?“

„Sie sollen verschwinden! Aus meinen Augen!“

„Und was ist mit Renard?“
“RAUS! Ich will diesen Namen nie wieder hören! NIE WIEDER. Vergessen Sie Renard! Vergessen Sie Smith! Vergessen Sie die ganze Brut!“ er schmiss das Glas auf den Boden, wo es jetzt eigentlich melodramatisch zerspringen sollte. Aber der zentimeterdicke Tierfellteppich federte gut ab. Decker machte sich trotzdem an den Rückzug.

„Seyton! Seyton! Begleiten Sie Decker nach draußen!“
Servil wie immer öffnete der Sekretär die Tür und geleitete Decker aus dem Büro.







An dieser Stelle möchte ich wie immer allen danken, die dazu beigetragen haben, dass meine Warstory in der Form existiert, in der Ihr sie jetzt lesen könnt. Da wäre zuallererst einmal meine Lektorin Tina zu nennen, die immer wieder ihre Zeit opfert, um sich meine Machwerke durchzulesen und zu korrigieren. Sie hat nie die Nerven verloren, obwohl sie genau weiß, dass ich nie mehr im Leben Groß- und Kleinschreibung sowie die Kommasetzung verstehen, geschweige denn richtig anwenden werde.

Zweitens ein großes Dankeschön an Ypsilon, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand und die Warstory auf unlogische Stellen hin kontrollierte und verbesserte.

Drittens danke ich meinen Lehrern für ihren Frontalunterricht, der es mir ermöglichte mir im Unterricht diese Warstory auszudenken und in Gedanken zum großen Teil auszuformulieren. Ich hoffe weiterhin auf fruchtbare Zusammenarbeit im neuen Schuljahr, da ich ja noch einen dritten und letzten Teil zu schreiben habe.

Job


Von Job


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