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Paladin - Zyklus 3: Der Wiederstand



Teil 8 - Die Einheit

"Mehr ist nicht immer besser..."

Der Kombi wühlte sich weiter durch den Verkehr auf der Autobahn, der zu dieser Zeit wie ein Leichentuch - ein blinkendes, fluchendes, hupendes Leichentuch, aber immerhin - über der Strasse lag und alles lähmte. Azuriel hatte vor langer Zeit aufgegeben, zu verstehen, wofür Menschen eigentlich Straßen oder sogar Autobahnen brauchten - sollten sie sich verdammt noch mal einen Ort aussuchen, wo es ihnen gefällt und da bleiben -, aber der Stau ärgerte ihn trotzdem. Weniger, weil er kein Verständnis dafür hatte, dass sich alle Menschen auch noch immer in eine Richtung bewegen wollen - eine weitere etwas sonderbare Angewohnheit - sondern hauptsächlich, weil sie sich das denkbar ungünstigste Ziel dafür ausgesucht hatten.

Aus dem Kofferraum erschallte ein Klopfen.

"Nicht, das ich es nicht schön finde, mal zur Abwechslung keinen Brechreiz zu haben, aber warum haben wir angehalten ?"
"Das nennt sich Stau. Entsteht, wenn zu viele Idioten auf einmal in die gleiche Richtung wollen."
"Eine dieser neuzeitlichen Erscheinungen, oder ? Ich muss schon sagen, diese Zeit ist etwas verwirrend."
"Gib dir keine Mühe. Ich habe 40 Jahre hier verbracht und hab immer noch keinen Schimmer, wie der Hase läuft."
"Im übrigen - sobald wir bei der Herberge ankommen, lasst euch ein paar Pferdedecken geben. Ich fürchte, das mein Körper etwas empfindlich auf Licht reagiert."
"Nicht nötig, wir fahren einfach in die Tiefgarage."
"Tiefgarage ?"
"Das wird eine lange Fahrt..."

Mark bedauerte schon jetzt, wie recht er haben würde.

37 Mittelfinger, Flüche und Lichthupen später hatte man sich erfolgreich durch den Stau geschmuggelt; man steuerte eine Tiefgarage im Zentrum an und parkte den Wagen dort; da es inzwischen schon wieder zur Nacht dämmerte (laut Radioberichten entstand der Stau durch einen Auffahrunfall, in den 5 LKWs verwickelt waren, von denen 4 sperrige Skulpturen für eine Metallkunst-Ausstellung transportierten, wodurch sich die Aufräumarbeiten den ganzen Tag hingezogen hatten), entschloss man sich zu einer kurzen Stadtbesichtigung, um anschließend ein geeignetes Hotel auszusuchen. Die Wahl fiel auf eine etwas billig anmutende Absteige, von der Azuriel versicherte, dass es ganz ausgezeichnetes Rührei zum Frühstück gäbe. Selbiger erledigte das lästige Einchecken, und gegen Acht Uhr abends machte man sich in den Einzelzimmern breit.

"Wir müssen etwas Arbeitsteilung durchführen. Az, Sharon, besorgt Bargeld und sucht einen Waffenladen, wir brauchen jede Menge Munition. Wenn ihr fertig seid, bringt Sharon die Munition zum Wagen und wartet dort. Az, du besorgst uns ein neues Auto. Ich geh mit Avenger Reisepässe besorgen, so dass wir hier unbehelligt rauskommen. Noch Fragen ?"
"Was für Munition brauchen wir ?"
"12er Schrot, 9mm Parabellum und .308 Winchester. .50 Action Express und 10mm Auto, falls sie so was haben, aber das glaube ich eher nicht, also fragst du da besser dezent nach."
"Was ist mit dem Auto ?"
"Am besten mieten wir eins bei Avis oder wie die Typen heißen. Da wir es nur für die Reise nach Rom brauchen, wäre ein gekaufter Wagen ziemlich unnütz, und dazu noch auffällig. Keine Fragen mehr ? Ok, dann los. Wir treffen uns in vier Stunden wieder hier."

Mark und Avenger steuerten zielsicher in Richtung dunkler Seitenstraßen - Mark hatte ein Talent dafür, den kürzesten Weg zum schlimmsten Viertel der Stadt zu finden, und in diesem Fall war der Weg nicht besonders weit. Mark deutete Avenger, ihm dicht zu folgen, und bewegte sich auf den Eingang eines Clubs zu, wo er nach kurzem Blick nach unten einen etwas untersetzten Türsteher erfassen konnte.
"Geschlossene Gesellschaft. Haut ab."
"Ich will deinen Boss sprechen."
"Ich sagte, hau ab."
"Vielleicht interessiert es deinen Boss nicht mehr, gute Beziehung zu Alexandra Tortelli zu unterhalten."
Wie praktisch, dass nur Mark wusste, wer hier für Alex arbeitete und wer nicht.
"Alexandra Tortelli schickt dich ? Scheiße ! Komm rein, Herr Klaus wird gleich mit dir sprechen.
Mark und Avenger wurden durch den ohrenbetäubenden Krach der Musik in ein relativ komfortable eingerichtetes Hinterzimmer geführt, obwohl komfortabel hier eher nach dem Standard von Alex Büro gemessen wurde - soll heißen, es gab mehr als einen Stuhl in diesem Zimmer, aber niemand machte Anstalten, sich zu setzen.

"Mr. Simmons, nehme ich an ?"
"Live und in Farbe."
"Udo, geh wieder nach draußen. Hier gibt es wichtige Dinge zu besprechen."
Der Türsteher verschwand und überließ das Feld Mark und Avenger.
"Also, Mark - ich darf doch Mark sagen, oder ?"
"Nein."
Die Raumtemperatur wäre um ein paar Grad gesunken, wenn es nicht schon so verdammt kalt in dem Raum gewesen wäre.
"Kommen wir zum Punkt. Warum sollte ich mir mehrere Millionen Dollar entgehen lassen und sie nicht dem FBI ausliefern ?"
"Wissen, ich werde ihnen jetzt etwas erzählen, und das wird seltsam klingen, aber sie haben mein Wort, dass es wahr ist. Sehen sie die Dame hinter mir ?"
"Sicher."
"Sie ist unsterblich. Keine Waffe kann sie aufhalten. Versuchen sie etwas dummes, wird sie sie zu Hackfleisch verarbeiten und den ganzen Schuppen hier gleich noch mit dazu."
"Das ist mal ein kreatives Märchen, zugegeben."
"Ich scherze nicht."

Mark nickte in Avengers Richtung; sie erwiderte die Geste, obwohl sie gehofft hatte, dass nicht durchziehen zu müssen. Mit andächtigen Bewegungen zog Mark eins seiner Kampfmesser, drehte sich zu Avenger um und hob es langsam auf Augenhöhe, mit der Schneide in der Hand. Avenger seufzte, öffnete ihre Jacke und gab den Blick auf das darunter liegende T-Shirt frei. Mark konzentrierte sich kurz, holte aus, dann schleuderte er das Messer in ihre Richtung. Es bohrte sich bis zum Schaft in ihren Torso.

Sie hatte nicht einmal gezuckt.

Mit aller Ruhe der Welt zog sie das Messer heraus; während sich die Wunde von selbst schloss, leckte sie das Blut vom Messer - ihr eigenes Blut, nicht zu vergessen - etwa so, wie eine Katze ihr Fell pflegt, mit einem fast abstoßenden Ausdruck von Zufriedenheit auf ihrem Gesicht und der Perversion eines Lächelns auf ihren Lippen. Nach etwa einer halben Minute war sie fertig und gab das Messer an Mark zurück, der es sorgfältig wieder einsteckte - oder einstecken wollte, bevor es in seinen Händen zu Staub zerfiel. Nach kurzer Verwunderung schaute er wieder in Avengers Richtung.

Sie sah ihn etwas vorwurfsvoll an.

"Hättest ja wenigstens etwas besser zielen können. Jetzt kann ich mir ein neues T-Shirt kaufen."
"Sollte den Hals treffen. Bin etwas aus der Übung."
Diese zwei Sätze hätten wohl auf den Clubbesitzer etwas lächerlich gewirkt, wäre er nicht von der Demonstration absolut überwältigt - zum ersten Mal hatte er etwas gesehen, was mit Schulweisheit absolut nicht zu vereinbaren war, und dieses Etwas war bereit, ihn 6 Fuß unter die Erde zu bringen. Mark erkannte den Ausdruck auf dem Gesicht seines Gegenübers, eine Mischung aus Überraschung, Resignation, Zweifel und purer, primitiver Angst.
"Wie sie sehen, mache ich keine leeren Drohungen. Meine Forderungen sind bescheiden."
"Was wollen sie ?" fragte der Mann, der erst langsam wieder seine Fassung zurückgewann.
"4 saubere Reisepässe. Ich lasse ihnen eine Liste mit den Namen und die nötigen Passphotos hier. In zwei Stunden sind wir wieder weg, und sie haben nichts von uns gehört. Noch Fragen ?"

Der Besitzer schüttelte den Kopf, dann hob er das Telefon ab und sprach mit der betriebsinternen Vermittlung.
"Holt mir Vinnie her und bereitet die Laserdrucker vor ! Ist mir scheißegal ob ihr ihn von einer Nutte runterzerrt, ich hab einen wichtigen Job für ihn."

Mark grinste, aber das lockerte die Atmosphäre nicht wirklich auf. Das Einzige, was in dieser eisigen Stille noch gewirkt hätte, wäre eine Handgranate gewesen. Womit wir beim Thema wären - Azuriel. Dieser und Sharon hatten nach reiflicher Überlegung beschlossen, dass eine legale Beschaffung größerer Mengen von Munition ohne Waffenschein etwas kompliziert werden würde - man entschied sich für die einfachere Variante und brach einfach in einen Laden ein. Oder zumindest war dass so geplant; Sharon bearbeitete seit einigen Minuten den Sicherungskasten eines Ladens und schaffte es dank roher Gewalt schließlich, den Strom im Laden auszuschalten.

Die Beiden machten sich anschließend an der Tür zu schaffen; wenig später wurden Kisten voller Munition durchsucht, um etwas Passendes zu finden.

"Hm. 9mm Police, 9mm Largo, 9mm Parabellum"
"Hey, das brauchen wir. Pack ein paar Magazine davon ein."
"Ok."

Im Interesse des Lesers genügt es zu sagen, dass sich dieser Vorgang noch etwa 15 Minuten lang wiederholte, während sich mehrere Taschen langsam mit jeder Menge Blei füllten. Es wäre das perfekte Verbrechen gewesen, hätte nicht auf einmal Azuriels Handy geklingelt. Sharon schmiegte sich schnell an eine Wand und zog ihre Schrotflinte - keinen Moment zu früh, denn neben ihr öffnete sich eine Tür, und Azuriel fühlte, das hier gleich etwas aus dem Ruder laufen würde.

"Keine Bewegung !"

Hinter ihm hörte man, wie jemand den Verschluss einer Schrotflinte betätigte; aus der Dunkelheit erschien der Besitzer des Ladens, zwar in Pyjama, aber mit einer Flinte von Remington in der Hand. Es hätte lustig ausgesehen, aber die meisten Leute vermeiden es, Witze über Männer mit Schrotflinten zu reißen. Langsam hob Azuriel seine Hände über den Kopf; er hörte Schritte hinter sich und fühlte den kalten Stahl eines Laufs an seinem Rücken.
"Einen Mucks und ich stopfe dir die Lunge mit Blei aus ! Also, wer bist du ?"
"Tja, ich bin..."
Das Handy klingelte immer noch.
"Also, wissen sie, dürfte ich wohl..."
Das Handy klingelte.
"Geh erst mal an dein verdammtes Mobiltelefon. Lass dir das Hirn von der Mikrowellenstrahlung toasten, das ist garantiert angenehmer als alles, was ich mit dir anstellen werde !"
Azuriel griff langsam nach dem Handy und nahm das Gespräch an.
"Ja...Jo, ganz gut soweit...wird gemacht, sobald ich Zeit habe...OK."
"Also, bevor ich deine inneren Organe bis nach Paris blase - wer war das am Telefon ?"
"Der Weihnachtsmann !"

Das kam nicht von Azuriel.

Der Mann wirbelte herum; gerade noch rechtzeitig, um Sharons Gesicht zu sehen, während sie ihm in Ermangelung eines Kolbens einfach die gesamte Flinte über den Schädel zog. Der Mann stolperte nach hinten, lies seine Flinte fallen, aber ganz von Sinnen war er nicht, jedenfalls noch nicht. Bevor er seine Balance wiederfinden konnte, setzte Azuriel einen Fußfeger an; der Ladenbesitzer landete rücklings auf dem Boden. Ein letztes Mal versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen, dann trafen sich einer von Sharons Füßen mit seinem Gesicht und schickten ihn endlich wieder zurück in den Schlaf. Sharon schaute auf ihn herunter, dann erhob sie ihre Stimme.

"Ich hol den Wagen. Du siehst zu, dass er keinen Ärger macht, OK ? Und übrigens - wer war das eigentlich am Telefon ?"
"Mark. Wir sollen noch ein paar Kampfmesser mitbringen."

Azuriel grinste; während Sharon zurück zum Parkhaus lief, suchte er sich einen Eimer und bereitete sich darauf vor, dem Mann bei Bedarf noch ein paar Schädeltraumata zu verpassen. Eine knappe Viertelstunde und zwei Hiebe auf den Hinterkopf später parkte der Kombi vor dem Waffenladen; man beeilte sich, alles im ohnehin schon geringfügig überlasteten Kofferraum zu verstauen, und anschließend machte man sich wieder auf, die Straßen unsicher zu machen. Sharon setzte Azuriel nach kurzer, ereignisloser Fahrt bei einer Avis - Filiale ab, dann machte sie sich auf den Rückweg in die Tiefgarage. Azuriel schaute sich um; in der Dunkelheit wäre nicht viel zu erkennen gewesen, hätte nicht irgendein Genius von Marketingexperte das gesamte Areal mit blendendem Flutlicht beleuchten lassen. Azuriel schaute sich nach einem geeigneten Transportmittel um; sein Blick fiel auf einen riesigen Geländewagen, kurz bevor ihn der diensthabende Filialleiter ansprach.

"Guten Abend, der Herr. Haben sie bereits ihre Wahl getroffen ?"
"Dieser hier sieht gut aus. Wie viel soll es denn kosten ?"
"Nun ja, wir berechnen nach Kilometerpauschale, wir liefern genug Treibstoff für 50 Kilometer, danach tanken sie ja selber, also wird es dann billiger. Dann gibt es noch einen Zeitfaktor, und es hängt von der gewünschten Versicherung ab."
"Tja, wir brauchen den Wagen bis Rom."
"Rom ? Rom in Italien ?"
"Korrigieren sie mich, falls ich hier im Irrtum bin, aber wenn ich von Rom spreche, beziehe ich mich doch auf die Stadt in Italien, oder gibt es hier in der Nähe noch ein anderes Rom ?"
"Nun ja, Trier ist das Rom des Nordens...Sehr schöne Stadt jedenfalls."
"Ja. Leider interessiert mich Trier nicht."
Der Verkäufer wartete noch einen Moment darauf, gesagt zu kriegen, dass dieses Gespräch nur ein Scherz war.

Dieser Moment kam nicht.

"Also Rom."
"Das sagte ich bereits." Azuriel spürte, dass ihm das Gespräch etwas entglitten war, und so setzte er nach. "Einfache Fahrt zu einer Filiale dort in der Nähe, Zeit eine Woche. Wegen den Versicherungen..."
Der Filialleiter begann langsam, seinen Halt an der Realität wieder zurückzugewinnen.
"Vollkasko ?"
"Scheint angemessen."
"Auslandskrankenversicherung ?"
"Besser ist das."
"Auslandsrechtsvertretung ?"
"Sollte man immer dabei haben."
"Ok, noch irgendwelche Sonderwünsche ?"
"Haben sie eine Versicherung gegen göttliche Interventionen ?"
"Ich glaube nicht."
"Denken sie mal darüber nach, das ist eine riesige Marktlücke."
"Dann mache ich mal die Rechnung. Sie wollten bis nach Rom ?"

Wenn Engel Sicherungen besitzen, brannte Azuriels gerade durch, weswegen sich seine Stimme ein paar Dezibel Lautstärke gewann.

"Ok, stellen wir das klar. ROM. In ITALIEN. Mit DIESEM Wagen. Entweder sie geben mir jetzt die verdammten Schlüssel, oder ich öffne ihren Brustkorb, reiße ihnen ein paar Rippen raus und schnitze mir selbst einen !"

Es erscheint unnötig zu erwähnen, dass Azuriel fünf Minuten später in besagtem Geländewagen saß und sich auf den Weg zur Tiefgarage machte und sich in einer Lautstärke über die Servicewüste Deutschland aufregte, die selbst Mark für übertrieben gehalten hätte.

Nach Ablauf der vereinbarten 4 Stunden hatte Azuriel das neue Auto in der Tiefgarage geparkt, mit Sharon die gesamte Ausrüstung umgeladen, dabei den einen immer noch verschnürten Soldaten des Säuberungsteams gefunden und ihn im nächsten Müllcontainer verstaut. Dann hatten sich die beiden noch etwas Zeit damit vertrieben, ihm eine von Azuriels entschärften Granaten in die Hand zu drücken und sich über seinen Gesichtsausdruck zu amüsieren. Aber auch geistig anregende Unterhaltung eines derart hohen Niveaus wird irgendwann einmal langweilig, und so hatte man die letzten beiden Stunden mit wachsender Unmut auf Mark und Avenger gewartet. Azuriel starrte auf seine Uhr. Noch drei Minuten. Noch zwei Minuten. Noch eine Minute.

Azuriel schaute zum Eingang der Tiefgarage. Sharon schaute zum Eingang der Tiefgarage. Nichts passierte.

Erst fünf Minuten später öffnete sich die Tür; Avenger betrat die Anlage mit Marks T-Shirt, und Mark folgte in einem anscheinend bereits gebrauchten weißen T-Shirt, mit dem Sweatshirt um die Hüfte gewickelt. In seiner Hand hielt er einen Sechserpack Bier. Azuriel räusperte sich.
"Darf man erfahren, was so lange gedauert hat ?"
"Sie wollte ein neues T-Shirt. Wir haben kein Schwarzes gefunden, also hab ich ihr meins gegeben und mir selbst ein Weißes organisiert."
"Und..."
"Wieso sie ein neues T-Shirt gebraucht hat ?"
"Nein, lass stecken, ich will es gar nicht erst wissen !"
"Was war denn dann deine Frage ?"
"Bezog sich auf das Bier."
"Weißt du, es gibt eine gewisse Weltordnung. Deutschland braut Bier. Italien backt Pizza. Deshalb vertraue ich weder deutschen Pizzas noch italienischem Bier."
"Und was ist dann mit amerikanischem Käse ?"
"Hm, Patriotismus. Wohnst du nicht lieber in einem Haus, das du selbst gebaut hast ? Auch wenn es windig, zugig und dreckig ist ?"
"Schlechter Vergleich. Kein Haus ist so dreckig wie amerikanischer Käse scheußlich ist."
"Touche."

Mark stellte das Bier ab, verschwand kurz nach draußen, dann kam er mit zwei Koffern zurück. Zwei Edelstahlkoffer mit recht voluminösen Ausmaßen, um genau zu sein. Azuriel begutachtete diese, dann wandte er sich an Mark.

"Und was soll das ?"
"Ihr müsst eure Waffen irgendwie am Zoll vorbeischmuggeln."
Mark stellte die Koffer ab und öffnete einen; ein riesiger, glitschig aussehender Block aus Tonerde kam zum Vorschein.
"Ich verstehe nicht ganz, wie uns das helfen soll."
Mark ergriff den Ton an einer Seite und zog ihn einfach ab - anscheinend war es eine hauchdünne Schicht echten Tons auf einer dicken Decke aus Latex; unter dieser fand sich eine Bleiplatte als doppelter Boden.
"Ganz einfach. Ihr packt eure Waffen unter das Blei, und beim Durchleuchten wird nichts zu sehen sein. Wenn ihr kontrolliert werdet - ihr seid Töpfer, macht eine Reise zur Inspiration und habt eure Spezialtonerde gleich mitgebracht. Quatscht ein wenig darüber, dass der Ton rein und feucht bleiben muss, dann werden sie es hoffentlich nicht anrühren."
"Und das soll funktionieren ?"
"Wenn du ne bessere Idee hast, her damit."

Azuriel hatte keine bessere Idee.

"Also, wie sieht es jetzt genau aus ?"
"Az, du fliegst nach Neu Delhi und begibst dich von da aus nach Katmandu. Nimm deine CZ75 und die SPAS sowie ne MP5SD. Sharon, dein Flug geht nach Kapstadt. Du packst deine Flinte und ein G3 ein. Avenger kommt mit mir nach Italien, wir nehmen den Rest der Waffen mit. Los jetzt !"
"Moment mal..."
Der Einwurf kam von Avenger.
"Ich weiß, wir haben extrem viel zu tun, aber ich könnte hier mal ein paar Erklärungen gebrauchen. Wer seid ihr Typen eigentlich ?"
"Also..."
Azuriel holte tief Luft.
"Das da drüben ist Mark. Er ist ein Auftragskiller, und obwohl seine Methoden etwas...nun ja, rabiat...sind, wären wir ohne seine Talente schon mächtig am Arsch. Das ist Sharon, ein Dämon. Eine wahre Killermaschine, mit oder ohne Waffen. Ich bin der Engel Azuriel. Mein Fachgebiet ist der Nahkampf in all seinen Spielarten."
"Ja, toll. Und ?"
Mark fiel Azuriel ins Wort.
"Wir haben später genügend Zeit für langwierige Diskussionen. Jetzt müssen wir erst mal die Ausrüstung verteilen und unsere Flugzeuge erwischen."
"Was ist ein Flugzeug ?"
"Später."

Nach kurzem Nachladen, Umladen, Entladen und Verladen diverser Handfeuerwaffen begab man sich ohne weitere Zwischenfälle (außer Marks Fahrweise, aber die war vorhersagbar chaotisch wie immer) zum Flughafen; Azuriel und Sharon verließen den Wagen und steuerten auf einen der Schalter zu.

"Guten Tag. Wie kann ich ihnen helfen ?"
"Wir hatten Tickets telefonisch bestellt. Kapstadt und Neu Delhi."
"Ach ja, die Töpfer."

Azuriel schwor sich, Mark nie wieder in die Nähe eines Telefons zu lassen; aber sein Ärger war schnell vergessen. An diesem Tag wurden die Koffer von zwei Töpfern kontrolliert; beide ließ man ohne weitere Bedenken an Bord und wunderte sich, warum die Koffer denn ausgerechnet so groß sein mussten, dass sie nicht durch den Röntgenapparat passten - diese Tatsache wurde weder auch nur im Geringsten untersucht, und niemand erinnerte sich 15 Minuten später noch daran, aber allein die Tatsache, das etwas, irgendetwas, an den beiden verdächtig schien, stellte bereits ein schlechtes Omen dar. Nicht, dass das jetzt irgendwelche greifbaren Auswirkungen auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft hat, hatte, haben würde oder überhaupt haben könnte - aber es sei erwähnt, hauptsächlich um die Ehre des Flughafenpersonals zu retten und davon abzulenken, das eigentlich überhaupt nichts erwähnenswertes passierte und wir uns den ganzen Paragraphen hätten sparen können. (Was wiederum mit dem Stolz des Autoren zusammenhängt, aber das ist eine andere Geschichte.)

Unterdessen brachen Mark und Avenger auf, die Grenze zu überqueren, die Alpen zu überwinden. Und die Stadt zu erobern, an der sich Hannibal selbst mit Elefanten die Zähne ausgebissen hatte - Rom.

Von Gatac

 

copyright by www.jaggedalliance.de - Stand: 26.11.2001