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Paladin - Zyklus 3: Der Wiederstand



Teil 6 - Wiedervereinigung

"Soviel zum Trio Infernale..."

Treppen sind, wie die meisten Menschen heutzutage wissen, eine zutiefst unpraktische Sache. Zunächst einmal stolpert man auf Treppen recht häufig, was lächerlich aussieht und sehr schmerzhaft ist, weil noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, Treppen aus Weichgummi zu bauen. Treppen kann man auch nicht schnell herabsteigen, nicht ohne zu stolpern und dabei, um es in verständlicherer Sprache auszudrücken, mächtig auf die Fresse zu knallen. Aber am schlimmsten an Treppen ist der Aufstieg, und das bekamen unsere drei Helden kräftig zu spüren.

Mark stellte sich beim Treppensprinten eher professionell an, aber das half seiner Laune auch nicht besonders; Freude um das Wiedersehen mit Sharon mischte sich mit Reue ob der vielen Opfer dieses Kreuzzuges sowie einer generellen Unmut ob der protestierenden Muskeln in seinen Waden. Ähnlich ging es Sharon - sicher, nichts gegen ein wenig Frischluft, aber sie hätten ja auch durchaus erst einmal für ne saubere Umgebung sorgen können. Azuriel dachte nur daran, wie schön so eine körperlose Existenz doch ist. Normalerweise vertrat er den Standpunkt, dass die Welt der Sterblichen voller Wunder war - mit der Zeit war ihm allerdings klargeworden, dass die absolute Mehrzahl dieser Wunder nicht gefährlich, aber ungeheuer nervtötend war. So wie diese verdammten Feuertreppen.

Ebenfalls unbegreiflich erschein ihm diese unerklärliche Faszination für Handgranaten, die in enge Räume geworfen werden, so wie das Exemplar, das vor ihm die Treppe herunterrollte. In den wenigen Sekunden, die der Verzögerungszünder ihnen ließ, zogen die drei ihre Waffen und sprinteten weiter nach oben, wo sie fast zeitgleich den Ausgang erreichten und sich mit kräftigen Sprüngen in die Luft erhoben.

Für einen winzigen Augenblick hingen die drei Helden mitten im Hechtsprung in der Luft über dem Sondertrupp der AdS. Dann schlug ein flammendes Inferno aus dem Gang und riss alle Anwesenden zur Seite. Mark wurde kaum noch erfasst und schaffte es daher, noch im Flug ein paar persönliche Einladungen ins Jenseits zu verschicken (von denen allerdings keine angenommen wurden), bis er auf dem Boden landete und seine CAWS kein Feuer mehr spuckte. Sharon warf sich mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen einen Soldaten und beförderte ihn ein paar Meter weit, ehe sie mit ihm auf den Boden aufschlug, abrollte und den (geringfügig) überraschten Mann gegen die nächste Fichte donnerte. Azuriel bekam von der Explosion einen kräftigen Aufwärtsschub und landete mit mehr Glück als Geschick auf der Krone eines besonders hohen Baumes, wo er nach kurzem Verweilen wieder seinen Griff löste und sich auf einen schon etwas überraschteren Soldaten stürzte.

Und ab diesem Zeitpunkt wurde der Kampf ungewöhnlich.

Mark stellte fest, das seine Waffe eine Ladehemmung hatte; er machte sich eine mentale Notiz, einen gesalzenen Beschwerdebrief an Heckler und Koch zu senden, dann richtete er sich rollend auf und zog sein Schwert. Sharon richtete ihre Schrotflinte auf ihr vormaliges Ziel und feuerte eine Ladung Schrot, die dem wirklich nicht vom Glück verfolgten Soldaten ein paar sehr hässliche Kopfwunden zufügte. Ohne weitere Nettigkeiten betätigte sie den Unterschaft und warf die verbrauchte Hülse aus, bevor sie sich in auf ihr nächstes Opfer stürzte. Mark indessen schwang wie ein Verrückter mit der Klinge, aber sein Gegner wich schnell zurück. Allerdings Bedauernswerterweise nicht weit genug, denn im selben Augenblick wurde sein Weg von einer dieser wirklich ungünstig platzierten Fichten gestoppt, und Mark zog einen eher oberflächlichen Schnitt quer über die Brust des Mannes. Nicht wirklich tödlich, aber der Mann brach trotzdem vor Schmerzen winselnd zusammen. Azuriel verteilte in der Zwischenzeit ein paar herzhafte Tritte, bevor er sich endgültig für einen Gegner entschied. Mit übermenschlicher Beweglichkeit setzte er zu einem Rundkick an, erwischte den Hals des Mannes mit der Kniekehle seines linken Beines und strangulierte den Soldaten auf diese Weise. In völliger Ignoranz vor physikalischen Gesetzen stieß er sich mit dem rechten Bein vom Boden ab; er versenkte das freie Knie in der Magengrube des Gegners und landete rollend auf seinem Rücken, wodurch er den Mann mitzog und ihn schließlich in der Bewegung freigab, was diesen dann mit großer Wucht gegen die Wand des Lagerhauses schleuderte und ihm dabei unglücklicherweise das Genick brach.

Mit einem kräftigen Schwung schleuderte Mark sein Schwert in die Richtung eines von der Wucht der Ereignisse überforderten Mann, der auf sehr schmerzhafte Weise gegen einen Baum genagelt wurde. Sharon feuerte noch eine Schrotpatrone und erwischte einen von Azuriel angeschlagenen Soldaten direkt an der kugelsicheren Weste, feuerte erneut, dann noch einmal - keine dieser Kugeln ging durch die Weste, aber die Wucht des Aufpralls zerschmetterte den Brustkorb des Soldaten und ließ ihn ohnmächtig zusammenbrechen.

Damit waren fünf Gegner ausgeschaltet, aber wie üblich war der Letzte mal wieder die größte Herausforderung, denn dieser kam auf die wirklich geniale Idee, die Pistole in seiner Hand auch zu verwenden. Also feuerte er ein volles Magazin in die Richtung von Azuriel, der wie ein absolut wahnsinniger blutgrätschender Fußballspieler über den Boden schlitterte, Haken schlug und so dafür sorgte, dass die Feuerkraft des Soldaten wieder nur zur Waldschädigung genutzt wurde. Azuriel sprintete weiter, sprang, dann hang er für ein paar Augenblicke in der Luft und führte im Vorwärtsflug einen Backflip aus; ein schneller Tritt nach dem Kopf seines Gegners wurde mit einem schnellen Ausweichen nach hinten gekontert. Azuriel hing zu diesem Zeitpunkt de facto auf dem Kopf im Spagat in der Luft, verendete die Rotation und landete mit dem ungenutzten Bein auf dem Boden, wo er sofort mit einem schnellen Tritt gegen den Kopf des Gegners nachsetzen wollte, was aber wiederum nur ins Leere führte. Mit der nächsten Drehung zog Azuriel das Standbein an und verwandelte so den hohen Rundkick in einen Bodenfeger, der die offenbar nicht so schnellen Beine des Gegners erwischte und ihn zu Fall brachte. Während sein Gegner noch in der Luft hing - auch beim Stolpern war er nicht der Schnellste, wie es schien - drehte Azuriel seinen Torso zur Seite, landete in einer Art schrägem Handstand und versetzte dem fallenden Soldaten mit dem eingeknickten Bein einen schallenden Tritt gegen den Rücken, worauf dieser kapitulierend ohnmächtig wurde und das Feld räumte.

Mark setzte einen Gesichtsausdruck auf, der noch etwas verwunderter als sonst aussah.

"Cool, wusste gar nicht, dass du so etwas kannst. Was ist das für ne Technik ? Kung-Fu ? Karate ? Jiu-Jitsu ?"
"Los Angeles Breakdance."
"Also Jungs, tolle Vorstellung, aber können wir uns jetzt verpfeifen ?"
"Schauen wir erst mal, was sich hier noch aufsammeln lässt."

Wer schon einmal einen Berg von Leichen nach brauchbarer Ausrüstung durchsucht hat, kennt den wirklich abartigen Gestank von trocknendem Blut, lästige verkrampfte Finger, die wertvolle Waffen festhalten sowie die im Allgemeinen sehr dämlich aussehenden Gesichtsausdrücke der Opfer. Überraschenderweise lebte einer der Elitesoldaten noch; Mark verschnürte ihn zu einem handlichen Paket und beförderte ihn dann mit der restlichen Ausbeute in den Kofferraum des tiefblauen Kombis. Nachdem dieser fachgerecht verschlossen war, stellte sich fast automatisch die Frage nach dem nächsten Ziel.

"Also, zunächst mal brauchen wir noch ein paar Vorräte. Hier in der Nähe gibt es ein Lager der Bundeswehr, da müsste sich was auftreiben lassen."
"Das ist ja schön und gut, Mr. Ich-lasse-Auftragskiller-meine-Drecksarbeit-machen, aber was ist mit den Siegeln ? Wie viel haben wir jetzt eigentlich gesichert ?"
"Drei."
"Was ist mit dem in London ?" Marks Einwurf wurde von Azuriel mit einem gewinnbringenden Lächeln beantwortet.
"Da habe ich mich drum gekümmert. Aber wir schaffen es nicht, alle vier Siegel so abzuklappern, da ich auch keinen präzisen Standort kenne. Wir werden uns trennen müssen."
"Also, sag an, wo sind die Siegel ?"
"Das erste ist in Rom. So weit ich weiß, hat der Sohn von einem Gangsterboss genauere Informationen, aber er wird sie wohl nicht einfach so rausrücken. Ich gebe dir per Handy mehr Info, sobald du da bist. Das Zweite ist in Kimberly, Republik Südafrika. Da muss sich Sharon bemühen, ich habe nicht die nötigen Fähigkeiten mir da Zutritt zu verschaffen."
"Und wie soll ich das bitte anstellen ?"
"Ich gebe dir im Wagen einen Crashkurs in Schutzrunen, alles andere ist dein Problem."
"Bravo. Und was macht unser Sonnyboy ?"
"Das Dritte liegt unter einem Tempel in Nepal, da kümmere ich mich drum. Wir treffen uns in Brasilien, da liegt das letzte Siegel."
"Also dann, was stehen wir hier noch rum und quatschen ? Wir haben eine Welt zu retten."

Mark erwiderte Sharons Ausspruch mit einem gemurmelten "Ich werde langsam zu alt für solche Sachen", dann begab man sich in geschlossener Formation zum Wagen. Mark startete den Motor und blickte kurz nach hinten, dann setzte er den Kombi zurück.

Jonas raffte sich auf. Der stechende Schmerz in seiner Brust hatte ihn wieder aufgeweckt, und ihn daran gehindert, sich aufzurichten. Also robbte er auf dem Boden entlang. Seine höheren Gehirnfunktionen schrieen ihm zu, er solle möglichst weit weg von diesem blauen Kombi weg sein, aber er ignorierte das. Er wusste nur, dass er jemanden umbringen sollte, und alle, die hier noch lebten, saßen in dem Wagen. Also musste er sie töten. Er robbte weiter, dann berührte seine Hand eine MP5, die hier jemandem aus der Hand gefallen war. Ein paar Sekunden lang überlegte er, dann folgerte er, dass eine Maschinenpistole etwas Gutes ist. Also griff er nach der MP5 und wunderte sich noch, woher dieses komische Motorengeräusch kam. Zwei Sekunden später rollte ihm der Kombi über die Hand und fuhr dann im Vorwärtsgang noch einmal drüber. Jonas schaute ein paar Sekunden auf den Hautsack mit Knochenfragmenten, der einst seine Hand war, dann fiel er wieder in Ohnmacht.

Der Kombi, dessen Insassen nichts von der kleinen Tragödie mitbekommen hatten, raste in Richtung Autobahn, und wieder einmal erwies es sich als echter Fehler, das man Mark ans Steuer gelassen hatte. Der Kombi bahnte sich seinen Weg durch exzessiven Einsatz von Hupe, Lichthupe und Marks linkem Mittelfinger, und beiden Vertretern der übernatürlichen Sphäre wurde klar, wie sehr sie in ihrer Form als Menschen doch mit ihrem Magen gestraft waren. Man vermied es durch geschickten Einsatz der elektrischen Fensterheber, Spuren im Auto selbst zu hinterlassen.

Zur Erleichterung aller Verkehrsteilnehmer verschwand der Kombi recht bald wieder von der Straße und hielt auf einen Stützpunkt der Bundeswehr zu.

Von Gatac

 

copyright by www.jaggedalliance.de - Stand: 26.11.2001