Teil 2 - Die Erkenntnis
"Wenn Vertrauen die Rettung ist, ist Erkenntnis der
Untergang."
Mark richtete sich auf. Was für ein verrückter
Traum, dachte er sich, bis sein Blick auf den Stuhl neben seinem Bett
fiel. Ein Schwert. Ein Kreuz. Das war kein verfluchter Traum, sondern
Wirklichkeit, und Wirklichkeit tut weh, sogar noch mehr als die Schnittwunden
von gestern. Mark richtete sich mühsam auf. Er lies seinem Blick
durch das Zimmer streifen. Er war in einem Hotelzimmer, soviel stand fest.
Ein kleiner Fernseher, ein Schrank, ein Stuhl und ein Bett. Nicht besonders
viel, aber gepflegt. Die Tapete erstrahlte in leicht abgenutztem Grau.
Mark fühlte sich von dieser bürgerlichen Atmosphäre regelrecht
angespuckt. Erstmal richtig aufwachen, niemand mit Ringen unter den Augen
konnte auch nur an Arbeit denken. Er schleppte sich selbst ins Bad, ließ
etwas kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und tauchte sein Gesicht hinein.
Die Kälte weckte seine Sinne aus dem Tiefschlaf, und er sprang von
Waschbecken zurück, von sich selbst überrascht. Das Wasser war
nicht kalt, es war eisig. Er fror, Reste des Wassers liefen ihm am ganzen
Körper entlang. Eine Dusche. Gut. Er zog sich aus, schloß die
Abdeckung, und drehte den Hahn für heißes Wasser voll auf.
Das Wasser war noch kälter. Mark wollte herausspringen, aber die
Abdeckung klemmte. Das Wasser ließ sich nicht abstellen. Er versuchte
sich zu konzentrieren. Es wurde wärmer, er konnte die Entspannung
in sich fühlen. Er konzentrierte sich darauf. Wärme erfaßte
seinen ganzen Körper. Wie lange er diesen Zustand wohl halten konnte
? Mark wollte es nicht herausfinden. Er legte seine Hand auf die Abdeckung.
Das Material begann zu schmelzen. Er sprang aus der Dusche und betrachtete
die Abdeckung, die gerade sublimiert war. Eine Falle, so viel wußte
er. Aber von wem ? Mark griff nach einem Handtuch, da wurde ihm bewußt,
das seine Haut trocken war. Das Wasser war in der Hitze verdampft; ja,
so mußte es sein, mehr wollte ihm dazu nicht einfallen. Nun dann,
auf zum Frühstück.
Mark entschied sich, die Treppe zum Erdgeschoß zu
benutzen.
Unten angekommen, wartete schon jemand auf ihn. Der Bote
stellte sich nicht groß vor, seine Gestik war eindeutig. Sein Gesicht
war kaum zu sehen, er hatte sich mit einer Sonnenbrille maskiert, trug
einen Hut und einen Mantel mit hochgekrempeltem Kragen. Er deutete Mark,
zu ihm hinter eine Wand zu kommen. Keine Frage, der Typ hatte etwas Wichtiges
zu sagen. Er vergewisserte sich, das sie beide allein waren, dann fing
er an zu sprechen. "Sag nichts, ich weiß wer du bist. Azuriel
schickt mich. Dein nächstes Ziel ist Nordkorea. Dort wirst du weitere
Instruktionen erhalten. Hier ist ein Flugticket. Entlade deine Waffen
und steck die Magazine in dein Kreuz, sonst gehen am Flughafen die Metalldetektoren
los. Deine Pistolen und dein Schwert kannst du im Motorrad verstecken,
du findest dort unter dem Sitz einen Lageplan der Verstecke. Sei vorsichtig,
der letzte Dämon und die Dusche waren nur Tests. Sie wollen dich
einschätzen, damit sie dich besser vernichten können."
"Eine Frage. Woher soll ich wissen, das du nicht ein Spion bist ?"
"Hat man dir nichts von deinen Kräften erzählt ? Du kannst
Menschen dazu bringen, die Wahrheit zu sagen, und das ist erst die Spitze
des Eisbergs. Such die nächste Bibliothek auf und frag nach den Schriften
des Deckard Cain. Und übrigens, wir haben die Turmschilde abgeschafft."
Mark war verblüfft. Das konnte ja nur jemand wissen, der es von einem
Engel erfahren hatte. Außerdem hatte Mark ein gutes Gefühl
bei der Sache. Sein Gefühl hatte ihn noch nie getäuscht. Er
konnte nur hoffen, das es jetzt nicht damit anfangen würde.
Mark schaute auf die nächste Uhr. Noch 2 Stunden bis
zum Flug. Ein halbes Wunder, das er lebend durch LA gekommen war, sagte
er sich selbst, besonders, wenn man bedenkt, das er mal wieder seine patentierten
"Abkürzungen" verwendet hatte. Wenigstens hatte er in einer
Bibliothek die Schriften gefunden, die der Bote ihm genannt hatte, und
sie gleich für 1000$ der Verwaltung abgekauft. Noch hatte er sich
dieses uralte Buch nicht angesehen, aber wenn er sowieso 2 Stunden hier
warten würde, könnte er sich auch gleich der Lektüre widmen,
anstatt seine Kräfte darauf zu verwenden, den Metalldetektor verrückt
spielen zu lassen. Und auf die Dauer war der Anblick der Leibesvisitationen
auch langweilig. Er schlug auf und begann zu lesen...
Von welch wunderlichen Dingen handelte das Buch ! Krieger,
die durch Feuer, Eis und Blitz schreiten, ohne sich ernsthaft zu verletzen;
Paladine, die in Bruchteilen von Sekunden vorranstürmen und mehrere
Schläge austeilen; ja, ihre Anwesenheit alleine sollte ganze Legionen
von Untoten auslöschen können ! Mark war wie gefesselt von diesen
Schilderungen. Noch besser, dieser Cain hatte genau beschrieben, wie die
Fähigkeiten beschworen wurden. Auch sagte er, das ein Paladin großer
Reinheit seine heilige Energie fast beliebig anwenden könne und so
neue Fähigkeiten erlangen würde. Den Flug über laß
er weiter, immer tiefer fasziniert von den Schilderungen. Erst ein Ruck
ließ ihn in die Realität zurückschnellen. Das ganze Flugzeug
wurde erschüttert. Mark blickte aus dem Fenster. Ein Schwarm geflügelter
Kreaturen, schwarz wie die Nacht und mindestens ebenso häßlich,
umringte das Flugzeug. Keine Frage, es wurde wieder mal eng. Mark sprang
von seinem Sitz auf und sprintete zum Frachtraum. Oder zumindest wollte
er es, als sich ihm eine Stewardeß in den Weg stellte. "Bitte
setzen sie sich sofort wieder hin." "Ich bin der einzige, der
uns retten kann." "Unser Pilot hat die Lage unter Kontrolle."
"Schön wär´s. Lassen sie mich durch, ich bin Profi."
Mit diesen Worten drückte er die Dame mit ihrer mühsam unterdrückter
Todesangst zur Seite und lief weiter. An der Tür zum Frachtraum angekommen,
ertönte ein Fluch aus Marks Mund; würde er etwa an einer verschlossenen
Tür scheitern ? "Nicht so, mein Freund," murmelte er, trat
ein paar Schritte zurück und stürmte auf die Tür zu, die
mit einem lauten Knarzen aus den Angeln sprang. Er rollte ab, um nicht
die Außenhaut zu durchbrechen. Mit einem geflüsterten "Hoffentlich
klappt die Flügelnummer" brach er die Ladeluke auf und sprang
hinaus.
Kaum hatte er die jahrhundertealte Formel gesprochen, erschienen
auf seinem Rücken zwei magische Flügel, die ihn wieder auf Höhe
des Fliegers trugen. Er landete auf dem Dach des Flugzeugs und beschwor
die Kräfte des Magnetismus, ihn festzuhalten. Die Dämonen ließen
vom Flugzeug ab. Ihr neues Ziel zückte sein Kristallschwert und bereitete
sich auf den Kampf gegen sie vor. Die schiere Masse an Dämonen verdunkelte
für Mark die Sonne.
Von Gatac
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