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Janus
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Kapitel V- Läufer schlägt Bauer

Im Urwald von Nicaragua am 9. August 1987

Mit dem Weckruf von Raul setzte der Regen ein. Innerhalb einer Stunde waren wir abreisefertig. Gegen zehn Uhr setzte sich der Tross in Bewegung, mit Manuel, Nikita und mir an der Spitze, wir hatten uns bewährt. Nun erwiesen sich die Ghillie-Suits als äußerst praktisch, es regnete in Strömen, sie schützten gut. Durch das nasse Trommelfeuer waren sämtliche Geräusche nur noch gedämpft wahrnehmbar, wir mussten uns ganz auf unsere Augen verlassen. Die Nachtsichtgeräte im Infrarot-Modus halfen uns dabei beträchtlich.

Der Marsch war lang und ereignislos. Der Regen weichte unsere Sachen mit der Zeit auf, selbst die imprägnierten Stiefel schützten nicht vor nassen Socken. Wir hatten uns etwas aufgeteilt, Manuel war in der Mitte geblieben, während Nikita und ich die Seiten deckten. Ingesamt waren wir wohl gut hundert Meter von einander entfernt und da wir die Vorhut bildeten, konnten wir natürlich nicht rumschreien, also benutzten wir die Head-Sets um uns zu verständigen. In der Einöde dieses Morgens gefiel es uns allen jedoch besser die Geräte für private anstatt für strategische Gespräche zu verwenden.
.

"Hey Nikita, was treibt eigentlich eine so schöne Frau in diesen verfluchten Urwald?", wollte ich wissen.
"Wahrscheinlich das gleiche, was dich hierher treibt - Geld."
"Aber es gibt für eine Frau wie dich bestimmt Hunderte Möglichkeiten an gutes Geld zu kommen, warum ausgerechnet das Söldnerdasein?"
"Das verdanke ich meinem Vater. Er war Polizist und deswegen interessierte ich mich schon von Kleinauf für Waffen. Nun, mein Vater teilte diese Leidenschaft und schleppte mich mit sieben Jahren zum ersten Mal mit in seinen Schützenverein. Als ich den ersten Schuss abfeuerte war ich Feuer und Flamme. Ich wusste, das ist tausend Mal besser als mit Puppen zu spielen. Nun ja, ich trainiere dort bis heute."
"Das verstehe ich nicht ganz", warf Manuel ein, "ich dachte du tötest am liebsten mit deinem Messer?"

"Das stimmt auch. Dazu kam es durch ein kleinen Zwischenfall. Das war als ich fünfzehn war. In diesem Alter durfte ich natürlich noch keine Schusswaffe tragen. Ich war mit meinen Freundinnen auf einer Party gewesen, es war ziemlich genial, viel Alkohol und ein paar Drogen waren die richtige Mixtur und ließen die Stimmung überschäumen. Ich hatte einen, wie ich damals dachte, netten Jungen dort kennen gelernt. Sein Name war Pierre. Wir gingen in den Garten. Ich war noch grün hinter den Ohren und dachte, als wir uns auf die Schaukel setzten, dass er unter dem romantischen Sternenhimmel nur reden wollte. Doch dem war natürlich nicht so."

"Er fing an mich zu küssen, das war noch okay. Doch als er anfing zu grabschen war es mir zuviel , ich bat ihn aufzuhören. Doch aus irgendeinem Grund wollte dieser besoffene, bekiffte Junge nicht auf mich hören." Nach außen blieb sie regungslos. Doch ich spürte dieses leichte Zittern in ihrer Stimme, das man bekommt, wenn man etwas, was man längst verdrängt hatte wieder nach oben holt.

"Ich wehrte mich und als er mich fest hielt und mit einer Hand seinen Hosenstall öffnete, verpasste ich ihm einen Tritt in die Familienjuwelen, immer noch die effektivste Methode, einem Jungen weh zu tun. Doch ich war schwach, der Tritt ebenso und Pierre war sauer. Er holte ein Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche. Heute würde ich lachen, wenn jemand mit so einem Messer auf mich losgehen würde, doch damals hatte ich einen Riesenschiss. Er hielt es mir an den Hals und spielte mit seiner anderen Hand mit meinen Brüsten rum. Er wanderte tiefer. Doch irgendwann reichte ihm das nicht mehr. Er schmiss mich zu Boden, zog mich aus. Als er seinen Schwanz rausholte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen. Ich sagte ihm, ich wolle ihm einen Blasen, bevor wir richtig loslegen würden. Er sagte natürlich nicht nein. Ich nahm ihn in den Mund und biss zu. Er stieß einen höllischen Laut aus." Jetzt hörte man Genugtuung in ihrer Stimme.

"Er knallte mir eine, so dass ich zu Boden flog. Dann nahm er sein Messer und versuchte zuzustechen. Ich hielt seinen Arm von mir fern. Doch er war stärker, das Messer wanderte langsam in Richtung meines Körpers. Ich biss in seine Hand. Er ließ das Messer fallen. Sofort schnappte ich es mir, rammte es ihm in den Oberschenkel und drehte es herum. Diesmal ließ er endgültig los. Er wälzte sich vor Schmerzen auf den Boden. Erst jetzt merkte ich, dass unser kleiner Ringkampf die Attraktion der Party geworden war. Ein wenig Blut war an meinen Fingern. Verführerisch leckte ich meine Finger ab und fragte in die Runde, wer denn der Nächste sei. Es war ein geiles Gefühl, als ich diesen Wurm da auf den Boden sah. Seit dem schätze ich das Messer sehr. Dieses Gefühl, diese Nähe, all das kann dir eine Schusswaffe nicht liefern."

"Hast du denn keinen Ärger bekommen?", wollte ich wissen.
"Nun, Pierre hat mich wegen versuchten Totschlages angeklagt, aber ich wurde aufgrund von Notwehr freigesprochen. Im Gegenzug musste er für das, was er mir angetan hatte, drei Jahre im Jugendknast sitzen."

"Und wie bist du nun in diese Branche gekommen?" Ich ließ einfach nicht locker.
"Also nach der Schule bin ich wie mein Vater zur Polizei gegangen. Dort fiel meine Begabung für das Kämpfen auf. Doch ich wollte wie mein Vater für die Mordkommission arbeiten und knifflige Fälle lösen. Wie in diesen Krimi-Serien. Ich wurde nicht zugelassen, offiziell hielt man mich für nicht geeignet. Zu geringe kombinatorische Fähigkeiten, zu wenig Geduld, zu wenig Feingefühl beim Verhör mit Tatverdächtigen stand in der Beurteilung. Doch in Wirklichkeit wurde ich nicht angenommen, weil ich eine Frau bin. Dieser ganze Polizeiapparat ist ein Haufen von Machos. Man empfahl mir ein neues Projekt der Armee namens "Lolita". Es hatte zur Aufgabe herauszufinden, ob Frauen für den Dienst im französischen Heer geeignet seien oder sogar für mehr. Ich absolvierte den normalen Grunddienst unter strenger medizinischer Kontrolle. Normal bedeutete allerdings, dass uns die männlichen Ausbilder doppelt so hart ran nahmen wie diese Weicheier. Viele Frauen mussten aufgeben, einer der Ausbilder wurden wegen sexueller Belästigung entlassen. Doch es lohnte sich. Als Soldat war ich mehr geeignet als die meisten Männer zusammen. Und ich war nicht die Einzige. Der französische Geheimdienst interessierte sich sehr für das Projekt und schließlich bildete er mehr als zwanzig Frauen aus. Ich war unter den Glücklichen. Wir wurden die perfekten Spione, Attentäter, Scharfschützen, Aufklärer und so weiter. Ich selbst wurde zur Top-Agentin ausgebildet, habe gelernt, wie man ein Attentat richtig durchzieht. James Bond ist ein Kleinkind gegen mich."

"Mit einem Scharfschützengewehr auf einem Dach", sagte Manuel.
"Ganz bestimmt nicht. Man trifft die Person auf einem Ball, einem Empfang oder einer Party, redet viel mit ihr, schmeichelt sich ein und lässt sich dann mit auf sein Zimmer schleppen. Und dann vor oder während dem Liebespiel holt man das Messer aus dem Stiefel und sticht zu. Ganz Gewiefte mischen dem Opfer ein Gift unter den Drink, welches den Blutdruck erhöht und haben dann wilden Sex. Das Opfer stirbt dann an einem Herzinfarkt. Funktioniert vor allem bei älteren Herren wunderbar."

"Und was soll nun der große Vorteil gegenüber der Scharfschützennummer sein?"
"Ganz einfach, du kannst es natürlich aussehen lassen und du bist viel näher dran, kannst noch etwas über dein Opfer erfahren, falls du es für irgendeine Angelegenheit noch brauchst. In Geheimdienstkreisen ist das manchmal notwendig. Genauso wie in solchen Kreisen manchmal auch das Attentat mit dem Diebstahl von Dokumenten oder ähnlichem verbunden wird. Inszeniere mal einen natürlichen Tod und einen Diebstahl mit Hilfe eines Scharfschützengewehrs. Wenn du wirklich nur jemanden töten willst, reicht ein Sniper aus, aber das ist einfach stillos."

"Wie ging es weiter?"
"Vor ungefähr drei Jahren war die Ausbildung dann abgeschlossen. Ich war die Jahrgangsbeste, spielte in einer anderen Liga als die männlichen Rekruten. Doch wieder wurde ich hintergangen, durfte nur ein paar Botengänge erledigen. Die heißen Aufträge haben meine männlichen Pendants bekommen. Es reichte mir und ich kündigte. Doch ich hatte ein gutes Verhältnis zu einem Verbindungsoffizier mit vielen Kontakten."
"Welche Art von Verhältnis?"

"Das ist unwichtig." Es war zu schade, dass ich ihren Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.
"Jedenfalls, wenn die richtigen Leute davon erfahren, dass eine topausgebildete Spionin auf dem freien Markt ist, kann man sich vor Angeboten kaum retten. Und so kam ich zur A.S.O. Nach dem einmonatigen Training haben die mich mit Kusshand genommen. Es waren die Ersten, die meine Qualitäten richtig zu schätzen wussten. Ich sage euch, die Söldnerbranche ist die Einzige, in der die Emanzipation wirklich stattfand."

Ich konnte nicht sagen inwieweit das, was Nikita sagte, der Wahrheit entsprach. Der Mensch neigt dazu, sich alles so hinzubiegen, wie es ihm am angenehmsten war. Leider belog er damit manchmal andere und vielleicht sogar sich selbst. Ich konnte aus ihren Schilderungen nicht erkennen, ob sie nun wirklich so ungerecht behandelt oder ob sie teilweise sogar selbst daran Schuld war.
Doch eins stand außer Frage: Sie war wirklich perfekt ausgebildet, wahrscheinlich sogar besser als ich. Doch sie musste das Training absolvieren, während ich ohne diese Hürde aufgenommen wurde. War Mr. Weingartner doch nicht so emanzipiert? Oder war das Wort von Major Smith mehr wert als das eines französischen Verbindungsoffiziers?
Ein Funkspruch von Manuel riss mich aus meinen Gedanken.
"Gegner auf zwölf Uhr, fünfhundert Meter entfernt."

Sofort waren wir unten und schauten durch unsere Optiken. Wir konnten in einiger Entfernung einige hellrote Punkte erkennen, die sich in unsere Richtung bewegten.
"Wie viele sind es?" Manuel lief die Straße entlang, hatte die beste Sicht.
"Habe acht Gegner ausgemacht", meldete er.
Die Ablösung für die Straßensperre - Sie kamen also doch noch. Wir mussten schnell handeln. Ich benachrichtigte unseren Anführer. "Raul, wir haben Feindkontakt. Acht Gegner, wahrscheinlich die Ablösung für die Barrikade. Erbitten um Anweisung." Stille. Das kam selbst für Raul überraschend. "Okay, haltet die Stellung. Wir machen den Jeep startklar und kommen dann rüber. Haltet die Stellung. Ich will, dass sie euch nicht bemerken, verstanden?"
"Ja, Sir. Sollen wir sie vorbeilassen?"
" Ja, keiner fängt ein Feuergefecht an, bevor ich es sage. Nur wenn der Feind euch bemerkt. Ihr fallt den Gegnern dann in den Rücken, während wir von vorne Druck machen."
"Ihr habt es gehört, sucht euch eine gute Position."
Nikita und ich verschmolzen einige Meter links und rechts des Weges mit der Natur. Wir bildeten nur einen weiteren Busch hinter einem anderen. Die Mündung unserer Waffen, unsere getarnten Gesichter waren vom Grün des Waldes nicht zu unterscheiden.
Manuel kletterte auf einen Baum. Niemand vermutete ihn dort und auch er war erst beim zweitem genauen Hinsehen zu erkennen.

"Hier Vorhut, wir sind in Position. Gegner noch knapp zweihundert Meter entfernt. Sind in Schussreichweite. Verdammt noch mal, beeilt euch endlich. "
Es wurde ernst, die Anspannung wuchs. Unsere wahren Fähigkeiten würden zum ersten Mal auf die Probe gestellt werden. Das war der erste Einsatz, den wir nicht planen konnten, den wir nicht kontrollieren konnten. Der erste Schuss würde tödlich sein, wir mussten genau diesen so lang wie möglich herauszögern. Was wäre, wenn wir allein gegen den Feind kämpfen müssten? Ich spielte die Schlacht im Kopf bereits durch., Würde jeder schnell und zielsicher zwei Soldaten ausschalten, wir hätten eine Chance. Blieben noch zwei, die nicht wüssten wo wir uns verstecken. Es war eine durchaus machbare Aufgabe. Doch dafür war es jetzt zu spät, der Gegner war zu nah dran.
150 Meter...

Ich überprüfte die Ausrüstung. Die schallgedämpfte MP5 lag in meinen Händen. Ich kontrollierte das Magazin, es war voll, dreißig Kugeln. Ich nahm meine Infrarot-Optik ab. Man konnte sie nun gut durch das Zielfernrohr beobachten.
100 Meter...

Ein kurzer Blick zu meinen Teamkameraden, sie taten es mir gleich. Ich betätigte den Hebel neben dem Abzug er wanderte von Burst auf Semi-Automatic. Ich hatte standardmäßig Burst eingestellt, falls wir überraschenderweise auf einen Gegner in unmittelbarer Umgebung treffen würden. Es war unwahrscheinlich, aber doch möglich und man sollte auf alles vorbereitet sein. Nun entsicherte ich die Waffe. Ein letzter Funkspruch folgte.
"Raul, wie weit seid ihr?", wollte ich wissen.
"Wir fahren jetzt los, haltet die Stellung, aber feuert nicht, habt ihr mich verstanden?"
"Ja, Sir."
Ich visierte den ersten Gegner an. Er lief am rechten Straßenrand, noch ungefähr 75 Meter von mir entfernt. Langsam wanderte das Kreuz meines Zielfernrohrs von seinem Körper über den Hals auf seinen Kopf. Nun schaltete ich den Laserpointer hinzu. Ein roter Punkt erschien auf seiner Stirn.
Noch 50 Meter...

Plötzlich durchschnitten Schüsse mit unheimlicher Lautstärke das Blattwerk über mir. Ich erschrak und drückte ab. Die Kugel landete dort, wo ich gezielt hatte, in der Stirn des Gegners.
Sofort meldete sich Raul.
"Ich hab die Schüsse einer AK gehört, was ist da los?"
"Sie haben mich entdeckt. Weiß auch nicht woran."
Manuel meldete sich. "Schalt verdammt noch mal deinen Laserpointer aus. "
Daran hatten sie mich erkannt, was für ein Anfängerfehler. Doch das war jetzt egal, jetzt mussten wir das Beste aus der Situation machen. Ich blickte wieder durch das Scope. Die Gegner hatten sich flach auf den Boden geschmissen. Nikita meldete sich.
"Tango eliminiert, sechs übrig. "
Ich sah den vordersten Soldat, der sich verzweifelt umsah, doch keinen Gegner erkennen konnte. Ein Schuss in den Hals beendete sein Leben. Noch fünf. Ich blickte mich um, doch ich konnte keinen weiteren Gegner erkennen. Ich stellte die Waffe auf Vollautomatik. Das halbe Magazin landete dort, wo ich den Gegner vermutete, doch der Erfolg war eher gering. Ich stellte wieder auf Semi-Automatic um.

Plötzlich schrie Nikita auf. Sofort schossen drei Soldaten in ihre Richtung.
"Nikita, was ist los?", brüllte Manuel in sein Mikro.
"So ´ne verdammte Schlange hat mich gebissen."
Durch ihren Aufschrei genoss sie jetzt die ungebrochene Aufmerksamkeit des Feindes. Eine Salve nach der anderen jagten sie in ihre Richtung. Unter dem Feuerschutz seiner Kameraden versuchte einer von ihnen einen Vorstoß. Ich visierte seinen Körper an, um genauer zu zielen war jetzt keine Zeit. Mehrmals hintereinander zog ich den Abzug durch. Blutüberströmt fiel er zu Boden. Die anderen hatten mehr Glück, eine Kugel traf Nikita.
"Bin am Arm getroffen, verdammt tut was!"

Wieder stellte ich auf Vollautomatik und schoss in die ungefähre Richtung des Feindes. Ich musste jetzt nicht treffen, musste sie nur lang genug unten halten. Im Hintergrund hörte ich ein Motorengeräusch. Ich drückte den Abzug wieder durch, doch diesmal war nur ein Klicken vernehmbar. Das Magazin war leer, ich musste es wechseln. Während ich das tat, schaute ich zu Manuel. Er hatte sich während des ganzen Gefechtes ruhig verhalten, bei ihm war die Gefahr entdeckt zu werden am größten. Doch nun schien er aus seiner Lethargie zu erwachen. Er holte etwas aus seinem Kampfanzug hervor. Er zog daran, wartete drei Sekunden und schmiss es dann zu den Feinden. Eine gewaltige Explosion riss ihn fast vom Baum. Er hatte eine Granate geworfen.
"Hier Manuel, Tangos erledigt, brauchen medizinische Hilfe für Nikita. Schussverletzung am Arm und Schlangenbiss."

Ich stand auf und ging zu Manuel. Währenddessen kam der Jeep mit Raul, Zybell, Vladimir und Doc Jansen an. Der Doc kümmerte sich gleich um Nikita.
Ich musste irgendetwas sagen, denn wegen mir war die ganze Sache aus dem Ruder gelaufen.
Die Entschuldigung sprach ich wie ein kleiner eingeschüchterter Junge, der wusste, dass er etwas ausgefressen hat.
"Halte lieber nach weiteren Gegnern Ausschau!", meinte Raul nur trocken. Ich gehorchte seinem Befehl und positionierte mich ungefähr fünfzig Meter vor dem Kampfplatz. Ich bezog meinen einsamen Beobachtungsposten. In meinem Kopf spielte sich der gesamte Kampf ein weiteres Mal ab. Durch diesen Kampf hatte ich zwei Sachen gelernt. Erstens: Einen Laserpointer wird immer erst kurz vor dem Schuss aktiviert, er könnte dich verraten. Zweitens: Bei einem Konflikt im Dschungel, unterschätze niemals den Faktor Natur, er könnte dein größter Feind werden.

Ich unterbrach mich in meinem Redefluss. Angelina schaute mich fragend an. Ich blickte ihr in die Augen, eine Träne kullerte über ihre zarte Wange. Sie wusste genau, was jetzt kommen sollte.
"Ich habe damals nicht nur nach Gegnern Ausschau gehalten. Wieder einmal wurde ich zum Leichenschänder. Bei meinem ersten Opfer, welches ich nur aus dem Schreck heraus erschossen habe, fand ich auch ein Telegramm, das jetzt in dieser Kiste liegt."
Angelina bat mich es mir zu zeigen. Zitternd reichte ich ihr das Schriftstück. Es sah aus, als wenn es ein staatliches Schreiben wäre, das Staatswappen Nicaraguas prangte in der Kopfzeile, die Buchstaben waren mit alten Schreibmaschinen tief in das bereits leicht vergilbte Papier gepresst. Der Name meines Opfers war leicht in der Zeile verrutscht, so als wäre erst im Nachhinein hinzugefügt worden.

El cománd mas alto del ejército de Nicaragua
Malaga, 17.08 1986
Aktenzeichen 1578/86

Sehr geehrte Frau Gonzalez,

mit Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Mann, Flavio Umberto Gonzalez, am 09.08.1986 während eines Kampfes gegen die Rebellen gefallen ist. Auch wenn es ihre unendlichen Trauer sicherlich nicht trösten kann, so will ich doch berichten, welch große Leistungen Ihr Mann für unser Land vollbracht hat. Flavio Umberto Gonzalez war ein großartiger Mann, sowohl als Mensch als auch als Soldat. Er war immer loyal zu seinen Vorgesetzten, zuvorkommend und hilfsbereit zu seinen Kameraden. Er stürzte sich immer als Erster in die Schlacht mit einer schier unerschöpflichen Moral für sein Heimatland. Sein direkter Vorgesetzter bestätigte mir, dass Ihr Mann zu den besten seiner Einheit gehörte. Heute ist ein trauriger Tag für ganz Nicaragua, denn es hat einen weiteren Helden verloren. Doch er starb nicht umsonst, sondern für die Freiheit Nicaraguas.
Mein tiefstes Mitgefühl

Ricardo de la Alrez
Segundo General de la infanteria

Ich betrachtete das Telegramm genauer. Es war verknittert und dreifach gefaltet. So passte es in eine Brusttasche. Mein Opfer hatte es dort getragen. Die Tinte war teilweise verlaufen, man sah Wasserflecken in Form von Tränen, wenn sie auf das Papier trafen und sich unregelmäßig auf dem Blatt verteilten. Unter dem Telegramm war in großen, zittrigen Lettern das Wort Venganza geschrieben. Ich wusste was es bedeutet, Rache.

Die Worte des Telegramms hallten in meinem Kopf wieder. "...war ein großartiger Mann, sowohl als Mensch als auch als Soldat...", selbst beim Tod der engsten Verwandten wurde die Familie noch belogen. Es war einer dieser Standard-Texte, die in den Büro, in dem die Telegramme geschrieben wurden, von denen Hunderte Exemplare in den Regalen gestapelt und doch viel zu schnell aufgebraucht wurden. Es wurde nur noch der Name eingesetzt. Ich zweifelte auch an der Echtheit der Unterschrift.

Mein Blick fiel auf das Wort Vengenza. Mein Opfer war noch jung, Flavio Umberto Gonzalez wahrscheinlich sein Vater. Er wollte ihn rächen, für das was die verhassten Contras ihm und seiner Familie antaten, dabei hatten diese auch nur ihre Befehle ausgeführt, sie hatten geschossen um ihr Leben zu retten. Im Krieg gibt es keine Sieger oder Verlierer, es gibt nur Überlebende und Tote.

Das Leben des unglücklichen Sohnes wurde ein Jahr später von jemanden beendet, der zwei Wochen zuvor Nicaragua erst nach zehnminütigen Suchen auf der Landkarte gefunden hätte. Dieser jemand saß jetzt hier, neben der vielleicht schönsten Frau der Welt, mit einem großen Haus, einem guten Job und einem Schweizer Nummernkonto. Unwillkürlich sprach ich meine Gedanken aus.
"Wir hatten das selbe Schicksal durchgemacht, nur hatte ich es leichter, während er seinen Vater in einem Krieg verlor, lernte ich meinen niemals kennen und somit lieben. Doch ich drückte den Abzug durch und machte seine Mutter nur noch unglücklicher und wurde dafür noch mit $10.000 entlohnt. Findest du das gerecht?"
Sie schüttelte nur mit dem Kopf, unfähig ein Wort hervorzubringen.

"Gerechtigkeit, das war in unser Branche ein sehr dehnbarer Begriff. Recht hatte der, der das Geld hatte. Das Söldnertum war schon immer eine Dienstleistungsbranche. Wir lieferten den Tod für Geld, und das in tausend Variationen. Für uns gab es nicht richtig oder falsch, denn egal was wir machten, es war moralisch verwerflich. Wir waren nur Schachfiguren im Konzert der Großen, wurden benutzt um die Ziele der feinen Herren, die mit ihren fetten Ärschen nicht mehr aus ihrem Stuhl im Hundertsten Stockwerk eines Wolkenkratzers hochkamen, zu verwirklichen. Sie benutzten uns für ihre Ziele, wir benutzten unsere Gegner für unsere Aufgaben. Das schwächste Glied der Kette verlor, das war für mich fast fünfzehn Jahre das erste Naturgesetz."

Angelina brachte nur ein leises "Warum" hervor.
"Geldgier. Wir töteten wie ein Bäcker, der täglich seiner Arbeit nachgeht. Es war nichts weiter als ein Job, der Mensch im Fadenkreuz war nichts weiter als das Brot, der Lohn unserer Arbeit, welcher unheimlich lukrativ ist. Wessen Leben wir da gerade beendet hatten, wenn wir den Abzug durchgedrückt hatten, war absolut nebensächlich. Ein Söldner pflegte immer zu sagen: 'Never ask why, the answer is always the same: the world is unfair.' Es war nichts weiter als ein Schutzmechanismus. Er sollte die wahren Gründe überdecken. Erst heute, fünfzehn Jahre später, kann ich erahnen, welches Leid ich über die Welt gebracht habe. Ich will es gar nicht wissen. Ich habe Angst davor."

"Du musst es aber wissen", protestierte Angelina mit zitternder Stimme. "Ich kann verstehen, dass du dich davor fürchtest, ich tue es auch, aber da müssen wir jetzt durch. Sonst wirst du nie mit deiner Vergangenheit abschließen können. Du musst es einfach jemandem erzählen. Ich will, dass du weitermachst", sagte sie nun voller verzweifelter Entschlossenheit.

Zybell kam zu mir rüber.
"Wie geht es dir, Duncan?"
"Ganz gut."
"Aber?"
"Ich mach mir Vorwürfe, weißt du? Wegen mir liegt Nikita da jetzt und muss behandelt werden. Wie geht es ihr? "
"Der Doc meint, sie wird es überleben. Der Schuss war nur ein Streifschuss, wurde nur ein bisschen Fleisch rausgeschossen, nichts Ernstes. Du brauchst dir keine Vorwürfe machen."
"Ist Raul sehr sauer auf mich?"
"Anfangs schon, aber er hat sich inzwischen beruhigt. Du hattest drei Abschüsse, das zeigt, dass du den Beruf nicht verfehlt hast. Wir hatten damit gerechnet, dass dir so was mal passieren würde. Wir wussten, dass du ein Greenhorn bist. Aber jemanden mit deinen Qualitäten gibt es halt nicht oft auf dem Markt. Nimm´s nicht so tragisch, so etwas ist uns allen doch schon mal passiert."

Wir gingen wieder zurück zu den anderen. Nikita lag auf der Tragfläche des Jeeps. Sie schwitzte sehr stark. Ein kalter Lappen auf der Stirn sollte das Fieber ein wenig senken. Es war kein schöner Anblick.
"Wie geht es dir?" Ich hatte Angst diese Frage zu stellen, doch gleichzeitig musste ich es wissen.
"Schon ganz gut", antwortete sie.
"Es tut mir leid", hauchte ich ihr zu.
"Schon ok, jetzt werde ich wenigstens mal ein wenig chauffiert." Sie lächelte, doch es war ein sehr gequältes Lächeln, sie schien starke Schmerzen zu haben.
Unser kleines Gespräch wurde beendet, als Raul mich zur Besprechung rief.

Inzwischen war unser ganzer Trupp versammelt, die Rebellen übernahmen die Observierung des Geländes. Raul befragte den Doc nach dem Gesundheitszustand von Nikita.
"Nun sie wurde angeschossen. War aber nur ein Streifschuss am linken Oberarm. Nichts ernstes. Ich habe die Wunde versorgt, das ist nicht das Problem." Ich atmete auf.
"Aber der Schlangenbiss ist ein wenig schlimmer. Eine Giftschlange hat ihr in die Wade gebissen. Allerdings hatte sie Glück im Unglück, die Schlange hat keine große Vene oder Arterie getroffen. Ich hab ihr ein Gegenmittel schon verabreicht. Im Moment hat sie leichtes Fieber und Schweißausbrüche. Es könnte auch zu höherem Fieber oder Schüttelfrost kommen. Sie brauch jetzt viel Ruhe, sollte sich auf keinen Fall anstrengen."
"Wann ist sie wieder einsatzbereit?", wollte Raul wissen.
"Hm, da es nicht so schlimm ist, denke ich, dass sie spätestens in einer Woche wieder vollkommen topfit ist."
"Wie schnell kannst du sie wieder einigermaßen kampfbereit machen?"
"Wenn alles gut läuft in zwei bis drei Tagen."
Es war ein äußerst enges Zeitfenster, welches wir hatten um Puerto Cabezas anzugreifen und Nikita war ein elementarer Bestandteil dieses Angriffes. Doch mit viel Glück würde sie rechtzeitig wieder gesund werden. Wir hatten noch Hoffnung.

Kurz nach eins ging es weiter, Isaac übernahm Nikitas Position. Er war ein gleichwertiger Ersatz. In gewisser Weise verkörperte er den perfekten Soldat. Unheimlich professionell, diszipliniert, ein stiller Mann, der nicht zu viele unangenehme Fragen stellte. Isaac hatte alles was ein guter Scharfschütze brauchte. Er konnte sich verdammt gut tarnen, hatte gute Augen, eine gute Übersicht und trotz seines Alters schon relativ viel Erfahrung aus seinen Einsätzen für ein israelisches Spezialkommando. Dazu kam das obligatorische ruhige Händchen gepaart mit einer vorzüglichen Hand-Augen-Koordination und absoluter Kaltschnäuzigkeit. Den Job, den er jetzt mit uns als Vorhut erledigte, war für ihn nicht mehr als Routine. Leider war er nicht so gesprächig wie Nikita, denn das war ja schließlich unprofessionell und passte so gar nicht zu diesen Perfektionisten.

Je näher wir Cabezas kamen, desto mehr lichtete sich der Urwald und wir kamen an vereinzelten Ortschaften vorbei. Damit stieg die Gefahr entdeckt zu werden deutlich. Doch auf alle Probleme hatte Raul eine Antwort. Aus einer der Taschen, die die Mulis transportiert hatten, kam eine Plane hervor. Sie wurde über die Tragfläche des Jeeps gespannt. Das Logo der nicaraguanischen Armee kam zum Vorschein. Es war selbstgemalt und den Jeeps der Armee nachempfunden. Einer genaueren Betrachtung hielt dieses Kunstwerk nicht stand. Doch es erlaubte uns zu einem gewissen Maß uns unbemerkt im Feindesland zu bewegen. Raul und Manuel stiegen in das Fahrerhaus, Doc Jansen hinten zu Nikita. Dann fuhren sie davon.
"Wo wollen die hin?", fragte ich Carlos.
"Sie besorgen uns einen Schlafplatz.", sagte er mit einem Grinsen.

Eine halbe Stunde später kam ein alter Lastwagen zu uns. Manuel stieg aus.
"Hat jemand ein Taxi gerufen?", fragte er in die Runde.
Es stellte sich heraus, dass einer der Rebellen aus einem Ort zehn Kilometer vor Puerto Cabezas stammte. Sein Vater war eine wichtige Person dort in dem kleinen Dorf. Ihm gelang es die Ortschaft auf unsere Seite zu ziehen. Der Deal war einfach, aber genial. Mit Hilfe des alten Trucks würden wir nach und nach alle Rebellen in diesen Ort bringen. Anschließend wurden sämtliche Rebellen auf die Häuser verteilt, deren Bewohner den tapferen Kämpfern gerne halfen. Alles was sie machen mussten, war eine Schlafstätte herzurichten, Verpflegung hatten die Rebellen selbst genug. Der Jeep und der Truck verschwanden in einem alten Stall. Die Armee, sofern sie in dieser Gegend überhaupt anwesend war, und zu neugierige Zivilisten bekamen von der ganzen Aktion überhaupt nichts mit. Der Feind bekam nicht mit, dass zehn Kilometer vor dem Tor nach Osten, welches Puerto Cabezas für Nicaragua darstellte, eine Hundertschaft von Rebellen sich darauf vorbereitete die Stadt zu übernehmen. Es war zehn Uhr als die gesamte Aktion gelaufen war und sämtliche Rebellen auf die Häuser verteilt waren.

Wir hatten gerade fertig gegessen und wollten uns auf unsere Zimmer zurückziehen, als Zybell und Raul an mich und Manuel herantraten.
"Für euch fängt die Nacht jetzt erst an.", sagte Zybell. Wir schauten ihn fragend an. Raul klärte die Angelegenheit auf.
"Ihr werdet heute noch Cabezas besuchen mit der Aufgabe die dortige militärische Situation zu observieren."
"Und wie sollen wir das anstellen?"
"Ihr nehmt euch den Truck und erklärt den Leuten dort, dass ihr Waren auf den Markt kaufen wollt. Duncan, du bist ein amerikanischer Entwicklungshelfer, der Manuel bei dem Aufbau eines landwirtschaftlichen Großbetriebes hilft."

Raul übergab uns ein paar hundert Dollar.
"Das ist für das Hotel und für eventuelle Informanten."
Bestechung war ein legitimes Mittel auf den Straßen von Puerto Cabezas. In keiner anderen Stadt des Landes klaffte die Wohlstandsschere so auseinander wie in der goldenen Stadt Nicaraguas. Dort befanden sich die wichtigen Goldhändler Nicaraguas, die mit dem Edelmetall aus den umliegenden Minen ein Vermögen machten. Offiziell waren sie Staatseigentum, doch die Betreiber ließen mehr in ihre eigenen Taschen fließen als sie abgaben. Die Politiker, die davon wussten wurden mit fürstlichen Beträgen ruhig gestellt. Auch die Filmindustrie ließ sich hier nieder und drehte einen Propagandafilm nach dem anderen, meist über die glücklichen Bergarbeiter der Umgebung. Sie drehten keine Filme über die vielen Arbeitslosen, die ihren Job verloren, als die Industrie hier zusammenbrach aufgrund dem Ende des Eisenerzabbaus. Experten hatten hinter der kleinen Erzader riesige Vorkommen vermutet, eine riesige Industrie wurde aus dem Boden gestampft, doch es stellte sich heraus, dass das was die Experten für Eisenerz hielten, so minderwertig war, dass sich der Abbau nicht lohnte.

Manuel und ich stiegen in den Truck. Das Land war flach hier und die Straßen sogar asphaltiert. Felder prägten das Gebiet. Im Hintergrund sah man noch die verlassen Industrieanlagen, deren Flugwarnlampen einsam vor sich hin blinkten. Wir erreichten die Stadt nach ungefähr einer Viertelstunde. Erwartungsgemäß wurden wir von einer Straßensperre angehalten. Manuel wechselte ein paar Worte mit den Posten und stieg dann aus. Die Tür zum Lagerraum wurde geöffnet. Der Soldat schaute sich genau um und als er nichts entdecken konnte, ließ er uns passieren. Ich blieb während der ganzen Aktion im Dunkeln.

Manuel bat mich in die Ablage der Beifahrertür zu greifen. Ein kleiner Zettel kam zum Vorschein. Auf diesem stand eine Adresse, die ich in dem kargen Licht der in regelmäßigen Abständen auftauchenden Straßenlaternen kaum lesen konnte.
"Hotel Marilyn, casa de la calefacción 25."
"Alles klar, auf geht´s."

Innerhalb kürzester Zeit fuhr Manuel den Wagen vor die schäbige Absteige. Ich fragte mich, ob er den Stadtplan von Cabezas auswendig kannte. Eine flackernde Neonreklame, bei der mehrere Buchstaben gänzlich dunkel blieben, strahlte den Namen des Hotels in die Dunkelheit. Wir checkten ein und gingen auf unser Zimmer. Es war spartanisch eingerichtet. Bett, Nachttisch und Schrank, das war es im Grunde schon. Doch mehr war auch nicht nötig, wir sollten hier nur ein paar Stunden Schlafen und im Vergleich zu den Anderen ging es uns nicht wirklich schlimmer.
Manuel kam mit einem Stadtplan, den er an der Rezeption für $5 erstanden hatte und wir brachen auf um die Stadt, in der wir in ein paar Stunden kämpfen würden, ein wenig näher kennen zulernen.

Laut Stadtplan gab es zwei militärische Lager in Puerto Cabezas, ein Gelände für die Infanterie und ein weiteres mit dem gesamten Fuhrpark. Beide lagen am westlichen Rand der Stadt, getrennt von einander durch fünf Blocks. Wir fuhren zuerst zu den Kasernen. In einem verkommenen Wohngebiet parkten wir den alten Transporter.
Die Kasernen bestanden zum größten Teil aus einem verlassenem Industriegebiet, welches jetzt als Trainingsgelände diente. Dort wo einst Tausende Hände das Roheisen aus riesigen Hochöfen gewannen, wurde die gespenstige Ruhe nur ab und zu durch ein paar Schüsse durchbrochen. Wir teilten uns auf, während ich mit der Polaroid-Kamera wichtige Informationen beschaffen sollte, lenkte Manuel die Wachen mit belanglosen Gesprächen ab. Er gab sich als Nicaraguaner aus der Hauptstadt Managua, der Verwandte besucht. Ihm gelang es so auch ein paar Informationen zur Truppenstärke herauszufinden. Unsere Schätzung von einer 75 Mann starken Besatzungsmacht war ziemlich gut, insgesamt waren es wohl an die 100 Soldaten. Sie waren eine Art Vorauskommando. In der nächsten Zeit würden mehrere Züge hinzukommen.
Während Manuel all dies von den Wachen erfuhr, fing ich das Gelände mit der Kamera ein. Dank dem Restlichtverstärker konnte ich auf das allzu verräterische Blitzlicht verzichten, der Infrarot-Vorsatz zeigte auf den Photos die Position der Personen.

Das Selbe wiederholten wir beim Fuhrpark. Er war vergleichsweise gut ausgerüstet, knapp zehn Jeeps ein paar APCs und sogar zwei Panzer. Dazu drei Helikopter der Marke Hind. Selbst ohne unseren Strategen Raul war uns klar, dass wir verhindern mussten, dass die Soldaten zu diesen Fahrzeugen gelangen konnten. Doch wie man das realisieren sollte, diese Überlegung überließen wir ihm dann doch.

Puerto Cabezas, 10. August 1987

Als ich auf die Uhr schaute, war es kurz nach zwei Uhr, erste Ermüdungserscheinungen machten sich trotz literweise Kaffee bemerkbar. Wir saßen nun schon seit geraumer Zeit in dieser schäbigen Bar. Rustikal war ein viel zu hochgegriffner Begriff für diese Ansammlung von Sperrmüll, die als Tische und Stühle dienten. Zu trinken gab es auch nur Tequila oder halt Kaffee. Während ich nun abwechselnd mal das eine dann das andere zu mir nahm, beobachtete ich Manuel wie er einen Offizier bearbeitete und eine Runde nach der anderen schmiss. Je höher der Alkoholspiegel stieg, desto flüssiger verließen die Informationen seinen Mund und die Körperflüssigkeiten seinen Körper.
Angewidert blickte ich raus zum Fenster, ich verstand eh nicht, was dieser besoffene Wichtigtuer zu sagen hatte, gleichwohl es sehr wichtig für die Mission war, aber was man soll man machen, wenn man kein spanisch kann.

Draußen war auch nicht gerade sonderlich viel los. Ein einziger Mann stand abseits des Laternenscheins, rauchend, anscheinend auf etwas wartend. Irgendwas fesselte meinen Blick an dieses bizarre Szenarium, aber was? War es der Mann? Er kam mir irgendwie bekannt vor. Nun kam Bewegung in das Stilleben, ein weiterer Mann ging auf mein Dejavue zu, das nun endlich aus dem Schatten in den Schein der alten Laterne trat. Es war Vladimir.

Konnte das sein? Hatte ich zu viel getrunken? Ich musste mich vergewissern.
"Manuel, komm mal schnell." Nur sehr widerwillig befolgte er meiner Aufforderung, war er doch mitten in wichtigen Gesprächen.
"Was willst du denn? Ich bin kurz davor, noch fünf Minuten und er hätte mir die Blaupausen überreicht. Du gefährdest den Erfolg der Mission ist dir das klar?" Nachdem er fertig war mit seiner kleinen Moralpredigt, kam er auf den Punkt.
"Was willst du denn nun von mir?"
"Kennst du den da draußen?"
Mit dem Kopf lenkte ich seine Blicke aus die Szenerie dort draußen.
Seine Gesichtszüge erstarrten.
"Verdammt, was tut der hier?"
"Viel interessanter finde ich die Frage wer sein Bekannter ist. Ich finde wir sollten der Sache nachgehen, was meinst du?" Manuel nickte ohne Vladimir aus den Augen zu lassen.

Dann verschwanden die beiden Gestalten in der Dunkelheit.
"Los, wir folgen ihnen."
Wir verließen die Bar, während Manuel im Vorbeigehen eine $50-Note auf den Tresen legte. Der fette, besoffene Offizier war längst vergessen.

Die Straße, welche die beiden krampfhaft locker entlang schlenderten, war trotz der wenigen schwachen Laternen hell beleuchtet. In regelmäßigen Abständen schauten sie sich um, sicher gehend, dass sie niemand verfolgte.
"Los, wir stellen sie jetzt gleich, das ist unsere einzige Chance." Manuel entsicherte seine Pistole. Ich hielt ihn zurück.
"Lass das mein Problem sein."
Die Nacht war schwarz, es herrschte Neumond, dunkle Wolken versperrten den Blick auf die Sterne. Es war geradezu perfekt für mich.
"Warte hier", befahl ich Manuel.

Bevor dieser eine Antwort geben konnte, kletterte ich schon an einer Regenrinne auf das Dach. Es war eine vergleichsweise einfache Übung, die Häuser hier waren nicht sehr hoch. Wenn das menschliche Auge etwas sucht, schaut es in alle Himmelrichtung, nur selten nach oben. Diesen Effekt versuchte ich zu nutzen in dieser dunklen Nacht.
Langsam setzte ich den Fußballen auf. Erst den einen, dann den anderen, langsam kam ich vorwärts. Der Boden war schmierig von den Regenschauern, das leichte Gefälle, der nicht ganz exakt gebauten Gebäude verliehen mir nur einen sehr unsicheren Stand.

Ich hatte Glück, dass die Häuser in diesem Viertel so nah beieinander standen, ich musste noch nicht einmal springen um von einem Dach auf ein anderes zu gelangen. Meine einzige Sorge war, ob die morschen Häuser das zusätzliche Gewicht aushalten würden. Bedächtig schlich ich weiter, die Beiden nicht aus den Augen lassend.
Nach 200 Metern bogen sie in eine kleine Seitenstraße ab. Nun lief ich schneller, bestand doch die Gefahr sie aus den Augen zu verlieren. Als ich endlich Einblick, sah ich in die Augen von Vladimir. Sofort übernahmen meine Instinkte, ich ließ mich fallen. Das alte Blech schreite gequält auf. Er musste es gehört haben.

Er blickte weiter in meine Richtung, angestrengt, konzentriert. Ich lag da, so sehr hoffend, dass er mich bemerkt hatte. Sein Kopf drehte sich zu seinem Gegenüber, er sagte ihm etwas. Der eiskalte Russe, der sicher nicht davor zurückschrecken würde seine Teamkollegen zu töten, stellte seinen Koffer ab, griff unter seinen Mantel und holte seine CZ-75 hervor. Es war aus, gegen Vladimir hatte ich keine Chance. Er hantierte mit seiner Waffe rum, entsicherte sie wohl. Ich war paralysiert, konnte mich nicht bewegen, so sehr ich auch wollte.
Dann kam das Magazin aus der Waffe, Vladimir übergab die fünfzehn 9mm-Patronen dem Fremden. Dann traten sie ein.
Erst wenige Sekunden später realisierte ich, dass Vladimir mich nicht entdeckt hatte. Erleichtert stieß ich die CO2-haltige Luft aus meinen Lungen. Es dauert noch eine Weile bis ich aus meiner Starre erwachte. Wir wussten jetzt, wo sie waren. Ich kletterte herunter und wank Manuel zu mir.

Die flureszierenden Zeiger, die auch in der Dunkelheit gut zu sehen waren, zeigten auf die Zwei und die Drei, es war 2:15, als wir mit entsicherten Waffen vor der Tür standen, durch die Vladimir und sein mysteriöser Begleiter vor knapp fünf Minuten traten. Ich öffnete sie leise. Vor uns erstreckte sich ein dunkler Treppengang, auf dieser Seite der Straße waren die Häuser ein paar Stockwerke höher.
Langsam erklommen wir uns gegenseitig sichernd die knarrende Treppe. In der ersten Etage drang Licht durch ein Schlitz unter einer Haustür. Das schwache Licht meiner Uhr sagte mir, dass der Bewohner kein Namensschild angebracht hatte. Der Entschluss stand fest: Stürmen!

Die leichte Holztür ächzte unter dem schwerem Druck unser beiden Körper und gab schließlich nach. Sofort rannten wir weiter. Das Licht war dunkel an allen Räumen, wir liefen weiter ohne diese Räume zu checken. Wir mussten den Überraschungseffekt nutzen. Am Ende des Ganges war wieder eine Tür, die dem kräftigen Tritt von Manuel nicht standhalten konnte. Die ganze Aktion hatte bisher zwei Sekunden gedauert.

Als wir den Raum betraten, hatte Vladimir seine Hände schon über dem Kopf. Der fremde Mann kramte verzweifelt nach seiner Pistole.
"Gib es auf Sergei", schrie Vladimir ihm zu. Als er das Klicken unser Pistolen hörte, folgte er dem Rat des erfahrenen Soldaten.
Während ich die Beiden beobachtete, fesselte Manuel Sergei mit einem Kabel, das auf der Erde lag. Nun war Vladimir dran.
"Du brauchst mich nicht zu fesseln, ich bin unbewaffnet, frag Duncan." Manuel blickte zu mir rüber. Ich versteinerte, er hatte mich doch bemerkt. Irgendwie schaffte ich es zu nicken. Manuel ließ von ihm ab.
"Du bist uns einige Antworten schuldig", forderte der alte Haudegen den russischen Elitesöldner auf.
"´Duncan, erinnerst du dich noch, wie ich dir von meiner Flucht erzählt habe und wie ich in der DDR gefangen genommen wurde?" Ich nickte.
"Und hast du ernsthaft geglaubt, dass die mich so einfach gehen lassen?"
"Ehrlich gesagt, schon."
Er schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch. Er goss sich einen Vodka ein. Moskovskaja, direkt aus Russland, hier nicht zu bekommen. Sergei musste ihn mitgebracht haben.
"Du enttäuscht mich, Duncan. Ich dachte wirklich du bist ein cleverer Junge. Wie du da eben auf dem Dach lagst, man, da dachte ich ernsthaft du wärst auf mein Spiel eingestiegen."
"Welches Spiel?"
Die Konfusion war groß, nicht nur bei mir.
"Könnte das hier bitte jemand aufklären?"

Vladimir füllte das Glas bis zum Rand und trank es mit einem Mal aus. Er trank nichts nach.
"Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei meiner Gefangenschaft. Ich hab denen einen großen Teil meines Gehaltes als freier Söldner angeboten, doch das war denen nicht genug. Ich stand vor der Wahl: Entweder sibirisches Arbeitslager, und ihr müsst wissen, dort ist es im Winter verdammt kalt und guten Vodka gibt es dort auch nicht, oder ich arbeite als Agent für den KGB. So einer wie ich hatte Moskau noch gefehlt, einen Profisöldner, der über die Aktivitäten des imperialistischem Ausland in der ganzen Welt berichten kann. Ist euch schon mal aufgefallen, dass es sehr wenige russische Freelancer gibt? Die paar anderen sind dem KGB durch die Lappen gegangen."

Er legte eine kurze Pause ein um sich eine Zigarette anzuzünden. Gedankenverloren atmete er den weißen Rauch aus.
"Ich entschied mich für die Zusammenarbeit mit dem KGB. Seit dem muss ich alle paar Monate Bericht an diesen Schleimbeutel da drüben abliefern. Darf ich vorstellen? Sergei Fjodorov, Verbindungsoffizier des KGB. Ich musste Berichte über alle Aufträge abliefern, egal ob ich sie annahm oder nicht, ich musste jeder kleine Einzelheit meiner Mitstreiter rapportieren, über Einsatzgebiete, über Regierungen und Rebellen, für dich ich arbeitete, einfach über alles. Ich hasse es. Und dann kamst du, Duncan, und fragtest nach meiner Vergangenheit. Ich öffnete mich dir soweit, dass ich hoffte, du würdest dahinter steigen. Und als ich da auf dem Dach sah, wusste ich, dass das bald vorbei sein würde."
Er stand auf und ging zu seinem Verbindungsoffizier. Ein hämisches Grinsen machte sich auf Vladimirs Gesicht breit, als er den Gefesselten in die Augen blickte. Sergei stieß russische Flüche aus, brüllte ihn an, Panik lag in seinen Augen, dann brach Vladimir ihm das Genick.

"Was sollte denn die Aktion? Meinst du nicht, der KGB wird nach dir suchen, wenn du seine Verbindungsoffiziere tötest?", protestierte ich lauthals.
Doch der kalte Russe gab keine Antwort, er setzte sich wieder an den Tisch, an den Platz, an dem auch der Laptop stand. Ein Kabel führte zu einem kleinen Sattelitenempfänger. Er hatte Verbindung zum russischen Geheimdienst, eingeloggt als Sergei Fjodorov. Vladimir schrieb.

An:#0163425, Maximilian Raschniejv, Abteilung 9, Mittelamerika
Von:#02321834, Sergei Fjodorov, VO-"Freelancer"

GA Vladimir Kniazewa ist gefallen Stopp Wurde von Sandinos erschossen, bei Versuch der Infiltration in Puerto Cabezas Stopp Konnte seine Berichte retten Stopp Demnach Rebellen keine Gefahr für Sandinos Stopp Keine Intervention von amerikanischen Söldnern Stopp Werde von Rebellen verfolgt Stopp Bitte um vorrübergehende Rückkehr nach Moskau Stopp Fjodorov Ende

Mit dieser Nachricht war Vladimir Kniazewa nun offiziell tot, doch in seinem Tod war er so frei wie noch nie. Nebenbei verhinderte er mit seinem Bericht die Intervention der Sowjetunion in diesen Konflikt.

Nachricht übermittelt


Von Mattscho


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